Sie fragen nach einem besonders wichtigen Thema. Denn die Fachkräftesicherung der Zukunft wird ganz entscheidend davon abhängen, dass es gelingt, in den Betrieben eine Kultur zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf - das ist ein entscheidender Faktor bei der Berufswahl und der Wahl des Arbeitsortes - zu etablieren. Dafür müssen wir werben. Ob sich junge Menschen zukünftig für diesen oder jenen Arbeitgeber interessieren, wird auch von der Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf abhängen. Das ist eines der entscheidenden Elemente.
Natürlich ermöglicht es das Arbeiten in Distanz zum Arbeitsplatz - also z. B. die Telearbeit, die wir in der niedersächsischen Landesverwaltung be
reits umfangreich kennen -, die genannte WorkLife-Balance besser zu erreichen. Letztendlich ist es aber in erster Linie eine Aufgabe der Wirtschaft, sich auf diese neuen Arbeitsweisen - auf die Arbeitswelt 4.0 - vorzubereiten. Wir werden es erleben, dass sich die Digitalisierung auch auf die Arbeitszeitgesetzgebung mit Blick auf die deutsche Wirtschaft auswirken wird. Dazu befinden wir uns in Gesprächen. Wir werden diese Fragen auch im Rahmen des Automotive-Dialogs, den wir im nächsten Jahr mit der Automobilindustrie beginnen werden, mit den Gewerkschaften besprechen müssen. Mehr Telearbeit, mehr Arbeit aus der Distanz, räumlich vom eigentlichen Arbeitsort entfernt zu sein - die gesamte Veränderung der Arbeitswelt ist unzweifelhaft eine der größten Herausforderungen. Dabei wird die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Gestaltung der Arbeitszeit der Zukunft letztendlich die größte Herausforderung sein.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, an dieser Stelle einen Hinweis zu geben: Bei jeder technologischen Veränderung im letzten Jahrhundert gab es immer Menschen, die davor gewarnt haben, dass jetzt Millionen von Arbeitsplätzen abgebaut würden. Bei realistischer Betrachtung der tatsächlichen Folgen technologischer Veränderungen kann man feststellen, dass sich diese Befürchtungen in der Form nie bestätigt haben. Es hat vielmehr Veränderungen gegeben. Bei der Digitalisierung ist davon auszugehen, dass überwiegend Arbeitsplatzverschiebungen oder aber ein Abbau in geringer qualifizierten Arbeitsfeldern stattfinden werden. Das ist so, weil dort der Automatisierungsgrad schlicht höher sein kann und wird. Das heißt: Die Digitalisierung wird zu Veränderungen für Beschäftigte aller Qualifikationsniveaus führen, insbesondere aber für diejenigen, die über ein geringeres Qualifikationsniveau verfügen.
Ich möchte noch eine Zahl nennen, die für uns wichtig ist und die diese Verschiebung zeigt: In Deutschland wurden im Jahr 2017 45 000 neue Arbeitsplätze nur im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie geschaffen. In diesem Jahr werden es voraussichtlich 42 000 neue Arbeitsplätze sein. 150 000 neue Arbeitsplätze sind im Bereich der IT-Technologien in den letzten fünf Jahren entstanden. Zusätzlich fehlen uns heute 55 000 IT-Spezialisten.
Von daher kann man genau das erkennen, was ich meinte: Es gilt, sich frühzeitig auf die Verschiebung zu anderen Arbeitsplätzen der Zukunft vorzubereiten. Dabei spielen alle Faktoren wie die Vereinbar
keit von Familie und Beruf, die Veränderung von Berufsbildern, die Ausbildungsordnungen, die sich anpassen müssen, eine ganz entscheidende Rolle.
Aber Sie hatten im Grunde nach der Work-LifeBalance gefragt, und ich sage: Allgemein ist das ein wichtiges Thema.
Vielen Dank für Ihre Ausführungen. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Eva Viehoff. Bitte!
