Protokoll der Sitzung vom 18.02.2016

Im Bezirk der Polizeidirektion Oldenburg: „Bürgerwehr WHV e. V.“ - eine öffentlich agierende Gruppierung -, „Bürgerwehr Wilhelmshaven“, „Bürgerwehr Vechta“ - mittlerweile umbenannt: ‚Xxx haha xxx‘ -, „Vechta gegen Linke Gewalt“, „Oldenburg wacht!/Bürger in Oldenburg (B.I.O.)“, „Bürger aus der Mitte Oldenburg“.

Im Bezirk der Polizeidirektion Lüneburg: „Bürgerwehr Uelzen“, „Celle passt auf“.

Im Bezirk der Polizeidirektion Osnabrück: „Aurich passt auf“, „Bürgerwehr Aschendorf (LK EL)“, „Nationaler Widerstand Spelle“, „Bürgerwehr Graf

schaft Bentheim/Northeim“ - mittlerweile umbenannt in: „Offene Augen der Grafschaft Bentheim“ -, „Bürgerwehr Ostfriesland“.

Im Bezirk der Polizeidirektion Hannover: „Bürgerwehr Hannover“, „Hannover passt auf“ - zwei Bürgerwehren mit identischem Namen -, „Hannover passt auf“ - also noch einmal -, „Bürgerwehr Lehrte“, „Hannoversche Nachbarschaftshilfe“, „Hannover Bürgerwehr, wir schützen und helfen“ Hannover.

Im Bezirk der Polizeidirektion Braunschweig: „Gifhorn passt auf“, „Bürgerwehr LK Goslar (Langels- heimer Bürgerwehr)“.

Im Bezirk der Polizeidirektion Göttingen: „Hildesheimer diskutieren“, „Nachbarschaftshilfe Hildesheim“, „Sicherheit Göttingen - Bürgerinitiative - Bürgerstreife“, „Bürgerwehr Weserbergland Gemeinschaft“, „Initiative treues Weserbergland Gemeinschaft“, „Anonymous Hameln Gemeinschaft“.

Zu Frage 2: Die in der Vorbemerkung dieser Dringlichen Anfrage genannten Ermittlungen gegen die Langelsheimer Bürgerwehr hat die Polizeidirektion Braunschweig bestätigt. Außerdem wurde gegen ein Mitglied der Facebook-Gruppe „Bürgerwehr Hannover“ ein Ermittlungsverfahren wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten gemäß § 111 des Strafgesetzbuches eingeleitet.

Gegen einen der insgesamt drei Administratoren der Facebook-Gruppe „Hannover passt auf“ wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Niedersächsische Versammlungsgesetz eingeleitet.

Zu Frage 3: Nach den vorliegenden Informationen zeichnet sich diesbezüglich ein ambivalentes Bild.

Während bei einigen sogenannten Bürgerwehren keine Erkenntnisse über Kontakte zur rechtsextremistischen Szene vorliegen, sind bei anderen solche Verbindungen vorhanden. Diese sind sehr unterschiedlich ausgeprägt und reichen von Sympathiebekundungen in sozialen Netzwerken bis hin zur aktiven Beteiligung an dieser Szene.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Pistorius. - Meine Damen und Herren, wir treten jetzt in die Fragephase ein. Sie kennen die Spielregeln: keine zu langen

Vorbemerkungen. - Die erste Frage stellt Frau Julia Willie Hamburg. Bitte!

Verehrter Herr Präsident! Ich frage die Landesregierung, wie sie zu der Aussage von Miriam Heigl - das ist die Leiterin der Fachgruppe gegen Rechtsextremismus aus München - in der Süddeutschen Zeitung steht, dass Bürgerwehren „Teil eines Radikalisierungsprozesses der extremen Rechten“ seien?

Danke schön. - Herr Minister, bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Hamburg, nach den sexuellen Übergriffen in Köln und anderen Städten in Deutschland war in Niedersachsen wie auch bundesweit ein sprunghafter Anstieg der Bildung von Bürgerwehren zu verzeichnen. Diese existieren allerdings überwiegend nach wie vor - ich habe es gerade gesagt - virtuell und entfalten kaum bis keine tatsächlichen Aktivitäten.

