Protokoll der Sitzung vom 20.04.2018

Für die Gemeinsame Agrarpolitik - kurz GAP genannt - zeichnen sich ebenfalls Planungen der Kommission für die Zeit nach 2020 ab. Demnach würde die EU nur noch grundlegende Richtlinienparameter festlegen. Die Mitgliedstaaten müssten die festgelegten Ziele in Selbstverantwortlichkeit erreichen. Kommissar Oettinger hat sich dazu wie folgt geäußert:

„Es werden jedoch zunehmend Forderungen laut, die Gemeinsame Agrarpolitik stärker auf die Bereitstellung öffentlicher Güter im Bereich Umweltschutz und Klimapolitik auszurichten. Dazu wären mehr gezielte und regional angepasste Fördermaßnahmen notwendig“.

Sollte sich Kommissar Oettinger durchsetzen, wird im Ergebnis die strategische Ausrichtung der ersten und zweiten Säule der Agrarförderung zukünftig enger ineinander greifen müssen als bisher. Die Europäische Kommission geht mit ihren, den Mehrjährigen Finanzrahmen vorbereitenden Aussagen davon aus, dass eine größere Verzahnung der Fördermittel für eine Stärkung der ländlichen Räume insgesamt genutzt werden sollte.

Auch Agrarkommissar Hogan führt aus, dass die Art und Weise der Zahlungen im Rahmen des Systems der Direktzahlungen auf den Prüfstand müsse. Unter Beibehaltung der bestehenden Zweisäulenstruktur würden im Rahmen eines einfacheren und flexibleren Ansatzes konkrete Maßnahmen festgelegt, durch die die auf EU-Ebene vereinbarten Ziele erreicht werden sollen. Jeder EU-Mitgliedstaat werde angehalten, seine eigenen - von

der Kommission zu genehmigenden - Strategiepläne vorzulegen. Darin solle darlegt werden, wie jedes einzelne Mitgliedsland die Ziele erreichen will.

Kommissionsvizepräsident Katainen brachte das neue Verhältnis zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten auf den Punkt:

„Die Antwort auf die Frage: „Was soll gemacht werden?“, wird Aufgabe der EU sein. Die Frage: „Wie soll es gemacht und umgesetzt werden?“, wird Sache der Mitgliedstaaten sein“.

Niedersachsen, meine Damen und Herren, praktiziert die Verzahnung der Fördertöpfe bereits jetzt.

Der Vertreter der EU-Kommission in Deutschland, der Österreicher Richard Kühnel, hat Niedersachsen bei seinem jüngsten Besuch vor dem Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung am 5. Februar dieses Jahres bescheinigt - hier sitzen ja einige Kolleginnen und Kollegen, die dabei waren -, dass hier in Niedersachsen „künftige kommissionseitige Konzepte geradezu antizipiert“ würden.

Die niedersächsische Multifonds-Herangehensweise sei in Deutschland bislang einzigartig. In diesem Zuge sei das Land schon jetzt fortschrittlich aufgestellt.

Und um Herrn Kühnel noch einmal abschließend zu zitieren:

„Es wird gesamthaft gedacht und vorgegangen. Das geht in die Richtung, die die EU einschlagen wird.“

(Beifall bei der SPD)

Vor der Vorlage des MFR-Vorschlags am 2. Mai können Aussagen zu der finanziellen Ausstattung der EU-Förderung nicht seriös getroffen werden. Gleiches gilt für Einschätzungen zu den Förderbedingungen. Hier müssen wir warten, bis wir die Verordnungsentwürfe kennen.

Den Zeitraum vor den Vorlagen hat die Landesregierung intensiv dafür genutzt, die niedersächsischen Interessen bei der EU zu platzieren. Diese sind eine angemessene Mittelausstattung der Fonds, eine Strukturförderung für alle Regionen, ein Abbau von Bürokratie, eine substanzielle Vereinfachung der Regelungen - eine deutlich spürbare Entbürokratisierung - und eine Kohärenz der verschiedenen Förderbereiche. Es sind dazu vonseiten der Landesregierung zahlreiche Gespräche

auf allen Ebenen, insbesondere in Brüssel, geführt worden.

