Protokoll der Sitzung vom 25.10.2018

Aus unserer Sicht - das ist die zweite Stoßrichtung unseres Antrags - geht auch das, was Minister Lies hier vorhin verkündet hat, nicht. Er sagt, alle Messstationen, die es in Niedersachsen gebe, seien aus anderen Gründen aufgestellt worden, als eine Grundlage für Gerichtsentscheidungen zu Fahrverboten darzustellen. Sie stehen an anderen Standorten als an denjenigen, die dafür richtig wären. Er folgert daraus, dass die Gerichte ein bisschen schlauer urteilen sollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Minister Lies, es ist nun einmal so, dass Sie Gerichten nicht vorschreiben können, was sie als Grundlage ihrer Entscheidungsfindung heranziehen.

Wenn Sie der Meinung sind, dass an Messstationen gemessen wird, die einen anderen Zweck haben und für Fahrverbotsentscheidungen nicht repräsentativ sind, und wissen, dass sie die Grundlage für Fahrverbotsanordnungen durch Gerichte sind, dann muss die Politik handeln, dann muss die Landesregierung handeln, dann müssen Sie die Messstationen verdammt noch mal an Standorte stellen, die nach der EU-Richtlinie für die Entscheidung über Fahrverbote repräsentativ sind.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie kommen hier auch nicht mit der Aussage durch, das alles stehe so in der Verordnung. Herr Minister Lies, in der EU-Richtlinie und in der BImSchV steht, dass Sie repräsentative Standorte brauchen. Sie verwechseln immer die großräumige Standortauswahl der BImSchV mit der kleinteiligen Standortauswahl an der Straße, wofür etwas ganz anderes gilt.

Deshalb ist unsere Aufforderung an Sie als Landesregierung, dass Sie jetzt Ihre Aufgabe der Aufstellung der Messstationen angehen und die Messstationen an richtigen Standorten aufstellen, die repräsentativ sind und den Spielraum, den die Europäische Union bietet, ausschöpfen und somit ausnutzen und somit echte Werte für die echte Belastung der Bevölkerung ermitteln, die dann von Gerichten beurteilt werden können oder vielleicht gar nicht mehr beurteilt werden müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Landesregierung, die Hände in den Schoß zu legen, das geht nicht. Sie sind so wie das Kaninchen vor der Schlange. Am Ende verliert das Kaninchen. Das darf in Hannover, Oldenburg und in anderen Städten nicht passieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Bode. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich nun Herr Kollege Schulz-Hendel zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Umgang mit Fahrverboten und dem Dieselskandal wird immer skurriler. Kanzlerin Merkel in Berlin will einfach mal die Gesetze ändern und unter dem Deckmantel der Unverhältnismäßigkeit Grenzwerte erhöhen und so den Gesundheitsschutz wegdefinieren. Und die FDP hier im Landtag plant, mit kläglichen Tricksereien den Gesundheitsschutz zu umgehen.

Sie wollen die Luftbelastungen an Hauptverkehrsstraßen klein- und schönrechnen. Ich sage Ihnen, das ist geradezu absurd; denn in der Innenstadt sind in aller Regel besonders viele Anwohnerinnen und Anwohner direkt betroffen.

Das Recht auf saubere Luft zum Atmen und das Recht auf Gesundheit für die Menschen sind für uns nicht verhandelbar. Messungen müssen an den Stellen erfolgen, an denen die höchsten Belastungen zu verzeichnen sind. Sie aber, liebe FDP, wollen jetzt einfach die Messstationen so weit wie möglich weg von den Autoabgasen legen.

(Widerspruch bei der FDP)

Und Sie wollen uns glaubhaft machen, damit wären alle Probleme von Fahrverboten als Folge des Dieselskandals ausgestanden. Sie wollen einfach nur eine Verdünnung von Messwerten.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Wir wollen ordnungsgemäße Messwerte!)

Sie zweifeln in Ihrem Antragstext mit einer besorgniserregenden Argumentation die Tausenden Todes- und Krankheitsfälle durch Stickoxide an. Für uns ist diese Ignoranz bezüglich der gesundheitlichen Auswirkungen nicht nachvollziehbar und schon gar nicht zu akzeptieren.

Darüber hinaus wollen Sie auch noch einen Fonds einrichten, der vor allem, aber nicht vollumfänglich von der Autoindustrie gespeist wird und zur freiwilligen Hardware-Umrüstung bei Euro-5-Dieselfahrzeugen eingesetzt wird. Damit, liebe FDP, machen Sie sich genau wie CDU und SPD zum Handlanger der Autolobbyisten.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe: Wessen Handlanger sind denn Sie?)

Auch gut drei Jahre nach der Aufdeckung der kriminellen Manipulationen an Dieselfahrzeugen kann und darf es nur eine Antwort geben: Die Bundesregierung ist nach wie vor aufgefordert, unverzüglich verbindliche Regeln zu schaffen, die dazu führen, dass endlich deutschlandweit und

flächendeckend Hardwareumrüstungen vollumfänglich auf Kosten der Autoindustrie durchgeführt werden.

