Protokoll der Sitzung vom 22.06.2018

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Sind die Flächenpotenziale, die den Landkreisen entsprechend zugeordnet werden, auch auf das Jahr 2050 ausgerichtet?

Danke schön. - Herr Minister, bitte sehr!

Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrter Herr Grascha, das Flächenausbauziel, diese 1,4 %, passt - so unsere Zielsetzung - zu dem Ausbauziel 20 GW. Eigentlich ist das eine Frage, die man, wenn man ehrlich ist, mit Blick auf 2050 nur begrenzt beantworten kann. Wenn man sich vor 20 Jahren die Frage gestellt hätte, wie viel Fläche für 20 GW gebraucht wird, hätte man andere Zahlen errechnet als heute. Das muss man fairerweise dazu sagen. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass die technologische Entwicklung dazu beiträgt, dass wir dieses Ziel erreichen werden.

Die Schwierigkeit ist tatsächlich: Kriegen wir das in allen Regionen gleichermaßen hin? Wir haben nicht nur die Frage zu klären, welche Flächen wir definieren, sondern wir müssen uns auch über die Restriktionen klar werden, über die wir schon gesprochen haben, wie die Restriktionen des Wetterradars und der Luftfahrt, also viele Dinge, die dazu beitragen, dass - vereinfacht - versucht wird, gar nichts zu ermöglichen. Dann würden die Flächenpotenziale, die wir haben, noch einmal reduziert.

Die nächste Debatte, die wir führen müssen, betrifft die Frage: Ist in den ausgewiesenen Flächen das Fundament der Mittelpunkt der Windkraftanlage oder ist es die äußere Spitze über den Rotordurchmesser? Denn bei immer größeren Windenergieanlagen reduzieren wir damit die Fläche erheblich. Das ist nicht zu unterschätzen, weil man natürlich auch Abstände braucht, die so bemessen sind, dass alles funktioniert. Dazu kommt auch die Debatte, wie sich neue, größere Anlagen in ihrer Lärmemission auswirken werden und welche Auswirkungen das auf die Abstände hat.

Ich will offen sagen: Ja, das Ziel ist mit den 1,4 % vereinbar. Was aber die Herausforderungen, die in den nächsten Jahrzehnten vor uns liegen, betrifft, wäre ich nicht so mutig, zu sagen, ob wir 2040 oder 2050 mit den Maßgaben, die wir heute noch gar nicht kennen, das Ziel schon längst erreicht haben werden - das wäre mein Wunsch - oder möglicherweise nachjustieren müssen. Ich bitte um Verständnis dafür, dass wir technologische Entwicklungen und Restriktionen, die zunehmen wird - wir wissen nicht, was daneben auf uns zukommt -, immer wieder bedenken und einblenden müssen, damit wir das Ziel nicht aus den Augen verlieren: Wir wollen die Energiewende in Niedersachsen. Niedersachsen muss der Treiber für die Energiewende sein. Der Ausbau der Windenergie auf See, aber auch an Land ist ein ganz wesentlicher Bestandteil.

Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Zusatzfrage stellt aus der SPD-Fraktion der Abgeordnete Beekhuis. - Vom Saalmikro? Das ist in Ordnung, oder? - Alles klar.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich frage die Landesregierung: In welchem Umfang kommt es in Niedersachsen zur Abregelung von Windenergieanlagen?

Danke schön. Das war laut genug. - Herr Minister, bitte!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Beekhuis, die Bundesnetzagentur, die dafür zuständig ist, liefert uns die Daten der Netzeingriffe und der Abschaltungen. Die Daten liegen vor bis einschließlich 2017. Schwierig ist dabei: Es gibt keine bundesländerscharfe Bewertung. Man muss den Blick insgesamt auf den Bund richten, was wahrscheinlich auch Sinn macht, weil wir keine länderspezifische Energiewende machen, sondern sie hoffentlich mit der Zielsetzung machen, sie insgesamt zu vollziehen. Wir haben insofern für Niedersachsen nur Daten für die Gesamtmenge der Abregelung aller erneuerbaren Energien, aber nicht spezifisch für die Form.

