Protokoll der Sitzung vom 18.04.2018

(Beifall bei der CDU)

Damit komme ich zu dem Antrag der FDPFraktion. Es ist richtig, dass wir in den Kitas Fachkräfte brauchen. Aber dieser Antrag löst schon Irritationen aus. Was waren denn bisher die Kerngedanken liberaler Politik? - Das Leistungsprinzip und die freie Marktwirtschaft! Die Betonung liegt in diesem Fall tragischerweise auf „war“; denn das, was die FDP hier einführen will, ist eine Prämie für Menschen, die zur Schule gehen jenseits jeglicher mess- oder zählbarer Leistungen. Das kann man zwar machen, aber das wäre dann eine staatlich subventionierte Ausbildung. Und früher war so etwas ein Schimpfwort in der FDP.

Ich frage mich, ehrlich gesagt, wie Sie das eigentlich den 140 000 jungen Menschen in Niedersachsen vermitteln wollen, die sich in der dualen Berufsausbildung befinden, die täglich für ihre Ausbildungsvergütung früh aufstehen, die täglich ihr Bestes in den Unternehmen geben und die sich abrackern, weil sie von ihrem Betrieb übernommen werden wollen. Was die FDP hier fordert, ist nicht mehr links, das ist jenseits von Gut und Böse. Das ist die Abkehr vom Leistungsprinzip, das ist die Abkehr von den Grundlagen der FDP, für die sie ihre Wählerinnen und Wähler gewählt haben.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Lassen Sie mich als jemand, der das liberale Element in einer Gesellschaft durchaus zu schätzen weiß, sagen: Sie können das in Ihrem Sabbatical von der Regierungsarbeit ja gerne mal so machen, um herauszufinden, was richtig und was falsch ist. Aber wenn Sie das schon machen, dann besinnen

Sie sich doch bitte auf Ihre liberalen Wurzeln. Wenn Herr Bode den Antrag stellt, das Internet zu verstaatlichen,

(Jörg Bode [FDP]: Was?)

und Herr Försterling nun dem Leistungsprinzip abschwört, dann sind das Forderungen, die ich von der Linkspartei erwartet hätte. Aber mit liberaler Politik hat das ganz und gar nichts mehr zu tun.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Wir von der CDU glauben weiterhin an das Leistungsprinzip. Wir wollen auch, dass Erzieherinnen und Erzieher in ihrer Ausbildung eine Vergütung erhalten. Deshalb setzen wir auf das bewährte Prinzip der sozialen Marktwirtschaft. Und das bildungspolitische Kernelement der sozialen Marktwirtschaft ist nun einmal die Dualisierung: Verdienst während der Ausbildung durch die gezielte Verzahnung von Theorie und Praxis. Da vereint sich der soziale Gedanke der Ausbildung mit dem Leistungsgedanken, und zudem steigern wir auch noch die Qualität in der Ausbildung. Das ist genau das, worum uns das Ausland beneidet. Das ist genau das, was die Kommunen jetzt brauchen, um die Gewinnung von Einfachkräften für die Kitas sicherzustellen. Daher wollen wir als CDU-Fraktion die dualisierte Ausbildung für die Erzieher und für die Sozialassistenten; denn so können wir die Fachkräftebedarfe in den Kitas auch langfristig decken.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor uns liegen nun zwei Monate, in denen wir eine sehr breit angelegte und sehr ernsthafte Anhörung und Beratung angehen werden, um die Beitragsfreiheit in den Kindergärten umzusetzen. Ich bin mir sicher, am Ende wird eine Lösung stehen, die für unsere Eltern und unsere Familien und für unsere Kommunen gut ist, sodass wir am 1. August auch wieder voller Stolz sagen können: Willkommen in Niedersachsen! Bei uns sind die Kindergärten beitragsfrei.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wulf, für die Einbringung des Gesetzentwurfs. - Zur Einbringung des Antrags der FDP-Fraktion hat nun Herr Kollege Försterling das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der von den Regierungsfraktionen vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung des Kindertagesstättengesetzes ist gerade nicht der große Wurf einer Großen Koalition, auf den viele Erzieherinnen und Erzieher, auf den die Beschäftigten in den Kindertagesstätten und auf den auch die Eltern im Land gewartet hatten.

