Auch bezüglich der Unterrichtsversorgung ist es wirklich bemerkenswert, was in diesem Koalitionsvertrag steht. Die Union hat gesagt - wie wir finden, völlig zu Recht -: Wir brauchen eine Unterrichtsgarantie. Wir müssen den Kindern echte Chancen geben. Jede Stunde Unterricht, die ausfällt, ist eine Chance weniger für diese Kinder. - Und dann guckt
man erwartungsvoll in diesen Koalitionsvertrag, in dieses Werk, das hier so gefeiert wird, und liest folgende Passage - ich kann es Ihnen nicht ersparen -:
„Die Qualität ist der wichtigste Baustein für gute Schule. Das Berechnungsverfahren der Unterrichtsversorgung soll in dieser Legislaturperiode überprüft werden. Das Ziel ist mehr Transparenz für alle Beteiligten. Die Eckpunkte einer guten Unterrichtsversorgung sollen sich künftig an neuen Indikatoren orientieren.“
Das Unterrichtsmodell wird einfach überarbeitet? Gute Lehrer zählen einfach für zwei, und schon stimmt die Statistik wieder?
Meine Damen und Herren, durch Rechentricks werden unsere Kinder nicht eine Stunde mehr Unterricht erhalten. Die Statistik mag am Ende stimmen, aber den Kindern werden auch künftig Chancen vorenthalten. Das ist weiterhin eine verantwortungslose Politik, eine irreführende Politik, die Sie mit diesem Koalitionsvertrag einleiten, und hat mit einer Unterrichtsgarantie, wie die Kollegen der Union das immer zu Recht gefordert haben, rein gar nichts mehr zu tun.
Auch Exzellenz und der Leistungsgedanke werden in der Schulpolitik ein Fremdwort bleiben. Schullaufbahnempfehlung nur auf Wunsch der Eltern, Noten erst in KIasse 4, und beim Schreiben nach Gehör wird es im Ergebnis doch auch bleiben. Machen wir uns doch nichts vor! Der Prüfauftrag, den Sie in den Koalitionsvertrag geschrieben haben, ist doch lediglich ein Zugeständnis an die Kollegen der Union gewesen, mehr nicht. Es ist doch klar, was dabei herauskommt.
Meiner Meinung nach ist das ein echter Skandal; denn Niedersachsen wurde schon im Jahr 2016 bei der Bildungspolitik ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. Ihrer Schulpolitik wurden besonders negative Ergebnisse bei Viertklässlern im Bereich der Orthografie bescheinigt. Und das wollen Sie jetzt wirklich fortsetzen, meine sehr geehrten Damen und Herren?
Wir sind der Auffassung, ein Neustart wäre dringend geboten: Wahlfreiheit statt Inklusionszwang, Unterrichtsgarantie statt Taschenspielertricks und Schreiben nach Duden - sonst kommt Herr Hilbers noch auf die Idee, Rechnen nach Gefühl einzuführen, und das dürfte für den Haushalt dann doch relativ gefährlich werden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum zweiten großen Themenkomplex dieses Landtagswahlkampfs kommen, nämlich der Digitalisierung. Auch bei dem Ausbau der digitalen Infrastruktur, der nur die Voraussetzung für die Digitalisierung ist, nicht aber die Digitalisierung insgesamt beschreibt, verlieren Sie sich im Klein-Klein und handeln weiter nach dem Motto „Zeit gewinnen, auf den Bund zeigen und abwarten“ - so wie wir es auch von der letzten Landesregierung gewohnt waren.
Statt klare Ziele zu formulieren, steigern Sie das Chaos, das schon in der letzten Legislatur bemerkenswert war - als kaum noch jemand durchgestiegen ist, wer eigentlich was will -, noch weiter. Das neue Chaos äußert sich darin, dass die SPD bis zum Jahr 2020 einen 50-Mbit-Ausbau erreichen will. Bis 2022 wollen Sie aber schon einmal 1 Milliarde Euro verbuddelt haben. Und bis 2025 soll dann, wie der Ministerpräsident gestern auch noch einmal erklärt hat, flächendeckend eine Breitbandversorgung im Gigabitbereich gegeben sein.
