Protokoll der Sitzung vom 13.09.2018

(Lebhafter Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Sie erweist sich als wirkungsvoll. Ich habe gestern noch einmal das Gespräch mit Staatssekretär Dr. Lindner gesucht, der, bevor er die Aufgabe des Staatssekretärs übernommen hat - ich habe das hier schon einmal angesprochen - in der CDUFraktion als Justiziar und als Geschäftsführer tätig gewesen ist und mit dem ich gemeinsam das eine oder andere Verfahren vor dem Staatsgerichtshof begleiten durfte. Herr Dr. Lindner hat mir noch einmal ausdrücklich bestätigt: Es macht eben einen Unterschied. Es wirkt. Auch die Dinge, die wir seinerzeit vor dem Staatsgerichtshof erstritten haben, wirken sich im unmittelbaren Regierungshandeln aus. Er als Staatssekretär kann es, nun auf der anderen Seite, ausdrücklich sehr gut beurteilen.

Es wirkt, wenn Opposition tätig wirkt, wenn Opposition die Rechte nutzt, Fragen stellt, der Regierung immer wieder an diesen Stellen zusetzt, an denen sie in der Argumentation oder in dem, was tatsächlich geleistet werden konnte, möglicherweise schwach ist. Es wirkt, wenn man als Oppositionspolitiker - übrigens genauso wie Journalisten - die Möglichkeit hat, geheime Informationen zu bekommen. Ich bin inzwischen viermal von der Staatsanwaltschaft angeschrieben worden, ich möchte doch bitte offenbaren, woher ich meine Informationen habe, weil sie offenkundig einen Geheimnisverrat beinhalten. Viermal habe ich gesagt: Das werde ich nicht tun, weil ich das Recht dazu habe. - Aber verfolgt habe ich mich deswegen von dieser Staatsanwaltschaft oder von diesem Staat nie gefühlt. Ich habe es als Privileg und als Recht eines Abgeordneten betrachtet, das zu tun, was ich getan habe. Ein wichtiges Recht, das wir verteidigen dürfen! Dass es dieses Recht hier gibt, ist etwas Gutes, ist etwas Kraftvolles, ist etwas Starkes in dieser Demokratie.

(Lebhafter Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Ich habe mich auch gefragt: Was stört mich eigentlich an diesem populistischen Auftreten einzelner Parteien? Wir haben in der deutschen Geschichte

und auch in diesem Parlament ja mehrere davon erlebt: NPD, DVU, Schill-Partei, die Pauli, Republikaner, AfD, die Linke würde ich mit dazuzählen, ganz besonders wegen Ihres Auftretens in diesem Parlament, immer mit einer gewissen Form des Populismus. Was mich an der Stelle stört, ist nicht, dass sie anderer Meinung sind - so, wie Winston Churchill es gesagt hat. Natürlich darf man anderer Meinung sein. Das ist doch das Wesen der Demokratie. Was mich stört, ist diese Verweigerungshaltung, eigene Vorschläge und eigene Ideen zu entwickeln, mit denen man sich tatsächlich auseinandersetzen kann. Das alleinige Beschreiben von Problemen reicht in einer Demokratie nicht aus, reicht nicht aus, um in einem Staat Verantwortung zu übernehmen, reicht auch nicht aus, um in einen solchen Parlament aufzutreten. Man muss auch Position beziehen! Ansonsten lässt man einen wesentlichen Teil der politischen Arbeit weg. Und dann gehört man auch nicht in ein Parlament, weil das Beziehen von Positionen in einer Demokratie dazugehört. Sonst hat man keine Meinung.

(Lebhafter Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Man sollte sich an der Stelle - wenn Sie, Frau Präsidentin, mir diesen einen Satz noch gestatten - auch nicht auf imaginäre andere Mehrheiten oder auf ein System, das unterdrückt, wie wir es hier gerade wieder gehört haben, stützen. Theodor Heuss hat mal gesagt:

„Demokratie heißt nicht Massenherrschaft, sondern Aufbau, Sicherung und Bewahrung der selbstgewählten Autoritäten.“

Die Menschen haben in einer Demokratie das Recht, jene zu wählen und jene auch auszutauschen, die in diesem Land Verantwortung für Staat und Gesellschaft tragen. Das ist ein Privileg, das wir bewahren wollen. Das ist ein Privileg, das wir verteidigen wollen. Die AfD bekämpft dieses Privileg, und deswegen gehört sie nicht in dieses Parlament.