Und danach betrug der Umfang der Abregelungen in Niedersachsen im Jahr 2017 rund 1098 Gigawattstunden. Das sind 20 % der bundesweit durchgeführten Abregelungen, die im Rahmen von Einspeisemanagementmaßnahmen durchgeführt wurden. Für die Bundesebene - es macht vielleicht Sinn, das zu ergänzen - enthalten die Berichte dann allerdings auch energieträgerscharfe Werte. Für den Bund weiß ich also, welcher Typ von Erzeugung abgeschaltet wird, für das Land kann ich sozusagen nur die Menge betrachten. Danach wurden in 2017 bundesweit Onshorewindanlagen in einem Umfang von 4 461 Gigawattstunden abgeregelt, gefolgt von Offshorewindanlagen mit rund 826 Gigawattstunden, Photovoltaikanlagen mit 163 Gigawattstunden und Biomasseanlagen mit rund 61 Gigawattstunden.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Seine zweite und letzte Zusatzfrage stellt Kollege Wirtz, AfD-Fraktion.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Herr Minister, Sie sprachen vorhin relativ kurz über die Akzeptanz von Windkraftanlagen und dabei u. a. von Infraschall. Nun sind der Schattenwurf und der Infraschall auf lange Sicht gesundheitsgefährdend. Das wird so gesehen. Manche Mediziner sprechen von einem Sicherheitsabstand von 2 km zu bewohnten Bauten. Planen Sie eine verbindliche Abstandsregelung in Form von mindestens 2 km Abstand oder dem zehnfachen der Höhe der Anlage, wie es in Bayern schon üblich ist?

(Beifall bei der AfD)

Danke schön, Herr Wirtz. - Herr Minister!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Wirtz, nein. Ich halte das für völlig falsch. Ich halte es auch für falsch, dass man als Land überhaupt diese Ausnahme machen und das so definieren kann,

(Beifall bei den GRÜNEN)

und zwar nicht, weil ich nicht will, dass es Abstände gibt - überhaupt nicht. Ich glaube allerdings, dass eine feste Definition von 2 km Abstand keinen Sinn macht. Es gibt Menschen, die wollen keine Windenergieanlagen sehen.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Es gibt Leute, die wollen sie eher näher dran haben!)

Ob sie dann in 1,5 km oder 2 km Entfernung stehen, wird an der Debatte nichts ändern. Zum Glück ist die Erde eine Kugel. Das würde - es sei denn, Sie bestreiten auch das - zumindest dazu führen, dass man sie irgendwann nicht mehr sieht.

(Zuruf von der AfD)

- Nein, ich glaube, bei manchen Fragen darf man das auch mal.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Sie machen natürlich genau das, was immer versucht wird. Es wird der Hinweis gegeben: Es gibt Infraschall. - Bei allem Respekt vor Fragen, und bei allem Respekt vor Diskussionen: Es gibt kein Infraschallproblem. Es gibt eine Modulation von Schall. Das hört man, aber das ist kein Infraschall. Infraschall wäre eine Frequenz, die Energie hat. Diese Frequenz, die hören Sie, die hat aber keine Energie.

Warum kommt denn das Argument? Das kommt doch nicht von Menschen, die Sorge wegen des Infraschalls haben, sondern von Menschen, die keine Windenergieanlagen wollen. Wir müssen also aufpassen, dass wir nicht diejenigen instrumentalisieren, die einfach nur ausschließlich dagegen sind, weil sie bisher im Garten gesessen und nichts gesehen haben. Ich habe dafür Verständnis. Aber ich wollte auch Autobahnen bauen - jetzt nicht mehr, ich bin ja nicht mehr dafür zuständig -, und die wollen die Leute auch nicht sehen.

(Heiterkeit bei der SPD und bei den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Jetzt sind Sie also dagegen?)

- Nee, ich bin immer noch dafür, aber das Thema ist jetzt bei Dr. Althusmann. Alle wollen darauf fahren, aber sehen will sie keiner. Die können wir nicht alle in die Erde bauen. Und so ist es bei Windenergie auch. Alle wollen die Energiewende, aber nicht im eigenen Garten. Und deswegen, finde ich, müssen wir ein bisschen aufpassen, dass wir keine falsche Debatte führen.

Ja, ich habe Verständnis für jeden, der das nicht sehen will, und ja, ich habe Verständnis für jeden, der das nicht hören will. Es gibt die TA Lärm. Wir definieren also einen Abstand, und der Abstand nach der TA Lärm sorgt dafür, dass in der Nacht bestimmte Emissionswerte oder Immissionswerte - also das, was an Lärm kommt - nicht überschritten werden dürfen. Absolut richtig, das muss man auch machen. Es gibt auch das Thema Schattenwurf - auch völlig richtig, das kann ich auch nachvollziehen -, und auch dafür gibt es Lösungen, die dazu führen, dass man die Anlagen in bestimmten Betriebszuständen - mit Blick auf die Zeit und den Sonnenstand - abschaltet. Völlig in Ordnung, das ist überhaupt kein Problem, das kann man alles machen. Das ist alles nachvollziehbar.

