Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht also in dieser Aktuellen Stunde um die Demokratie und um Wortspiele, die bei dem Thema vollzogen werden.
Wir leben hier in Deutschland nach dem Krieg in einer Demokratie, die gewachsen ist, die dadurch geprägt worden ist, dass wir sie entwickelt haben. Die Mütter und Väter, die das Grundgesetz geschaffen haben, haben diese Demokratie vor dem Hintergrund einer Diktatur von Nazis, von Menschenverachtung und von Krieg entwickelt. Diese Demokratie hat sich immer weiterentwickelt. Die Gleichstellung von Mann und Frau, die Akzeptanz von und der respektvolle Umgang mit verschiedensten Weltauffassungen, Religionen und vielen anderen Punkten haben sich in dieser Demokratie immer weiterentwickelt. Diese Demokratie hat es geschafft, dass wir Akzeptanz und Respekt voreinander entwickelt haben. Und diese Demokratie bedarf keiner Wortspiele, die sie infrage stellen, sondern sie muss auch heute weiterentwickelt werden.
Die Gleichstellung von Mann und Frau ist in dieser Gesellschaft noch lange nicht so, wie sie sein sollte. Der Respekt vor unterschiedlichen Nationalitäten, vor unterschiedlichen Religionen ist ein wichtiger Bestandteil dieser Demokratie. Sie wird von den Grundzügen unseres Grundgesetzes getragen, und die Grenzen dieser Demokratie und die
ses Grundgesetzes sind starre Grenzen. Sie sind nicht beliebig dehnbar. Wer sich außerhalb dieser Grenzen befindet, ist ein Verfassungsfeind, und er erfährt somit keinen Respekt, sondern er wird von diesem Staat verfolgt - zu Recht, weil er die Demokratie abschaffen will.
(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP sowie Zustimmung von Klaus Wichmann [AfD])
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer Risse konstruiert, von ihnen lebt und sie politisch ausschlachtet und wer sich auf die Seite von Leuten stellt, die klare Verfassungsfeinde sind, muss sich fragen lassen, wo er wirklich steht: außerhalb oder innerhalb der Grenzen des Grundgesetzes?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gab keine Todesmärsche für diejenigen, die hier in Niedersachsen von diesem Pfleger ermordet wurden. Es gab keine Todesmärsche für die Opfer des brutalen Ehepaars aus Höxter, das Menschen umgebracht hat. Warum gibt es Todesmärsche zu bestimmten Themen? - Weil das ausgenutzt wird.
Dieser Rechtsstaat verurteilt alle, die ein Verbrechen begehen. Das ist die Aufgabe der Justiz und nicht die von Parteien. Ich sage ganz deutlich: Wer mit der Demokratie und den Begrifflichkeiten spielt, ist jemand, der sich nah an der Grenze dessen befindet, wo er innerhalb oder auch außerhalb des Grundgesetzes stehen kann. Und eine Alternative für die Demokratie brauchen wir nicht.
Wer hier in diesem Plenarsaal beklagt, dass andere zu wortgewaltig sind, sollte gelegentlich in den Spiegel und die Protokolle gucken. Er sollte sich fragen, wo er denn selber steht. Es gibt übrigens auch konservative Verfassungsfeinde. Und ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Wir brauchen eine gute Demokratie, ein gutes Demokratieverständnis. Wir brauchen aber keine Alternative zur Demokratie. Also, meine Damen und Herren: Die AfD ist überflüssig.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren von der AfD, es gibt keinen Endkampf um die Demokratie - weder in Chemnitz noch anderswo.
Wer das - wie Sie - so schreibt, macht vor allem deutlich, dass er die Demokratie ganz grundlegend nicht verstanden hat. Wenn man - darauf ist gestern schon eingegangen worden - die Äußerung Ihres Bundesvorsitzenden, Herrn Gauland, dazu nimmt, dann verstärkt sich der Eindruck, dass die Demokratie im Kern abgelehnt wird.