(Starker Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Nacke. - Das Präsidium hat Ihnen eine Minute Redezeit zum Geburtstag geschenkt. Vielleicht motiviert Sie das, noch weitere Geburtstage hier mit uns zu verbringen.

(Heiterkeit bei der CDU - Zuruf von der CDU: Dann habe ich jetzt auch Geburtstag!)

Jetzt hat das Wort für die FDP-Fraktion Herr Kollege Dr. Birkner.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst einmal einen Blick auf das was werfen, worum es eigentlich geht - zumindest von dem ich vermute, worum es geht. Ausgangspunkt ist ein Demonstrationsgeschehen infolge eines Tötungsdelikts in Chemnitz. In diesem Demonstrationsgeschehen, das von Rechtspopulisten, Rechtsradikalen bestimmt wurde, sind Straftaten geschehen, sind Hitlergrüße gezeigt worden, sind Menschen attackiert worden, sind rechtsradikale Symbole gezeigt worden, die verboten sind. An einem solchen Demonstrationsgeschehen hat die AfD aktiv mitgewirkt, sogar unter Beteiligung von Abgeordneten der AfD.

(Klaus Wichmann [AfD]: Haben sie auch einen Hitlergruß gezeigt?)

- Herr Kollege, Sie verstehen mich schon wieder miss. Hören Sie zu! An dem Demonstrationsgeschehen haben Sie mitgewirkt.

(Stefan Wirtz [AfD]: Das war eine ei- gene Demonstration!)

- An einer Demonstration, in der Hitlergrüße gezeigt wurden, aus der heraus Straftaten begangen worden sind.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN - Un- ruhe bei der AfD - Klaus Wichmann [AfD]: Sie lügen!)

Frau Präsidentin!

Einen Moment, bitte, Herr Kollege Dr. Birkner! - Wir lassen hier keine Dialoge in dieser Form zu.

(Ulf Thiele [CDU]: Er hat eben „Sie lü- gen“ gesagt!)

Jetzt hat Herr Dr. Birkner das Wort. Zur demokratischen Kultur gehört eben auch das Zuhören. - Bitte fahren Sie jetzt fort!

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

In dieser Demonstration wurden offen rechtsradikale Haltungen zur Schau gestellt und gezeigt. Und da müssen Sie sich als Partei, die diese Demonstration organisiert hat - die dabei mitgewirkt hat, wie auch immer, also die erkennbar in Erscheinung getreten ist -, zumindest anrechnen lassen, wie Sie damit umgehen. Es ist Ihr gutes Recht zu demonstrieren. Aber es darf nicht die Folge sein, dass Sie sich, wenn es eine entsprechende politische Reaktion auf diese auf der Straße offen gezeigte Haltung gibt, wieder einmal beleidigt zurückzuziehen, auf die anderen zeigen und sagen, die seien diejenigen, die nicht demokratisch seien.

Das Gegenteil ist der Fall. Es ist gerade Ausdruck demokratischen Verhaltens, dass, wenn eine politische Gruppierung bestimmte Positionen in der Öffentlichkeit propagiert, wenn Grenzen überschritten und vielleicht sogar Straftaten begangen werden, von anderen politischen Haltungen aus ein entsprechender Akzent gesetzt wird. Das muss doch auch so sein, und deshalb verstehe ich an Ihrer Argumentation immer nicht, dass Sie sich darüber aufregen. Sie nehmen für sich Dinge in Anspruch, die Sie anderen absprechen. Was Sie dort betreiben, ist das Gegenteil von Demokratie.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Insofern, denke ich, ist es völlig nachvollziehbar, dass gesellschaftliche Gruppen auf solche öffentlichen Meinungsäußerungen reagieren.

