Meine sehr geehrten Damen und Herren, weil Sie vorhin, als es um Christian Wulff ging und seine Aktivitäten im VW-Aufsichtsrat kritisiert wurden, hier auf der linken Seite des Hauses solche komischen Geräusche gemacht haben, sage ich Ihnen eines: Das Präsidium des VW-Aufsichtsrates ist verantwortlich für diesen Vertrag, und Christian Wulff hätte als Mitglied des Präsidiums des VW-Aufsichtsrates einen solchen Vertrag niemals unterschrieben - anders als Stephan Weil, meine sehr geehrten Damen und Herren
Von daher, Herr Weil - Sie sind jetzt sicherlich peinlich berührt, weil herausgekommen ist, dass Sie für den Wechsel von Herrn Pötsch 10 bis 15 Millionen Euro bei Volkswagen lockergemacht haben, das akzeptiert und unterstützt haben -, müssen Sie die Verantwortlichkeiten eindeutig benennen, und Sie müssen, weil Sie diesen Fehler gemacht haben, dafür werben, dass diese 10 Millionen Euro nicht nur nicht gezahlt werden, sondern auch die enthaltenen Boni-Bestandteile zurückgegeben werden, und zwar vollständig. Ich sage Ihnen auch: Sie müssen dafür Sorge tragen, dass der Aufsichtsratsvorsitzende gegen einen neutralen, unabhängigen ausgetauscht wird, der wirklich im Interesse der Aktionäre Aufklärung betreibt und nicht seine eigenen Interessen nach vorne stellt.
Vielen Dank, Herr Bode. - Das war exakt innerhalb der Ihnen zugestandenen Redezeit. Es folgt jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen deren Vorsitzende Frau Anja Piel. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke zunächst dem Ministerpräsidenten Stephan Weil für seine klaren Worte. Vielleicht hätten Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, gerne markigere Ansagen. Herr Bode hat uns ja eben dargelegt, was er sich - bis hin zur Entlassung - vorstellt, und wir haben weitreichende Deutungen und Prognosen gehört. Aber auch wenn man gerade jetzt damit Schlagzeilen produzieren könnte, bin ich sehr dankbar, dass es Herrn Ministerpräsidenten Weil darum nicht geht. Klar geworden ist, dass die Landesregierung ihrer Verantwortung für VW nachkommt und dass Stephan Weil und Olaf Lies tun, was sie im Aufsichtsrat des Unternehmens eben leisten können, um VW bei der Bewältigung dieser Krise maximal zu unterstützen. Genau darauf kommt es jetzt an.
Meine Damen und Herren, es hilft ganz sicher nicht, ständig neue Unsicherheiten zu schüren. Es hilft dem Unternehmen VW nicht, es hilft aber auch ganz besonders den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von VW nicht, die ohnehin existenziell von dieser Krise betroffen sind. Aktuell sind besonders Beschäftigte aus der Leiharbeit und im Bereich der Werkverträge betroffen. Gleichwohl haben Meldungen bezüglich eines umfangreichen Stellenabbaus in der Verwaltung für viel Unruhe bei der gesamten Belegschaft gesorgt. Auszubildende bangen in diesen Tagen darum, ob sie am Ende ihrer Lehre noch auf einen Arbeitsvertrag hoffen dürfen. Für alle Betroffenen geht es nicht allein um Geld, sondern es geht um ihre gesamte Lebensgestaltung, die in der Region und auch weit darüber hinaus bis hin nach Emden - das wissen Sie - stark durch VW geprägt ist.
Meine Damen und Herren, diese Unsicherheiten und Ängste nehmen wir ernst. Wir stehen für Solidarität mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im VW-Konzern, die für manipulierte Abgaswerte und die Betrügereien der letzten Jahre nun wirklich nichts können.
Grundlegende Entwicklungen und Erfolge sind in diesem Konzern gelungen, weil es eine enge Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und ihrer Führungsspitze und auch den Betriebsräten gab. Deswegen hat der VWKonzern in der Vergangenheit so viel erreicht. In Sachen Mitbestimmung spielt VW schon lange in der Champions-League.
In dieser beispielhaften Atmosphäre von gegenseitiger Wertschätzung sind Erfolge gelungen, die diesen Konzern an die Weltspitze der Automobilindustrie gebracht haben. Umso wichtiger ist es, dass in der aktuellen Krisenzeit der Vorstand seinen Teil der Verantwortung annimmt und nicht nur erkennt, sondern auch umsetzt. Ich bin froh, dass sich Vorstand und Aufsichtsrat gestern Abend offenbar noch auf Lösungen verständigt haben. Es hätte einfach nicht ins Bild gepasst, wenn einerseits Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter gehen müssen, der Abbau von Stellen in der Verwaltung verkündet wird und das Ende der Folgen für die einzelnen Beschäftigten noch nicht absehbar ist, zugleich aber Vorstände noch nicht einmal auf ihre Boni in Millionenhöhe verzichten wollen.
