Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Wirtz, an den Klimazielen führt nichts vorbei. Man muss sich einmal ansehen, was für Vertragsverletzungsverfahren uns bevorstünden, wenn wir die Klimaziele 2030 nicht erreichen würden. Wir können dann schlecht argumentieren, dass es uns nicht gelungen sei, die Netze auszubauen, und dass es uns deshalb auch nicht gelungen sei, die Erneuerbaren auszubauen.
Wir würden dann die Kraftwerksleistung aus fossilen Energieträgern stärker reduzieren müssen, als an Leistung durch den Ausbau der Erneuerbaren hinzugekommen wäre. Das wäre eine große Gefahr für den Wirtschaftsstandort.
Es führt überhaupt kein Weg daran vorbei. Insofern muss man sagen: Das ist kein Wünsch-dir-was. Es ist nicht egal, ob es uns gelingt oder nicht. Wir müssen den Netzausbau als ein ganz wesentliches Element der Energiewende vorantreiben.
Wie muss es gehen? - Bundesminister Altmaier hat einen Zweiklang dargestellt. Ich habe einen Dreiklang daraus gemacht:
Wir brauchen einen effizienten Netzausbau. Wenn wir das Ziel, das wir uns jetzt vorgenommen haben, erreichen, sind wir schon gut unterwegs. Den Ausbau zu beschleunigen oder wenigstens die
Der zweite Punkt, den der Bundesminister genannt hat und den wir schon immer gefordert haben - Niedersachsen hat übrigens auch eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht -, ist die intensivere und effizientere Nutzung vorhandener Netze. Man kann die Netzauslastung mithilfe eines Temperaturmonitorings erhöhen und dort, wo dies möglich ist, eine Zubeseilung durchführen, wie es z. B. über die Elbe geschehen ist. Eine Optimierung des Bestandsnetzes ohne Genehmigungsverfahren ist deutlich schneller zu realisieren als ein Netzausbau.
Zum notwendigen Dreiklang gehört drittens der Ausbau der Erneuerbaren, damit die erneuerbaren Energien tatsächlich zur Verfügung stehen.
Wir haben es mit großen Widerständen zu tun. Ich bin sehr froh, dass irgendwann entschieden wurde, die HGÜ-Leitung bevorzugt als Erdkabel zu verlegen. Das hat zu lange gedauert.
Noch länger hat es gedauert - wir haben seit 2008 und schon vorher viele Debatten geführt -, bis man entschieden hat, dass auch Höchstspannungsleitungen, für die Wechselstromtechnik vorgesehen ist, als Erdkabel verlegt werden können. Da gab es lange Zeit Widerstand. Am Ende ist es gelungen. Viele Verfahren werden jetzt natürlich noch einmal hinterfragt: Kann es nicht doch ein Erdkabel sein? - In diesem Bereich hat das Erdkabel zwar keinen Vorrang, aber wir haben die Möglichkeit, in erweiterten Pilotprojekten Erdverkabelung als ein Akzeptanzinstrument zu nutzen.
Eine der Kernfragen, die jetzt zu beantworten sein werden, ist - gerade für die Landnutzer aus dem Bereich der Landwirtschaft -: Reicht eine einmalige Ausgleichszahlung für die Landwirtschaft aus? Reicht es aus, wenn für den Nutzungsausfall in der Bauzeit einmalig eine bestimmte Summe Geld gezahlt wird? Oder müssen wir zu einer Lösung kommen, in der daneben auch kontinuierliche Zahlungen fließen?
