Protokoll der Sitzung vom 24.08.2018

(Dr. Frank Schmädeke [CDU]: Danke! Das wäre aber der letzte Satz gewe- sen! - Christian Grascha [FDP]: Er kann doch noch zu Ende ausführen!)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Es freut uns, dass Sie das so genau gelesen haben und uns vielleicht auch noch einen kleinen Schmunzler bereiten konnten. Aber ich möchte auf ernsthaftere Aspekte eingehen.

Sie und auch Ihr Vorredner haben gerade in den Raum gestellt, dass diese Studien nicht belegt wären. - Es gibt eine ganze Reihe von Studien, die dieses Krefelder Ergebnis untermauern: kleine regionale, z. B. in Regensburg. Auch der Weltrat für Biodiversität hat 2016 festgestellt, dass es um die Insektenentwicklung sehr schlecht bestellt ist und dass weltweit 40 % vom Aussterben bedroht sind.

Es gab auch einen Review dieser Studie des Entomologischen Vereins Krefeld. Eine Reihe von Wissenschaftlern hat für ein Wissenschaftsjournal den Aufbau überprüft und ob die Ergebnisse belastbar sind. Dies haben sie bestätigt. Insofern weise ich die Kritik zurück, dass das alles aus der Luft gegriffen wäre.

Ein weiterer Aspekt: Ich habe Sie jetzt so verstanden, dass das alles nicht belastbar ist und wir deswegen ein fundiertes Monitoring machen müssen. Monitoring machen, Monitoring machen, Monitoring machen - wir müssen irgendwann auch einmal zum Handeln kommen! Wir haben nicht die Zeit, uns nur auf das Monitoring zu beschränken. Wir müssen schon jetzt handeln. Wir wissen auch, um was es geht: Es geht um die Überdüngung, es geht um die Pestizide.

Frau Staudte, letzter Satz! - Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

So, Herr Dr. Schmädeke, jetzt können Sie antworten und Ihre Rede noch fortsetzen.

Vielen Dank. - Frau Staudte, zum Stichwort „aus der Luft gegriffen“. Ich glaube, was ich gesagt habe, ist unbestritten: Die englischen Untersuchungen zeigen auf, dass es einen Anstieg der Population, aber auch ein Sinken der Population gibt. Die waren nicht eindeutig. Wir haben die Studien nebeneinander gehalten. Die Parameter, mit denen man jeweils vorgegangen ist, sind sehr verschieden. Und das ist der Grund, warum ich gesagt habe, dass man ein standardisiertes Verfahren haben muss: damit man die Studien europaweit

zusammenführen kann und gesicherte Ergebnisse bekommt, die nicht auf irgendwelchen Vermutungen basieren oder kausale Zusammenhänge herstellen, die sich nicht belegen lassen.

Monitoring, Monitoring, Monitoring - ja! Ich habe in meinen Ausführungen aber auch dargestellt, dass wir schon viele Maßnahmen haben. Die habe ich aufgeführt, die stehen auch in unserem Entschließungsantrag, die laufen bereits. Wenn ich diese Maßnahmen aber weiter ausführen will - weil es vielleicht noch nicht genug ist -, dann müssen sie auf fundierten Grundlagen fußen. Da sind wir dran.

Jetzt mein allerletzter Satz: Sie haben unter Vögeln die Fledermaus aufgeführt. Meine Damen und Herren, zu Ihrer Information: Die Fledermaus kann zwar fliegen, aber sie ist kein Vogel, sie ist ein Säugetier.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Schmädeke. - Für die AfDFraktion spricht der Abgeordnete Stefan Wirtz. Bitte!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Grüne, ein bunter Strauß an Fragen und Antworten. Eigentlich ein buntes Büschel. Es ist ein bisschen struppig, was da an Fragen vorliegt. Die Fledermäuse sind jetzt rausgeklopft.

Die Anfrage zeigt auch, dass noch ein erheblicher Forschungsbedarf besteht. Der Landesregierung scheinen zumindest keine großen neuen Erkenntnisse vorzuliegen, was Artenzahlen und Populationen der Insekten angeht. So erfahren wir gleich in der Antwort auf die Frage 2, dass es keine belastbare Datenbasis zur Entwicklung der Insektenbestände in Niedersachsen gibt. Man fragt sich, warum die Grünen von vornherein von „Insektensterben“ reden, wenn noch nicht einmal eine Datenbasis vorliegt, also ein Vergleich gar nicht möglich ist.