Noch einmal: Infraschall ist kein Problem. Es ist auch kein Infraschall, sondern modulierter Schall, und das hat nichts mit Gesundheitsgefährdung zu tun. Dafür, dass Menschen sich subjektiv über irgendetwas ärgern, weil sie es nicht wollen, habe ich volles Verständnis, und dafür, dass das eine Belastung ist, habe ich auch volles Verständnis. Aber wir müssen aufpassen: Wenn das der Maßstab wird, dann bauen wir in unserem Land gar keine Infrastruktur mehr. Das darf meiner Meinung nach nicht der Maßstab sein, auch nicht der Maßstab für die Energiewende.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren, beinahe dachte ich, wir seien mit der Fragestunde durch, aber Kollege Schulz-Hendel hat sich noch einmal gemeldet und darf eine Zusatzfrage stellen. Bitte!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Ich frage: Wie lange wird es noch durch die Bundesregierung starke Begrenzungen für den Ausbau der Erneuerbaren in weiten Teilen Niedersachsens geben, und was tut die Landesregierung dafür, dass das nicht mehr so ist?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Herr Minister, bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Schulz-Hendel, ich denke, Sie meinen das Thema Netzausbaugebiet?

(Detlev Schulz-Hendel [GRÜNE]: Genau!)

- Alles klar.

Das ist sozusagen eine der Restriktionen, die man uns auferlegt hat. Zu sagen, wir würden mit dem Ausbau der Erneuerbaren ja schneller sein als der eigentliche Netzausbau erfolgt, halte ich für falsch. Die Definition des Netzausbaugebiets, die zu Restriktionen bei dem Ausbau der Windenergie in unserem Land führt, ist Unsinn.

Ich habe vorhin gesagt: Wir müssen ganz andere Maßnahmen - Netzoptimierungsmaßnahmen - in den Blick nehmen als nur die Frage, wie der Netzausbau vorangeht. Ich glaube aber, dass wir in Niedersachsen mit dem wirklich intensiven Abarbeiten der Pläne zeigen, dass wir hart daran arbeiten, das Ziel 2020 zu erreichen und auch die letzte Maßnahme planfestgestellt zu haben im Hinblick auf den Netzausbau, aber auch im Hinblick darauf, zu sagen: Nun lasst uns doch einmal ein bisschen intelligenter denken! Wir wollen doch den Strom nicht im Norden produzieren, um ihn nach Bayern zu übertragen, sondern wir wollen den Strom, den wir hier produzieren, auch dazu nutzen, dass sich Niedersachsen weiter erfolgreich wirtschaftlich entwickelt. Wir wollen die erneuerbaren Energien hier nutzen. Das muss doch die Botschaft sein.

Dafür brauchen wir den starken Ausbau der Erneuerbaren. Ich glaube, wir werden mit all den Netzoptimierungsmaßnahmen, die wir anmahnen, dem Thema des beschleunigten Ausbaus, den wir vornehmen, dem Thema der Speichertechnologie und dem Thema der Sektorenkopplung ein Portfolio an klugen, guten und auch sachlichen Argumenten haben, die dazu führen, dass wir diese Restriktionen des Netzausbaugebiets - das hört sich übrigens auch besser an, als es ist, weil es im Kern genau das Gegenteil ist; denn es beschränkt uns ja - aufheben können und den beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren in Niedersachsen fortsetzen können.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren, damit ist, weil keine Zusatzfragen mehr angemeldet sind, die Fragestunde für diesen Ta

gungsabschnitt beendet. Die Antworten der Landesregierung zu den Fragen, die jetzt nicht mehr aufgerufen werden konnten, werden nach § 47 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung zu Protokoll gegeben.1

Meine Damen und Herren, bevor ich mit Tagesordnungspunkt 39, zu dem auch noch keine Wortmeldungen vorliegen, weitermache, hat die Landesregierung, in persona Herr Dr. Althusmann, um das Wort gebeten. - Ich korrigiere: Zu TOP 39 liegen schon Wortmeldungen vor.

Herr Minister, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte der Unterrichtungspflicht der Landesregierung korrekt und wahrheitsgemäß nachkommen. Ich habe in der vorausgehenden Geschäftsordnungsdebatte gesagt, dass eine E-Mail an die HAZ um 19.27 Uhr des gestrigen Tages gegangen sei. Das ist nicht korrekt. Das war die E-Mail mit der Bitte um Freigabe. Die Freigabe ist gestern Abend nicht erfolgt aufgrund meiner Teilnahme am parlamentarischen Abend des Städtetags. Richtig ist: Diese E-Mail ist heute Morgen an die HAZ freigegeben worden.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Also noch später!)

Des Weiteren weise ich darauf hin, dass die Pressestelle des Wirtschaftsministeriums unmittelbar nach der Debatte am Mittwoch versucht hat, die HAZ über die Hintergründe und die weiteren Details zu informieren. Daraus ergaben sich drei weitere Nachfragen. Diese weiteren drei Nachfragen, die wir heute dann ordnungsgemäß beantwortet haben, sind bei uns am Mittwoch, 20. Juni, um 18.38 Uhr eingegangen.

Vielen Dank, Herr Minister. - Rein theoretisch kann dazu gesprochen werden, aber ich sehe keinen Bedarf, sodass wir jetzt zu Tagesordnungspunkt 39 übergehen können.