Diese Fragen sind nicht leicht zu beantworten. Man muss dazu sagen: Alle Zahlungen an die Landnutzer werden letztendlich die Netzkunden aufbringen müssen, weil sie aus den Netzentgelten finanziert werden. Aber es steht auch im Koalitionsvertrag dieser Landesregierung, dass diese Frage zu beantworten ist. Wir müssen sie beantworten, um eine der Hürden zu beseitigen, die dem Netzausbau im Wege stehen. Diese Fragen müs
Vielen Dank, Herr Minister Lies. - Es folgt jetzt die erste Frage für die FDP. Herr Dr. Stefan Birkner, bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister, vor dem Hintergrund, dass wir in diesem Plenarabschnitt auch über die Schwierigkeiten gesprochen haben, die wir in Emden bei ENERCON erleben, frage ich die Landesregierung: Trifft es zu, dass die Landesregierung in der Bundesratssitzung am 22. April 2016 der Privilegierung von Bürgerwindparks - die jetzt gerade in diesem Ausschreibungsmodus dazu geführt hat, dass diese Probleme eingetreten sind - zugestimmt hat? Und trägt sie, wenn sie genau diese Regelung gewollt hat, nicht politische Mitverantwortung dafür, dass jetzt Arbeitsplätze bei ENERCON in Emden abgebaut werden?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dr. Birkner, ja, diese Entscheidung der Bundesratsmehrheit habe ich, haben wir mitgetragen. Wir hatten das feste Ziel, dass das, was vor den Ausschreibungen möglich war - nämlich eine Akzeptanzsteigerung durch Bürgerbeteiligung und Bürgerwindparks zu erzielen -, nicht wegbrechen zu lassen, wenn das Ausschreibungsmodell kommt. Wir wollten vermeiden, dass im Rahmen des Ausschreibungsmodells nur große Player die Projekte durchführen. Wir wollten das feste Ziel, zur Akzeptanzsteigerung die Möglichkeit einer starken Bürgerbeteiligung in das Ausschreibungsmodell zu übernehmen.
Dann gab es unterschiedliche Varianten, die man diskutiert hat - beispielsweise die Größe des Parks -, und am Ende wurde - das ist genau das, was wir jetzt haben - der Verzicht auf die BImSchG-Genehmigung und die verlängerte Zeit bis zur Umsetzung beschlossen. Das war falsch.
Wenn Sie mich fragen, ob ich dafür gestimmt habe: Ja. - Das war auch falsch. Das lässt sich ja gar nicht leugnen. Ich glaube, es hilft jetzt auch nicht, schöne Worte dafür finden zu wollen. Das war ja der Grund, dass wir im letzten Jahr sehr früh festgestellt haben, was bei den ersten Ausschreibungen schon falsch gelaufen ist. Wir haben ja nicht ein Jahr gewartet, um festzustellen, dass das falsch war, sondern wir haben schon nach der ersten Ausschreibung gemerkt: Das geht nicht.
Wir haben sehr früh - schon im Sommer letzten Jahres - alle Beteiligten an einen Tisch geholt, spannenderweise, wie ich schon einmal gesagt habe, auch Herrn Kettwig von ENERCON und einen Kollegen von der IG Metall, aber auch Vertreter vieler Verbände und Unternehmen. Es war sozusagen ein gemeinsamer Tisch, von dem gesagt wurde: Dieser Ausschreibungsweg - die Privilegierung oder Bevorzugung der Bürgerwindparks - war falsch. Das muss sofort beendet werden, und es muss auch sofort dafür gesorgt werden - hieß es schon im Sommer letzten Jahres -, dass nachholende Ausschreibungen erfolgen.
Was wir dann erlebt haben, haben wir erlebt. Dann gab es eine Bundestagswahl. Dann gab es eine lange Zeit der Diskussion, bis es eine Regierung gab. Nun gibt es eine Regierung. Dann hat es viel zu lange gedauert - obwohl der Stopp der Bevorzugung sehr früh erfolgt war -, bis der Weg eingeschlagen wurde, zusätzliche Ausschreibungen zu generieren.
Wir haben also den Versuch unternommen, eine richtige Entscheidung zu treffen, die im Ergebnis nicht funktioniert, sondern für Nachteile gesorgt hat. Es ist leider nicht gelungen, politisch sehr viel früher gegenzusteuern. Die Auswirkungen spüren wir jetzt. Wir müssen daher zusehen, dass wir so zügig wie möglich - das ist auch unsere Kernforderung - zu Sonderausschreibungen, zu schnellen Ausschreibungen kommen, dass wir Projektplanungen voranbringen, um die Chance zu haben, dass wieder mehr gebaut wird.