Meine Damen und Herren, damit wir uns nicht falsch verstehen: Rechtlich ist es unstrittig, dass solche Zahlungen den Vorständen vertraglich zugesichert sind. Ich bezweifle nur, dass es klug gewesen wäre, darauf zu bestehen.
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Es geht mir nicht um moralische Empörung. Es geht um Strategie. Das, was VW gegenüber den meisten großen Betrieben auszeichnet und immer ausgezeichnet hat, der Markenkern dieses Konzerns, ist das Miteinander von Belegschaft und Management. Das sollte gerade in solchen Zeiten nicht aufs Spiel gesetzt werden. Ich kann Ihnen auch sagen, wo das Geld viel besser angelegt wäre. Da sind wir uns als Grüne-Fraktion und ich persönlich bin mit dem Betriebsrat und mit Bernd Osterloh sehr einig: Besser angelegt ist das Geld in der Zukunft aller Beschäftigten.
Denn, meine Damen und Herren, der Mobilitätsmarkt verändert sich. VW kann die Krise als Chance nutzen und sich erneuern. Die Forderung des Betriebsrats nach einem Zukunftspakt kann dabei zum Leitbild werden. Der Standort, die Beschäftigung und die Zukunft des Unternehmens lassen sich mit einem solchen Pakt sichern. Wir werten es als gutes Zeichen, dass der Vorstand die Offensive
als sehr gute Vorlage für die weitere Arbeit wertet und ausdrücklich das Verhandlungsangebot für einen langfristigen Zukunftspakt begrüßt.
Meine Damen und Herren, weil es auch angesprochen wurde: Ökologie und Ökonomie sind keine Gegensätze. Das sind sie übrigens schon lange nicht mehr. Wer am Markt ungeachtet der aktuellen Abgasaffäre bestehen will, muss sich klarmachen, dass nur eine moderne und nachhaltige Mobilität mittelfristig den Fortbestand eines Konzerns auf dem Automobilmarkt sichern kann.
Wer erfolgreich an der Weltspitze mitmischen will, sollte den Anspruch haben, Vorreiter in den einzelnen Segmenten der neuen Geschäftsfelder zu werden. Das heißt: intelligentere Mobilität, Multimodalität und vor allen Dingen auch mehr Elektromobilität.
Wenn der VW-Konzern die Abgasaffäre als Chance nutzt, das Gesamtunternehmen schneller und umfassender auf die Mobilität von morgen auszurichten, dann ist das Spiel noch zu gewinnen.
Derselbe Teamgeist, der Generationen von VWMitarbeiterinnen und Mitarbeitern dazu gebracht hat, mit ihrem Unternehmen durch Höhen und Tiefen zu gehen, ist jetzt mehr denn je gefragt.
Wir wünschen deshalb allen Beteiligten Kraft für die Herausforderungen der kommenden Wochen und Monate und der Führungsspitze Klugheit bei allen anstehenden Entscheidungen. Solidarität ist vor allem dann wichtig, wenn nicht der Erfolg, sondern Lasten gemeinsam geteilt werden.
Vielen Dank, Frau Piel. - Meine Damen und Herren, zu diesem Punkt „Unterrichtung durch die Landesregierung“ liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor, sodass ich die Besprechung als abgeschlossen betrachten darf.
Für diesen Tagesordnungsabschnitt sind mir vier Themen benannt worden, deren Einzelheiten Sie der Tagesordnung entnehmen können.
Die in unserer Geschäftsordnung für den Ablauf der Aktuellen Stunde geregelten Bestimmungen setze ich bei allen Beteiligten - natürlich auch bei der Landesregierung - als bekannt voraus.
a) Verträge mit den muslimischen Verbänden - Landesregierung muss sich erklären - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/5523
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mittlerweile liegen uns alle Informationen vor, die notwendig sind, um sich zu den Verträgen mit den muslimischen Verbänden eine Meinung zu bilden: Wir haben die Vertragsentwürfe und die Erläuterungen der Landesregierung hierzu. Die zugrunde liegenden Gutachten sind übersandt worden. Wir kennen die Einschätzung von DITIB und Schura dazu, und zwar aus den Gesprächen, die wir als FDP-Fraktion mit ihnen geführt haben. Ebenso liegen die Stellungnahmen der Kirchen vor. Und wir haben die gutachterliche Stellungnahme des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes des Landtages. Hinzu kommen die Eindrücke aus zahlreichen Diskussionen, die wir innerhalb der Parteien geführt haben, und die zahlreichen schriftlichen Stellungnahmen von Bürgerinnen und Bürgern.