In Niedersachsen ist der Großteil der zwischen 1 bis übrigens mehr als 1 000 Mitglieder zählenden virtuellen Bürgerwehren auf Initiativen von Angehörigen des bürgerlichen Spektrums zurückzuführen. Zu den Mitgliedern zählen in einigen Fällen auch bekannte Angehörige der rechtsextremistischen Szene, deren Anteil allerdings in den allermeisten Fällen außerordentlich gering ist. Lediglich in Einzelfällen zählen Angehörige der rechtsextremistischen Szene zu den Initiatoren oder den Verantwortlichen der Bürgerwehren.

Bis Ende 2015 wurde in Niedersachsen lediglich eine Bürgerwehr in Schwanewede bekannt, die im Umfeld der zur Unterbringung von mehr als 1 200 Flüchtlingen gedachten Kaserne in Schwanewede sogenannte Bürgerpatrouillen durchgeführt hat. Einen ähnlichen Zweck verfolgten Angehörige des Kreisverbandes Hildesheim - auch schon genannt - der Partei Die Rechte, die propagandistisch über ihre im Umfeld einer Asylbewerberunterkunft in Hoheneggelsen durchgeführten Spaziergänge „für Recht und Ordnung“ berichteten.

In der Gesamtschau ist festzuhalten, dass Bürgerwehren in Niedersachsen bislang nur in wenigen Fällen von Rechtsextremisten initiiert oder maßgeblich beeinflusst werden.

Bezugnehmend auf das Zitat von Frau Heigl, lässt sich stattdessen konstatieren, dass Bürgerwehren vielmehr als Ausdruck eines Radikalisierungsprozesses in Teilen der Gesellschaft zu betrachten sein können. Das muss uns mindestens genauso alarmieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Minister. - Die nächste Zusatzfrage stellt Kollege Belit Onay. Bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrter Herr Minister Pistorius, Sie haben gerade ausgeführt, dass es gerade in den sozialen Netzwerken besondere Aktivitäten dergestalt gibt, dass sich dort die sogenannten Bürgerwehren gründen, koordinieren und organisieren. Können Sie darstellen, welchen Zusammenhang die Landesregierung zwischen der virtuellen Welt in den sozialen Medien und der realen Welt und den dortigen Aktivitäten sieht, ob es einen Zusammenhang gibt und wie Sie ihn bewerten?

Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Onay, natürlich wissen wir - das kann ja jeder sehen -, was in sozialen Medien, in Foren, bei Facebook und anderswo passiert. Das kann natürlich dazu führen, dass dort sichtbar entfaltende Aktivitäten irgendwann quasi auf der Straße ihre Realisierung erfahren.

Wir erleben aber gleichzeitig sehr, sehr oft, dass das, was nachts um 2 Uhr am Computer per Mausklick als „Like“ zum Beitritt einer Gruppe gepostet wird, bei der Realisierung sehr schnell seine natürlichen Grenzen in der Wirklichkeit findet, nämlich dann, wenn man auf die Straße gehen muss. Und das ist auch gut so.

Wir werden das weiter aufmerksam beobachten. Die Entwicklungen sind höchst widersprüchlich. Wir können aber sagen, dass es bislang in der überwiegenden Zahl der Fälle - das habe ich eingangs ausgeführt - nicht zu einer Realisierung der virtuell gegründeten Bürgerwehren gekommen ist.

Wir werden aufmerksam darauf achten, dass das so bleibt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Es folgt jetzt Herr Kollege Oetjen. Bitte!

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass sich viele dieser sogenannten Bürgerwehren „… passt auf“ nennen, also in der Bezeichnung der Bürgerwehr zum Ausdruck bringen, dass irgendein Ort aufpasst, frage ich die Landesregierung, inwieweit es eine Vernetzung dieser Gruppen untereinander gibt, die zum Entstehen einer gesamtgesellschaftlich stärkeren Strömung führen könnte?