Meine Damen und Herren, was wollen Sie denn wirklich? - Das alles passt doch auch weiterhin nicht zusammen. Sie blicken doch selber nicht mehr durch bei diesem Zielchaos, das Sie hier produzieren. Mit einer solchen orientierungslosen Politik riskieren Sie, die Menschen in diesem Lande noch weiter zu frustrieren. Das wäre bei diesem wichtigen und zukunftsnotwendigen Thema aber nicht verantwortbar, und damit treiben Sie am Ende auch die Unternehmer aus dem Land.
Wenn man in den Koalitionsvertrag hineinguckt in der Erwartung, dass richtig Gas gegeben wird, sieht man nur, dass Sie zunächst einmal prüfen wollen, ob die Digitalisierungsaufgaben im Laufe der Legislaturperiode bei einem Sonderstaatssekretär konzentriert werden sollen und ob bis Mitte
Meine Damen und Herren, Sie haben die Einschläge offenbar noch nicht wahrgenommen. Digitalisierung ist kein Feld, auf dem man noch irgendetwas prüfen müsste. Was man da tun muss, liegt doch auf der Hand!
Warum sind Sie denn so zögerlich? - Sie haben immer noch nicht begriffen, dass Niedersachsen abgehängt zu werden droht, dass Chancen vernichtet werden und dass wir an der Digitalisierung, der Wertschöpfung und allem anderen, was für unser Leben damit zusammenhängt, nicht teilhaben können. Das ist an Halbherzigkeit nun wirklich nicht zu überbieten und wird den Anforderungen nicht gerecht.
- Sie wissen es. Das ist ja schon einmal ein Fortschritt. Ich muss zugeben, damit sind wir im Vergleich zur letzten Landesregierung schon einen Schritt weiter. Aber die Schrittlänge dürfte sich auf diesem Themenfeld gerne noch vergrößern.
Meine Damen und Herren, es gibt konkrete Vorschläge. Das haben wir schon im Wahlkampf deutlich gemacht, und dafür stehen wir auch jetzt noch. Das Land selbst muss das Glasfasernetz-Rückgrat bauen und die Glasfaser damit selbst entschlossen in die Fläche bringen. Prüfaufträge sind hier nicht nötig, das muss einfach entschieden werden. Aber diese Entscheidungen waren bisher offensichtlich nicht möglich, warum auch immer. Mir ist das ein Rätsel. Es liegt doch auf der Hand.
Meine Damen und Herren, wir sehen zudem die Gefahr, dass in dieser Großen Koalition künftig auch die Bürgerrechte klein geschrieben werden. Nachdem Rot-Grün in der letzten Legislatur mit dem Ankauf von Steuer-CDs staatlich gelenkte Hehlerei betrieben hat,
(Helge Limburg [GRÜNE]: Unerhört! - Wiard Siebels [SPD]: Das sind ja Be- griffe in Ihrer Rede! - Weitere Zurufe)
setzt Rot-Schwarz diese Tradition ganz selbstverständlich fort. Mit der Quellen-TKÜ, meine Damen und Herren, will man jetzt offenbar großflächig in das Modell der Cyberkriminalität einsteigen.
Und auch auf weitere Rückschritte können wir uns alle einstellen, wenn Innenminister Pistorius demnächst mit Rückendeckung der CDU von der Leine gelassen wird!
Neue und schärfere Vorschriften sind der Koalition wichtiger als die Durchsetzung des geltenden Rechts. Die Ausweitung der Präventivhaft - die Kollegin Piel hat es bereits angesprochen - ist einer der wenigen konkreten Punkte, die wir in dieser Hinsicht bereits heute kennen. Ich sage Ihnen zu, Herr Minister: Die Freien Demokraten als Bürgerrechts- und Rechtsstaatspartei werden sehr wachsam sein und sehr darauf achten, dass die Bürgerrechte bei Ihnen nicht endgültig unter die Räder kommen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein Themenfeld ansprechen, das auch schon im Wahlkampf eine besondere Rolle gespielt hat, nämlich die Frage, wie es mit der Wahrnehmung der Eigentümerrechte im VW-Aufsichtsrat ist. Bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Koalitionsvertrages sprach Wirtschaftsminister Althusmann davon, dass es zu einer gleichberechtigten Wahrnehmung der Aufsichtsratsmandate bei VW durch ihn und den Ministerpräsidenten kommen werde.
