Diese Entwicklungen - Herr Minister Lies sagte es vorhin schon - sind nicht nur auf die Landwirtschaft zurückzuführen. Nein, wir verlieren in beträchtlichem Umfang auch Flächen durch Versiegelung, weil Gärten zugepflastert oder mit Geräten aus Baumärkten so wie die eigene Wohnung behandelt werden. Am Ende entsteht in den Gärten eine Struktur, die der eines Blumentopfes im Wohnzimmer gleicht. Für Insekten bleibt da kein Raum.
Herr Kollege Brammer, ganz kurz! - Ich bitte darum, dass alle wieder zuhören oder die wichtigen Gespräche außerhalb des Saals fortführen.
(Axel Brammer [SPD]: Ich nehme das wahr, Frau Präsidentin! Manchen ist das nicht wichtig, auch dieses Thema nicht! - Anhaltende Unruhe)
Wir sind froh, dass wir mit Olaf Lies einen Minister haben, der dieses Thema aufgegriffen hat und dafür bekannt ist, dass er Probleme auch energisch angeht.
Wer die 108 Fragen und die dazugehörigen Antworten auf diese Große Anfrage gelesen hat, wird zu der Erkenntnis kommen, dass wir schon viel zu viel Zeit verloren haben. Diese Entwicklung macht Angst.
Ich habe schon im April gesagt, Herr Kollege Meyer, Herr Kollege Grupe: Erfolgreich können wir nur sein, wenn wir bei der Diskussion alle mitnehmen. - Das ist nicht nur ein Thema Einzelner. Nein, da sind wir alle gefordert: Politik, Wirtschaft, Landwirtschaft, Imker, Naturschutzverbände, NABU, Angler, BUND, Jägerschaft, aber auch Bürgerinnen und Bürger in ihren eigenen Gärten. - Ich möchte es wiederholen: Wir alle müssen einen Prozess mitgestalten, der letztendlich dazu führen soll, dass wir das Insektensterben nicht nur aufhalten. Wir müssen die Entwicklung umkehren! Dazu gehört eine breite Öffentlichkeitsarbeit, über die auch die notwendigen Anreize geschaffen werden müssen. Dazu gehört letztendlich natürlich das Verbot von allen Schädlingsbekämpfungsmitteln, die das Insektensterben verursachen und beschleunigen, wozu auch die - ein unseliges Wort! - Neonicotinoide gehören. - Frau Präsidentin, wir sind uns einig: Wenn wir die verbieten, brauchen wir hier nicht mehr darüber zu diskutieren und herumzustottern.
Dazu gehört aber auch, das eigene Verbraucherverhalten zu hinterfragen, wenn wir im Laden Produkte zu einem Preis kaufen, von dem die Landwirte nicht leben können, wohl wissend, dass der dazwischen liegende Handel noch gewaltige Gewinne einstreicht. Oder wenn wir am Wochenende den teuren neuen, im Baumarkt gekauften Grill anschmeißen - manche von ihnen kosten 500, 600 oder gar 700 Euro - und darauf das Fleisch aus dem Sonderangebot braten.
(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Meyer [GRÜNE]: Und so auch noch Insekten vertreibt!)
Deshalb werden viele Maßnahmen, die in den nächsten Jahren notwendig werden, mitunter auch schmerzhaft sein - das liegt aber nicht an den nicht gebratenen Steaks -, sind aber unerlässlich.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, was wir jetzt aber nicht brauchen, Herr Kollege Meyer und auch Herr Kollege Grupe, ist eine Verursacherdebatte, die uns durch überflüssige Streitereien wieder über lange Zeit blockiert.
Ich will auf ein Beispiel hinweisen. In den 70erJahren führten wir die Debatte über das Ozonloch. Die Industrie hat über Jahrzehnte geleugnet, dass daran Fluorchlorkohlenwasserstoffe mit schuld sind. Das Ozonloch wurde immer größer. Es war später dramatisch groß, so groß, dass man zu internationalen Ächtungen und Verboten gekommen ist. Man hat damals gesagt, dass es 44 Jahre dauern wird, bevor das Ozonloch wieder geschlossen ist. 2011 bekamen wir das erste Mal die Nachricht, dass sich das Ozonloch wieder schließt.
