Protokoll der Sitzung vom 24.08.2018

Da muss man auch klar sagen, dass das natürlich ein Schlag für eine Industrie ist, wenn sie nicht planen kann und nicht weiß, wann es wieder vorangeht. Genau diesen Fadenriss haben wir in der Offshorebranche erlebt. Das, was wir in der Windenergiebranche gerade erleben, ist schon kein drohender Fadenriss mehr, sondern der Fadenriss ist sichtbar. Wenn wir es jetzt nicht schaffen, die Enden durch wirklich zügige Sonderausschreibungen und durch eine Beschleunigung der Verfahren zusammenzuknoten, dann trifft das - genau, wie Sie es in Ihrer Frage auch dargestellt haben - nicht nur wenige Unternehmen der Produktion, sondern eine ganze Wertschöpfungskette im Bereich der Windenergieerzeugung.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Zusatzfrage stellt die Kollegin Byl. Das ist die zweite Frage für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass auch soeben wieder von der Landesregierung die Aussage kam, dass sie für den Erhalt der Bürgerenergie kämpft, aber es seit der Aussetzung der Ausnahmeregelung keine Ideen von ihrer Seite gibt, wie man die Bürgerenergie stärken könnte, frage ich Sie: Was halten Sie denn von der De-minimis-Regelung, also dass Windparks mit maximal 18 MW Leistung von der Auktionspflicht befreit werden? Das ist genau das, was die EU als Möglichkeit vorsieht.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Herr Minister, bitte!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Byl, genau das war unser niedersächsischer Vorschlag, den wir auch gemeinsam mit der Windenergiebranche auf den Weg gebracht haben: die De-minimis-Regelung, also sozusagen die Begrenzung eines Ausbaubereichs, zu nutzen. Das wurde in der Auseinandersetzung auf Bundesebene rechtlich kritisch gesehen. Ich kann das nur so wiedergeben. Man hat gemeint, dass das missbraucht werden bzw. negative Auswirkungen haben könnte, und deshalb versucht, eine bessere Regelung zu finden - die sich jetzt allerdings wahrlich nicht als die bessere herausgestellt hat.

Wir sind jetzt an der Stelle „wieder zurück!“. Wir müssen alle Alternativen überlegen und prüfen, aber ich bitte auch um Verständnis: Jetzt muss das allererste Ziel sein, beschleunigt Ausschreibungen, Planungen und Bauprojekte voranzubringen, um den Beschäftigten dieser Branche und der Zuliefererbranche wieder eine Perspektive zu geben. Eine weitere Verunsicherung dürfen wir keinen Fall zulassen, auch nicht politisch.

Ich glaube, wir haben jetzt eine klare Linie. Dieser müssen wir folgen. Und parallel dazu müssen wir natürlich einen politischen Prozess vollziehen, wie denn eine Perspektive aussehen könnte, Bürgerenergiegesellschaften wieder stärker in die Entwicklung mit einzubeziehen.

Vielen Dank, Herr Minister. - Jetzt folgt die dritte Frage für die CDU-Fraktion. Kollegin Laura Rebuschat, bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Minister Lies, vor dem Hintergrund, dass wir unterschwellig schon einiges über Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung gehört haben, frage ich Sie: Wie kann man beim weiteren Ausbau der Windenergie noch mehr für Akzeptanz in der Bevölkerung tun?

Danke schön. - Herr Minister!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Rebuschat, das wird tatsächlich eine der ganz großen Aufgaben sein. Den Widerstand merken ja alle. Wir sind in der Situation, dass zwar alle sagen, sie sind für das Abschalten der Kernenergie - ich glaube sogar, dass sich ein ganz großer Teil der Gesellschaft dem Ziel anschließen würde, sehr zügig aus der Kohle auszusteigen -, aber nur ein ganz kleiner Teil der Gesellschaft bereit ist zu akzeptieren, dass das auch bedeutet, dass man Netze und Erneuerbare Energien ausbauen muss. Das ist ein großer Konflikt, und deswegen sind wir in der Tat in der Verantwortung, die Akzeptanz zu steigern.

Ich will einmal bei den Windparks anfangen. Sie kennen die Diskussion, ob es eigentlich notwendig ist, dass die Windenergieanlagen die ganze Nacht über blinken, weil theoretisch ein Flugzeug kommen könnte. Das bringt einen als Ingenieur schon um, sage ich mal; denn dieses Problem hätte man technisch durchaus lösen können. Es müsste nur jedes Flugzeug einen Responder haben, dann könnte man es erkennen. Dieser Weg war rechtlich leider nicht gangbar. Wir haben aber einen anderen Weg gefunden. Es gibt die Möglichkeit, über ein Radarsystem zu sehen, wenn sich ein Luftfahrzeug in ein bestimmtes regionales Umfeld begibt. Das ist auch relativ groß; wir reden heute zum Teil von 50 km Radius. Und dann - - -

(Jörg Bode [FDP]: Wird es abge- schossen, oder was?)