Wenn Sie darauf geachtet haben: Der Minister Lies hat von einem „Insektenrückgang“ gesprochen und das Wort „Sterben“ deutlich vermieden. Das kommt in der Antwort der Landesregierung auch zum Ausdruck. Sie haben uns - weil Sie uns immer etwas unterstellen müssen - unterstellt, dass wir das Bienensterben leugnen, wo auch immer Sie

das finden. Stattdessen betreiben Sie hier eine Bienenpanik. Das ufert ja schon aus.

(Wiard Siebels [SPD]: Wir haben doch keine Panik vor Bienen!)

- Es ist gut, dass Sie so schreckfest vor Bienen sind. Vielleicht fürchten Sie sich ja vor Wespen oder vor einer Hornisse.

Auf jeden Fall kann der Herr Minister hier mit einer gepflegten Bienenpanik aufwarten, die er nicht untermauern kann. Der Minister Lies hat nämlich auch dargelegt, dass die Bestände der Honigbienen sogar zugenommen haben, jedenfalls die Imkerbestände. Es ist nicht nachweisbar, ob die Bestände der Wildbienen überhaupt abnehmen. Die Arten sind noch nicht einmal eindeutig nachweisbar. Es steht auch in der Antwort, dass die Dunkle Honigbiene gar nicht eine einzelne Art ist, sondern mehrere verschiedene Arten, und dass der Rückgang dieser Honigbiene auch nicht nachvollzogen werden kann.

In der Antwort auf die Frage 9 werden die hier zugrunde liegenden Studien angeführt.

(Unruhe)

- Es wäre schön, wenn Sie Ihre Fragen am Mikrofon stellen könnten.

Sowohl in der Anfrage der Grünen als auch in der Antwort der Landesregierung wird als erstes die Krefelder Studie herangezogen. Diese ist nicht belastbar; das haben wir nun schon häufig gehört. Auch die Untermauerung dieser regionalen Studie durch noch kleinere regionale Studien ist nicht tragfähig. - Sie bemühen hier insgesamt kein tragfähiges Antwortkonzept.

Die Landesregierung spricht in ihrer Antwort auch explizit vom „Rückgang der Biomasse“ und von den „Individuenzahlen“ und nicht vom „Artenrückgang“. Die Studien geben das nämlich größtenteils nicht her. Bei den Individuenzahlen - das ist allerdings richtig - gibt es einen teilweise deutlichen Rückgang, sofern er denn belastbar festzustellen ist.

Dann mutet die Frage 12 der Grünen aber wieder seltsam an. Sie wollten die gesamten Individuenzahlen der Insekten. Das - so hat die Landesregierung auch ausgeführt - kann eine Studie schlichtweg nicht bringen.

Ein wichtiger Punkt wird in Frage 75 angesprochen. Hier heißt es, man wolle die kommenden fünf Jahre verstärkt nutzen, um Alternativen zur Glyphosatnutzung zu entwickeln. Das ist auch richtig so. Das ist ein wichtiger Punkt. Die Landesregierung sollte sich unbedingt dafür einsetzen und dies ernstnehmen.

Nebenbei, Herr Meyer, Sie haben vorhin in einem Nebensatz von der „Klimakatastrophe“ gesprochen. Was ist eigentlich aus der „Klimakrise“ geworden? Ist die inzwischen ausgestorben? Oder wollten Sie am Freitag einfach noch einmal einen Gang höher schalten?

(Zurufe von den GRÜNEN)

- Das ist zum Glück protokollgängig, worin auch immer Ihre „Katastrophe“ bestehen soll.

Wir haben hier viel von Zuwächsen und von weiteren Versiegelungen gehört. Den Antworten der Landesregierung können wir aber auch entnehmen, dass der Anteil der landwirtschaftlich genutzten Fläche in den letzten 30 Jahren sogar zurückgegangen ist. Wir haben in unserem Lande eine landwirtschaftliche Nutzung auf 30 000 km². Zum Vergleich: Das Straßen- und Wegenetz nimmt 3 000 km in Anspruch. Dieses Straßen- und Wegenetz ist in den letzten 30 Jahren kaum angewachsen. Der Rückgang der intensiv genutzten Agrarflächen wiegt die Versiegelung deutlich auf.

Zu einem früheren Zeitpunkt haben wir heute auch gehört, dass die Windenergie immer mehr Flächen beansprucht. Allein der weitere Ausbau wird annähernd 900 bis 1 000 km² beanspruchen. Auch das ist ein Punkt, den die Grünen gerne auslassen. Der Ausbau von Windenergie intensiviert die Nutzung von Flächen, auf denen Insektenleben auch nicht mehr so einfach möglich ist. Wenn Sie von einem Artensterben reden wollen, dann müssen Sie auch über das Rotmilansterben durch Windkraftanlagen reden, das von den Grünen völlig unkommentiert hingenommen wird, um eine fragwürdige Energiepolitik der früheren grün-roten Regierung weiter zu betreiben.

