Protokoll der Sitzung vom 24.08.2018

Dort wird ausgeführt, dass die Zahl der vorkommenden Arten nicht bekannt ist, und auch Aussagen zur Gesamtmasse der Insektenbestände sind nicht möglich. Auch auf die Frage zu den Bienen und Hummeln wird geantwortet, es gebe nur nichtsystematische Erkenntnisse. Der Expertenkreis beklagt also insgesamt eine völlig unzureichende Datenlage, stellt aber den dramatischen Insektenrückgang nicht infrage.

Meine Damen und Herren, wissenschaftlichen Anforderungen genügt das natürlich überhaupt nicht. Die Landesregierung führt auf die Anfrage auch aus, dass wissenschaftliche Vorhaben zur Insektenbiodiversität nicht aus Landesmitteln unterstützt werden.

Meine Damen und Herren, die Ursachen sind vielfältig und wissenschaftlich nicht geklärt, und es ist auch nicht bezifferbar, in welchem Maße sie überhaupt vorliegen. Zu der Studie des Entomologischen Vereins Krefeld - der Herr Minister hat dazu gerade schon etwas gesagt - sagte Prof. Dr. Jens Dauber, der Leiter des Thünen-Instituts in Braunschweig, diese Studie sei nicht dazu konzipiert, langfristige Entwicklungen der Insektenbiomasse

oder der Insektengemeinschaft systematisch und repräsentativ zu beobachten; es handele sich lediglich um eine gelungene Vermarktung der Ergebnisse.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Ach!)

Meine Damen und Herren, ich will überhaupt nicht infrage stellen, Frau Staudte, dass wir hier ein sehr ernstes Problem haben, um das wir uns dringend kümmern müssen. Das versuchen wir in der Landwirtschaft auch mit Nachdruck. Aber dafür ist es notwendig, dass wir wirklich gesicherte Erkenntnisse haben, auf deren Grundlage wir argumentieren können, und nicht Vermutungen, die von der Wissenschaft arg infrage gestellt werden.

Meine Damen und Herren, die Bienen wurden als diejenigen angeführt, die uns natürlich sehr am Herzen liegen. Es wird ausgeführt, dass eine mögliche Schädigung von der Dosierung abhängt. Das ist Landwirten natürlich bewusst und das tägliche Einmaleins. Herr Dr. Rosenkranz, Leiter der Landesanstalt für Bienenkunde an der Uni Hohenheim, sieht allerdings in dem großflächigen Befall mit der Varroamilbe eine wesentlich existenziellere Bedrohung und äußert sich skeptisch, dass von einem statistisch abgesicherten Bienenstamm gesprochen werden kann.

Insofern wundert mich doch, woher Herr Meyer die Erkenntnisse nimmt, die zu einer solch drastischen Aussage berechtigen, wie er es hier getan hat. Ich will ihm aber bei dem Zitat „Wenn die Biene stirbt …“ ausdrücklich recht geben. Es wäre eine blanke Katastrophe, wenn die Insekten nennenswert geschädigt werden. Dabei kann es keine zwei Meinungen geben. Aber alles nur schlechtzureden, halte ich nicht für richtig. Die Fakten, die wir kennen, besagen beispielsweise, dass seit zwölf Jahren die Zahl der Imker zunimmt, dass die Zahl der Bienenvölker zunimmt, dass die Honigernte pro Bienenvolk zunimmt.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Die Sterb- lichkeit der Bienen!)

Das zusammengerechnet führt in dieser Antwort dazu, dass man die Ernte von 837 t vor 30 Jahren jetzt auf 2 640 t hochrechnet, also auf das mehr als Dreifache.

Meine Damen und Herren, wir Bauern und die Imker arbeiten immer intensiver zusammen, und es macht Riesenspaß, dabei zu überprüfen, ob man im Einklang mit der Natur wirtschaftet. Die Imker haben - das höre ich aus deren Kreisen - aus eigener Motivation ein großes Interesse daran,

dass auch der erfolgreiche Rapsanbau in der Landwirtschaft weitergeht.