Der zweite Punkt - und da wird es in der Tat etwas schwieriger - ist die Frage, wie staatliche Stellen damit umgehen. Wir haben das staatliche Neutralitätsgebot. Auch das ist für uns Ausdruck demokratischen Verhaltens: Der Staat mit seinen Mitteln und am Ende die Parteien mit den Mitteln, die sie in ihrer staatlichen Funktion nutzen könnten, dürfen nicht einseitig an dem, ich sage einmal, Meinungswettstreit, der zwischen politischen Gruppierungen und in der Bevölkerung geführt wird, teilnehmen. Dazu gibt es hinreichend Entscheidungen von Verwaltungs- und Verfassungsgerichten.

Die Frage, ob das staatliche Neutralitätsgebot verletzt wird, müssen Amtsinhaber natürlich immer wieder neu bewerten. Aber für mich gibt es eine klare Grenze. Ich erwarte, dass Amtsträger tätig werden, wenn erkennbar ist und sie auch nachvollziehbar darlegen können, dass die Grenze des gemeinsamen demokratischen Verständnisses überschritten wird und der Boden der freiheitlichdemokratischen Grundordnung verlassen zu wer

den droht. In einem solchen Fall erwarte ich von den demokratisch gewählten Amtsinhabern, dass sie dies benennen und politisch thematisieren. Dafür sind sie gewählt!

(Beifall bei der FDP, bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Sie wiederum müssen das, wenn Sie sich dadurch angegriffen fühlen, auch nicht klaglos hinnehmen. Sie können das überprüfen lassen. Auch das ist Gegenstand der Demokratie. - Das tun Sie ja auch immer mal wieder, mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg, und dann findet eben eine verfassungsrechtliche Überprüfung statt.

Und wenn wir schon beim Thema verfassungsrechtliche Überprüfung sind, komme ich zu dem Punkt, an dem ich ganz klar sagen muss, dass Sie als AfD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag für mich Grenzen überschritten haben. Sie schreiben, wie es auch im Rundblick zu lesen war, in dem Schriftsatz für den Staatsgerichtshof:

„Wer sich im Namen des Volkes für das Recht einsetzt, ist populistisch, denn der allgemeine Wille des Volkes, des populus, ist die Wirklichkeit des Rechts.“

Meine Damen und Herren, nun kann man ja erst einmal sagen, Demokratie und Volkswille seien quasi dasselbe. Aber das ist zu kurz gesprungen! Denn das, was hier zum Ausdruck kommt, ist, dass der Volkswille alles bestimmt, das alles disponibel ist, was dem Volkswillen widerspricht, und dann wieder gestaltet werden kann.

(Wiard Siebels [SPD]: Die Diskussion hatten wir schon einmal! - Johanne Modder [SPD]: Genau!)

Das heißt, dass für den, der meint, den Willen des Volkes zu artikulieren, am Ende alles disponibel ist. Das heißt, dass die Grundrechte disponibel sind, dass der Minderheitenschutz disponibel ist, dass die Menschenrechte disponibel sind.

(Glocke der Präsidentin)

Das ist undemokratisch, das ist, mit Verlaub, verfassungsfeindlich!

(Starker, anhaltender Beifall bei der FDP, bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

- Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.

Deshalb ist das, was Sie hier für sich in Anspruch nehmen, nämlich den Endkampf um die Demokratie zu führen, nicht mehr nachvollziehbar - wobei Sie, wenn Sie solche Worte wählen, sich schon einmal fragen müssten, warum die Menschen wohl auf die Idee kommen, Sie könnten rechtsradikal sein. Darüber sollten Sie auch noch einmal nachdenken.

Letzter Satz, bitte, Herr Kollege!

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Insofern haben wir - da kann ich mich dem Kollegen Nacke abschließend anschließen - eine starke, eine wehrhafte Demokratie, die es auch versteht, sowohl im Parlament als auch darüber hinaus mit diesen verfassungsfeindlichen Ansichten, wie ich sie bei Ihnen erkenne, umzugehen.

Vielen Dank.

(Starker, anhaltender Beifall bei der FDP, bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Das Wort für die Landesregierung hat nun Herr Innenminister Pistorius. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin 58 Jahre alt und seit meinem 16. Lebensjahr Mitglied der SPD. Ich bin leidenschaftlicher Niedersachse, Europäer und leidenschaftlicher Deutscher. Ich liebe mein Land, ich liebe die Menschen, die hier leben.