Wir befinden uns an genau der gleichen Stelle wie in den 70er-Jahren: Wir müssen anfangen! Wenn wir es gemeinsam mit allen Betroffenen erreichen - das wir dem einen oder anderen weh tun -, dann werden wir Erfolg haben.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Brammer. - Weitere Wortmeldungen hierzu liegen uns nicht vor. Ich stelle fest, dass damit die Besprechung der Großen Anfrage abgeschlossen ist.
Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung: Landwirtschaft und ländliche Räume in Niedersachsen stärken - Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2020 - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/1404
Tagesordnungspunkt 27: Erste Beratung: Europa fördert Niedersachsen - Weichenstellungen für die neue EU-Förderperiode 20212027 - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 18/1387
Die Einbringung des Antrags der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU wird durch den Abgeordneten Dr. Stephan Siemer erfolgen. Danach wird der Antrag der Fraktion der FDP durch den Abgeordneten Stefan Grascha eingebracht. Danach steigen wir in die Beratung ein.
Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Hinblick auf die Zeit mache ich es kurz.
Europa ist ein extrem wichtiges Thema, und für Niedersachsen als das Land des ländlichen Raumes ist die Förderung durch die Gemeinsame Agrarpolitik extrem wichtig. 1 Milliarde Euro fließen in der aktuellen Förderperiode nach Niedersachsen für die direkte Förderung der Landwirtschaft und für die zweite Säule, für die Infrastruktur im ländlichen Raum.
In diesem Bereich sind seitens der Europäischen Kommission aufgrund neuer Aufgaben und des Austritts des Vereinigten Königreichs Kürzungen und Umschichtungen geplant.
Meine Bitte ist, dass von diesem Parlament heute die Botschaft ausgeht, dass wir die Landesregierung dabei unterstützen, dass auch künftig der
ländliche Raum und die Landwirtschaft mit umfangreichen Mitteln aus der Gemeinsamen Agrarpolitik gefördert werden und die modernen, wichtigen Themen wie Digitalisierung, Infrastruktur, Wissenstransfer, Wegebau und Dorferneuerung auch weiterhin für die Menschen im ländlichen Raum in Niedersachsen gefördert werden.
Vielen Dank, Herr Dr. Siemer. Das war sehr prägnant. - Wir kommen jetzt zum Beitrag der FDPFraktion von Herrn Christian Grascha.
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich mache es etwas länger, aber ich versuche mindestens, mich an die Redezeit zu halten.
Wir sind der Auffassung, bei Europa geht es nicht nur um die Frage: Wer ist Nettozahler und Nettoempfänger? - Deswegen beginne ich einmal etwas grundsätzlicher. - Europa ist auch keine Unfallversicherung mit Beitragsrückgewähr. Vielmehr hat Europa gerade in der momentan international schwierigen Situation einen Wert an sich.
Wir haben international verschiedene Krisen: Trump, Putin, Türkei, China, die Krisen in Afrika und an anderen Orten der Welt. Da ist ein stabiles und starkes Europa erforderlich. Das brauchen wir. Die Herausforderungen werden wir nur mit Europa meistern, aber nicht ohne Europa.
Deswegen hatte der leider viel zu früh verstorbene frühere Bundesaußenminister Guido Westerwelle absolut recht, als er sagte: Europa hat einen Preis, aber auch einen Wert. - Genau auf diesen Wert verpflichten uns das Grundgesetz und die Niedersächsische Verfassung. In der Präambel des Grundgesetzes steht, dass wir in einem vereinten Europa dem Frieden in der Welt dienen wollen. In der niedersächsischen Landesverfassung ist auch die Rede davon, dass wir Teil der europäischen Völkergemeinschaft sein wollen.