(Glocke der Präsidentin)

Wenn wir unsere Pflanzen nicht mehr vor Krankheiten oder Schädlingen schützen können, dann ist zu befürchten, dass die Entwicklung eher wieder rückwärtsgeht. Insofern gibt es da ein gemeinsames Interesse, und wir sollten mit Erkenntnissen arbeiten statt nur mit Vermutungen und Bezichtigungen.

Was auch hier wieder die absolut richtige Herangehensweise wäre, ist zu gucken, was man selbst tun kann. Der Minister hat eben angesprochen, wie unsere Vorgärten zum Teil aussehen. Ich lebe in einer Gemeinde mit 3 400 Einwohnern. Ich wollte es nicht glauben: Wir haben 7 ha Grünflächen, die alle als Rasen gemäht werden, mit einer ökologischen Wertigkeit, die nicht weit vom Beton oder Teer entfernt ist, um es einmal zugespitzt zu sagen. Da muss man umdenken. Der Blühstreifen, den es hier in der Stadt Hannover gibt, ist klasse.

(Glocke der Präsidentin)

Da gibt es vieles, was man tun kann. Wir Bauern sind stark dabei, Herr Meyer. Auch im Kreis Holzminden - Sie wissen es sicherlich - nehmen die Landwirte sehr stark am Blühstreifenprogramm teil.

Letzter Satz!

Also bitte nicht Vermutungen und Schuldzuweisungen, sondern die Bereitschaft, das eigene Verhalten zu überprüfen und gemeinsam daran zu arbeiten, um dann bei diesem sehr ernsten Problem wirklich voranzukommen!

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich danke Ihnen. - Für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete Dr. Frank Schmädeke gemeldet.

(Beifall bei der CDU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erst einmal möchte ich mich Herrn Lies zuwenden. Das, was Sie eben gebracht haben, hätte auch aus unserer Feder stammen können. Es geht uns

allen um die Sache. Das war super gut ausgerichtet.

Nun möchte ich mich der Anfrage der Grünen zuwenden. Liebe Kollegen, mit dieser Großen Anfrage an die Landesregierung machen Sie mehr als deutlich, wie gering eigentlich das Wissen um die Ursache des immer wieder beschriebenen Insektensterbens ist. Ja, noch mehr: Die Fragen verdeutlichen, wie gering doch eigentlich das Wissen über die Entwicklung der Artenzahlen, der Individuenzahlen und der Gesamtmasse der Insektenbestände in Niedersachsen ist.

Meine Damen und Herren, bereits in der parlamentarischen Debatte am 18. April 2018 habe ich im Rahmen des Entschließungsantrages von SPD und CDU mit dem Titel „Artensterben aufhalten - Insekten schützen“ unterstrichen, welchen Stellenwert wir dem Insektenschutz beimessen. Gleichzeitig habe ich jedoch bereits damals darauf hingewiesen, dass in Deutschland nur wenige wissenschaftlich basierte Zeitreihen vorliegen, die die Entwicklung der Biomasse von Fluginsekten beschreiben. Ich wies darauf hin, dass es eine Evaluierung dieser Ergebnisse nicht gäbe. Vorliegende Daten und Ergebnisse aus Deutschland und Großbritannien zeigten kein einheitliches Bild, wobei ein Vergleich nur schwer möglich sei.

Weitere Studien, die aktuell im Rahmen dieser Großen Anfrage von der Landesregierung aufgeführt werden, lassen ebenfalls aufgrund unterschiedlicher Versuchsansätze nicht zu, belastbare Hinweise auf Hauptrückgangsursachen zu benennen.

Um belastbare und repräsentative Datensätze zu erhalten, brauchen wir sowohl ein bundesweit standardisiertes Insektenmonitoring als auch weitere wissenschaftliche Ursachenforschung und Analysen als Grundlage für eine zielführende und effiziente Stabilisierung unserer vielfältigen Insektenpopulationen.

