Protokoll der Sitzung vom 19.06.2018

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die wohl wichtigste Aufgabe eines Staates ist es, das Leben der Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Dazu gehört es selbstverständlich auch, denjenigen zu verfolgen, der einem anderen das Leben nimmt. Dazu muss man natürlich erst einmal feststellen, dass tatsächlich ein Tötungsdelikt, gegebenenfalls ein Mord, vorliegt.

Wenn der eine den anderen auf der Straße erschießt, ist das relativ einfach. Wenn aber jemand Älteres oder jemand Krankes im Bett stirbt, wird es schon wesentlich schwieriger. Wir in Niedersachsen haben in dem Fall des schon mehrfach erwähnten Niels Högel gesehen, wie schwierig das im Einzelfall sein kann.

Was die Krankenhäuser betrifft, gab es einen entsprechenden Ausschuss, und man hat sehr viel nachgesteuert. Das ist auch richtig und wird von uns ausdrücklich unterstützt. Allerdings sterben auch viele Menschen außerhalb von Krankenhäusern, und viele Tötungsdelikte - das macht es noch schwieriger - finden im sozialen Nahfeld statt. Die Freie Hansestadt Bremen hat darauf reagiert und hat in ihren Gesetzen eine zweite ärztliche qualifi

zierte Leichenschau festgeschrieben. Das Gesetz, das wir heute hier verabschieden sollen, beinhaltet genau dies nicht.

Stirbt in Niedersachsen ein älterer, kranker Mensch, vielleicht in der Nacht, dauert es zwei bis drei Stunden, bis ein Arzt kommt und den Tod feststellt. Wird der Leichnam dann in einer Erdbestattung beigesetzt, schaut nie wieder jemand nach, was tatsächlich geschehen ist. In der Nacht kommen oft jüngere Ärzte, weil diese Nachtdienste bei den älteren, etablierten Ärzte nicht gerade beliebt sind. Das macht das Ganze noch schwieriger.

In Bremen gibt es in einer solchen Situation nach der ersten Leichenschau mit einem gewissen zeitlichen Abstand die zweite qualifizierte durch einen Spezialisten. Kommt ein in Bremen Verstorbener dann auch noch in ein Krematorium nach Niedersachsen, beispielsweise nach Verden, was wegen der örtlichen Nähe öfter vorkommt, kann es sein, dass sogar noch ein dritter Arzt darauf schaut. Auf Deutsch: Der Mörder muss sich schon überlegen, ob er seine Tat in Bremen oder in Niedersachsen begeht.

Uns reicht der Gesetzentwurf an dieser Stelle nicht aus. Wir werden einen eigenen Entwurf zu diesem Komplex einbringen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Genthe. - Für Bündnis 90/Die Grünen hat sich Frau Meta Janssen-Kucz gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf beschäftigt uns seit dem letzten Sommer. Sämtliche Ergebnisse des Sonderausschusses sind eingeflossen. Sie sind auch in einen rot-grünen Entschließungsantrag eingeflossen. Ich habe schon in der damaligen Debatte - da ging es um das Krankenhausgesetz und um das Bestattungsgesetz - nicht nachvollziehen können, dass CDU und FDP diesen Antrag abgelehnt haben. Es waren Empfehlungen, die umgesetzt werden mussten, immer mit dem Ziel, die Patientensicherheit, den Patientenschutz in Niedersachsen voranzubringen.

Hintergrund waren die wirklich schrecklichen Krankenhausmorde in Oldenburg und Delmenhorst,

nach denen man einfach nicht zur Tagesordnung übergehen kann, sondern sich wirklich auf den Weg machen muss. Schwerpunkte dieser Novellierung waren die Regelung der Leichenschau, die Einführung von Meldepflichten bei Anhaltspunkten für einen nicht natürlichen Tod und auch der Schutz vor ausbeuterischer Kinderarbeit.

Meine Damen und Herren, wir Grüne hätten uns wirklich gewünscht, dass in dem Gesetzentwurf, den wir heute hier beschließen werden, stärker auf die Veränderung der Bestattungskultur in den letzten 10 bis 15 Jahre eingegangen würde. Jeder stirbt nur einmal, und es ist unsere Aufgabe, die Wünsche des Verstorbenen ebenso wie die der Hinterbliebenen bestmöglich gesetzgeberisch zu begleiten. Nicht jeder sieht seine letzte Ruhe auf dem Friedhof.