Meine Damen und Herren, Konjunkturprogramme für die Autoindustrie und Tricksereien, wie Sie sie jetzt vorschlagen, sind wenig hilfreich. Es wäre ein starkes Signal gewesen, wenn wir heute hier anstatt Ihres Antrages unseren entsprechenden Antrag beraten hätten. Was Schwarz-Grün in Hessen vorgemacht hat, war leider in Niedersachsen mit CDU und SPD nicht zu machen. Man hat unseren Antrag, die Bundesregierung endlich zum Handeln aufzufordern, einfach mehrheitlich im Ausschuss versanden lassen.

Meine Damen und Herren, Millionen betrogene Autofahrerinnen und Autofahrer müssen weiterhin entsetzt zuschauen, wie sich die Bundesregierung, aber auch unsere VW-Aufsichtsratsmitglieder Ministerpräsident Weil und sein Stellvertreter Althusmann von der Autolobby mit dem Nasenring durch die Manege ziehen lassen. Und die FDP hier in Niedersachsen ist jetzt auch Teil dieser Manege. Das alles sind keine guten Signale für den Verbraucherschutz, das ist nicht gut für den Gesundheitsschutz, das ist nicht gut für den Umweltschutz, und das ist nicht gut für die Millionen betrogenen Autofahrerinnen und Autofahrer, die darauf vertrauen, endlich vernünftig entschädigt zu werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die Fraktion der AfD hat sich nun der Herr Kollege Stefan Wirtz gemeldet. Bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich war über den Antrag der FDP etwas überrascht, der hier eingebracht wurde. Versetzen wir also die Messstationen auf den Abstand, der nach der Richtlinie maximal möglich ist! Das ist eine Haltung, die wir von Altparteien kennen.

(Christian Grascha [FDP]: Das hat niemand gefordert! Es muss nur ver- gleichbar sein!)

Was wir damit erreichen, wenn wir den möglichen Spielraum, wie er hier genannt wird, ausnutzen, ist doch eines: Wir erreichen andere Messwerte. - An der Stelle muss ich Herrn Minister Lies aus

nahmsweise einmal recht geben: Wir erreichen andere Werte in einer Reihe und haben dann keine Vergleichbarkeit mehr. Es wäre interessant, was ein Gericht zu diesen neuen Messwerten sagen würde. Wir können das aber nicht vorhersagen.

Sie würden es uns ein bisschen leichter machen, wenn Sie nicht auch noch auf 4 m Höhe spekulieren würden bzw. nicht auch das noch ausreizen wollten. Bleiben Sie da auf Augenhöhe bzw. bezüglich des Atembaren auf Nasenhöhe! Dann hätten wir es leichter zuzustimmen.

Was haben wir hier eigentlich? - Das, was Sie alle nicht aussprechen, ist doch die Vorgabe der EU, an der Sie gar nicht rütteln können. Daran merken Sie - das macht mir eine gewisse Freude - doch Ihre eigene Machtlosigkeit hier als lokaler Gesetzgeber. Sie können an diesen Grenzwerten gar nicht vorbei, selbst wenn Sie es wollten. Ich frage mich wirklich, ob Sie das ernsthaft wollen. Wir haben jetzt den „Wahlkampfgag“, wie er genannt wurde, aus dem Grenzwert 40 µg den Grenzwert 50 µg zu machen. Das ist ein Zuschlag von 25 %. Das kann man nicht gerade als geringfügig bezeichnen.

Ihre Haltung hier erinnert mich ein bisschen an die Haltung aller Altparteien, wie wir Sie nennen: Wenn Sie Fakten ignorieren und die Probleme nicht sehen wollen, dann verschwinden sie vielleicht. - Ich sage: Dann können Sie sie vielleicht nicht sehen, aber sie werden immer noch da sein. Wenn Sie nichts messen, ist das, was Sie messen könnten, immer noch vorhanden.

Sie sind ja immer gerne dabei, uns zu fragen, welche Alternativen wir haben, und werfen uns vor, wir meckerten nur und seien immer nur dagegen. Eine Alternative habe ich Ihnen mitgebracht. Das nennt sich „GtL“, „Gas-to-Liquids“ heißt das. Das ist synthetischer Diesel.

(Der Redner hält eine Flasche mit ei- ner Flüssigkeit hoch)

Wenn man diesen Kraftstoff tankt - das kann man gleich morgen machen -, kann man seine Abgaswerte gerade bei Feinstaub und Stickoxiden reduzieren, und zwar unverändert bis zu 9 % und, wenn man geeignete Maßnahmen vornimmt, bis zu 25 %. Eine entsprechende Änderung will Frau Merkel an den Grenzwerten vornehmen. Aber wir könnten schon morgen reagieren. Warum machen wir das nicht? Warum überprüfen wir nicht, wie es in unserer Anfrage steht, die Verwendbarkeit von

synthetischem Diesel? Übrigens wird er mit Solarenergie aus Erdgas hergestellt. Das müsste ja sogar den Grünen gefallen. Wir könnten dann weiter Diesel verwenden.

