Protokoll der Sitzung vom 10.12.2018

Vielen Dank.

Sie können antworten, aber Sie müssen nicht. Bitte sehr!

Herr Kollege Bothe, das ist, glaube ich, eine rhetorische Frage. Das wissen Sie ganz genau. Die Zahlen kennen Sie auch. Das ändert aber nichts an der Tatsache, über die ich hier gerade gesprochen habe. Von daher verstehe ich Ihre Frage nicht ganz.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es geht weiter. Bündnis 90/Die Grünen, Kollege Onay, bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege Kurku hat es schon dargestellt. Wir haben im Innenausschuss von der Polizei, aber auch im Zusammenhang mit den ausländerrechtlichen Fragen sehr gut dargestellt bekommen, wie absurd bzw. wie sehr der Antrag der AfD ins Leere führt.

Vor diesem Hintergrund ist das aber schon, wie ich finde, besonders besorgniserregend, weil wir im Innenausschuss auch noch andere Punkte besprochen haben, z. B. das Polizeigesetz. Da werden gerade von der Großen Koalition Anstrengungen unternommen, bei der Präventivhaft europarechtliche, bundesrechtliche Vorgaben zu untergraben, sie auszuhöhlen, um genau in diese Stoßrichtung zu gehen. Mit Abschiebehaft und mit einer sozusagen vorgeklemmten Präventivhaft soll eine rechtliche Aushöhlung passieren, indem man sozusagen im Vorfeld eine Haft, die verfassungswidrig ist, dazu benutzt, um die Kriterien zu erfüllen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das können Sie sehr schön in der Vorlage 32 des GBD zu dem Gesetzentwurf nachlesen. Ich meine, auf der Seite 59 oder 60 wird das vom Gesetzgebungs- und Beratungsdienst sehr gut aufgedröselt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das halte ich für bedenklich.

Für ebenso bedenklich halte ich es, dass die Große Koalition hier die Innenministerkonferenz noch einmal aufgegriffen hat. Es gab jetzt auf der In

nenministerkonferenz den Vorschlag des Bundeskriminalamts, ein Punktesystem einzuführen. Auch unser Innenminister hat das begrüßt. Das fand ich schon bemerkenswert. Das wurde ja mit dem Punktesystem vermischt, das es in Niedersachsen für junge Straftäter gibt. Dieses System findet schon Anwendung. - Herr Uwe Schünemann nickt. - Dem ist tatsächlich so. Aber die Stoßrichtung ist hier eine völlig andere. Bei dem System, das schon Anwendung findet, werden Punkte vergeben, um frühzeitig jungen Menschen Hilfestellung geben zu können, damit sie erkannt werden und damit sich daraus keine kriminelle Karriere entwickelt. Hier hingegen soll jetzt plötzlich die Abschiebung als Sanktion, als neues Strafmaß eingeführt werden, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das halte ich in der Gesamtdebatte für äußerst schwierig.

Dazu würde ich auch gerne die Justizministerin hören. Ich möchte wissen, was sie davon hält, dass plötzlich die Polizei Sanktionen in Form der Abschiebung verhängen soll. Das ist schon mehr als bedenklich, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke, Herr Kollege Onay. - Schließlich ist noch die CDU dran. Kollege Fredermann, bitte sehr!

(Beifall bei der CDU)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch diese Unterrichtung im Innenausschuss zu dem Antrag hat wieder gezeigt, wie gut es ist, in einem Rechtsstaat zu leben, und dass es gilt, Gesetze einzuhalten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich bin froh und dankbar, dass wir in diesem Land leben dürfen.

So einfach, wie es die AfD den Bürgern und uns versucht klarzumachen, ist es nämlich nicht, Menschen abzuschieben. Es gibt Gesetze, die es einzuhalten gilt.

In der Unterrichtung konnte der, der aufpasst, einiges lernen. Zum Beispiel wurde der Begriff „Gefährder“ definiert. Ein Gefährder ist eine Person, bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im

Sinne des § 100 a der Strafprozessordnung, begeht. Bei den Gefährdern gibt es unterschiedliche Einstufungen: hohes, auffälliges und moderates Risiko. Der Gefährderbegriff dient der Entscheidung für polizeiliche Maßnahmen. Je nach Abstufung werden sie dann auch vollzogen. Die alleinige Einstufung als Gefährder zieht nicht irgendwelche Rechtsfolgen nach sich, auch nicht im Aufenthaltsrecht.