- Nein, dann würden die Blinklichter der Windenergieanlagen angehen. Wir würden die Beleuchtung

auf den Windenergieanlagen also so steuern, dass sie nur angeht, wenn es notwendig ist.

(Wiard Siebels [SPD]: Responder!)

- Ja, aber das geht leider nicht. Deswegen ist Radar die Lösung.

Da sind wir als Ministerium auch direkt gefragt, weil: Die Windenergieanlagen sind in der Bauordnung richtigerweise privilegiert. Das Problem sind die Nebenanlagen. Wir versuchen, das gerade zu lösen, damit der Mast, auf den die Radaranlage kommt, als Nebenanlage ebenfalls privilegiert ist. Denn sonst müsste man ja erst einmal eine Genehmigung haben, dass man ihn bauen darf. - Das zeigt, wie schwierig das manchmal ist. Aber das wäre ein Weg der Akzeptanzsteigerung.

Ein zweiter Punkt. Wir müssen dafür sorgen, dass es auch eine Partizipation, also eine Wertschöpfung gibt. Das ginge zum einen über Bürgerwindparks, d. h. die direkte Beteiligung. Das andere wäre, dass die Kommunen stärker davon profitieren. Da sind wir uns mit dem Bund einig, und der Bund hat auch gesagt: Lasst uns diesen Weg gemeinsam gehen! - Dafür wurden drei Modelle entwickelt. Alle drei stehen allerdings unter dem Vorbehalt, dass sie nicht mehr kosten dürfen. Allerdings: Wenn man mehr verteilen will, aber es nicht mehr kosten darf, ist das schwierig. Insofern sehe ich noch nicht, wie da eine Lösung entstehen kann.

Der dritte Punkt ist - und der wird ganz entscheidend sein -: Wenn wir wollen, dass die Akzeptanz für den Ausbau der Erneuerbaren steigt, dann müssen wir auch erklären, warum das wichtig ist. Der Ausbau der Erneuerbaren ist ja kein Selbstzweck. Wir wollen ja nicht Windenergieanlagen bauen, weil wir sie so schön finden.

Ich habe vorgestern und auch heute deutlich gemacht, wie wichtig es ist, die Klimaziele 2030 zu erreichen. Wir müssen die CO2-Emissionen reduzieren. Wir müssen dem Klimawandel und den daraus entstehenden Folgen begegnen. Deswegen ist der Ausbau der Erneuerbaren ein wichtiges Signal - nicht als Selbstzweck, sondern als Grundlage dafür.

Der Ausbau der Erneuerbaren ist auch kein Nachteil, sondern er wird den Wirtschafts- und Industriestandort Niedersachsen stärken. Wir werden eine Zukunftsregion! Industrie folgt Energie - so war es in der Entwicklung immer. Diesmal ist es die Zukunftsenergie mit den Erneuerbaren. Es muss uns gelingen, dieses Bild des Mehrwerts der

Energiewende besser zu zeichnen und das Schreckensszenario sich drehender Windenergieanlagen zu verdrängen. Damit schaffen wir mehr Akzeptanz. Die Vorteile der Erneuerbaren für unser Land und für unsere Region müssen sichtbarer werden.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Für die CDU-Fraktion Dr. Frank Schmädeke, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Lies, ich möchte das Ganze in einen Gesamtkontext stellen: Welche Technologien zur Erzeugung regenerativer Energien werden neben der Windenergie im Lande Niedersachsen noch gefördert?

Danke schön, Herr Kollege. - Herr Minister, bitte!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben das, was gerade schon gesagt wurde: die klassischen Elemente Wind onshore, Wind offshore, Photovoltaik. Wir haben die Wasserkraft, auch wenn die bei uns natürlich nur einen relativ geringen Anteil ausmacht. Wir haben die Biomasse - wobei wir wissen, dass sich in den letzten Jahren erhebliche Konflikte in der Frage von Biogasanlagen und Monokulturen entwickelt haben. Und schließlich haben wir auch kleinere Dinge, die im Einzelfall zum Tragen kommen, z. B. dass bei Deponieabfällen eine Rückgewinnung genutzt werden kann, um Energie zu erzeugen. Das wird auch gefördert.

In einem Segment steckt dabei eine besondere Chance, nämlich in der Geothermie und ganz besonders in der Tiefengeothermie. Eine Schwerpunktregion in diesem Bereich ist Celle. Während wir Geothermieanwendungen schon haben - diese funktionieren auch sehr gut und werden akzeptiert -, ist die Tiefengeothermie ein großes Problem. Wir haben in Niedersachsen schon in der letzten Wahlperiode damit begonnen und Förderungen für die Entwicklung von Projekten auf den Weg gebracht. Ich glaube, pro Projekt waren das

250 000 Euro. Wir als Land haben da also wirklich investiert.