Herr Althusmann, Sie haben eben schon angesprochen, dass mit den Gewerkschaften gesprochen werden muss. Meine Frage an die Landesregierung: Inwieweit setzt sich die Landesregierung dafür ein, dass die Mitbestimmungsrechte so ausgeweitet werden, dass die Gewerkschaften gezielt in die Planungen und Umstrukturierungen des Digitalisierungsprozesses mit eingebunden werden können?
Auch das ist eine sehr wichtige Frage. Auf Bundesebene gibt es dazu ein Dialogforum, in das die Gewerkschaften mit eingebunden sind. Hier in Niedersachsen haben wir das Fachkräftebündnis. Im Rahmen dieses Bündnisses sind die Gewerkschaften ebenfalls dabei. Ein konkretes Beispiel, wie wir dies organisieren, ist der AutomotiveDialog.
Immerhin rund 200 000 bis 250 000 Arbeitsplätze in Niedersachsen hängen im weitesten Sinne von dem größten Automobilhersteller hier und von seinen Zulieferern ab. Die Frage der Digitalisierung wird auch dort eine entscheidende Auswirkung haben. Denn das Automobil der Zukunft ist ein Internet Device. Von daher wird sich die Automobilindustrie - gekoppelt mit der Entwicklung der Elektromobilität - in den nächsten Jahren dramatisch verändern. Die Frage der Elektromobilität wird auch Niedersachsen - in diesen Tagen wer
All das hängt mit der Digitalisierung der Arbeitswelt in der Automobilindustrie zusammen, und damit auch mit neuen Formen von Arbeitsplätzen und neuen Formen von Produktion. Eine Landesregierung ist klug beraten, wenn sie dabei die Gewerkschaften - IG Metall und alle anderen, die davon betroffen sind - engstens einbindet. Die Arbeitswelt bei VW oder die Arbeitswelt bei Automobilzulieferern wird in den nächsten Jahren vor neue Herausforderungen gestellt werden. Auch bestimmte Arbeitsplatzabbauprozesse über viele Jahre hinweg gemeinsam mit den Gewerkschaften sozialverträglich zu gestalten, wird die entscheidende Herausforderung - auch mit Blick auf Volkswagen - in den nächsten Jahren sein.
Dass es hier im Rahmen der Umstellung auf Elektromobilität zu Veränderungen kommen wird, ist uns allen doch völlig klar. VW wird in den nächsten Jahren 30 Milliarden Euro in die Elektromobilität investieren, und 3,5 Milliarden Euro in die Digitalisierung der Fahrzeuge, weil beides miteinander zusammenhängt.
Das bedeutet für uns mit Blick auf Niedersachsen auch Veränderungen in der Produktion an unseren Standorten. Wesentliche Standorte werden - angesichts von bis zu 30 verschiedenen Elektromobilmodellen, die in den Jahren 2019 und 2020 auf den Markt kommen werden - Veränderungen in den Produktionsprozessen erfahren.
Ein Elektromobil hat im Gegensatz zu einem heutigen Verbrenner - ob Diesel oder Benziner ist dabei völlig unerheblich - nur durchschnittlich 200 Teile. Ein normaler Verbrenner hat etwa 2 000 Einzelteile, die zusammengesetzt werden müssen. Daraus ergeben sich neue Produktionsstrukturen, Arbeitsstrukturen und Anforderungen an die Qualifizierung.
Die Landesregierung wird alles dafür tun, damit sich die Gewerkschaften in diesem Veränderungsprozess eng mit uns abstimmen können und diese Prozesse - auch mit Blick auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - sinnvoll und strategisch vernünftig im Sinne unseres Bundeslandes und der Beschäftigungssicherung begleitet werden.
Vielen Dank. - Die vierte Zusatzfrage aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt Herr Detlev Schulz-Hendel.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister - ich hätte fast „Ministerpräsident“ gesagt - Althusmann, vor dem Hintergrund, dass Sie sehr viele allgemeine Ausführungen gemacht, aber wenig Konkretes gesagt haben, frage ich Sie: Welche gezielte und konkrete Unterstützung in Bezug auf das Personal plant die Landesregierung - insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen - beim Umgang mit innovativer Technik?
