Protokoll der Sitzung vom 23.08.2018

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Skandale, von denen die AfD eben sprach, habe ich nicht erkennen können. Die vehemente Forderung, die Verbraucher geradezu umzuerziehen, kann nicht unser Ziel sein. Richtig ist natürlich, dass wir uns alle bei den allermeisten Punkten an die eigene Nase fassen müssen. Natürlich müssten Lebensmittel - das beklagen wir ja alle - eine viel höhere Wertschätzung haben. Jeder einzelne Verbraucher muss selbst überprüfen, wie er sich im täglichen Leben wirklich verhält. Man sollte nicht nur Dinge einfordern, sondern auch wirklich danach handeln.

Frau Staudte hat beklagt, dass das Thema Antibiotikareduzierung im Bericht weggefallen ist. Das sehe ich auch so. Denn das ist ja eine einsame Erfolgsgeschichte des Agrarbereichs. In der Landwirtschaft ist der Verbrauch innerhalb weniger Jahre mehr als halbiert worden. Das ist auch ein Anzeichen dafür, dass man vorher mit Sicherheit reichlich sorglos damit umgegangen ist. Aber dennoch ist es eine Riesenerfolgsgeschichte, die wir in der Humanmedizin so leider noch nicht feststellen können.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU sowie Zustimmung bei der SPD)

Sie haben ja vollkommen recht damit, Frau Staudte, dass das für die Menschen brandgefährlich ist. Das gefährdet Menschenleben. Daran sterben Menschen. Aber ich sage mal: Zu 90 % - in dieser Größenordnung - haben wir, die Menschen, selbst damit zu tun - nicht die Tiere in den Ställen. Wir müssen dringend anders handeln. In dem Bereich, der hier untersucht wurde, gibt es in den letzten Jahren Riesenfortschritte.

Sie haben auch vollkommen zu Recht angesprochen, dass Rückstände von Pflanzenschutzmitteln im Honig gefunden worden sind. Ich habe eben schon gesagt, dass wir heute mittlerweile eine

supergenaue Analysemethodik haben. Wir finden alles überall. Auch hier ist die Nachricht, dass die Belastungen dort geringer geworden sind. Das soll uns aber überhaupt nicht ruhen lassen. Wir wollen gemeinsam mit Imkern und Landwirten eng zusammenarbeiten und immer noch besser werden. Wir wollen doppelte und dreifache Vorsorge machen, also Nützling schonende Mittel einsetzen und das auch noch in den Zeiten, in denen die Bienen nicht fliegen usw. Aus meiner Sicht macht es auch richtig Spaß, zu sehen, wie man gemeinsam Erfolge erzielt, indem man sich abstimmt.

Ich möchte aber darum bitten, dieses Thema nicht so zu skandalisieren und nicht so zu tun, als wären dort Riesengefahren, Frau Staudte. Sie wissen ganz genau, dass es auch natürliche Gifte gibt. Ich nenne da nur mal das Jakobskreuzkraut, das sich vor allen Dingen auf Naturschutzflächen ausbreitet und ein Riesenproblem darstellt. Wenn ich dort in der Nähe Bienenkörbe aufstelle und dann zu hohe Anteile dieses handfesten Giftes im Honig sind, wird es brandgefährlich. Wir sollten das sachlich beurteilen und versuchen, den Honig so gesund wie möglich zu halten. Er ist kerngesund. Dank der strengen Untersuchungen und der Arbeit der Menschen in den Instituten können wir ganz beruhigt Honig konsumieren. Wir können zwar versuchen, immer noch etwas besser zu werden. Aber bitte nicht diese Anprangerungen, Frau Staudte!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU sowie Zustimmung bei der SPD)

Dann wird beklagt, dass z. B. im Mineralwasser zu wenig Mineralien sind. Das finde ich nicht so beängstigend. Man kann ja frei zwischen verschiedenen Getränken entscheiden. Beispielsweise Bier, das isotonische Eigenschaften hat, ist vielleicht eine Alternative.

(Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, was wir alle immer wieder angesprochen haben und wo wir, glaube ich, keinen Schritt vorangekommen sind, ist die Lebensmittelverschwendung. Wir müssen uns dringend gemeinsam Gedanken machen. Dieses unsägliche Mindesthaltbarkeitsdatum wird ständig als Verfallsdatum interpretiert. Das ist völlig falsch. 80 kg pro Kopf werden weggeworfen. Ich habe in dem Bericht von 11 Millionen t gelesen. Die UN hat das Ziel, das zu halbieren.

