Protokoll der Sitzung vom 19.06.2018

freiheit!“ und haben sich überhaupt nicht darum gekümmert, wer da wofür wirbt. Es muss erst die AfD kommen, damit so etwas überhaupt in Bewegung kommt,

(Zustimmung bei der AfD - Wider- spruch bei der SPD)

dieselbe AfD, der Sie dann im gleichen Atemzug Panikmache vorwerfen.

Erst interessieren Sie sich nicht für die Sicherheit unserer Bürger - anders ist Ihre mangelnde Bereitschaft, das Thema rechtzeitig anzugehen, ja gar nicht erklärlich -, und dann beschimpfen Sie den Mahner und Warner als jemanden mit zweifelhafter Motivation.

Was bei all dem auf der Strecke bleibt, sind die Sicherheit unserer Bürger und die Glaubwürdigkeit für Sie als Politiker.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Henze. - Jetzt ist die Landesregierung an der Reihe. Es hat sich Herr Innenminister Pistorius gemeldet. Bitte sehr, Herr Minister!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es mag ungewöhnlich erscheinen, wenn ein ressortfremder Minister über den Gesetzentwurf eines anderen Hauses spricht. Bekanntermaßen ist das Verkehrsministerium originär für das Niedersächsische Straßengesetz zuständig. In diesem Gesetzentwurf steckt aber - das ist ja eben auch deutlich geworden - ein Kernthema meines Ressorts, nämlich die Frage, wie wir effektiv sogenannte Koranverteilaktionen, mit denen salafistische Propaganda verbreitet wird, begegnen können.

Dies ist uns, dem Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitales in enger Zusammenarbeit mit meinem Haus, durch die Einführung des neuen § 18 Abs. 1 a gelungen. Für die außerordentlich gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit möchte ich meinem Kollegen Althusmann und seinen zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Wirtschaftsministerium herzlich danken.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Wie Sie sicherlich wissen, gab es in den vergangenen Jahren in vielen Städten Niedersachsens

Stände, an denen unter dem Vorwand der Koranverteilung salafistische Propaganda verbreitet wurde. Derartige Stände haben häufig eine Doppelfunktion gehabt: Es wurde nicht nur Informationsmaterial verteilt, sondern auch und vor allem wurden junge Menschen angelockt. Durch eine zunächst scheinbar unverfängliche Kontaktaufnahme wurden so vor allem junge Menschen in ihrer Identifizierungsphase gezielt an die salafistische Ideologie herangeführt und anschließend nicht selten in die Szene eingebunden.

Für viele Salafisten stellen diese Infostände zudem ein wichtiges Instrument dar, um öffentliche Präsenz zu zeigen und sich immer besser zu vernetzen.

Auch wenn nach dem bundesweiten Verbot des Vereins „Die wahre Religion“ und den dazugehörigen „Lies!“-Koranverteilaktionen im November 2016 die Zahl derartiger Stände auch in Niedersachsen gesunken ist, müssen wir für die Zukunft gerüstet sein. Es ist wichtig, dass wir den Kommunen bei der Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen die Möglichkeit geben, derartige Erkenntnisse in die Prüfung und Entscheidung mit einzubeziehen. Bisher war das rechtlich nicht möglich.

Durch den neuen § 18 Abs. 1 a ist uns das nun gelungen. Die neue Regelung schafft Handlungsspielräume und bietet die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen die Sondernutzungserlaubnis im Vorfeld zu versagen. Dies gilt, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Sondernutzung z. B. dazu dient, Aktivitäten zu verfolgen, zu betreiben oder zu unterstützen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind.

Es ist mir persönlich wichtig, an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich zu sagen: Es geht keinesfalls darum, das bloße Verteilen einer religiösen Schrift oder von Informationen über eine Religion verhindern zu wollen. Es geht hier um Fälle, in denen unter dem Deckmantel der Religion salafistische Propaganda bis hin zu Rekrutierungsbemühungen im öffentlichen Raum stattfindet. Darum geht es, meine Damen und Herren.