Millionen von Pendlern dürfen synthetischen Diesel im Moment noch nicht tanken. Hier muss ich noch einmal ein bisschen schelten, und zwar in diesem Fall die Bundesregierung. Es gibt längst eine EUVorschrift, die erlaubt, diesen Kraftstoff privat zu tanken. Sie ist in Frankreich, den Niederlanden und Finnland umgesetzt. Hier darf man ihn bis jetzt nur als registrierter Flottenkunde verwenden.

Der Vorschlag ist also, im ÖPNV und in Versorgungsfahrzeugen synthetischen Diesel zu verwenden, um möglichst morgen schon verringerte Abgaswerte und verringerte Immissionen zu erreichen. Das wäre doch etwas, was wir einmal diskutieren könnten, anstatt kichernd wie die FDPTruppe den Messcontainer wegzuschleppen in der Hoffnung, dass die Zahlen schöner werden.

(Heiterkeit und Beifall bei der AfD)

Jetzt muss ich noch etwas Ungewohntes machen, nämlich Herrn Minister von heute Morgen zitieren: Verstecken Sie sich nicht dahinter, was rechtlich möglich ist, sondern überlegen Sie, was morgen notwendig ist, und setzen Sie das dann mit allem politischen Einsatz um! - Das waren vor ungefähr drei Stunden Ihre Worte. Dann machen Sie das doch einmal! Sie hätten hier die Möglichkeit.

Diesel muss bleiben! Millionen derjenigen, die als Pendler auf das Auto angewiesen sind, sind auch darauf angewiesen, Diesel zu tanken. Es ist unser wichtigster und unser zentraler Mobilitätsmotor. Diese Technik brauchen wir tatsächlich noch lange und sind noch lange darauf angewiesen. Wir sagen natürlich Ja zum Diesel. Denn es gibt ihn auch noch in anderen Formen. Darüber sollten Sie vielleicht einmal nachdenken.

Den Wahlkampf können wir an dieser Stelle, glaube ich, weglassen. Nach der Hessen-Wahl wird sich Frau Merkel vielleicht auch nicht mehr an die 50 µg erinnern. Aber hier haben wir, denke ich, eine gute Gelegenheit und einen Ansatz weiterzumachen.

Der Überweisung in den Ausschuss stimmen wir natürlich zu.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Wirtz. - Das kichernde Wegschleppen eines Messcontainers könnte ja möglicherweise als Straftat bewertet werden. Das wollten Sie aber sicherlich den Kollegen der FDP nicht unterstellen. Deswegen bekommen Sie keinen Ordnungsruf dafür.

Ich möchte aber auf Folgendes hinweisen - wir haben ja gerade neulich die interessante KuhfußDiskussion geführt -: Auch ein durchaus sehenswertes Behältnis mit synthetischem Diesel - ich gehe davon aus, dass sich darin auch tatsächlich dieses Material befindet - gehört nicht in diesen Plenarsaal, weil es zumindest gesundheitsschädlich ist. Darauf möchte ich noch einmal hinweisen. Ich nehme aber an, dass Sie das auch akzeptieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, als Nächster hat sich für die SPD-Fraktion der Kollege Frank Henning zu Wort gemeldet. Bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Für die SPDLandtagsfraktion ist völlig klar: Wir wollen Fahrverbote vermeiden und gleichzeitig für saubere Luft sorgen. Wir wollen beides. Die vorgegebenen EUGrenzwerte sind selbstverständlich einzuhalten.

Auch die Autoindustrie muss natürlich ihren Beitrag dazu leisten. Das sieht der Diesel-Kompromiss der Bundesregierung ja auch vor. Es gilt das Verursacherprinzip. Wir müssen dafür sorgen, dass nicht die Verbraucher bzw. die Dieselfahrer oder die Dieselfahrerinnen die Dummen sind. Hier ist klar die Autoindustrie gefordert.

Flächendeckende Fahrverbote, meine Damen und Herren, die vielleicht von den Grünen oder von den Umweltaktivisten vorgesehen sind, wären für Pendler, die gerade in der Fläche täglich aufs Auto angewiesen sind, aber auch für das mittelständische Handwerk und für kommunale Dienstleistungen verheerend - um nicht zu sagen: existenzbedrohend. Klar ist: Hier muss die Verhältnismäßigkeit der Mittel und der Maßnahmen gewahrt bleiben. Das haben wir heute schon während der Dringlichen Anfrage mit unserem Minister Olaf Lies diskutiert.