Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass hier offenbar ausgerechnet Akteure, die während der Finanzkrise mit Steuergeld gerettet worden sind, einen fundamentalen Angriff auf die soziale Marktwirtschaft gefahren haben, frage ich Sie, Herr Hil
bers und Frau Justizministerin: Welche Behörde überprüft die aktuellen Entwicklungen auf den Aktienmärkten und auffällige Geschäfte rund um den Dividendenstichtag, und wie tut sie das genau?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sind die Finanzämter, die diese Überprüfungen vornehmen. Das geschieht im Rahmen von Betriebsprüfungen oder wenn es Verdachtsmeldungen gibt. Da ist die Task Force, die bei uns grundsätzlich an solchen Themen arbeitet. Ich habe eben ja schon ausgeführt, dass solche Modelle zukünftig anzeigepflichtig sind. Dann werden sie auch im Rahmen des Risikomanagements sehr früh erkannt. Wir werden dann auch entsprechende Analysen dieser Modelle vornehmen. Ich denke, dass uns auch das Bundesamt unterstützen wird.
Vielen Dank, Herr Minister. - Eine Meldung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu einer weiteren Zusatzfrage liegt vor. Der Kollege Limburg, bitte sehr!
Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Finanzminister, Sie haben eingangs in Ihrer ersten Antwort ausgeführt, dass Sie frühzeitig gegensteuern wollen, sobald Sie neue Schwierigkeiten in Form neuer Steuersparmodelle und neuer Steuertricks erkennen. Dazu frage ich Sie: Gibt es denn eine Art von aktivem Monitoring, eine aktive Beobachtung der gegenwärtigen Steuergesetzgebung und Steuerpraxis in diesem Bereich, um solche neuen Steuertricks in ganz Europa - nicht nur in Deutschland - frühzeitig zu erkennen und dann auch frühzeitig in ganz Europa reagieren zu können? Gibt es eine solche aktive Beobachtung?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Leiter der Abteilungen Steuern und Organisation der Finanzverwaltung der Länder nehmen die Ausführungen zur Anzeigepflicht des Bundes sehr ernst. Gestaltungsmodelle werden dort entsprechend erörtert. Die Erörterungen sollen auf der Basis des rechtspolitischen Ansatzes fortgeführt werden. Auf der Basis der innerstaatlichen Steuergesetzgebung werden die weiteren Prozesse fortgesetzt.
Gerade die internationale Anzeigepflicht, die wir auf den Weg gebracht haben, ist geeignet, um zukünftig Vorsorge zu treffen und solchen Dingen einen Riegel vorzuschieben.
Man kann gesetzlich immer erst dann reagieren, wenn einem diese Dinge aufgefallen sind. Es liegt in der Natur der Sache, dass man, wenn Menschen etwas missbräuchlich ausnutzen oder etwas mit betrügerischer Energie vorantreiben, erst einmal so quer denken muss, um auf solche Ideen zu kommen. Das ist zukünftig mit der Anzeigepflicht zu Gestaltungsmodellen ein Stück weit einfacher zu machen.
Ansonsten befinden wir uns im internationalen Datenaustausch. Dabei wird uns hoffentlich das eine oder andere auffallen, wenn wir Inplausibilitäten in Steuererklärungen feststellen oder wenn internationale Daten, die wir bekommen, nicht zu den nationalen Daten passen, die wir haben. Da werden wir also weitere Möglichkeiten haben.
Ich will das noch einmal deutlich sagen: Die Vereinbarungen, die mit vielen Nationalstaaten zum steuerlichen Datenaustausch getroffen worden sind, sind immens wichtig. Er ist viel wichtiger als Einzelmaßnahmen, weil er es uns zukünftig ermöglicht, einen größeren Blick auf die Dinge zu haben und international Daten abzugleichen. Nur so ist es am Ende möglich, dass solche Gestaltungsmodelle auffliegen. Wir können nur darauf hoffen, dass diejenigen, die sich mit solchen Gedanken beschäftigen, die Gefahr sehen, dass sie damit auffallen könnten. Das hält sie wahrscheinlich davon ab, solche Gestaltungsmodelle in die Tat umzusetzen.