Aber wir brauchen - ich weiß nicht, wie das erreicht werden kann - perspektivisch auch eine Akzeptanzsteigerung durch Bürgerbeteiligung. Ich glaube, nach der Erfahrung, die wir jetzt gemacht haben, fällt es uns schwer, ganz leicht das passende Modell zu finden. Denn es muss vermieden werden, dass dieselben Fehler erneut gemacht werden.
Vielen Dank, Herr Minister. - Die FDP hat noch einmal das Wort. Herr Kollege Bode hatte sich gemeldet. Bitte schön!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Lies, ich würde gerne noch einmal auf Ihre gestrige Abwesenheit zu sprechen kommen, die ja gegen den Willen der FDP durchgesetzt worden ist.
Vor dem Hintergrund, dass ich nach Ihrer zweiten Ausführung zu den Zielen des Landes Niedersachsens bei der gestrigen Sitzung der Kohlekommission verstanden habe, dass das Ziel Niedersachsens nicht nur die Darstellung der Situation des Reviers Helmstedts war, sondern dass es das Ziel war, finanzielle Mittel für den dort bereits stattfindenden Strukturwandel durch die Kohlekommission zu erhalten, frage ich Sie: In welcher Höhe haben Sie gestern finanzielle Mittel eingefordert, und welche Reaktion hat das bei den anderen Beteiligten ausgelöst?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bode, wir haben gestern alle dargestellt, welcher Handlungsbedarf besteht. Der Bund hat bisher signalisiert - das muss man noch prüfen -, 1,5 Milliarden Euro für diesen Strukturwandelprozess zur Verfügung zu stellen. Bisher gibt es eine Aufteilung anderer Mittel für dieses Umfeld von 10 % für das Helmstedter Revier. Es gab also eine Aufteilung, wie viel Prozent in welche Reviere gehen. Angesichts der Dimension des Helmstedter Reviers im Vergleich zu den Lausitzer und den rheinischen Revieren und den damit verbundenen Konflikten halte ich es für einen guten Schritt, wenn es uns gelänge, diese 10 % zu bekommen - gern auch mehr; das steht außer Frage. Das wird man angesichts der Dimensionen mit allen überlegen müssen.
Die Botschaft von gestern lautet - das ist, glaube ich, ganz wichtig -: Wir müssen uns als Niedersachsen mit dem Helmstedter Revier selbstbewusst präsentieren, weil die anderen Länder natürlich sagen: Wieso? Ihr seid doch schon durch damit! Ihr habt ja gar keinen Strukturwandelprozess mehr vor euch! Denn ihr habt den Kohlebergbau ja schon vor zwei Jahren beendet! - Das ist falsch. Die strukturellen Auswirkungen im Helmstedter Revier sind dramatisch, auch was die Finanzsituation der Region angeht. Sie wird ein bisschen dadurch abgemildert, dass wir starke Zentren wie Wolfsburg oder Braunschweig haben, aber auch bei diesem klassischen Revier besteht dringender Handlungsbedarf. Wir haben gestern und auch in der Arbeitsgruppe Helmstedter Revier erste Projektansätze definiert.
Noch entscheidender war gestern unsere gemeinsame Haltung: Wir müssen unterschiedliche Förderansätze haben. Das eine ist z. B. der Ausbau der Infrastruktur. Das betrifft viele Regionen noch intensiver, wo wir sagen: In den Strukturwandelregionen muss die Priorität auf dem Ausbau der Infrastruktur liegen - im Wettbewerb mit Projekten, die an anderer Stelle umgesetzt werden.
Wir brauchen eine Organisationsstruktur, die wir ja schon im letzten Jahr aus dem Wirtschaftsministerium heraus auf den Weg gebracht haben, sodass wir eine Projektorganisationsstruktur haben, die diese Entwicklung vorantreibt. Aber wir brauchen auch Mittel - Herr Bode, Sie wissen das -, die wir mit größerer Flexibilität einsetzen können, als es bei dem engen Handlungsspielraum, der uns sonst gegeben ist, möglich ist.