Derzeit, liebe Kollegen von der AfD - das haben Sie aber auch gehört -, gibt es 70 Gefährder in Niedersachsen, von denen 15 keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Soweit sich aber Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden im Rahmen der polizeilichen Maßnahmen verdichten, werden aufenthaltsrechtliche Maßnahmen geprüft, und zwar in jedem Einzelfall. Gemäß § 58 a des Aufenthaltsgesetzes kann die oberste Landesbehörde, also unser Innenministerium, gegen einen Ausländer aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr auf die Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr eine Abschiebungsanordnung erlassen. Das hat Niedersachsen, wie wir gerade gehört haben, im vergangenen Jahr in zwei Fällen getan.

Insofern ist herauszuheben: Für Personen, bei denen im Einzelfall klar ist, dass sie nach § 58 a auszuweisen sind, macht das Niedersachsen auch. In allen anderen Fällen - auch in den Fällen - verhält sie sich rechtsstaatlich. Das ist die oberste Prämisse. Es ist auch bei diesen Anträgen, die immer wieder von der AfD kommen, oberste Prämisse, darauf zu achten, dass wir das Recht einhalten.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Jetzt erteile ich das Wort der Landesregierung, in persona Herrn Minister Pistorius. Bitte!

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Mein Zettel liegt da oben!)

- Herr Minister, einen Moment, bitte! Wir müssen noch etwas klären. - Ich habe hier einen abgelegten Zettel von Ihnen. Aber Sie haben noch nicht geredet.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Ja!)

- Dann haben Sie jetzt das Wort. Zwei Minuten.

Das ist nett, Herr Präsident. Ganz herzlichen Dank.

Verehrte Kolleginnen und verehrte Kollegen! Ich möchte dem Kollegen Fredermann ganz ausdrücklich danken, dass er auf die Unterrichtung, die das Innenministerium in dieser Sache im Innenausschuss geleistet hat, hingewiesen hat. Wenn Sie dem gefolgt wären, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der AfD, dann hätte Ihnen klar sein müssen, dass sich Ihr Antrag in Luft aufgelöst hat. Denn die inhaltlichen Klarstellungen, die inhaltlichen Ausführungen des Innenministeriums waren nicht nur präzise und klar, sondern auch dergestalt, dass der Antrag so, wie Sie ihn hier vorlegen, rechtlich überhaupt nicht zulässig ist. Das muss man an dieser Stelle einmal glasklar sagen.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei der CDU)

Die Einstufung als Gefährder ist eine polizeiliche Einschätzung gegenüber einer Person. Eine solche polizeiliche Einschätzung zieht überhaupt keine Rechtsfolgen nach sich. Rechtsfolgen kann nur das haben, was diese Person im Einzelfall konkret getan hat.

Ich sage Ihnen an dieser Stelle sehr, sehr klar: Auch ich bin froh, dass wir uns in einem Rechtsstaat befinden und dass man nicht einfach sagen kann: Der gefällt mir nicht; wir fangen mal an, den abzuschieben. - Sondern bei der Person, die einem nicht gefällt, muss ganz klar nachgewiesen und belegt werden, was sie getan hat. Wenn das nachgewiesen werden kann, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dann habe ich das Vertrauen in die niedersächsische Polizei, dass sie genau das tut, dass sie dann, wenn es nachweisbar und gerichtsfest nachweisbar ist, verehrte Kolleginnen und Kollegen, den § 58 a zieht und dass dann eine Abschiebung durchgeführt wird, so wie es in den beiden Fällen geschehen ist.