Wer sich so verhält und Steuern hinterzieht, wer betrügerisch Steuern verkürzt oder missbräuchliche Gestaltungen nutzt, der verhält sich gegenüber dem Gemeinwesen unsolidarisch. Steuerehrlichkeit und Steuerstringenz können wir nur einhalten, wenn wir solchen Dingen ganz entschieden
nachgehen. Deswegen werden wir alle Möglichkeiten nutzen, die wir haben, um Steuermissbrauch und Steuerbetrug zu bekämpfen.
Vielen Dank, Herr Minister Hilbers. - Die fünfte und letzte Zusatzfrage für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt der Kollege Wenzel. Bitte sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister Hilbers! Ich frage die Landesregierung: Wie viele offene Beamtenstellen und nicht besetzte Stellen für Angestellte gibt es mit dem heutigen Stichtag in den Finanzämtern des Landes für Fahndung und in den Finanzämtern für Großbetriebsprüfungen?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Wenzel, die Zahl der unbesetzten Stellen kann ich Ihnen hier nicht liefern, weil sie von Tag zu Tag schwankt. In einer Behörde wie der Steuerverwaltung mit 12 000 Beamtinnen und Beamten bzw. Beschäftigten wird es immer mal wieder auch eine unbesetzte Stelle geben.
Die Steuerfahndung und die Steuerprüfung sind enorm ausgedehnt worden. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, alle Stellen, die dort sind, bestandserhaltend in der Ausbildung nachbesetzen zu können. Das ist unser erklärtes Ziel. Die eine oder andere Stelle mag dort unbesetzt sein. Das will ich Ihnen gerne nachliefern.
Ich lege aber Wert darauf, dass es nicht zu irgendwelchen Kontrollverlusten bei uns kommt oder Niedersachsen gar ein Eldorado für Steuergestaltung wäre, weil einige Stellen in Niedersachsen nicht besetzt sind. Ich will Ihnen noch einmal sagen, dass wir gerade bei diesen Geschäften überhaupt nicht der zentrale Punkt der Betrachtung sind, weil unsere Wirtschaftsstruktur in Niedersachsen dafür nicht prädestiniert ist. Aber ich kann Ihnen sagen, dass wir unsere steuerlichen Aufgaben, die wir haben, sehr ernst nehmen, und die Finanzverwaltung ist dafür gut besetzt.
Weitere Meldungen zu Zusatzfragen liegen nicht vor. Damit ist die Behandlung der Dringlichen Anfragen beendet.
Tagesordnungspunkt 25: Erste Beratung: Fahrverbote für Diesel-Pkw in Zeiten deutlich sinkender Stickoxidemissionen sind unverhältnismäßig und müssen verhindert werden! - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 18/1843
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema „Fahrverbote, Luftreinhaltung, Emissionen“ beschäftigt ja nicht nur das niedersächsische Parlament, sondern massiv auch die Gesellschaft. Gerade passend zur Wahl in Hessen hat die Bundesregierung in den letzten Tagen einen geradezu panischen Wahlkampfgag - so muss man fast schon sagen - gestartet, indem sie gestern im Kabinett beschlossen hat, dass man die bestehenden europäischen Grenzwerte einfach ignorieren will und ein Fahrverbot erst ab einer Belastung von mehr als 50 µg ein Fahrverbot ausgesprochen werden soll.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist schon sehr zweifelhaft und übrigens auch rechtlich sehr fragwürdig, ob dieser hessische Wahlkampfschachzug in irgendeiner Form funktionieren würde. Aber auch vom Grundansatz der Herangehensweise ist das aus unserer Sicht der vollkommen falsche Weg. Wenn man für gewisse Umweltbelastungen Grenzwerte festlegt, muss man alles dafür tun, dass diese Grenzwerte tatsächlich eingehalten werden. Man kann dann nicht auf nationaler Seite sagen: Hier machen wir dann im Alleingang ein bisschen weniger! - Meine sehr geehrten Damen und Herren, das funktioniert nicht.
Wenn man dann gleichzeitig sagt - so macht es ja auch diese Landesregierung; das hat auch Minister Lies gesagt -, dass der Grenzwert von 40 µg zwar richtig sei, aber es nicht verhältnismäßig sei, wenn man alle denkbaren Maßnahmen ergreift, so ist auch das falsch. Man kann den Grenzwert von
Herr Kollege Bode, einen Augenblick, bitte! - Meine Damen und Herren, auch in den hinteren Rängen der Sozialdemokraten!