Wir müssen dieses Problem dringend anpacken. Wir leben hier mit einem sehr hohen Standard. Vollkommen intakte und ordentliche Lebensmittel

einfach wegen des Datums wegzuwerfen, das ist der eigentliche Skandal. Daran müssen wir alle gemeinsam arbeiten und unsere Mitbürger bitten, darüber etwas genauer nachzudenken.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Grupe. - Für die Landesregierung spricht nun Frau Landwirtschaftsministerin Otte-Kinast. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lebensmittel und Futtermittel werden heute ganz selbstverständlich weltweit gehandelt. Dabei erwarten die Verbraucherinnen und Verbraucher zu Recht, dass die angebotenen Produkte sicher und natürlich auch unbedenklich sind. In Europa und Deutschland gibt es bereits ein sehr hohes Niveau der Lebensmittelsicherheit, was u. a. durch die ständige Weiterentwicklung der Überwachungssysteme ermöglicht wird.

Aktuelle Entwicklungen und Aufgabenfelder der Überwachung, wie die Überwachung des weiterhin steigenden Handels im Internet, gilt es dabei auch für uns, immer weiter auszubauen. In der vergangenen Woche habe ich den niedersächsischen Verbraucherschutzbericht 2017 vorgestellt, der auf der Arbeit des Jahres 2017 beruht. Ich hatte dieses Amt im Jahr 2017 einen Monat inne. Von daher habe ich mich schon sehr auf Inhalte meines Vorgängers in diesem Bericht einlassen müssen.

Ich kann Ihnen versichern: Bei uns in Niedersachsen sind Lebensmittel sicher. Weitreichende Skandale im Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes sind glücklicherweise ausgeblieben. Das ist ein positives Signal für alle Verbraucherinnen und Verbraucher.

Trotz allem gab es eine Reihe von kritischen Ereignissen im Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes, denen wir begegnen mussten. Ich denke dabei an den Fund des Insektengiftes Fipronil in Eiern. Hier konnte durch effektive Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Behörden, die für den Verbraucherschutz zuständig sind, den kommunalen Überwachungsbehörden, dem LAVES und dem ML Schlimmeres verhindert werden. Auch bei der Afrikanischen Schweinepest ist Niedersachsen bisher eine Ausbreitung erspart ge

blieben. Dennoch wurden für den Fall der Fälle von allen behördlichen Stellen vorausschauend nötige Vorbereitungen und präventive Maßnahmen getroffen.

Bei der Herstellung und dem Verkauf von Lebensmitteln werden durch die Kontrollen der Überwachungsbehörden aber auch zahlreiche Täuschungen aufgedeckt. Neben einfachen Kennzeichnungsfehlern gibt es zum Teil sehr diffizil angelegte Lebensmitteltäuschungen. Das haben wir heute in Bezug auf den Thunfisch-Fall gehört. Es gab aber auch Beanstandungen bei der korrekten Kennzeichnung von Reis, veganem Käseersatz und sogenanntem Craft-Bier.

Ein weiteres mir am Herzen liegendes Thema ist das der Lebensmittelverschwendung. Dieses Thema hat Schnittstellen zu sehr vielen Bereichen meines Hauses. Ich sage es noch einmal: Allein in Deutschland gelangen durchschnittlich 82 kg Lebensmittel pro Kopf und Jahr in den Abfall. Das summiert sich auf 11 Millionen t Lebensmittel. Das ist nach meiner Überzeugung deutlich zu viel. Wir müssen die Mittel zum Leben wieder mehr wertschätzen. Unsere Aufgabe ist es, deutlich zu machen, dass unsere Ressourcen zu kostbar sind, um sie zu verschwenden.

Die Ernährungsbildung ist daher für mich ein vordringliches Ziel. Das geplante Zentrum für Ernährung und Hauswirtschaft in Niedersachsen soll hier eine komplexe und wichtige Aufgabe erfüllen. Die Bedeutung der Wertschöpfungskette vom Erzeuger zum Verbraucher, Instrumente wie das Mindesthaltbarkeitsdatum und das Herausstellen von bereits laufenden Best-Practice-Beispielen werden wichtige Ansatzpunkte sein, um hier landesweit initiativ zu werden.

Frau Staudte, Verbraucherbildung ist für mich der erste Teil des Verbraucherschutzes. Mit dem Verbraucherschutzbericht möchte ich den Verbraucherinnen und Verbrauchern einen Einblick in die aktuellen Ereignisse und die gesamte Themenbreite des gesundheitlichen Verbraucherschutzes geben. Das beinhaltet neben Lebensmitteln und Futtermitteln auch den Tierschutz und die Tiergesundheit. Im Übrigen wird das Thema Antibiotika-Minimierung auf Seite 71 des Berichtes behandelt.