Auch Projekte mit Großunternehmen in der Region müssen förderfähig sein, weil wir natürlich nicht immer nur darauf setzen können, kleine und mittelständische Unternehmen zu haben. Das war gestern eine meiner Forderungen: Wir brauchen dann auch einen flexiblen Rahmen, um Förderinstrumente einzusetzen. Denn sonst gibt man uns zwar Geld, aber die Handlungsspielräume, es wirklich sinnvoll für Projekte vor Ort einzusetzen, fehlen. Da sind wir uns mit den Ländern einig.
Deswegen lege ich auch sehr viel Wert auf die Feststellung - ich will auch das noch einmal sagen -: Es ist eine Zwitterposition, die ich in der Kommission für die Länder einnehme. Alle anderen sind relativ stramme Kohleländer - sozusagen mit dem Blick, das zu bewahren. Ich bin da eigentlich als Vertreter eines Erneuerbare-Energien
Ich glaube, wir dürfen uns in der Frage nicht auseinanderbringen lassen: Wenn man aus der Kohle aussteigt, dann muss man sicherstellen, dass man die Region nicht abhängt und liegen lässt. Das ist der Prozess, der uns eint. Er sollte uns auch die Chance eröffnen, als Modellregion - die schon weiter ist und vielleicht nicht ganz so groß ist wie die anderen - mit dem Helmstedter Revier aufzuzeigen, wie man einen solchen Strukturwandelprozess organisieren kann.
Vielen Dank, Herr Minister. - Für die SPD-Fraktion wird jetzt die erste Frage durch den Abgeordneten Gerd Hujahn gestellt. Bitte!
Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Minister Lies, vor dem Hintergrund des bis jetzt Dargebotenen interessiert mich - auch im Anschluss an die Frage von Herrn Dr. Birkner -, wie viele Firmen davon betroffen sind, dass wir einen klassischen Rückgang der Windenergieerzeugung haben. Wir reden derzeit von ENERCON. Das ist richtig. Aber sicherlich sind auch andere davon betroffen. Daher hätte ich gerne ein Gesamtbild des Ausmaßes des Rückgangs der Windenergieerzeugung.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Hujahn, das ist genau der Rahmen, den wir haben müssen. Wir fokussieren uns gerade auf ein Bild. Wir haben - das muss man fairerweise auch sagen - die Diskussion um Carbon Rotec hier etwas weniger intensiv geführt. Bei der Firma Carbon Rotec, die in der Zulieferindustrie der Windenergiebranche tätig war und Rotorblätter für das Unternehmen Nordex gefertigt hat, sind über 400 Arbeitsplätze in der Wesermarsch verloren gegangen. Das hatte dramatische Auswirkungen, zumal wir gerade in dem Unternehmen in Lemwerder in den letzten Jahrzehnten ein ständiges Auf und Ab der Entwicklung erlebt haben. Das
Wir haben in vielen anderen Bereichen - auch bei Senvion und vielen anderen Unternehmen - norddeutschlandweit erhebliche Auswirkungen, da wir deutlich über 1 000, ja sogar 2 000 Arbeitsplätze in den letzten Monaten verloren haben.
Wir richten den Fokus eben nicht nur auf die klassisch produzierenden Unternehmen - wenn wir an die Anlagenhersteller oder die klassischen Zulieferer denken, die Betonteile oder Rotorblätter liefern -, sondern dahinter steht natürlich auch eine Dienstleistungsindustrie, die aus der Bauwirtschaft kommt, welche beispielsweise die Kräne zur Verfügung stellt, die in der Lage sind, diese großen Anlagen überhaupt zu errichten. Das heißt, wir haben ein Alarmzeichen erlebt. Das, was wir gerade mit dem Abbau der Arbeitsplätze bei ENERCON erleben, ist ein schlimmes Szenario.
Im letzten Jahr haben wir ungefähr 5 500 GW Onshorewindenergie neu gebaut. In diesem Jahr erreichen wir eine Größenordnung von 3 500 bis 3 700 GW, fallen aber im nächsten Jahr deutlich unter 2 000 GW. Das bedeutet, dass der Produktionsbedarf, den wir ausgehend von 2017 auf 2019 übertragen, noch nicht einmal die Hälfte der Anzahl der Anlagen ausmacht, die wir derzeit errichten.