Deswegen sind in diesem Zusammenhang verschiedene Themen für uns sehr wichtig, die nicht nur mit der Frage von Fördermitteln und der Kohäsionspolitik zu tun haben, sondern da geht es beispielweise um die Fragen: Wie entwickelt sich zukünftig die europäische Außen- und Verteidigungspolitik weiter? Wie geht es mit dem digitalen
Binnenmarkt weiter? Wie geht es mit der Sicherheitspolitik weiter? Wie geht es mit einem gemeinsamen Bildungsraum weiter? Wie geht es mit einer gemeinsamen Handelspolitik weiter? Wie geht es mit einer gemeinsamen Energie- und Klimapolitik weiter? Wie geht es mit dem gemeinsamen Grenzschutz und einer gemeinsamen Migrationspolitik weiter? Wie geht es mit einer schlanken EU mit weniger Kommissaren weiter? Wie geht es mit einer stabilen Währungspolitik weiter? Und wie geht mit einer zukunftsgerichteten EU-Haushaltspolitik weiter? Dazu gehört die Kohäsionspolitik, die eben nicht nur Zahlungsströme festlegt, sondern den Zusammenhalt in Europa stärken soll. Dafür gibt es einen Vorschlag der Kommission. Meine Fraktion, die Freien Demokraten in diesem Haus, hat Eckpunkte dazu vorgelegt, wie wir uns das vorstellen. Ich möchte an dieser Stelle auf den einen oder anderen Punkt eingehen.
Der erste Punkt ist: Wir wollen, dass die Politik in Niedersachsen in der neuen EU-Förderperiode dazu beiträgt, dass wir in unserem Land in eine neue Gründerzeit aufbrechen. Wir haben dazu vorgeschlagen, eine Förderrichtlinie bzw. ein Förderprogramm mit dem Titel „Innovation 2030“ zu entwickeln, bei dem eine Priorität auf den Bereich der Digitalisierung und der Künstlichen Intelligenz gelegt wird. Bei der Entwicklung wollen wir Niedersachsen bundesweit und sogar europaweit an die Spitze führen. Insbesondere junge Unternehmen, Start-ups, sind Treiber dieser Entwicklung. Deswegen brauchen sie eine besondere Unterstützung, und deswegen gibt es hier einen besonderen Handlungsbedarf. Ich nehme als Beispiel die Frage, wie sich Start-ups in unserem Land finanzieren. Laut dem Start-up-Barometer Deutschland von Ernst & Young aus dem ersten Halbjahr 2018 sind in Niedersachsen nur vier Finanzierungsrunden für Start-ups gemacht worden. Damit liegen wir weit hinter Hessen mit 17 Finanzierungsrunden, Nordrhein-Westfalen mit 29 und Bayern mit 44. Hier besteht also erheblicher Aufholbedarf. Die Entwicklung, die wir aktuell haben, ist zumindest für unser Land eine Wohlstandsgefahr. Wir müssen aufbrechen in eine neue Gründerzeit.
Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die Entwicklung des ländlichen Raums. Dort ist unserer Meinung nach zunächst einmal festzustellen, dass die Landwirtschaft bei diesen Fragen nicht immer zum Steinbruch werden darf, d. h. zur Manövriermasse, wenn man hier oder da noch Kapital benötigt. Unserer Auffassung nach ist die erste Säule eine wichtige, direkte Fördersäule für
den ländlichen Raum. Und wenn wir die erste und auch die zweite Säule kritisch hinterfragen wollen, dann müssen wir auch darüber sprechen, welche Auflagen und welche Bürokratievorgaben unserer Landwirte zu erfüllen haben. Wenn man solche Vorgaben absenkt, kann man sicherlich auch anderes infrage stellen, aber Zug um Zug. Aus unserer Sicht ist die erste Säule von besonderer Bedeutung.
Es geht uns dabei auch um die Frage, ob wir die Gestaltungshoheit noch im Land haben oder ob wir die Gestaltungshoheit nach Berlin abgeben. Wir wollen die Gestaltungshoheit hier im Land behalten, deswegen wollen wir hier auch ein klares Signal setzen.
Das sind einige der Eckpunkte unseres Antrages. Ich hätte an dieser Stelle auch gern zum Antrag von SPD und CDU gesprochen, aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, darin stand so wenig, dass ich meine Redezeit lieber auf unseren Antrag verwendet habe. Ich freue mich aber trotzdem auf die Ausschussberatung.