Als Regionalministerin ist mir die regionale Entwicklung ein ganz zentrales Anliegen. Meiner Auffassung nach ist die Förderung mit EU-Mitteln wie kaum eine andere politische Maßnahme dazu geeignet, den Mehrwert europäischer Zusammenarbeit und Solidarität zu verdeutlichen.

Meine Damen und Herren, ich möchte ganz schlicht das Wort „Kohäsion“ übersetzen. Es bedeutet nichts anderes als „Zusammenhalt“. Genau darum geht es.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage für die Fragestunde namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Die Fragesteller gehen davon aus, dass ich mich im Gespräch mit der Neuen Osnabrücker Zeitung für eine Schwächung der ersten Säule ausgesprochen habe. Diese Annahme, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist nicht richtig. Ich möchte noch einmal die Zitate anführen, mit denen mich die Neue Osnabrücker Zeitung in ihrer Ausgabe vom 15. März 2018 zitiert. Es handelt sich um drei Zitate.

Erstes Zitat:

„Ich bin sehr dafür, die sogenannte zweite Säule zu stärken, aus der beispielsweise Dorferneuerungen finanziert werden. Damit lässt sich viel Gutes tun für die ländlichen Räume.“

Zweites Zitat:

„Der ländliche Raum ist mehr als Landwirtschaft.“

Drittes Zitat, mit Bezug auf ein Interesse an lebendigen Dörfern:

„Das schaffen wir mit Mitteln der zweiten Säule. Dazu gehört, dass wir lebendige Dörfer erhalten“.

(Christian Grascha [FDP]: Woher nehmen Sie das Geld?)

Meine Damen und Herren, ich habe meine Pressestelle zudem gebeten, den kompletten autorisierten Text noch einmal durchzugehen, der der Redaktion der NOZ zur Verfügung gestellt worden ist. In der Tat sprechen wir auch über die erste Säule, allerdings referiere ich da den derzeitigen Diskus

sionsstand in Brüssel - ungefähr so, wie ich es eben hier gemacht habe.

Ich halte also fest: Ich habe mich mit keinem Wort für eine Schwächung der ersten Säule der Agrarförderung ausgesprochen. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, im Übrigen gibt es keinen Gegensatz zwischen der ersten und der zweiten Säule der Agrarförderung. Beide ergänzen sich.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Fragen Sie dazu mal die Landwirte!)

Wie Sie wissen, werden aus der ersten Säule insbesondere die Direktzahlungen für landwirtschaftliche Betriebe gewährt. Die zweite Säule fördert die Entwicklung des ländlichen Raums. Sie hat den Vorteil, dass sie sehr flexibel eingesetzt werden kann.

Auch die zweite Säule der Agrarförderung stärkt die landwirtschaftlichen Betriebe. Sie stärkt die Infrastruktur, verbessert die Standortbedingungen im ländlichen Raum und stützt die Diversifizierung. Das ist bereits auf EU-Ebene so angelegt und keine neue Erfindung. Insbesondere die Prioritätsachse 6 des ELER spiegelt dieses wider: Breitbandversorgung, Dorfentwicklung, LEADER oder Tourismusförderung gehen auch jetzt schon über den rein landwirtschaftlichen Bereich hinaus. Es geht hier nicht um eine Konkurrenz, sondern um ein vernünftiges und ausgewogenes Miteinander im und für den ländlichen Raum.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Zu Frage 2: Seit dem 1. Januar 2014 bestehen die Ämter für regionale Landesentwicklung. An ihrer Spitze sind die Landesbeauftragten, die die regionale Landesentwicklung initiieren, koordinieren, bündeln und realisieren und insbesondere ressortübergreifende regionale Entwicklungskonzepte und Förderprojekte gemeinsam mit ihren Partnern und Partnerinnen vor Ort entwickeln.

