Protokoll der Sitzung vom 13.04.2016

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht, sodass ich die Besprechung des Antrages der SPD-Fraktion zur Aktuellen Stunde schließen kann.

Ich eröffne die Besprechung zu

d) Nach den #PanamaPapers: Schlupflöcher endlich schließen, Steuergerechtigkeit herstellen - Antrag Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/5525

Das Wort hat Herr Kollege Heere. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist einer der größten Finanz- und Steuerskandale der letzten Jahrzehnte, den ein mutiger Whistleblower und ein internationales Journalistennetzwerk aufgedeckt haben: Prominente, Sportler, korrumpierte Politiker oder Wirtschaftsbosse stehen in den Panama Papers in einer Reihe mit Schwerkriminellen und Terroristen. Sie alle nutzen ein undurchschaubares Netzwerk aus über 214 000 Briefkastenfirmen in 21 Schattenfinanzzentren. Sie haben riesige Einkommen und Vermögen vor der Steuer versteckt, Schwarzgeld gewaschen und über dieses Netzwerk kriminelle Machenschaften finanziert.

Es ist wahrlich nicht der erste Fall von internationalem Steuer- und Finanzbetrug, aber diese riesige Dimension muss auch für den letzten Zauderer endlich ein Weckruf zum Handeln sein.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Schon die begrüßenswerten Erfolge durch den Ankauf von Steuer-CDs haben bewiesen, dass Banken weltweit beim Steuerbetrug mitmischen. Auch im Fall der Panama Papers zeigt sich, dass es ohne die Hilfe internationaler und nationaler Banken nie möglich gewesen wäre, ein solches Netzwerk von Briefkastenfirmen aufzubauen.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Ob diese Handlungen bereits heute in Deutschland strafbar sind, z. B. weil die Geldwäscherichtlinie umgangen wurde, muss im Einzelfall noch überprüft werden. Eines ist aber klar: Einige dieser Finanzinstitute haben Beihilfe geleistet - Beihilfe dafür, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit und somit auch die Legitimität demokratischer Staaten durch ein internationales Schattenfinanzsystem ausgehebelt wird. Eine solche Beihilfe muss zukünftig verhindert und vor allem viel stärker sanktioniert werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Helge Limburg [GRÜNE]: Rich- tig!)

Ich will hier nicht alle Banken über einen Kamm scheren. Es gibt auch vorbildliche Institute. Aber bezeichnend ist, wenn der neue Chef des Bundesverbands Deutscher Banken, Hans-Walter Peters, laut der Süddeutschen Zeitung von gestern vor „zu viel Regulierung und vor einer pauschalen Vorverurteilung derjenigen warnt, die Briefkastenfirmen nutzen“. Hier scheint mir die Dimension des Problems und der Gefahren in der Bankenbranche noch nicht angekommen zu sein. Nicht nur terroristische Netzwerke sind potenziell in der Lage, die nationale Souveränität nachhaltig zu untergraben, ein solches Schattenfinanzsystem ist es auch - und wenn beides zusammentrifft, dann wird es besonders gefährlich. Entsprechend hart müssen diese Machenschaften deshalb bekämpft werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

(Vizepräsident Karl-Heinz Klare über- nimmt den Vorsitz)

Und was macht der deutsche Staat bislang? - Viel zu wenig! Ganz im Gegenteil ist Deutschland selber Teil des Problems. Wir gelten als Geldwäscheparadies und stehen auf Platz 8 der Liste der globalen Steueroasen des Tax Justice Networks.