Der heute vorliegende Entwurf des Niedersächsischen Straßengesetzes enthält weitere wichtige Änderungen. Dazu zählt die Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie in nationales Recht. Die beinhaltet u. a. die schon genannten Anforderungen an neue Entwicklungen in der Nähe von Störfallbetrieben. In Niedersachsen wird dies so umgesetzt, dass für Straßenbaumaßnahmen in einem Umkreis

von 2 000 m, bei Biogasanlagen von 200 m um einen Störfallbetrieb die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens vorgeschrieben wird, bei dem dann die formellen Vorgaben der Europäischen Union beachtet werden müssen. Dies gilt allerdings nur, wenn sich durch die Maßnahme das Risiko eines Störfalles vergrößern oder die Folgen eines solchen Unfalls verschlimmern können.

Zudem wird das neue Straßengesetz zu einer Beschleunigung bei den straßenrechtlichen Planfeststellungsverfahren beitragen. Die Zuständigkeiten für diese Verfahren werden zwischen den Landkreisen und kreisfreien Städten und der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr mit dem Gesetz klarer geregelt.

Damit werden der Verwaltungsaufwand und zeitliche Verzögerungen reduziert. Es entspricht dem ausdrücklichen Wunsch der kommunalen Spitzenverbände und der Landesbehörde, die gesetzliche Grundlage für eine einvernehmliche Aufgabenübertragung von den Landkreisen auf die Landesbehörde für solche Fälle zu schaffen.

Meine Damen und Herren, vor dem Hintergrund der vielen Verbesserungen, die dieser Gesetzentwurf mit sich bringt, bitte ich Sie, diesem heute zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vor, sodass wir in die Abstimmung über den Gesetzentwurf eintreten können.

Wir kommen zur Einzelberatung. Ich rufe auf:

Artikel 1. - Hierzu liegt eine Änderungsempfehlung des Ausschusses vor. Wer für diese Änderungsempfehlung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Artikel 2. - Unverändert.

Gesetzesüberschrift. - Unverändert.

Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wer den Gesetzentwurf in toto in der Form der Änderungsempfehlungen des Ausschusses annehmen möchte, der möge sich jetzt vom Platz erheben. - Gegenprobe! - Sicherheitshalber gefragt: Enthaltun

gen? - Damit ist das Gesetz einstimmig so beschlossen.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 5: Abschließende Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausführung des Achten Buchs des Sozialgesetzbuchs - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 18/455 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung - Drs. 18/1040 - dazu: Änderungsantrag der Fraktion der AfD - Drs. 18/1123 - Schriftlicher Bericht - Drs. 18/1125

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Gesetzentwurf mit Änderungen anzunehmen.

Wir treten in die Beratung ein. Eine erste Wortmeldung liegt aus der Fraktion der SPD von der Kollegin Immacolata Glosemeyer vor. Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Jahren haben wir auf der ganzen Welt Entwicklungen erlebt, die uns alle erschüttert haben. Internationale Kriegs- und Krisenherde sind für uns in Deutschland so greifbar geworden, wie wir es uns niemals hätten vorstellen können.

Viele Menschen kamen auf der Suche nach Frieden und einem besseren Leben in unser Land - unter ihnen auch Kinder und Jugendliche ohne Begleitung, allein und auf sich gestellt. Für diese besondere, schutzbedürftige Gruppe mussten Lösungen für eine kindgerechte Unterbringung gefunden werden.

Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher hat die Bundesregierung bereits am 1. November 2015 den ersten Schritt getan und eine bundesweite Verteilung der Kinder und Jugendlichen auf die Bundesländer beschlossen.

Mit unserem Gesetzentwurf zur Ausführung des Achten Buchs des Sozialgesetzbuchs wollen wir heute die Verteilung der minderjährigen Schutzbefohlenen auf die örtlichen Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe in den Kommunen in Niedersachsen rechtlich verankern. Dabei steht für

uns das Kindeswohl, die bestmögliche Betreuung und Integration der jungen Menschen, an erster Stelle.

Zuerst möchte ich mich ausdrücklich für die Ausschussberatungen bedanken, an denen viele Institutionen teilgenommen haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir konkretisieren mit dem neuen Achten Abschnitt in § 16 b die landesrechtliche Verteilungspraxis von unbegleiteten ausländischen minderjährigen Jugendlichen auf die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Das geschieht nach den Maßgaben von § 42 b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII - den spezifischen Bedürfnissen und Bedarfen unbegleiteter ausländischer Minderjähriger - und § 42 b Abs. 5 Satz 1 SGB VIII - „Geschwister dürfen nicht getrennt werden“ - sowie unter Berücksichtigung der Einwohnerzahl im Zuständigkeitsbereich. Das Landesjugendamt weist die ausländischen Kinder und Jugendlichen unter dieser Maßgabe zu.