Man hatte eigentlich die Hoffnung, dass eine Große Koalition in der Lage ist, ein Kita-Gesetz, das seit 1994 in den Grundzügen unverändert ist, dahin gehend zu reformieren, dass man den Betreuungsschlüssel angeht und die Fachkräftesituation in den Kindertagesstätten verbessert. All das schafft diese Große Koalition aber nicht.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Die Große Koalition ist noch nicht einmal in der Lage, die Betragsfreiheit ohne große handwerkliche Fehler einzubringen. Schon heute steht fest, dass der Gesetzentwurf im Beratungsgang noch grundlegend verändert werden muss. Es ist der Großen Koalition eben nicht gelungen, eine Einigung mit den kommunalen Spitzenverbänden herbeizuführen. Der Ministerpräsident hat zwar versucht, beim Landkreistag die Einigung groß zu verkünden, aber am Ende ist das keine große Verkündung geworden, sondern hat dazu geführt, dass die Landesregierung einen Keil zwischen die kommunalen Spitzenverbände treiben wollte.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Denn eines ist doch klar: Die Erhöhung der Personalkostenerstattung auf 55 % reicht nicht aus, um die Beitragsausfälle bei den Kommunen zu kompensieren. Eigentlich sollte dem ehemaligen Kämmerer und Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Hannover auch bewusst sein, dass er damit deutlich hinter den Anforderungen der Kommunen zurückbleibt. In der Landeshauptstadt Hannover bedeutet die Personalkostensteigerung, die im Gesetzentwurf jetzt vorgesehen ist, zwar Mehreinnahmen von 20 Millionen Euro. Aber dagegen steht der von der Landesregierung verordnete Verzicht auf 23,3 Millionen Euro Elternbeiträge.

Natürlich ist es gut, die Eltern und damit die Mitte der Gesellschaft zu entlasten. Das haben wir im Landtagswahlkampf auch alle gefordert. Aber es kann doch nicht sein, dass die Kommunen auf der Strecke bleiben. Es kann doch nicht sein, dass die

Eltern beitragsfrei gestellt werden, die Kommunen draufzahlen und dann Spielplätze verrotten müssen, weil die Kommunen nicht mehr in der Lage sind, sie zu sanieren. Daran wird doch jedem klar, dass Ihr Gesetzentwurf deutlich zu kurz greift.

(Beifall bei der FDP, bei den GRÜ- NEN und bei der AfD)

Spannend ist auch, dass jetzt im Eilverfahren die Sprachförderung in die Kindertagesstätten zurückverlagert werden soll. Damit verfolgen Sie ja das Ziel, dass der Kultusminister zum nächsten Schuljahr über 500 Vollzeitlehrereinheiten mehr in der Grundschule verfügen kann. Aber Ihr Gesetzentwurf lässt völlig offen, wie die Sprachförderung in den Kindertagesstätten von den Erzieherinnen und Erziehern tatsächlich durchgeführt werden soll. Hier wäre es erst einmal erforderlich gewesen, die Betreuungsrelation zu verbessern, also mehr Erzieherinnen und Erzieher in die Kindertagesstätten zu bringen, die die Sprachförderung dann auch durchführen können.

Sie erwarten von den 4 500 Kindertagesstätten im Land, dass sie bis Ende Juli, also mehr oder weniger ad hoc, ein Sprachförderkonzept für die alltagsintegrierte Sprachförderung nach der Feststellung von Sprachdefiziten im Vorschuljahr aufstellen,

(Anja Piel [GRÜNE]: Das kann doch nicht gelingen!)

obwohl Ihnen alle Praktiker sagen, dass es unter den jetzigen Rahmenbedingungen, bei einer Betreuungsrelation von 2 : 25, einfach nicht möglich ist,

(Anja Piel [GRÜNE]: Die können das doch in den Sommerferien machen!)

diese alltagsintegrierte Sprachförderung so individuell zu gestalten, dass sie mit der vorschulischen Sprachförderung durch die Grundschullehrkräfte - die Sie abschaffen wollen - vergleichbar ist. Das heißt, meine sehr geehrten Damen und Herren: Sie wollen das Loch in den Grundschulen stopfen, indem Sie bei den Kindertagesstätten ein Loch aufreißen. Dabei geht Ihnen aber völlig der Blick für die Kinder verloren. Sie wollen die Statistik für die Grundschule schönen, und die Kinder und die Sprachförderung sind Ihnen vollkommen egal. Das werden wir so nicht mitmachen!

(Beifall bei der FDP, bei den GRÜ- NEN und bei der AfD)

Lassen Sie mich abschließend noch Folgendes sagen: Wer die Betreuungsrelation in den Kindertagesstätten verbessern will, der muss eine Antwort darauf geben, wo die Fachkräfte herkommen sollen. Wir Freien Demokraten haben ein Konzept vorgelegt, von dem wir glauben, dass wir damit junge Menschen für die Ausbildung zur Sozialpädagogischen Assistenz oder als Erzieherinnen und Erzieher begeistern können. Die Grundvoraussetzung ist, dass wir den jungen Menschen in Niedersachsen sagen: Ihr müsst für die Ausbildung kein Geld mehr mitbringen.