- Meine sehr verehrten Damen und Herren im hinteren Bereich der sozialdemokratischen Fraktion, wenn Sie jetzt bitte folgen würden, dann könnte der Kollege Bode fortfahren. - Vielen Dank.
Denn der Grenzwert der EU ist in den 90er-Jahren festgelegt worden. Das ist schon eine gewisse Zeitlang her. Die Erkenntnislage, die wir haben, ist natürlich deutlich weiter. Beispielswiese hat Herr Professor Köhler, der ehemalige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Lungenheilkunde gesagt, nicht bei 40 µg, sondern erst zwischen 800 000 und 900 000 µg würde ein nicht behandelter Asthmatiker erstmals irgendwelche Reaktionen auf diesen Stoff zeigen. Das ist eine Riesenspanne zwischen dem Grenzwert und dem medizinisch diagnostizierten Bereich.
Wenn Sie sich alle vorstellen: Weihnachten steht vor der Tür. In Ihren Wohnungen gilt nicht der Grenzwert von 40 µg, sondern von 60 µg. Herr Toepffer, wenn Sie beispielsweise einen Adventskranz in Ihrer Wohnung anzünden - natürlich die Kerzen, nicht den Kranz selbst! -,
dann haben Sie in Ihrer Wohnung auf einmal durch das Anzünden der Kerzen auf dem Adventskranz eine NOx-Exposition von bis zu 200 000 µg. Nach dem Grenzwert für die Wohnung müssten Sie sie sofort verlassen. Das wäre aber brandtechnisch gesehen auch nicht schlau; Sie sollten vorher die Kerzen auf dem Adventskranz ausmachen.
Neulich fuhr das Team von „Panorama“ durch Städte und hat die Belastungen außerhalb des Fahrzeugs im Echtverkehr gemessen. Dabei stellte das Team erstaunt fest, dass im Fahrzeug höhere NOx-Belastungen waren als außerhalb des Fahrzeugs. Eigentlich hätte das Team das Fahrzeug sofort verlassen müssen, um sich hinter den Aus
puff zu stellen. Das kann eigentlich nicht richtig sein. Im Arbeitsschutzrecht sind für den Arbeitsplatz deutlich höhere Grenzwerte festgelegt. In Kalifornien, dem Musterstaat für NOX-Exposition, liegt der Grenzwert bei 100 µg. Vor diesem Hintergrund muss man die Frage stellen, ob der EURichtwert richtig ist.
Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, über den Bundesrat gemeinsam mit der Bundesregierung in Europa ein Moratorium für die Grenzwerte zu verhandeln und eine Überprüfung, einen Fitnesstest durchzuführen, sodass nach wissenschaftlichen Ergebnissen der wirklich richtige Grenzwert für die NOX-Belastung gefunden werden kann und dieser dann stringent in allen Bereichen umgesetzt wird, meine sehr geehrten Damen und Herren, und nicht nur singulär in einem Bereich.
Kollege Wenzel guckt mich gerade mit großen Augen an. Herr Wenzel, ich kann Ihnen nicht sagen, ob 40 µg der richtige Wert ist. Ich weiß es schlicht und ergreifend nicht. Ich weiß auch nicht, ob 900 000 µg der richtige Wert wäre. Ich weiß, Sie wissen das auch nicht. Wir müssen die Fachleute damit befassen.
Lassen Sie mich Ihnen die Problematik plastisch vor Augen führen: Wenn sich von den Mitgliedern der Landesregierung beispielsweise Minister Althusmann an die Marienkirche stellt und eine Woche lang raucht und Minister Lies sich einen Klappstuhl nimmt und sich bis an das Ende seines Lebens - ich wünsche ihm ein möglichst langes Leben - in die Marienstraße setzt, dann hat Minister Althusmann eine höhere NOX-Belastung als Minister Lies auf dem Klappstuhl in der Marienstraße, obwohl er mitten im Straßenverkehr sitzt.
Aus unserer Sicht - das ist die zweite Stoßrichtung unseres Antrags - geht auch das, was Minister Lies hier vorhin verkündet hat, nicht. Er sagt, alle Messstationen, die es in Niedersachsen gebe, seien aus anderen Gründen aufgestellt worden, als eine Grundlage für Gerichtsentscheidungen zu Fahrverboten darzustellen. Sie stehen an anderen Standorten als an denjenigen, die dafür richtig wären. Er folgert daraus, dass die Gerichte ein bisschen schlauer urteilen sollen.