So zeigt sich auch am Fall der Panama Papers die Schwäche der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, die entweder nichts gemerkt hat oder die Informationen nicht ordentlich genutzt hat, um effektiv gegenzusteuern. Bundesminister Schäuble muss deshalb endlich aufhören, die Bekämpfung von Finanzkriminalität nur als ungeliebtes Stiefkind zu betrachten, und konsequent handeln.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dabei ist noch viel Luft nach oben. Minister Schäubles aktuelle 10-Punkte-Initiative wird von Fachleuten und Initiativen als absolut unzureichend bewertet. Nehmen wir das globale Transparenzregister, mit dem die wirtschaftlich Begünstigten von Unternehmenskonstruktionen nachvollziehbar werden sollen. Die Bundesregierung hatte die Einführung eines europäischen Registers bisher blockiert. Entsprechend unglaubwürdig ist es doch, wenn Herr Schäuble das jetzt weltweit einfordert. Und tatsächlich hat seine Initiative auch einen Haken: Das Register soll gar nicht richtig öffentlich sein, sondern nur Ermittlungsbehörden und Fachjournalisten zugänglich werden. Wir Grüne fordern dagegen echte Transparenz statt weitere Geheimniskrämerei, die nur den Betrügerinnen und Betrügern hilft.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Oder nehmen wir die Verschärfung der Straftatbestände. Im 10-Punkte-Papier ist nur wolkig von „schärferen Verwaltungssanktionen für Unternehmen“ die Rede. Das ist viel zu unkonkret. Dagegen lobe ich doch die gestern beschlossene Bundesratsinitiative unserer rot-grünen Landesregierung. Dort wird neben konkreten Transparenz- und Mitwirkungspflichten u. a. an den 2014 im Bundesrat beschlossenen Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Steuerstraftaten im Bankbereich erinnert. Diesen Gesetzentwurf hat die Bundesregierung bislang vollkommen ignoriert. Unsere niedersächsische Länderinitiative müssen Frau Merkel und Herr Schäuble nun endlich umsetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die finanzielle Leistungsfähigkeit unseres Staates hängt von fairer Steuererhebung ab. Und die Legitimität dieses Staates steht und fällt mit der Steuergerechtigkeit. Geld, das dem Staat durch Steuerdelikte verlorengeht, fehlt im Bildungsbereich, fehlt für Zukunftsinvestitionen und für die Infrastruktur. Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersde

likt, sondern eine Form von Kriminalität, bei der die Allgemeinheit das Opfer ist. Deshalb gilt es, jetzt zu handeln. Die Steueroase Deutschland muss endlich geschlossen werden!

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Heere. - Es hat sich Christian Grascha von der FDP-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um es zu Beginn sehr deutlich zu sagen: Wenn es bei der Auswertung der sogenannten Panama Papers durch die Strafverfolgungsbehörden zu Straftaten gekommen ist, dann müssen diese natürlich konsequent verfolgt werden, so wie das bei allen anderen Straftaten erwartet wird und wie wir es erwarten müssen.

Es ist jetzt also vor allem notwendig, dass eine umfassende Auswertung und eine rechtliche Prüfung durch die Behörden stattfindet. Erst dann wissen wir, welches strafrechtlich relevante Ausmaß die sogenannten Panama Papers tatsächlich haben. Vorverurteilungen und Skandalisierung lehnen wir Freie Demokraten als Rechtsstaatspartei ab.

(Zustimmung bei der FDP)

Die Veröffentlichung sorgt aber in der Diskussion für die üblichen Reflexe in der Politik. So fordert der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel unbedingt ein Verbot von sogenannten Briefkastenfirmen, obwohl er weiß, dass es sich bei dem Staat Panama um einen souveränen Staat handelt und deswegen ein Verbot gar nicht so ohne Weiteres möglich ist - es sei denn, er möchte dem Vorbild seines Parteigenossen Steinbrück folgen, der schon einmal die Kavallerie in die Schweiz schicken wollte. Das ist über den Atlantischen Ozean aber schon etwas schwieriger.

(Dr. Stephan Siemer [CDU]: U-Boote!)

Oder nehmen wir den Bundesjustizminister Heiko Maas. Er fordert ein Transparenzregister, obwohl er weiß, dass Deutschland spätestens bis 2017 eine EU-Richtlinie zu diesem Thema umsetzen muss. Es ist außerdem völlig schleierhaft, wie er bei außereuropäischen Staaten tatsächlich ein Transparenzregister durchsetzen und einen Staat

dazu zwingen will, sich an einem solchen Register zu beteiligen.