Die vier Ämter für regionale Landesentwicklung sind Einheitliche Ansprechpartner für Kommunen und Unternehmen gleichermaßen und für die operative Koordinierung der Förderung in der Fläche zuständig. Der Informationsfluss zwischen der kommunalen, der regionalen und der zentralen Landesebene funktioniert so zuverlässig in beide Richtungen.

Die Investitions- und Förderbank Niedersachsen - die NBank - ist Förderdienstleister des Landes

Niedersachsen. Sie berät, bewilligt und prüft u. a. öffentliche Förderprogramme im Auftrag des Landes.

Die Ämter für regionale Landesentwicklung helfen bei der Entwicklung regional bedeutsamer Projekte. Sie müssen das Ganze im Blick haben. Gemeinsam mit den Akteuren vor Ort werden Schwerpunkte der Regionalentwicklung definiert und hierzu passende Projekte initiiert. Das ist eine im Vergleich zur NBank anders gelagerte Aufgabe.

Die aktuelle Aufgabenteilung zwischen NBank und Ämtern für regionale Landesentwicklung hat sich meiner Ansicht nach bestens bewährt. Falls Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP, mit Ihrer Frage einen Blick in die Zukunft werfen wollen: Bei der im Koalitionsvertrag vereinbarten Prüfung eines möglichen Um- und Ausbaus der NBank werden diese Erkenntnisse berücksichtigt werden.

Zu Frage 3: In der vergangenen Legislaturperiode hat sich die Landesregierung daran gemacht, in allen niedersächsischen Regionen zukunftsfeste Strukturen zu etablieren. Die Ämter für regionale Landesentwicklung waren in diesem Prozess ein unverzichtbarer Partner. Jetzt zeigt die neue Regionalpolitik Wirkung. Sie wird überall im Land von Kommunen, von Wirtschafts- und Sozialpartnern und von Verbänden begrüßt. Für Wirtschaft und Kommunen ist es beispielsweise wichtig, dass bei großen Genehmigungsverfahren ein übergreifender Blick den rein fachlichen ergänzt. Der Wirtschaft, so wird mir immer wieder vorgetragen - das hören sicherlich auch Sie -, geht es auch darum, solche Verfahren schnellstmöglich auf den Weg zu bringen und zu beenden. Die Ämter agieren als Vermittler, Ideengeber, Tempomacher und Ratgeber und sind damit die besten Lobbyisten ihrer jeweiligen Region.

Es ist in Brüssel aufmerksam registriert worden, dass Niedersachsen als erstes Bundesland ein eigenständiges Regional- und Europaministerium ins Leben gerufen hat. In meiner neuen Rolle als Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung werde ich in Gesprächen sowohl bei der EU als auch beim Bund deutlich stärker wahrgenommen. Wir haben so die Möglichkeit, die Belange der Regionen direkt auf höchster Ebene in Brüssel und Berlin voranzubringen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte, dass mein neues Ressort Niedersachsen aus seinen Regionen heraus denkt, dass wir eine Politik von unten nach oben leben.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Die Konstruktion dieses Ministeriums ist in Deutschland einzigartig. Die Zuständigkeiten erstrecken sich von der regionalen Ebene auf die Landesebene und von hier - über den Bundesrat - auch auf die Bundesebene und schließlich auf die EU-Ebene. Erkenntnisse, die wir hier gewinnen, können wir bis in die untersten Ebenen heruntergeben - und selbstverständlich auch umgekehrt. Wir werden also den Multi-Level-Governance-Ansatz aktiv mit dem neuen Ministerium leben können. Wir sind in der Lage, alle Ebenen sinnvoll miteinander zu verknüpfen, und können so für Niedersachen unsere niedersächsischen Interessen auf allen Ebenen ganz stark vertreten und wahren.

Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin Honé. - Die erste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Pancescu, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte!

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund, dass Herr Oettinger noch nicht für Klarheit gesorgt hat, und angesichts der richtigen Forderung der Europaministerin Birgit Honé, die zweite Säule stärker als in der Vergangenheit zu fördern,