Die Forderung der Umweltministerkonferenz im November 2017 an die Bundesregierung, einen Methodenleitfaden für ein Insektenmonitoring zu beauftragen, zielte genau in die richtige Richtung. Erst auf Grundlage der dann zu erwartenden belastbaren Erkenntnisse können Sofortmaßnahmen, wie sie bereits in unserem Entschließungsantrag aufgeführt wurden, zielgerichtet durch Landwirte, Grundbesitzer, Industrie, Kommunen und private Haushalte umgesetzt werden.

Bereits heute können wir jedoch annehmen, dass die in vielen Studien beschriebenen Veränderungen im Auftreten von Insektenarten mit Lebensraumveränderungen im weitesten Sinne einhergehen. Diese Entwicklung dürfte durch eine Vielzahl von Ursachen bedingt sein, welche jedoch im Einzelnen wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt sind.

Unbestritten, meine Damen und Herren, sind als Gründe des Rückgangs von Insekten z. B. die veränderte Bewirtschaftungspraxis von landwirtschaftlichen Nutzflächen - bis hin zu strukturellen Veränderungen, z. B. Flächenversiegelungen; das gilt auch für den Garten - oder der Verlust an bestimmten Biotopstrukturen zu nennen. Aber auch weitere Faktoren wie z. B. Luftverschmutzung, Lichtsmog und Witterungseinfluss sind hervorzuheben.

Gerade auch klimatische Veränderungen können bekanntermaßen unterschiedlich auf die Artenvielfalt von Insekten wirken. Sie können bei einzelnen Insekten eine Zunahme - siehe aktuell die Hornisse und die Wespe -, bei anderen Arten aber auch einen Rückgang der Individuenzahlen zur Folge haben. - Herr Meyer, hierzu eine Anmerkung: Die höheren Temperaturen - das weiß ich von den Imkern - haben in diesem Jahr zu außerordentlich hohen Honigtrachten geführt. Das weist doch auf zumindest in diesem Jahr vitale Bienen hin.

Meine Damen und Herren, schon in der Koalitionsvereinbarung haben CDU und SPD vereinbart, den Verlust der Artenvielfalt z. B. von Insekten gründlich zu erforschen. Wir sehen die Notwendigkeit der biologischen Aufwertung von Ökosystemen und ihrer Verbundstrukturen etwa durch die Förderung von Obststreuwiesen, die Pflanzung heimischer Bäume und Hecken, die Förderung von Wiesenvogelschutz sowie den Aufbau von Blühstreifenprogrammen. Gerade die bestehenden Blühstreifenprogramme sollen hierfür praxisorientiert und flexibel gestaltet werden, um das Nahrungsangebot für Bienen und andere Insekten auch im Spätsommer zu erhalten.

Darüber hinaus wollen wir die Artenvielfalt durch Vertragsnaturschutz, Nutzung der bestehenden Greeningprogramme, Veränderungen der Agrarfördermaßnahmen, Einbeziehung kommunaler Flächen, verbessertes Flächenmanagement oder freiwillige Schaffung von naturnahen Lebensräumen fördern. Auch unser erklärtes Ziel, dem voranschreitenden Flächenverbrauch durch Flächenversiegelung vorzubeugen und die Entsiegelung und

Wiederverwertung bereits genutzter Flächen zu fördern, dürfte der Biodiversität zugutekommen.

Grundsätzlich gilt, dass wir nur gemeinsam und im ständigen Dialog mit den Flächennutzern und Grundstückseigentümern substanzielle Fortschritte erzielen werden, die einen bedeutenden und vor allem auch nachhaltigen Beitrag zur Verbesserung der Biodiversität zur Folge haben.

Nun gestatten Sie mir noch ein paar Worte - das ist heute noch nicht angeklungen - zu der Frage, wann Bienengifte wie Neonicotinoide verboten werden.

Unstrittig ist, dass wir uns für ein weiteres Verbot einsetzen werden, wenn Risiken für Bienen und andere Insekten wissenschaftlich belegt werden. Allein die Vermutung hierfür reicht uns allerdings nicht aus, meine Damen und Herren. Die Agrar- und Energiepolitik auf Landes-, Bundes- und Europaebene, die stetig steigenden Anforderungen der globalisierten Märkte und das sich wandelnde Verbraucherverhalten - alle diese Einflussfaktoren haben unsere Betriebe in gutem Glauben zu dem gemacht, was sie heute sind.