Erstens. Die von der CDU angekündigte Professionalisierung der Wahrnehmung des VW-Mandats war in dem Moment Geschichte, als es mangels eines besseren Wahlergebnisses auf einmal um den eigenen Posten im Aufsichtsrat ging, obwohl man diesen, der eigenen Forderung folgend, eigentlich mit einem Experten hätte besetzen wollen. Herr Althusmann, Sie sind also kein Experte - oder was heißt das im Umkehrschluss?
Zweitens. Herr Althusmann, Sie wissen doch, dass es Herr Ministerpräsident Weil ist, der dann im Präsidialausschuss sitzt - und Sie vor der Tür warten müssen, während der Präsidialausschuss tagt. Mithin kann von einer Gleichberechtigung über
haupt keine Rede sein. Deshalb ist das, was Sie als Union und Sie als Wirtschaftsminister im Hinblick auf die Wahrnehmung dieses Aufsichtsratsmandats hier vorbringen, schon sehr irritierend.
Wir als Freie Demokraten haben eigene Vorstellungen davon, wie die Wahrnehmung der Eigentümerrechte bei VW durch das Land erfolgen soll: nämlich eben nicht durch die Regierungsmitglieder, sondern durch qualifizierte Persönlichkeiten. Die Kollegen von der Union haben selbst erklärt, dass es nötig ist, die Qualifikation in den Vordergrund zu stellen. Diese Qualifikation ist übrigens im Corporate Governance Kodex beschrieben. Herr Ministerpräsident, Herr Minister, erfüllen Sie die Voraussetzungen des Corporate Governance Kodex zur Wahrnehmung von Aufsichtsratstätigkeiten in Aktiengesellschaften? - Mit Verlaub, das tun Sie nicht, und das werden Sie auch nicht tun, weil Sie die entsprechenden Kenntnisse gar nicht haben.
Zu glauben, dass man ein Aufsichtsratsmandat so nebenbei ausüben kann - spätestens die letzte Legislaturperiode hat doch gezeigt, dass weder der Ministerpräsident noch Minister Lies in der Lage waren, dieses Aufsichtsratsmandat angemessen wahrzunehmen. Und das ist doch auch genau das, was die Kolleginnen und Kollegen von der Union - auch der neue Kollege Fraktionsvorsitzende, Herr Toepffer - zu Recht kritisiert haben. Aber davon soll heute keine Rede mehr sein! Warum sind Sie eigentlich so mutlos und sagen nicht, jetzt schicken wir wirklich mal einen Experten rein und lassen den anderen Sitz bei der SPD? Wenn es um Ihre eigenen persönlichen Interessen geht, haben die Inhalte nichts mehr verloren!
(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN - Anja Piel [GRÜNE]: Da- von wird er nachher bestimmt noch reden!)
Herr Ministerpräsident, noch am Tag nach der Landtagswahl haben Sie sich abfällig gegenüber einer Großen Koalition geäußert. Große Koalitionen, sagten Sie, seien schädlich für den demokratischen Wettkampf, sie besetzten die Mitte und stärkten die Ränder.
Eine Große Koalition muss aber nicht zwangsläufig Stillstand bedeuten und die Ränder stärken. Es liegt in Ihrer Verantwortung als Ministerpräsident, es liegt in Ihrer Verantwortung als Koalitions
partner, dies zu verhindern. Das würde aber voraussetzen, dass Sie unser Land mit Mut, mit Ehrgeiz und mit dem Willen zu Innovation und Fortschritt regieren wollen. Davon ist, wie schon in den letzten Jahren, leider aber auch jetzt nichts zu spüren. Wenn Sie dies nicht ändern, werden Sie sich in wenigen Jahren vorwerfen lassen müssen, durch Ihre unentschlossene, beliebige und ambitionslose Politik zur Stärkung der Ränder einen Beitrag geleistet zu haben.