eine Praxis, die in Niedersachsen bundesweit erstmalig Anwendung gefunden hat. Unser Rechtsstaat kann das. Das hat er 2017 bewiesen. Und diese Regierungskoalition hat sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, Abschiebungen von Gefährdern zu priorisieren und den Behörden alle Möglichkeiten an die Hand zu geben, diesen Weg konsequent zu gehen.
Zur Wahrheit gehört aber, dass die Anwendung des § 58 a des Aufenthaltsgesetzes nicht immer so ganz einfach ist. Zunächst müssen Sie rechtlich sehr sauber feststellen, bei wem es sich um einen Gefährder handelt. Das ist eine Person, zu der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des § 100 a der Strafprozessordnung, begehen wird. Davon haben wir in Niedersachsen laut Berichterstattung des LKA vom 23. Februar dieses Jahres 35 Personen im Phänomenbereich Politisch motivierte Kriminalität - religiöse Ideologie. 15 dieser Personen haben die deutsche, 10 auch eine weitere, 9 Personen ausschließlich eine andere als
Wohin will man denn, bitte, diejenigen Gefährder abschieben, die Deutsche sind oder gar keine Staatsangehörigkeit ihr Eigen nennen?
Dazu kommt, dass unsere Gerichte darauf bestehen, dass es Zusicherungen der Zielländer geben muss, dass dort keine menschenunwürdige Behandlung droht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, für uns als Union ist trotz dieser Schwierigkeiten ganz klar, dass wir Gefährder ohne deutschen Pass ohne Wenn und Aber abschieben wollen und der § 58 a so konsequent wie irgend möglich anzuwenden ist.
Falls nötig, müssen die Behörden dazu personell und finanziell besser ausgestattet werden. Das bringt sicherlich mehr als mögliche Rufe nach einer härteren Rechtslage. So geht Politik zur Stärkung der Sicherheit unseres Landes.
Meine Damen und Herren, weil ich den Titel der Aktuellen Stunde so absurd finde, will ich gerne zum Schluss einen weiteren konstruktiven Vorschlag machen. Wie wäre es denn z. B. mit: „Gefährder überwachen, Polizei und Verfassungsschutz stärken!“? Dann könnten wir uns über das Niedersächsische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung austauschen. Dazu haben wir im Koalitionsvertrag kluge Inhalte vereinbart: Noch 2018 wollen wir die Einführung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung. Wir wollen verstärkte Meldeauflagen, Kontaktverbote, Aufenthaltsgebote, Quellentelekommunikationsüberwachung und gesetzliche Regelungen zu Onlinedurchsuchungen. Dazu passt auch die Schaffung von Rechtsgrundlagen für eine deutliche Ausweitung der Präventivhaft für Gefährder auf bis zu 74 Tage.
Polizei und Verfassungsschutz stärken - das ist ein Thema, über das es sich in diesem Zusammenhang sehr wohl lohnt zu diskutieren. So ist es vereinbart, und da werden wir als Regierungskoalition liefern. Wir schüren nicht Ängste mit absurden Überschriften, sondern machen sachliche Politik. Das klingt nicht so reißerisch, ist aber gleichsam
Vielen Dank, Herr Kollege Holsten, für Ihren Redebeitrag. Das war punktgenau in der Zeit und im Übrigen eine Jungfernrede, was selten bei einer Aktuellen Stunde vorkommt. Also herzlichen Glückwunsch!
Meine Damen und Herren, es geht weiter. Es folgt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Kollege Helge Limburg. Sie haben das Wort.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt gegenwärtig eine bundesweite Kampagne mit dem Titel „Rettungsgasse rettet Leben!“, die auf die Notwendigkeit des Bildens von Rettungsgassen auf Autobahnen hinweist. Es gab und gibt auch immer wieder Kampagnen für mehr Blutspenden: „Blut bzw. Blutspende rettet Leben!“
Indem Sie von der AfD nun ganz bewusst das Thema Abschiebungen sprachlich in diesen Kontext stellen und Abschiebungen damit quasi mit Blutspenden und Rettungseinsätzen gleichsetzen, beweisen Sie den ganzen Zynismus, der Ihr politisches Handeln durchdringt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Es geht hier nicht in erster Linie darum, Leben zu retten. Es geht Ihnen wieder mal darum, zu spalten, auszugrenzen, zu stigmatisieren. Das wird Ihnen auch dieses Mal nicht gelingen. Die überwältigende Mehrheit in diesem Hohen Hause, aber auch die überwältigende Mehrheit der Menschen in Niedersachsen lehnt Ihre Parolen und Ihre Ideologie ab, und das wird auch so bleiben.
Sie haben den Titel dieser Aktuellen Stunde ja von Ihren Kolleginnen und Kollegen - das Gendern kann man sich bei Ihnen ja fast immer sparen; aber ein paar Frauen gibt es ja doch - aus dem Bundestag abgeschrieben. Das hat leider nicht zu einer höheren inhaltlichen Präzision geführt. Es ist vielleicht ein Randaspekt, aber ich möchte ihn hier unterstreichen, weil er deutlich macht, wie unseriös und unsauber die AfD arbeitet: Herr Ahrends, auch wenn es Ihnen vielleicht nicht gefällt - mir ja auch nicht: Frau Merkel hat ihren Amtseid nicht zum vierten, sondern bereits zum sechsten Mal abgeleistet; denn sie war vorher zwei Legislaturperioden lang Bundesministerin. - Aber das nur am Rande bemerkt.