Als ein Baustein einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion und Nahrungsmittelsicherheit ist der gezielte Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Rahmen der guten fachlichen Praxis zurzeit jedoch unerlässlich. Um unseren Betrieben auf dem Markt das Überleben zu sichern, gehört zu jedem Verbot eines Pflanzenschutzmittels - sofern es denn kommt - auch die Empfehlung einer wirtschaftlich tragfähigen Alternative. Dieses können alternative Präparate sein oder auch innovative mechanische Verfahren auf Grün- oder Ackerland. Hier gilt es, die Forschung voranzutreiben und notwendige Veränderungen bzw. Verbote mit Weitsicht nach einem fundamentierten Abwägungsprozess vorzunehmen.

Meine Damen und Herren, zur Erläuterung für vorzunehmende Abwägungsprozesse sei hier noch ein Beispiel aus der Praxis erlaubt: Im Trinkwasserschutz empfiehlt die Beratung als eine effektive Maßnahme zur Reduktion der Nitrateinträge in das Grundwasser die reduzierte Bodenbearbeitung nach der Ernte im Herbst. Eine Einsaat der Folgefrucht soll dann nach Möglichkeit auch direkt, ohne wendende Bodenbearbeitung, erfolgen. Bei diesem trinkwasserschützenden Verfahren ist es jedoch unerlässlich, die wiederauflaufende Vorfrucht und die Beikräuter vor Einsaat der Hauptfrucht zu entfernen.

(Glocke der Präsidentin)

Hier wird nun im Rahmen der guten fachlichen Wasserschutzpraxis standardmäßig Glyphosat eingesetzt. Würde Glyphosat für den Einsatz verboten und hätten wir außer einer mechanischen wendenden Bodenbearbeitung keine Alternative, dann wäre die reduzierte Bodenbearbeitung als eine effektive Maßnahme zur Reduktion der Nitrateinträge in das Trinkwasser gestorben.

Ich fasse zusammen. Hieran sehen wir: Verbote brauchen Alternativen. Dazu bedarf es einer guten und weitsichtigen Forschung, die unseren Landwirten immer wieder alternative Wege aufzeigt, mit denen sie sich erfolgreich am Markt behaupten können.

Damit bin ich schon fast am Ende meiner Ausführungen. Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir zum Schluss noch einen kleinen Hinweis an die Fraktion der Grünen - etwas zum Schmunzeln. Sie haben wirklich versucht, eine Sammlung diverser Fragen im Hinblick auf das Insektensterben zusammenzutragen, mal mehr und mal weniger zielführend. Zur besseren Übersicht haben Sie die 108 Fragen dankenswerterweise inhaltlich etwas strukturiert.

(Glocke der Präsidentin)

Unter Nr. III haben Sie sechs Fragen zusammengestellt, die auf die Folgen für die Vogelwelt abzielen. Tatsächlich zielen zwei dieser Fragen jedoch auf die Fledermaus ab.

Herr Dr. Schmädeke, Sie haben Ihre Redezeit jetzt um einiges überschritten. Sie haben aber gleich noch die Option, weiter zu antworten. Es gibt nämlich eine Kurzintervention der Kollegin Miriam Staudte auf Ihren Wortbeitrag. Ich würde Sie bitten, jetzt erst einmal die Kurzintervention zuzulassen.

(Dr. Frank Schmädeke [CDU]: Frau Staudte, bitte, ich lasse Ihre Kurzin- tervention zu!)

- Dafür müssen Sie kurz das Redepult räumen. Dann dürfen Sie noch einmal für 90 Sekunden zur Beantwortung wiederkommen.

(Dr. Frank Schmädeke [CDU]: Danke! Das wäre aber der letzte Satz gewe- sen! - Christian Grascha [FDP]: Er kann doch noch zu Ende ausführen!)