Danke schön. - Herr Minister, bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Oetjen, darüber ist nichts bekannt. Es gibt Vermutungen, dass das passieren könnte. Aber allein die zufällige, aber gleichzeitig naheliegende Namensgebung „Gemeinde XY passt auf“ ist weder Ausdruck einer besonders intellektuellen Kreativität noch einer Besonderheit.

Diese Nachbarschaftshilfen - sie hießen in den 90er-Jahren „Nachbarschaftswachen“ - hat es schon öfter gegeben, und sie hießen immer so: „Gemeinde XY passt auf“ oder „Wir passen auf“. Das ist nicht besonderer Ausdruck einer Identität, die dadurch gestiftet wird. Aber das ist eben der Unterschied zu der Situation in den 90er-Jahren.

Da, wo das Internet, die Foren eine Möglichkeit bieten, sich auf diese Art und Weise zu vernetzen, wird man genau hinsehen müssen. Man muss aber sagen, dass das im Augenblick nicht die Strahl- und Anziehungskraft hat, die der eine oder andere seiner eigenen Einrichtung und seiner eigenen Idee gerne beimessen möchte.

Vielen Dank. - Die nächste Zusatzfrage kommt aus der CDU. Kollegin Jahns, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung vor dem Hintergrund, dass es bereits seit einigen Jahren in Niedersachsen verschiedene Nachbarschaftsrunden gibt, die sich sicherlich auch aus einem Angstgefühl in der Bevölkerung heraus gegründet haben: Kann sich die Landesregierung vorstellen, dass sich diese Nachbarschaftsrunden aufgrund der gestiegenen Einbruchszahlen in der Statistik auch in anderen Bereichen gründen, und würde die Landesregierung diese Nachbarschaftsrunden unterstützen?

Danke schön. - Herr Minister, bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Jahns, auch das hatten wir schon in den 90er-Jahren: die Nachbarschaftsrunden, die in den Gegenden, in denen es vorübergehend erhöhte Einbruchszahlen gab, gewissermaßen in einer besonders ausgeprägten Art und Weise Acht aufeinander gegeben haben, die in Schichten um die Häuser gelaufen sind und geguckt haben, ob etwas passiert. Das Ganze ist immer sehr schnell wieder eingeschlafen und hat in der Regel wenig nachhaltige Wirkung erzielt.

Ich wäre zurückhaltend mit der Aufforderung, das zu unterstützen, auch wenn es in guter Absicht geschieht. Ich begrüße es sehr, wenn Nachbarschaften und Menschen aufeinander Acht geben. Aber sie kommen sehr schnell in die Situation, dass sie eine Grenze überschreiten, ohne zu spüren, dass sie sie überschreiten. Dann geraten sie sehr schnell in eine Zwickmühle, die ich ihnen gerne ersparen möchte.

Es macht Sinn, wenn jemand Hinweise gibt und jemand hilft, wenn der Nachbar im Urlaub ist, und darauf achtet, wer in der Gegend herumstromert. Das klappt aber in einer funktionierenden Nachbarschaft, ohne dass man Schichtpläne aufstellen muss. Das würde ich immer eindeutig favorisieren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Die nächste Frage kommt von Frau Meta Janssen-Kucz. Bitte!

Ich frage die Landesregierung vor dem Hintergrund, dass in Güstrow in Mecklenburg-Vorpommern bei einem Mitglied einer Bürgerwehr Waffen gefunden wurden, ob bekannt ist, dass Mitglieder von Bürgerwehren hier in Niedersachsen im Besitz von Waffen sind oder Waffenscheine besitzen.

Danke schön. - Herr Minister, bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Janssen-Kucz, wie schon in der Beantwortung der Dringlichen Anfrage ausgeführt, liegen dazu keinerlei Erkenntnisse vor. Die Bürgerwehren - oder wie immer sie sich auch nennen mögen - in Niedersachsen haben erfreulicherweise, Gott sei Dank und noch immer völlig andere Strukturen, als dies in dem einen oder anderen ostdeutschen Bundesland der Fall ist.

Danke schön. - Es folgt Herr Watermann, SPDFraktion. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung, wie sie das Gewaltpotenzial der Bürgerwehren, von denen sie berichtet hat, einschätzt.