Zu dem Änderungsantrag der AfD muss ich sagen: In Niedersachsen prüft das Jugendamt die Ausweise und schaut sich die Jugendlichen an. Im Zweiergespräch werden die mentale Reife sowie die körperliche Erscheinung beurteilt. Im Zweifelsfall kann eine medizinische Untersuchung wie das Röntgen des Handgelenks oder eine Computertomografie des Schlüsselbeins veranlasst werden. Das ist Praxis in Niedersachsen. Es gibt zurzeit kein sichereres Verfahren bei der Altersfeststellung. Das müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen. Insofern werden wir Ihrem Änderungsantrag selbstverständlich nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, darüber hinaus gewährt das Land wie bisher über die Kostenerstattung nach SGB VIII hinaus eine einmalige Verwaltungspauschale, die auch mit den Kommunen so besprochen ist. Der neue § 16 c sieht vor, dass die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe dabei die rechnungsbezogenen Vorgaben des Landesjugendamts zu beachten haben.

Wir gehen mit dieser Verteilungspraxis einen wichtigen Weg. Von Anfang an wollen wir den Kindern und Jugendlichen eine neue Perspektive aufzeigen. Integration kann nur gelingen, wenn ein Zugang zu den Lebensbedingungen und Lebensbereichen einheimischer Jugendlicher gegeben ist. Das gelingt im Sportverein und in Bildungseinrichtungen am besten. Dafür sind die Jugendämter in den Kommunen nach ihren Erfahrungen gut aufgestellt. Mit dem Spracherwerb, dem Zugang zu

Bildung und den Chancen auf Beteiligung legen wir den Grundstein für eine gute Zukunft fernab der eigenen Herkunftsländer.

Durch die angemessene Verteilung auf die Einzugsbereiche der öffentlichen Jugendhilfe beugen wir der Überlastung einzelner Regionen und Einrichtungen vor. Erstens entlasten wir damit die Kommunen mit Erstaufnahmeeinrichtungen und die Verkehrsknotenpunkte, an denen besonders viele Asylsuchende ankommen. Zweitens - das ist unser Hauptanliegen - ermöglichen wir den Schutzbefohlenen die bestmögliche Chance auf einen guten Start in ihre neue Heimat.

(Vizepräsidentin Petra Emmerich- Kopatsch übernimmt den Vorsitz)

Mit diesem Gesetzentwurf gelingt uns dieser Spagat zwischen rechtlicher Verteilungspraxis und den besonderen Belangen der Schutzbefohlenen. Wir wollen den Kindern und Jugendlichen auch im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention gerecht werden. Die Kinderrechtskonvention ist eindeutig. Für alle Kinder, egal welcher Herkunft, gilt gleiches Recht. Als Fraktion, die sich für die Kinderrechte im Grundgesetz einsetzt, ist das selbstverständlich und verpflichtend.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein besonderes Anliegen meiner Fraktion ist die Partizipation von Kindern und Jugendlichen. Auch hier denken wir natürlich nicht exklusiv, sondern wir beziehen alle Jugendlichen mit ein. In der letzten Wahlperiode haben wir den Landesjugendhilfeausschuss wieder eingeführt und als zweites deutsches Flächenland eine Kinderkommission eingesetzt. Ich möchte in Erinnerung rufen: Über den Landesjugendhilfeausschuss wird die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen den öffentlichen und den freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe in Niedersachsen gewährleistet. Die Kinderkommission haben wir in die neuen modernen Strukturen der niedersächsischen Kinder- und Jugendpolitik integriert. Sie fungiert als weiterer Baustein der Fachlichkeit und Beteiligungskultur. Die oberste Priorität war schon damals, die Chancengerechtigkeit der jungen Niedersachsen herzustellen. Wir haben beschlossen, die Kinderkommission in „Kinder- und Jugendkommission“ umzubenennen, ganz nach der gesetzlichen Definition von 0 bis 21 Jahren.