Oder Ralf Stegner, der in solchen Debatten ja sofort gegen die sogenannten Steueroasen zu Felde zieht, aber selbst hoch dotierter Aufsichtsrat bei der HSH Nordbank war und dort selbst die Zusammenarbeit mit Steueroasen gebilligt hat.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: So ist es!)

Aber die Krone, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird dem Ganzen allerdings von der schleswigholsteinischen Finanzministerin Monika Heinold von Bündnis 90/Die Grünen aufgesetzt. Sie hat es tatsächlich abgelehnt, die Aktivitäten der HSH in Steueroasen zu verbieten.

Meine Damen und Herren, das zeigt doch: Die Empörung, die wir in diesen Tagen insbesondere vonseiten der Sozialdemokraten und der Grünen wieder einmal erleben, ist reine Heuchelei.

(Beifall bei der FDP)

Wir brauchen keinen Populismus, sondern wir brauchen eine gründliche Auswertung, damit Steuerhinterziehung und Geldwäsche wirksam verfolgt werden können. Zum Beispiel muss geklärt werden, ob die deutschen Geldwäschegesetze ausreichen oder ob es gegebenenfalls Regelungslücken gibt. Die Behauptung des grünen Europaabgeordneten Sven Giegold allerdings, die Banken seien die Schwachstelle bei der Bekämpfung von Geldwäsche, ist vor diesem Hintergrund frei von jeder Sachkenntnis.

(Zustimmung bei der FDP)

Der Präsident des Bundeskriminalamtes, Herr Münch, hat hierzu beispielsweise gesagt, die deutschen Banken seien bei der Bekämpfung der Geldwäsche vorbildlich.

Ein weiterer Punkt ist, dass die Bundesrepublik Deutschland auf der Ebene der G20 den Informationsaustausch zwischen den Staaten weiter verbessern muss. Dort hat Deutschland eine besondere Verantwortung, zumal wir demnächst den Vorsitz dieser Vereinigung übernehmen. Hier muss natürlich internationaler Druck auf Panama ausgeübt werden, weil sich Panama leider weiterhin verweigert.

Bei all der Hektik und der Aufregung um die Panama Papers muss man aber feststellen: Die bloße Existenz einer Briefkastenfirma ist noch nicht strafbar. Es gibt unter Umständen Gründe, die dafür sprechen, solche Geschäftsmodelle zu wäh

len, beispielsweise bei Reedern oder Immobilieneigentümern. Ob das sinnvoll ist oder nicht, das müssen jeweils die einzelnen Personen entscheiden. Aber es gibt keine Rechtfertigungspflicht gegenüber dem Staat, um das ganz deutlich zu sagen.

(Zustimmung bei der FDP)

Strafbar wird es erst, wenn beispielsweise Steuern hinterzogen werden oder wenn Geld gewaschen wird. Dann muss der Staat diese Straftaten verfolgen und angemessen bestrafen. Das ist doch auch hier zwischen uns überhaupt gar keine Frage und eine schlichte rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit.

Statt Populismus und hektischem Aktionismus brauchen wir Gründlichkeit, um Steuerbetrug und Geldwäsche tatsächlich wirksam zu bekämpfen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP - Miriam Staudte [GRÜNE]: Aber am System nichts än- dern, oder was?)

Vielen Dank, Herr Kollege Grascha. - Es hat sich Renate Geuter von der SPD-Fraktion gemeldet. Frau Geuter, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn alle schon lange wussten, dass es Briefkastenfirmen in steuerbegünstigten Staaten gibt, stellen wir jetzt fest, dass bislang offensichtlich nur die Spitze des Eisbergs von internationaler Steuervermeidung und Steuerhinterziehung entdeckt worden ist. Dabei betrifft das Panama-Datenleck nur ein Land und eine Kanzlei. Es zeigt uns dennoch ein weltumspannendes System in einer Detailtiefe, Unmittelbarkeit und zeitlichen Nähe, wie es vorher undenkbar war.