Sie sind hier nicht in einem Computerspiel, meine Damen und Herren, sondern in der Realität, im Niedersächsischen Landtag, einem Verfassungsorgan. Ich würde es begrüßen, wenn Sie anfangen würden, sich hier dementsprechend zu verhalten und Respekt, Anstand und Würde ausstrahlen würden
- ja, Frau Guth, das müssen Sie sich anhören -, anstatt hier Ihre Parolen zu verbreiten, wie es z. B. der Kollege Ahrends hier im Landtag und jüngst auch in einem Facebook-Video immer wieder getan hat und immer wieder tut. Ich würde es begrüßen, wenn Sie diesen Landtag so würdigen würden, wie er es verdient hat.
Demokratie ist tatsächlich die einzige Staatsform, die immer wieder neu erlernt, neu eingeübt und auch neu ausgeübt werden muss. Demokratie ist die einzige Staatform, der es nicht egal sein kann, was die Bürgerinnen und Bürger von ihr halten, sondern die zwingend darauf angewiesen ist, dass sich die Bürgerinnen und Bürger, dass sich die Menschen für sie engagieren und einsetzen. Insofern kann es zu keinem Zeitpunkt endgültige Entscheidungen geben - kein fatalistisches Finale, wie Sie das hier gerade an die Wand gemalt haben, Herr Wichmann -, sondern Demokratie ist eine tägliche Aufgabe, eine tägliche Herausforderung
Demokratie ist nämlich auch die einzige Staatsform, die zu ihrer Selbstverwirklichung toleriert und ausdrücklich unterstützt, dass ihre Gegnerinnen und Gegner, dass die Kritiker der jeweiligen Regierung und auch des Regierungssystems ihre Meinung frei äußern dürfen. Das mag auf den ersten Blick widersprüchlich wirken, aber demokratische Regierungen beschützen explizit auch ihre Kritikerinnen und Kritiker. Genau das ist auch in den jüngsten Tagen und Wochen geschehen. Das finden Sie in keinem anderen Regierungssystem der Welt - nicht in dem von der AfD so gefeierten Russland, nicht in dem von einigen von Ihnen hofierten Syrien oder anderswo. In keinem dieser Systeme werden Sie vorfinden, dass ein Staat Menschen wie den AfD-Politiker Gauland, der offen zu einem Systemsturz auffordert, mit all den Privilegien ausstattet, mit denen ein Bundestagsabgeordneter bei uns ausgestattet ist.
Auf den zweiten Blick ist das dann eben auch nicht widersprüchlich, sondern die konsequente Ausübung von Demokratie. Kritik ist notwendig, ist erwünscht, ist geradezu elementarer Bestandteil. Der Widerspruch liegt vielmehr im Gebaren der AfD und ihres Umfeldes. Ja, es gehört zur Demokratie, dass Sie in Chemnitz marschieren und demonstrieren können, wie das u. a. auch ein Vertreter Ihrer Fraktion getan hat. Ja, es gehört zur Demokratie, dass Sie Ihre Parolen hier an dieses Rednerpult tragen können. Aber es gehört eben auch zur Demokratie, dass Menschen dann gegen Sie demonstrieren. Und es gehört auch zur Demokratie, dass wir Ihnen hier laut und in aller Deutlichkeit widersprechen.
Der Widerspruch ist, dass Sie behaupten, für Demokratie und Meinungsfreiheit einzustehen, uns allen aber, wenn wir Sie kritisieren, diese Meinungsfreiheit nicht zugestehen wollen.
Wer - wie Sie - ein rein taktisches Verhältnis zur Meinungsfreiheit hat, der unterstreicht, dass er die Meinungsfreiheit in Wirklichkeit ablehnt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was liegt dieser ganzen Debatte denn eigentlich zugrunde? In Chemnitz geschah ein furchtbares Verbrechen, ein
Tötungsdelikt. Täter waren mutmaßlich Asylbewerber. Woher wissen wir das? Polizei und Justiz haben ihre Arbeit getan, wie es in einem demokratischen Rechtsstaat üblich ist. Sie werden auch weiterhin ihre Arbeit tun und die Tat aufklären und vor Gericht bringen, so wie es ihre Aufgabe ist.