Damit, meine Damen und Herren, kommen wir in die Phase, in der sich die Parteien bzw. die Fraktionen im Niedersächsischen Landtag positionieren müssen. Die FDP positioniert sich folgendermaßen: Einerseits sind wir, der „liberalen Genetik“ folgend, sehr kritisch gegenüber allem, was Kirche und Staat sehr dicht zueinander führt. Wir sind hier
eher für eine strikte Trennung. Andererseits sehen wir aber auch, dass bereits zahlreiche Verträge mit Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in Niedersachsen geschlossen worden sind. Vor diesem Hintergrund müssen selbstverständlich auch mit den muslimischen Verbänden Verträge geschlossen werden können. Auch dort besteht selbstverständlich der Anspruch auf Gleichbehandlung mit anderen Religionsgemeinschaften. Daher sind wir für solche Verträge auch grundsätzlich offen.
Bei der Ausgestaltung solcher Verträge ist es uns aber wichtig, dass die Inhalte und die einzelnen Bestandteile dem gerecht werden, was man gemeinhin unter einem Vertrag versteht, nämlich das Eingehen wechselseitiger Rechte und Pflichten. Das heißt, die Regelungen, von denen die Landesregierung selbst bzw. der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst sagt, dass sie überwiegend deklaratorischer Natur sind, sind in einem Vertrag eben nicht abzubilden.
Wir akzeptieren das Argument, dass man mit den Verträgen auch ein Zeichen der Anerkennung setzen will. Aber gerade deshalb halten wir es nicht für richtig, Regelungen deklaratorischen Charakters aufzunehmen. Sie führen nämlich bei dem unbefangenen Leser zu Missverständnissen. Denn bei einem Leser, der sich damit nicht so intensiv befasst und der die Rechtsprechung zu einzelnen Bereichen nicht kennt - selbst beim GBD sind ja noch Zweifel offen geblieben -, muss der Eindruck entstehen, dass hier neue Rechte und Pflichten festgeschrieben würden. Denn wie gesagt: Andernfalls würde es ja gar nicht notwendig sein, solche Dinge in einen Vertrag zu schreiben.
Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, lehnen wir solche deklaratorischen Regelungen in diesen Verträgen ab. Wie gesagt: um die Klarheit sicherzustellen. Der Leser muss wissen, was tatsächlich Gegenstand der Verträge ist. Das ist für uns bei der Ausgestaltung der Regelungen ein wichtiges Kriterium.
Deshalb sind Regelungen zum Bildungswesen, zum islamischen Religionsunterricht, zu den Gebetsmöglichkeiten und auch im Hinblick auf die Bekleidungsfreiheit hier nicht erforderlich. Wie sich aus den Gutachten und aus den Stellungnahmen der Landesregierung selbst ergibt, ist das alles schon entweder durch die Verfassung oder, wie im Bereich Schule, durch einfachgesetzliche Regelungen ausreichend geregelt.
Im Übrigen, meine Damen und Herren, sind wir natürlich für Regelungen offen. Das betrifft die Feiertage, das Bestattungswesen, die religiöse Betreuung in besonderen Einrichtungen oder auch die Gebührenbefreiung. Aber dabei darf eines nicht passieren - und es gibt Hinweise aus den Kirchen, dass genau das eintreten könnte -: Den islamischen Verbänden dürfen keine Privilegierungen eingeräumt werden, die den Körperschaften des öffentlichen Rechts vorbehalten sind; denn schließlich gibt es einen guten Grund, warum das bei den Körperschaften des öffentlichen Rechts liegt und eben nicht bei jeder Religionsgemeinschaft.
Ferner müssen wir darauf hinwirken, dass hier keine neue Zwitterposition geschaffen wird; denn das würde im Hinblick auf Gleichbehandlung mit weiteren Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften zu neuen Problemen führen, weil auch dort natürlich der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt.
Und, meine Damen und Herren: Wir wünschen uns die Aufnahme einer Regelung zur Islamismusprävention. Das will ich deutlich sagen. Damit ist nicht unterschwellig der Vorwurf verbunden, dass bei den Verbänden eine Islamismusnähe gegeben wäre. Vielmehr ist es unsere feste Überzeugung, dass es ein wichtiger Bestandteil der Verträge sein muss, auch in den Moscheegemeinden Jugendarbeit zu leisten. Das wird das Islamismusproblem nicht lösen, weil das ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, kann aber ein Baustein sein. Wir halten es deshalb für notwendig, dazu etwas zu sagen.
Meine Damen und Herren, uns stellen sich auch noch weitere Fragen, z. B. ob die Verbände das muslimische Leben hier in Niedersachsen tatsächlich repräsentieren. Kann man wirklich eine 90prozentige Vertretung annehmen, auch wenn die Mitgliedschaft bei maximal 20 % liegt? Kann man hier einfach den Faktor 4 anlegen? - Wir haben erhebliche Zweifel, dass das eine geeignete Vorgehensweise ist.