Ihre Unterstellung und Behauptung, dass das Aufnehmen von Flüchtlingen, die Unterstützung von Flüchtlingen im Rahmen der Flüchtlingskonvention, des Asylrechts rechtswidrig und grundgesetzwidrig sei, wird nicht dadurch wahrer, dass sie sie hier wieder und wieder als Parole formulieren, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Das Thema Abschiebung ist kein leichtes, und schon gar nicht eignet es sich für kraftmeiernde Parolen. Wer sich vorstellt, wie viele Menschen was auf sich nehmen, um ihre Heimat unter Lebensgefahr zu verlassen, um nach Deutschland zu kommen und um hier eine neue Heimat zu finden, der kann sich vielleicht auch vorstellen, wie hart und niederschmetternd es für diese Menschen ist, wenn der Staat ihnen dann sagt: Du darfst nicht hier blieben, du musst zurück. Notfalls schicken wir dich mit Gewalt zurück.
Das ist ein tiefer Einschnitt, auch in den Fällen, in denen das der Rechtslage entspricht. Diese Fragen sollten deshalb im liberalen, demokratischen Rechtsstaat stets mit Anstand und Respekt, auch vor den Menschen ohne Bleiberecht, geführt werden.
Übrigens unterbleiben Abschiebungen im Regelfall nicht etwa aus politischem Unwillen, sondern deshalb, weil z. B. Gerichte Abschiebungen für unrechtmäßig erklären und stoppen. Auch das, das Primat von Recht und Gesetz und die Entscheidungen unabhängiger Gerichte, die respektiert werden müssen, gehört zu einem freiheitlichen
Debatten um Abschiebequoten oder ein Abschiebeüberbietungswettbewerb und Ähnliches, wie sie teilweise auch aus Reihen der CDU angezettelt werden, sind völlig deplatziert und werden dem Thema nicht gerecht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, es zeichnet ja diesen Innenminister durchaus aus, dass er sich in der letzten Wahlperiode zwar auch mit dem Thema Abschiebung profiliert hat, aber eben andersherum. Von Boris Pistorius als rotgrünem Innenminister gab es keine plumpen Parolen, keine Stimmungsmache, sondern einen von Respekt und Anstand getragenen Debattenstil. Es liegt an Ihnen, Herr Innenminister, jetzt, auch in Zusammenarbeit mit Ihren neuen Freunden von der CDU, mit Ihrem neuen Partner Herrn Schünemann, zu beweisen, dass Sie Ihrer Linie treu bleiben und nicht den geforderten Schwenk unternehmen. Ich hoffe, Sie haben die Kraft, sich da gegen die CDU durchzusetzen.
Es gab in der Tat die intensiv debattierten Abschiebungen von Gefährdern aus Göttingen. Das war schon ein besonderer Fall. Da haben sich Menschen, in Deutschland aufgewachsen und sozialisiert, hier bei uns radikalisiert. Dann werden sie, ohne eine Straftat begangen zu haben, abgeschoben. Wir Grüne haben das damals mitgetragen, und ich will das im Nachhinein auch nicht kritisieren, aber ich möchte schon betonen: Das muss aus unserer Sicht ein Ausnahmefall bleiben. Es kann und darf nicht die Regel sein, dass wir sozusagen etwas, was in unserem Verantwortungsbereich passiert ist, mit abschieben. Im Grundsatz müssen wir als Gesellschaft schon selbst Verantwortung übernehmen.
Denn was passiert mit den Abgeschobenen in den Ländern, in die sie kommen? Werden sie dort tatsächlich in Empfang genommen und in die Gesellschaft integriert? Oder freut sich nicht beispielsweise in Nigeria die islamistische Terrorgruppe Boko Haram über jeden abgeschobenen Islamisten, der ihre Reihen verstärkt, der für ihren Wahn kämpft und für sie Terroranschläge begeht?
Wir reden hier oft über die Bekämpfung von Fluchtursachen. Der frühere Landtagspräsident, Herr Busemann, der gerade präsidiert, hat in der vergangenen Legislaturperiode sehr, sehr würdig der
Opfer von Boko Haram gedacht. In diesem Kontext kann es uns doch nicht gleichgültig sein, wenn dieser Terrorgruppe quasi neue Mitglieder zugeführt werden.
Wir brauchen international koordinierte Maßnahmen gegen Radikalisierung und gegen Terrorismus und keine nationalen Debatten zur Selbstvergewisserung, wenn wir echte Sicherheit erreichen wollen.
Ein letztes Wort noch zur AfD: Gestern ist eine rechtsextreme Terrorgruppe u. a. in Niedersachsen aufgeflogen. Es gab den NSU; es gab die Terrorgruppe Oldschool Society; es gab die Terrorgruppe Freital, das Terrornetzwerk um den Bundeswehrsoldaten Franco A.; es gab den Rechtsextremen Daniel H., der in München ein Massaker verübte; es gab den Brandanschlag auf ein geplantes Flüchtlingswohnheim in Barsinghausen und auf ein Flüchtlingswohnheim in Salzhemmendorf. Diese Taten und Bedrohungen kamen von Deutschen, von deutschen Täterinnen und Tätern. Über 190 Menschen sind in Deutschland seit 1990 durch rechtsextreme Täter getötet worden. Diese Bedrohungen sind in Wirklichkeit die realen Hauptbedrohungen für die Sicherheit, für das Leben in diesem Land.
Zu diesen Taten und Bedrohungen schweigt die AfD. Auch das ist bezeichnend, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Vielen Dank, Herr Kollege Limburg. - Für die FDP spricht jetzt Herr Kollege Jan-Christoph Oetjen. Herr Oetjen, ich erteile Ihnen das Wort.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gleich das aufgreifen, was der Kollege Limburg hier zum Schluss gesagt hat. Denn wenn ich in den sozialen Medien unterwegs bin, sehe ich bei Facebook auf den Seiten von - so sage ich mal - rechtsorientierten Politikern - insbesondere denen der AfD -, wie häufig Berichte über Straftaten von Ausländern gepostet werden.