Ich habe bereits mehrfach betont, dass die Landesregierung versuchen wird, die Betriebe in Niedersachsen über die Demografieagentur und die Digitalagentur bei der Umstellung auf neue Produktionsprozesse zu begleiten. Wir werden noch in diesem Jahr die Digitalagentur schaffen. Das ist dann der zentrale Ansprechpartner für Förder- und Beratungsangebote für Betriebe. Dafür nehmen wir in den kommenden drei Jahren 1,5 Millionen Euro in die Hand.
Die Betriebe sind natürlich auch selber gefordert, Digitalisierungsbedarfe zu identifizieren. Haben sie dies getan, erhalten sie im zweiten Quartal 2019 auf Antrag den sogenannten Digitalbonus, eine konkrete finanzielle Unterstützung für die Anschaffung von Hardware und Software der Informations- und Kommunikationstechnologien sowie auch für Investitionen in die Cybersicherheit bzw. Informationssicherheit bzw. IT-Sicherheit. Dafür stehen in den nächsten drei Jahren insgesamt 15 Millionen Euro zur Verfügung. Dieses Gesamtpaket ist sehr umfangreich, um die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe zu erhalten, sie zu steigern und damit letztendlich auch zu sichern.
Das sind die konkreten Maßnahmen, die wir auf den Weg bringen werden, um unsere Betriebe frühzeitig auf Digitalisierung vorzubereiten. Das entbindet die Betriebe in Niedersachsen - und in
Deutschland insgesamt - aber nicht von der Pflicht, sich diesem Prozess zu stellen. Unsere Aufgabe - industriepolitisch betrachtet - ist es nicht, den gesamten Prozess der Digitalisierung zu lenken. Unsere Aufgabe ist es vielmehr, die notwendige Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, für mittelständische Unternehmen die notwendigen Übertragungsleitungen und -geschwindigkeiten sicherzustellen. Dafür nehmen wir in Niedersachsen 1 Milliarde Euro in die Hand. Wir wollen den Breitbandausbau vorantreiben, wir wollen den Mobilfunkausbau vorantreiben und den Bereich WLAN ausweiten.
Das sind die notwendigen Voraussetzungen, die die Betriebe bei uns nachfragen. Mir erklären mittelständische Unternehmen in Niedersachsen: Sorgen Sie bitte dafür, dass wir entsprechend an Mobilfunk und Breitband angebunden sind, damit wir bessere Produktionsbedingungen vorfinden, da wir sonst im Wettbewerb unterzugehen drohen. - Wer glaubt, die „Karawane Digitalisierung“ ziehe an ihm vorbei und das betreffe nur die Großindustrie, der irrt. Der Mittelstand ist die entscheidende Herausforderungsbasis für die Frage der Digitalisierung. Am Ende wird es um die vielen Start-upUnternehmen gehen. Wir geben gut 1,3 Millionen Euro für Start-up-Initiativen in Niedersachsen, für die bereits bestehenden Start-up-Zentren, aus.
Ich wünschte mir, wir könnten noch viel mehr Gründungsmittel zur Verfügung stellen, aber wir werden uns im Haushalt letztendlich nach der Decke strecken müssen.
Die Kernfrage lautet aber doch, wie am Ende aus diesen Start-up-Initiativen neue kluge technologische Ansätze Eingang in die industrielle Anwendung finden.
Das ist insgesamt, wie ich finde, eine kluge Strategie. Die Politik hat nicht die Aufgabe, die Digitalisierung insgesamt zu steuern, sondern wir haben die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Unternehmen in Niedersachsen in einem neuen digitalen Wettbewerb mithalten können. Das ist die Kernaufgabe der Landespolitik.
die Landesregierung originär zuständig ist und handeln muss, und geht eigentlich an den leider nicht anwesenden Innenminister.
Vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung nach heutiger Aussage von Kanzleramtsminister Braun auf ihrer Klausurtagung in den letzten zwei Tagen beschlossen hat, dass sämtliche Verwaltungsdienstleistungen von Bund, Ländern und Kommunen bis zum Jahre 2022 vollständig online angeboten werden sollen, und ich davon ausgehe, dass Niedersachsen dies aktiv in seiner Gesetzgebung umsetzt, frage ich die Landesregierung: Inwieweit werden die Verwaltungsdienstleistungen des Landes bis zum Jahre 2022 nicht nur durch Onlineformulare, sondern tatsächlich durch intelligente Geschäftsprozesse, die dahinterliegen, umgestellt, was Einfluss auf die Beschäftigungsverhältnisse des Landes hat?
Auch hier gilt, Herr Abgeordneter Bode, der Digitalisierungsmasterplan mit Blick auf das Thema EGovernment und digitale Verwaltung. Wir werden Schritt für Schritt auch die ministerialen Dienstleistungen komplett umstellen. Ich will nur ein Beispiel aus dem Bereich des Digitalisierungsmasterplans nennen, der u. a. den Bereich Kfz betrifft. Die digitale Kfz-Akte soll in den nächsten Jahren Schritt für Schritt ausgerollt werden. Das ist eines der Projekte, das wir u. a. in den Blick genommen haben mit VW Financial Services aus Braunschweig, die das schon ausrollen wollen. Das ist noch im Projektstatus, also ein Entwurf, aber es ist eine denkbare Möglichkeit dafür, dass viele Prozesse, die wir heute kennen, im Rahmen einer Kfz-Anmeldung komplett digitalisiert ablaufen können.
Die Frage der Verknüpfung zwischen kommunaler Ebene und Landesebene wird sich in den nächsten Jahren Schritt für Schritt ebenso stellen. Wir haben im Rahmen der Haushaltsklausurtagung des Kabinetts für den Bereich Digitalisierung des Innenbereichs, also der kompletten Landesverwaltung, dem Innenministerium einen erheblichen Anteil von den 1 Milliarde Euro - ich glaube, es sind 150 Millionen Euro; die Zahl müsste ich gleich noch verifizieren - zur Verfügung gestellt, um den digitalen Ausbau der Landesverwaltung in Niedersachsen ebenfalls voranzubringen.
Ohne digitale Verwaltung wird digitale Wirtschaft am Ende nicht funktionieren. Wir werden zahlreiche Prozesse digitalisieren müssen, von der Anmeldung von Unternehmen oder Unternehmensneugründungen bis hin zu statistischen Abfragen oder zu Planungs- und Genehmigungsprozessen. Denken wir an Building Information Modeling. Das heißt, in meinem Bereich wird sich die Straßenbauverwaltung in den nächsten Jahren, nachdem ein Teil in die Bundesverwaltung abgegeben wird, im Rahmen der Digitalisierung mit den neuen Instrumenten der Planung, der Auslegung, der Eingabe von Vorschlägen der Bürgerinnen und Bürger im Rahmen von Anhörungen zu Verkehrsprojekten befassen müssen; zum Teil wird das heute schon umgesetzt.
Wir sind sicherlich in vielen Bereichen noch am Anfang. Aber ich kann versichern, dass wir die digitale Justizakte, die Digitalisierung im Bereich der Straßenbauverwaltung, im Bereich der Finanzämter und sonstiger Antragsbearbeitungen, die stattfinden, Schritt für Schritt voranbringen werden. Dafür stehen ausreichend Haushaltsmittel aus dem Digitalisierungsmasterplan zur Verfügung.
Wir halten die Reihenfolge hier ein. Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Henze, AfD-Fraktion. Bitte!
Vor dem Hintergrund, dass nur Berufe Zukunft haben werden, die sich der Digitalisierung angepasst haben, meine Frage an die Landesregierung: Planen Sie eine zusätzliche Kampagne für Schulabgänger, um ihnen Berufe mit digitaler Zukunft nahezubringen, damit in diesen Berufen dann genügend Ausgebildete zur Verfügung stehen, wenn sie gebraucht werden?