Die daraus resultierenden Ergebnisse zeigen ganz deutlich, dass die Tiefengeothermie zwar nicht die Lösung aller Probleme ist, aber dass sie zumindest die Chance dafür birgt - übrigens auch für die starke Industrie, die wir in der Region Celle haben.

Wir haben beim Ausbau der Tiefengeothermie aber immer noch das Problem, dass der Mut zur Investition fehlt. Es würde technisch funktionieren, es wäre ökologisch sinnvoll, aber das betriebswirtschaftliche Risiko ist zu groß. Man ist nicht bereit, dieses Risiko einzugehen, weil man natürlich nicht von vornherein sicher sein kann, dass das, was man da vorhat, auch wirklich funktioniert. Wir müssen dringend ran, da weitere Unterstützung zu bekommen. Das halte ich für einen wirklich klugen Weg, auch arbeitsmarkt- und industriepolitisch für die ganze Region Celle.

Was wir auf keinen Fall machen sollten, ist eine Überförderung. Wir dürfen Dinge nicht doppelt fördern; denn das würde es wieder schwierig machen, einzugreifen. Ich denke nur an Bad Bevensen, wo das Ganze wunderbar funktionieren würde. Aber da könnten wir als Land - Stichwort „Kommune“ - nicht einmal mit einer Bürgschaft arbeiten. Das ist wirklich schwierig und auch sehr schade. An diesen Bereich müssen wir also dringend ran, das müssen wir unterstützen.

Zu dem Ganzen gehört aber natürlich auch der Bereich Forschung und Entwicklung. Das läuft bei dem Kollegen Björn Thümler. Auch da gehen wir breit heran, weil wir uns auch offen zeigen müssen für neue Technologieanwendungen. Ein Beispiel ist Power to Gas. Es macht keinen Sinn, Energie nur zu erzeugen. Wir müssen sie auch richtig verteilen können - ich denke da übrigens nicht nur an die Strom-, sondern auch an die Gasnetze, die man dann parallel nutzen könnte -, und wir müssen sie natürlich auch speichern können. Das alles muss in einem vernünftigen Kontext geschehen.

Sie sehen, wir haben einen ganz großen Bereich, den wir fördern und unterstützen. Wir sehen aber am Beispiel der Tiefengeothermie, dass gute Projekte scheitern, weil ein Risiko am Ende von keinem der Beteiligten getragen wird. Wir müssen also zeigen, dass wir nicht nur gute Projekte in der Planung, sondern auch in der Umsetzung haben.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Noch einmal Frau Byl, Bündnis 90/Die Grünen. Das ist die dritte Frage. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass Umweltminister Lies unseren Antrag, keine künstliche Laufzeitverlängerung durch Reststrommengenübertragung auf das AKW Emsland zuzulassen und damit Netze für Erneuerbare freizumachen, unterstützt hat, aber leider an Wirtschaftsminister Althusmann und der Landesregierung gescheitert ist, frage ich angesichts des drohenden Kollapses der Windenergiebranche und der Beteuerungen, die wir am Mittwoch und auch heute wieder von der Landesregierung hören, die Erneuerbaren zu unterstützen, ob sich der Umweltminister dahin gehend endlich durchgesetzt hat.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke. - Herr Minister, bitte!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Byl, erstens muss man sagen, dass es sich dabei um eine Forderung des Bundesrats gehandelt hat. Und zweitens muss man sagen, dass das eine Entscheidung der Bundesregierung war. Die ist - das sage ich ganz nüchtern - dem Ansinnen nicht gefolgt. Das muss man ehrlicherweise dazu sagen.

Ich bin mit dem Wirtschaftsminister des Landes, mit Bernd Althusmann, absolut einig, dass wir alles dafür tun werden, den Ausbau der Erneuerbaren voranzubringen.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Das ist doch ein Widerspruch in sich!)

- Nein, das ist kein Widerspruch. Ich will das auch gerne aufklären. Aber wir dürfen jetzt nicht folgenden Fehler machen: Wir dürfen nicht sagen, es ist nicht gelungen, die Reststrommengen zu übertragen, also gibt es auch keinen Grund, die erneuerbaren Energien auszubauen. - Vorsicht!

(Zuruf von der AfD: Komische Logik!)

Damit würden wir ja sagen: Weil wir eine Sache nicht machen, geht es insgesamt nicht weiter. Denn natürlich geht es weiter! Allein durch den zweiten Punkt, den ich vorhin genannt habe, geht es weiter: Indem wir bestehende Netze besser auslasten, sind wir bei einigen der Übertragungsleitungsstrukturen in der Lage, in kürzester Zeit 30 bis 50 % mehr Energie zu übertragen.