(Beifall bei der AfD - Miriam Staudte [GRÜNE]: Und was ist mit den Fi- schen im Kühlwasser?)

Was noch dazu kommt, ist die Vermaisung unserer Landwirtschaft. Der Maisanbau nimmt inzwischen über 2 000 km² in Anspruch. Dieser Mais wird zur Energieerzeugung genutzt. Auf Mais reagieren die meisten einheimischen Insektenarten allerdings äußerst desinteressiert. Mit Mais können die Insek

ten herzlich wenig anfangen. Diese Anpflanzung einer Art, die nicht zur einheimischen Pflanzenkultur gehört, produziert neue und größere Probleme, als Sie sie mit Ihren Schutzmaßnahmen und Grünstreifen bekämpfen können.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Ein paar Worte möchte ich noch zum Thema Pflanzenschutzmittel sagen. Das Grundproblem, das wir bei der gesamten Debatte um die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln nicht aus den Augen verlieren dürfen, ist, dass die Landwirte unter einem enormen finanziellen Druck stehen, dass sie ökonomisch leistungsfähig bleiben müssen, um weltweit konkurrieren zu können, um bestehen zu können und ihre Produkte vermarkten zu können. Eine regionale Verkaufspolitik, ein regionaler Anbau und Verkauf, würde dem Artenschutz wesentlich mehr bringen als die TurboAgrarindustrie, die wir leider weiterhin betreiben müssen und die wir aufrechterhalten müssen, um unsere Landwirtschaft lebensfähig zu erhalten. Das ist eigentlich die Ursache für unser Artenschutzproblem.

(Beifall bei der AfD - Zurufe von der SPD: Ich denke, wir haben kein Prob- lem!)

Vielen Dank, Herr Wirtz. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Axel Brammer.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal vielen Dank an die Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, dass sie solch eine umfassende Anfrage eingebracht haben. Vielen Dank aber auch an das Umweltministerium für die ebenso umfassenden Antworten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Informationen zeigen, wie wichtig der Entschließungsantrag ist, den die Regierungsfraktionen im April zum Thema Insektensterben eingebracht haben. Zu diesem Entschließungsantrag findet am kommenden Montag eine Anhörung im Umweltausschuss statt. Die Ergebnisse dieser Anhörung werden in die weiteren Beratungen einfließen. Aber auch die Ergebnisse aus der uns vorliegenden Antwort auf die Große Anfrage wer

den eine große Hilfe bei den weiteren Beratungen sein.

Die Ergebnisse der Großen Anfrage belegen, dass Handeln dringend notwendig ist. Es stimmt, was Frau Kollegin Staudte sagt: Wir haben keine Zeit mehr.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Dabei geht es nicht nur darum, ein weiteres Insektensterben zu verhindern. Nein, wir müssen die derzeitige Entwicklung sogar umkehren. Das ist eine große Herausforderung.

Neben den vielen Erkenntnissen, die wir aus der Beantwortung dieser Anfrage mitnehmen, gibt es aber auch erschreckend viele Fragen, die nicht beantwortet werden können, weil die Daten schlichtweg fehlen. Das hängt einfach damit zusammen, dass sich Generationen von Umweltministern nicht darum gekümmert haben, was da auf uns zukommt. Aber nicht nur sie!

Als wir im Juni 2017 erstmals den Antrag zum Thema Insektensterben eingebracht haben, wurden wir von vielen, auch von Kolleginnen und Kollegen hier im Hause, belächelt. Dieser Antrag ist dann der Diskontinuität anheimgefallen. Er ist jetzt - Sie haben es vorhin gehört - im April wieder eingebracht worden. Über lange Zeit wurde einfach ausgeblendet, dass laufend Flächen als Lebensräume für unsere Insekten verlorengehen. Es wurde auch ausgeblendet, dass es über Jahrzehnte zusätzlich eine qualitative Verschlechterung der Lebensräume für unsere Insekten gegeben hat. Und jetzt ist das einfach ein Thema!

Diese Entwicklungen - Herr Minister Lies sagte es vorhin schon - sind nicht nur auf die Landwirtschaft zurückzuführen. Nein, wir verlieren in beträchtlichem Umfang auch Flächen durch Versiegelung, weil Gärten zugepflastert oder mit Geräten aus Baumärkten so wie die eigene Wohnung behandelt werden. Am Ende entsteht in den Gärten eine Struktur, die der eines Blumentopfes im Wohnzimmer gleicht. Für Insekten bleibt da kein Raum.