Es wurde schon deutlich gesagt: Nicht nur die Menschen in den Grenzregionen nutzen den Umweg über die Niederlande, um die Wünsche ihrer Verstorbenen zu erfüllen. In den Niederlanden gibt es u. a. keinen Friedhofszwang. Bei uns in Niedersachsen gibt es hingegen nur die Ausnahmen Urnenbestattung im Waldgelände, wie sie der Friedwald anbietet, und Seebestattung. Aber es gibt doch auch noch ganz andere Bestattungs- und sogar Geschäftsmodelle, die offensiv praktiziert werden, weil das der Wunsch der Angehörigen und der Verstorbenen ist. Deshalb begrüßen wir den Änderungsantrag der FDP. Wir werden ihn unterstützen.

Ich bitte Sie noch einmal: Geben Sie sich einen Ruck! Sie können nicht nur auf traditionellen Bestattungskulturen beharren. Sie sollten auch auf die Wünsche der Menschen, der Verstobenen eingehen und sie akzeptieren und dieser fortschreitenden Liberalisierung des Bestattungswesens zustimmen, die ja de facto praktiziert wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Jetzt noch einmal zu dem Gesetz. Der Sozialausschuss hat bei der Anhörung sehr intensiv mit dem Sozialministerium, mit dem GBD zusammengearbeitet. Dafür noch einmal ein dickes Dankeschön! Ich habe wirklich selten so intensive Diskussionen erlebt.

Ich will an der Stelle aber auch erwähnen, dass es zwölf Verbände gab, die schon im Vorfeld von einer Stellungnahme Abstand genommen hatten. Darunter war auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter. Deshalb ist die Kritik, die er in den letzten Wochen in die Medien getragen hat, auch haus

gemacht. Das muss man an der Stelle auch sehen und darf nicht sagen: Wir wurden nicht eingeladen! - Nein, der BDK hat keinen Anlass gesehen, eine Stellungnahme abzugeben. Andere haben das gemacht, ohne dass sie angefragt wurden, und es gingen weitere sieben Stellungnahmen in die Beratung ein.

Ich will auch noch ein paar Sätze zu der sogenannten qualifizierten, also der zweiten, Leichenschau sagen, der wir einfach nicht folgen konnten. Dies war zwar eine Empfehlung des Sonderausschusses, aber nicht alles, was der Sonderausschuss empfohlen hatte, ließ sich im Rahmen von Gesetzesberatungen einfach eins zu eins umsetzen. Oftmals standen juristische Bedenken oder ganz einfache Umsetzungsgründe dem entgegen. Die entscheidende Frage war für mich und ist auch für uns: Was nützt ein Bestattungsgesetz, das aufgrund nicht vorhandenen qualifizierten Personals, also Ärzten, Pathologen mit speziellem Fachwissen, und aufgrund nicht vorhandener geeigneter Räumlichkeiten nicht umgesetzt werden kann?

Dass von den 80 000 Menschen, die jährlich in Niedersachsen versterben, 60 000 in Krankenhäusern oder Altenpflegeeinrichtungen versterben, macht uns deutlich - Sie haben es selbst angesprochen -: Wir müssen in Personal, in Ausbildung, in Räumlichkeiten investieren, um perspektivisch dieses Ziel der qualifizierten Leichenschau umzusetzen. Wir müssen uns auch sehr genau das Modellprojekt in Delmenhorst und Oldenburg anschauen. Das muss evaluiert werden, um es dann auch ins Gesetz zu übertragen.

Dieses heute zu beschließende Gesetz ist nicht der Stein der Weisen; das muss uns allen klar sein. Wir haben uns auf den Weg gemacht. Wir beschließen einen ersten großen Schritt. Natürlich muss aber noch einiges mehr kommen.

Wir haben in den Beratungen auch juristisches Neuland betreten, gerade im Bereich der Erweiterung der Sektionsmöglichkeiten. Wir haben bewusst rechtliche Bedenken zur Kenntnis genommen, haben aber gesagt, dass wir uns auf die Seite von mehr Patientenschutz und mehr Kinderschutz stellen. Denn wir alle kennen die Fälle von Tötungen in Krankenhäusern, aber auch von erst später erkannten Kindesmisshandlungen mit Todesfolge.

Letzter Satz, Frau Janssen-Kucz!

Das ist der letzte Satz! - Wie schon gesagt, bin ich mir sicher, dass wir noch lange nicht am Ziel angekommen sind. Dieses Gesetz, das wir hier und heute beschließen, ist nicht der Stein der Weisen. Es ist aber eine gute Grundlage für mehr Patientenschutz und -sicherheit.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Uwe Schwarz [SPD])

Danke, Frau Janssen-Kucz. - Jetzt spricht für die Landesregierung Frau Sozialministerin Dr. Reimann.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich und bin dankbar, dass es mit der Novelle des Niedersächsischen Bestattungsgesetzes und dem heutigen Gesetzesbeschluss gelingt, einen wichtigen Teil der Koalitionsvereinbarung in Niedersachsen umzusetzen.