Aufgrund der aktuellen Geschehnisse in 2017 sind die Themen „Fipronil in Eiern“ und „Afrikanische Schweinepest“ ausführlich dargestellt worden. Des Weiteren wurde ein Beitrag bezüglich einer Tierschutzvollkontrolle in den Bericht aufgenommen. Von daher nehmen diese Themen - im Gegensatz

zu Ihrer Feststellung, Frau Staudte - im Verbraucherschutzbericht 2017 sogar mehr Raum als in den Vorjahren ein.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Ich darf Ihnen die Lektüre des aktuellen Verbraucherschutzberichtes, der Ihnen auch als Download auf der Homepage meines Hauses zur Verfügung steht, wärmstens ans Herz legen. Und seien Sie auf den Verbraucherschutzbericht 2018 gespannt! Es wird Veränderungen geben.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass wir die Besprechung der von der CDU-Fraktion beantragten Aktuellen Stunde schließen können.

Wir kommen jetzt zu dem Punkt

b) Für ein modernes Einwanderungsgesetz: Arbeitsmarkt öffnen - Spurwechsel jetzt! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/1445

Ich eröffne die Besprechung. Frau Fraktionsvorsitzende Anja Piel bringt dieses Thema für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ein. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Migrationspolitik entzweit offenbar nicht nur die Große Koalition in Berlin, sondern auch die Große Koalition bei uns in Hannover bzw. in Niedersachsen. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther fordert, abgelehnten, aber gut integrierten Asylsuchenden einen sogenannten Spurwechsel und damit die Möglichkeit der Erlangung des Aufenthaltstitels über das Einwanderungsrecht zu gewähren. Sehr vernünftig!

Die Unionsspitze auf Bundesebene reagiert wie immer reflektorisch und lehnt das mit der gewohnten Vehemenz ab. Die Bundes-SPD hingegen begrüßt diesen Spurwechsel ausdrücklich. Das gleiche Bild zeichnet sich hier bei uns in Niedersachsen ab: Ministerpräsident Weil wirbt für mehr

Pragmatismus und gesunden Menschenverstand - völlig zu Recht! Wirtschaftsminister Althusmann dagegen - dessen ureigenstes Interesse die Fachkräfteentwicklung sein müsste - macht sich die Position der Bundes-CDU zu Eigen und verweist auf die Gefahren des Spurwechsels - wie enttäuschend!

(Christian Meyer [GRÜNE]: Althus- mann, der neue Seehofer!)

Meine Damen und Herren, der Spurwechsel ist keineswegs eine neue Idee. Wir reden seit Jahrzehnten über ein Einwanderungsgesetz. Die rotgrüne Regierung in Niedersachsen hat schon 2016 über den Bundesrat von der Bundesregierung ein Einwanderungsgesetz eingefordert. Es war damals unser Ziel - das ist es auch heute noch -, Menschen legale Zuwanderungswege nach Deutschland zu ermöglichen und damit gleichzeitig auch dem Fachkräftemangel zu begegnen.

Asylsuchende, die eine Ausbildung absolvieren oder arbeiten, haben schon heute über die sogenannte 3+2-Regelung die Möglichkeit, eine Ausbildungsduldung zu erhalten. Sie können damit die Ausbildung abschließen und drei Jahre arbeiten. Wenn aber ihr Asylantrag in dieser Zeit abgelehnt wird, droht ihnen die Abschiebung, was - wie man sich vorstellen kann - während der Ausbildung eine sehr schlimme Situation darstellt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Folglich werden immer wieder auch hier in Niedersachsen Menschen abgeschoben. Das sind Menschen, die einen sicheren Arbeitsplatz sowie Kolleginnen und Kollegen haben, mit denen sie auch nach Feierabend viel Zeit verbringen, die Mitglied in Sportvereinen sind und deren Kinder hier zur Schule oder in den Kindergarten gehen. Diese Menschen werden von ihren Arbeitgebern gebraucht und geschätzt.

Nach der Vorstellung der CDU und der CSU - jetzt kommt das, was ich überhaupt nicht verstehen kann, weil ich es von der Logik her nicht nachvollziehen kann - sollen sie erst abgeschoben werden und dann nach Einführung eines Einwanderungsgesetzes wieder einreisen dürfen.

(Belit Onay [GRÜNE]: Das ist absurd!)

Das ist doch wirklich nicht Ihr Ernst, liebe CDU!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist doch an Zynismus und Bürokratie überhaupt nicht zu überbieten! Ich meine, wir reden

über Menschen, die hier arbeiten, deren Kinder hier zur Schule gehen und die hier ein Zuhause und Nachbarn haben. Die sollen erst abgeschoben und dann wieder hereingeholt werden? - Wenn das schon nichts mit christlicher Nächstenliebe zu tun hat, Herr Dr. Althusmann, dann greifen Sie doch auf die wirtschaftliche Logik zurück! Denn auch in Bezug darauf ist das grober Unfug.

(Beifall bei den GRÜNEN)