Ich habe dieses Vertrauen in die Polizei, und ich bin erschüttert darüber, dass Sie von der AfD dieses Vertrauen in die Polizei nicht haben.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Minister, jetzt hat die Landesregierung das Wort. Herr Minister Pistorius, bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Damen und Herren von der AfD, kennen Sie das griechische Sprichwort - ich kann es nur auf Deutsch -, Eulen nach Athen tragen? Im Emsland würde man sagen: Torf ins Moor tragen. - Was Sie hier machen, ist nichts anderes, als uns zu erklären, was man alles machen muss, um am Ende - Entschuldigung, wenn ich das so sage - wie der Blinde von der Farbe zu reden.

Der vorliegende Entschließungsantrag fordert die konsequente Anwendung des § 58 a des Aufenthaltsgesetzes bei allen Personen mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit, die als Gefährder eingestuft sind und von denen erkennbar eine konkrete Gefahr ausgeht. - So weit, so gut.

Die Forderung impliziert aber den Vorwurf, die Landesregierung würde die Regelung eben nicht konsequent anwenden. Dies, meine Damen und Herren, gehört in das Reich der Fabel. Ich möchte noch einmal daran erinnern: Wir waren 2017 das erste Land, das die Vorschrift des § 58 a erstmals gegen zwei Personen angewendet hat. Dieses Verfahren wurde höchstrichterlich vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt. Damit haben wir bundesweit Maßstäbe gesetzt. Das gilt bis heute. Seither wurden auf der Grundlage dieses Paragrafen in ganz Deutschland mehr als zehn Personen in ihre Herkunftsländer zurückgeführt. Seien Sie ganz sicher - ich kann Sie da wirklich beruhigen -: Mein Haus und die niedersächsische Polizei prüfen natürlich auch weiterhin sorgsam die Möglichkeit der Anwendung dieser Vorschrift für Fälle - aber eben bitte für die Fälle, die dafür auch in Betracht kommen.

Es ist darauf hingewiesen worden, dass nur ein kleiner Teil der hier lebenden Gefährder tatsächlich nur eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt und also nur dieser kleine Teil dafür in Betracht kommt, Anwendungsfall für den § 58 a zu werden.

Aber, meine Damen und Herren, ich sage es hier gerne noch einmal: Die reine Fokussierung auf die Abschiebungsanordnung nach § 58 a greift viel zu kurz. Sie stellt eben nur eine mögliche Maßnahme dar. Wir als Innenministerium und die Ausländerbehörden haben auch alle weiteren rechtlichen Möglichkeiten zur Rückführung im Blick.

Jetzt, meine Damen und Herren, bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit. Jetzt kommt der Faktenblock. Ich weiß, das ist nicht Ihre Stärke. Aber ich versuche es trotzdem. Ich will sehr deutlich herausstellen:

Durch die Einstufung als Gefährder liegen nicht automatisch Voraussetzungen für eine Abschiebungsandrohung vor. Die Einstufung von Personen als Gefährder durch das Landeskriminalamt - Herr Oetjen hat es gesagt - ist eine polizeiliche Einstufungsmaßnahme und bedingt immer die Prüfung und Ausschöpfung aller aufenthaltsrechtlichen Möglichkeiten. Hinzu kommt - deutlich unterstrichen -: Die Einstufung als Gefährder löst eben keine unmittelbaren Rechtsfolgen aus. - Ich betone: keine. - Sie ist vielmehr, wenn überhaupt, Grundlage für weitere Maßnahmen, deren Auswertung dann wiederum zu aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen führen kann.

Vielleicht noch ein Hinweis, weil hier eben alles durcheinandergegangen ist - Gefährder, Intensivstraftäter, Punktesystem, § 58 a: alles in einen Topf, einmal kräftig durchrühren, und es wird schon passen. So funktioniert es in einem Rechtsstaat Gott sei Dank nicht!

Ich erkläre es Ihnen noch einmal - wir stellen uns ganz dumm -:

Ein Intensivtäter begeht viele Straftaten einer bestimmten Schwere und Qualität, wegen derer wir ihn in besonderer Weise im Auge behalten müssen. Das betrifft Leute, die hier geboren sind, die einen Aufenthaltsstatus haben, die geduldet sind. Das kann jeder und jede sein, theoretisch sogar - - - na ja, lassen wir das.

Beim Gefährder handelt es sich, wie gerade ausgeführt, um eine Einstufung durch die Polizei, die nichts damit zu tun hat.