Bei der Schulgeldfreiheit hat die Landesregierung ja schon angekündigt, uns zu folgen. Aber Auszubildende müssen auch von irgendetwas leben. Insofern sagen wir zu Recht: Es muss eine Ausbildungsvergütung geben. Und es geht uns eben nicht darum, das ganze Ausbildungssystem zu verändern und die duale Ausbildung einzuführen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, können wir es uns mit Blick auf den akuten Fachkräftemangel eigentlich erlauben, jetzt noch zwei oder drei Jahre darüber zu diskutieren, wie man die vollzeitschulische Ausbildung zur Erzieherin und zum Erzieher, die vier Jahre dauert, in eine duale Ausbildung überführt, ohne dabei die Fachlichkeit zu verlieren? - Diese Frage haben CDU und SPD immer noch nicht beantwortet.

Frau Wulf, ein Vorwurf von Ihnen betraf die staatliche Subventionierung der vollzeitschulischen Ausbildung, so wie wir sie vorgesehen haben. Nun weiß ich ja nicht, ob Sie schon einmal in einer Kindertagesstätte gewesen sind.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Vermutlich nicht!)

Aber wenn wir dort zu einer dualen Ausbildung kommen, wo holen sich denn dann die Träger das Geld her? Glauben Sie, ein Kita-Träger, eine Elterninitiative haben 20 000 Euro jedes Jahr übrig, von denen sie künftig noch Auszubildende und die Ausbildungsvergütung zahlen können? - Das holen die sich doch sowieso 1 : 1 über die Personalkostenerstattung vom Land wieder.

Ihnen geht es doch gar nicht darum, dass der Staat - nach unserem Modell - das bezahlt, was er sowieso bezahlen müsste und was er auch bei einer dualen Ausbildung zahlt. Nein, Ihnen geht es darum, die Auszubildenden in der dualen Ausbildung künftig auf die Fachkräftequote in den Kindertagesstätten anzurechnen. Das ist so, als wenn ich mit meinem Auto in die Werkstatt fahre und

sage: Es ist schon okay, wenn der Lehrling aus dem ersten Lehrjahr das völlig selbstständig repariert. Mal gucken, ob die Bremse dann funktioniert.

Sie müssen jetzt zum Schluss kommen, Herr Försterling!

Das können Sie vielleicht mit Ihrem Auto so machen, aber nicht mit den Kindern in Niedersachsen!

(Beifall bei der FDP, bei den GRÜ- NEN und bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Försterling. - Nun hat Frau Kollegin Wulf das Wort für eine Kurzintervention auf Sie. Bitte!

Lieber Herr Försterling, ich habe ja lange für die Wirtschaft gearbeitet, und ich muss schon sagen: Ihr Blick auf die duale Berufsausbildung ist wirklich verheerend!

(Beifall bei der CDU)

Ein solch gutes und effektives System, wie wir es in Deutschland haben und um das uns das Ausland beneidet, das muss man erst einmal haben. Zur Ehrenrettung der dualen Berufsausbildung muss ich sagen: Unsere Auszubildenden geben jeden Tag ihr Bestes und leisten einen nachhaltigen Beitrag zu unserer Wirtschaft.

Herr Försterling, Sie haben insofern recht, als die Erzieherausbildung natürlich anders gestaltet ist als eine duale Berufsausbildung. Deshalb sagen wir ja auch, dass wir die Erzieherausbildung dualisieren wollen. Das heißt, eine Kita schließt einen Ausbildungsvertrag mit einem jungen Menschen, und ein Ausbildungsvertrag wird mit einer Fachschule geschlossen. Das geht auch mit den 2 400 Stunden, die Sie für den DQR 6 brauchen. Wir haben das alles sehr detailliert ausgerechnet, das ist überhaupt kein Problem. Wir verlängern die zweijährige Erzieherausbildung auf drei Jahre, dafür dualisieren wir sie, und wir steigern die Qualität.

Ich habe mit vielen Trägern darüber gesprochen, und die haben mir gesagt: Wir wollen und brauchen die jungen Leute in der Praxis, weil sie dann eben auch besser ausgebildet sind. Und auch die Schülerinnen und Schüler sagen mir: Wir wollen

arbeiten, wir wollen in die Praxis, und wir wollen unseren Beitrag leisten.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Es antwortet Ihnen Herr Kollege Försterling.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Wulf, gerade weil die jungen Menschen auch Praxiserfahrung in der Ausbildung haben wollen, ist in der vollzeitschulischen Ausbildung vorgesehen, dass sie im Bereich der Sozialassistenz 480 Praxisstunden pro Jahr und im Bereich der Erzieherausbildung 300 Praxisstunden pro Jahr haben.