Von der Novellierung des Gesetzes über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen - wie das Bestattungsgesetz mit vollem Namen heißt - verspreche ich mir eine erhebliche Verbesserung der Patientensicherheit, weil die Vorschriften über die ärztliche Leichenschau deutlich erweitert werden.

Der Abgeordnete Schwarz hat den Hintergrund sehr klar erläutert. Zwei Punkte will ich an dieser Stelle beispielhaft nennen.

Zum einen werden damit die Möglichkeiten der Verbrechensaufklärung verbessert. Das Gesetz enthält nämlich eine erheblich erweiterte Verpflichtung der die Leichenschau durchführenden Ärztinnen und Ärzte zur Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft und der Polizei z. B. in Fällen, in denen Anhaltspunkte für eine ärztliche oder pflegerische Fehlbehandlung bestehen. Damit wird - da bin ich sicher - zukünftig in einer erhöhten Anzahl von Fallgestaltungen eine Aufklärung ermöglicht.

Zum anderen - das ist hier schon mehrfach gesagt worden; dabei handelt es sich in der Tat um einen zentralen Punkt - ist im Gesetz die Möglichkeit einer klinischen Sektion bei verstorbenen Kindern bis zum sechsten Lebensjahr vorgesehen, die von amtsärztlicher Seite angeordnet werden soll, wenn

die Todesursache nicht erklärbar ist. Auch hiermit ermöglichen wir erweiterte Aufklärung.

Damit dies zeitnah umgesetzt werden kann, sollen die diesbezüglichen Vorschriften des Gesetzes möglichst schnell in Kraft treten.

Schnell in Kraft treten soll auch eine Erweiterung des Kreises der Ärztinnen und Ärzte, die zur Vornahme der zweiten Leichenschau vor der Feuerbestattung ermächtigt werden können. Damit wird einem Anliegen der kommunalen Spitzenverbände entsprochen. Dem öffentlichen Gesundheitsdienst in den Landkreisen, kreisfreien Städten und der Region Hannover wird die Möglichkeit gegeben, sich von der eigenen Wahrnehmung dieser Aufgabe - d. h. der zweiten Leichenschau - zu entlasten, indem sie Ärztinnen und Ärzten pathologischer oder rechtsmedizinischer Institute übertragen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Kommunen sind auch von einer anderen Neuerung in den gesetzlichen Vorschriften betroffen, nämlich dem Verbot von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit. Das ist keine Sache der Patientensicherheit, aber eine Sache des Kinderschutzes. Wir planen, hierzu zeitnah eine Handreichung zu veröffentlichen, die die aktuellen Fragen aufgreift und die dazu gehörenden Antworten enthält.

Mir bleibt zum Schluss noch, Danke zu sagen. Danken möchte ich dem federführenden Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung für seine konstruktiven Beratungen; meine Vorredner haben das angesprochen. Auch danke ich allen Mitwirkenden im parlamentarischen Verfahren dafür, dass schon heute über den Gesetzentwurf der Landesregierung vom 13. Februar 2018 hier beschlossen und entschieden werden kann.

Danke.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Auch diesmal liegen uns keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zur Einzelberatung zu Nr. 1 der Beschlussempfehlung. Ich rufe auf:

Artikel 1. - Hierzu liegt der Änderungsantrag der Fraktion der FDP in der Drucksache 18/1131 vor. Wer für diesen Änderungsantrag ist, möge die Hand heben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Damit kommen wir zu der Änderungsempfehlung des Ausschusses. Wer für diese Änderungsempfehlung des Ausschusses ist, möge die Hand heben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist Artikel 1 in der Fassung der Ausschussempfehlung angenommen.

Artikel 2. - Hierzu liegt eine Änderungsempfehlung des Ausschusses vor. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Angenommen.

Gesetzesüberschrift. - Unverändert.

Wer dem Gesetzentwurf im Ganzen seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Wer dagegen ist, möge sich jetzt erheben. - Wer sich enthält, möge sich nun erheben. - Damit ist das Gesetz so beschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die Nr. 2 der Beschlussempfehlung.

Wer der Nr. 2 der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit die in die Beratungen einbezogenen Eingaben für erledigt erklären möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist die Nr. 2 der Beschlussempfehlung ebenfalls angenommen worden. - Herzlichen Dank.

Wir kommen dann zum