Ich sage es hier in aller Deutlichkeit, Herr Wichmann: Polizei und Justiz werden auch ihre Arbeit tun, wenn es darum geht, diejenigen zu belangen, die unter dem Deckmantel angeblicher Trauer Volksverhetzung begehen, rassistische Parolen verbreiten und den Hitlergruß zeigen, wie es in der Tat, Herr Wichmann, mehrfach - nicht einmal, mehrfach - in Chemnitz passiert und dokumentiert ist.
(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP sowie Zuruf von Klaus Wichmann [AfD])
Herr Wichmann, Ihre Wortklauberei, sich hier an einzelnen Fotos aufzuhalten und dabei Polizeiberichte zu ignorieren, die von mehrfachen Hitlergrüßen und von anderen Übergriffen berichten, ist sehr, sehr bezeichnend. Auch zu dem Überfall auf ein jüdisches Restaurant haben Sie kein einziges Wort verloren, Herr Wichmann. Es wäre schön gewesen, wenn Sie sich auch zu diesem Verbrechen geäußert hätten. Bezeichnend ist an dieser Stelle Ihr Schweigen.
Chemnitz war auch ein starkes Signal der Zivilgesellschaft. 65 000 Menschen sind dort auf die Straße gegangen. Zeitgleich fanden in den vielen Städten - auch hier in Hannover, unserer Landeshauptstadt - große Demonstrationen gegen Rassismus und Nationalismus statt. Die Demokratie als Staatsform und der Rechtsstaat sind stark genug, um auch die gegenwärtigen Stürme und Attacken auszuhalten. Verlassen Sie sich darauf!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf zunächst die Gelegenheit nutzen, mich recht herzlich für die Glückwünsche zu meinem heutigen Geburtstag zu bedanken. Es ist genau 15 Jahre her, dass ich zum ersten Mal Geburtstag in diesem Hause feiern durfte.
Als ich den Wunsch äußern durfte, zu dem heutigen Tagesordnungspunkt zu sprechen, habe ich mir selten so lange wie in den vergangenen 15 Jahren zuvor darüber Gedanken gemacht: Was sagst du jetzt eigentlich? Worum geht es eigentlich bei einer solchen Aktuellen Stunde?
Damit hat er recht. Ich glaube, es lohnt, an dieser Stelle einmal eine Lanze für die Demokratie und auch ausdrücklich für das Parteiensystem und für den Föderalismus, wie wir ihn in Deutschland organisiert haben, zu brechen. Er hat sich als kraftvoll und leistungsstark erwiesen. Es lohnt sich, dieses zu verteidigen.
Ich blicke zurück auf die letzten 15 Jahre in diesem Parlament und auf das, was man hier alles erleben durfte, was ich persönlich hier alles erleben durfte. Ich durfte erleben, wie 2003 die SPD die Regierungsverantwortung verloren hat, wie 2013 CDU und FDP die Regierungsverantwortung verloren haben und wie 2018 Grüne die Regierungsverantwortung verloren haben - mit all den Verletzungen, die das mit sich bringt. Man konnte es den Menschen anmerken, wie sie darunter gelitten haben, die Verantwortung abgeben zu müssen, den Gestaltungsspielraum abgeben zu müssen und - natürlich auch - die persönliche Aufgabe nicht weiterführen zu dürfen, die sie sehr gerne und häufig auch sehr erfolgreich ausgefüllt haben.
Trotzdem hat der Wechsel immer auch eine besondere Bedeutung gehabt. Die Aufgaben der Opposition sind natürlich genauso wichtig wie die der Regierung. Opposition macht den Unterschied zu totalitären Systemen!