Ich gebe zu, dass es schönere Dinge gibt, als das eigene Handeln im Kern zurückzudrehen. Doch letztendlich vollziehen wir hiermit die Umsetzung eines Kompromisses aus unserem Koalitionsvertrag. Wir nehmen eine Norm zurück, die schon zur Zeit ihrer Einführung nicht unumstritten war.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Meinungen zu diesem Gesetz gehen auch heute noch in meiner Fraktion durchaus auseinander. Ich möchte an dieser Stelle auch nicht unerwähnt lassen, dass insbesondere meine Kolleginnen und Kollegen aus der Region Braunschweig zum Teil Bauchschmerzen mit dem Beschluss haben werden.
Dennoch: Die Regelung, dass die Mitglieder der Verbandsversammlung, die neben den Vertretungen der Mitgliedskommunen zusätzlich besteht, direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt werden, ist unter der gegebenen Systematik unseres Kommunalverfassungsgesetzes in der Tat etwas schräg. Das sehe ich so, das sehen große Teile meiner Fraktion so, das sieht unser Koalitionspartner sowieso so, die kommunalen Spitzenverbände ebenfalls. Und am allerwichtigsten: Die betroffenen Gemeinden im Großraum Braunschweig sehen das auch so.
Das haben insbesondere auch die im Rahmen der Anhörung Beteiligten noch einmal unterstrichen. Es ist deshalb vollends richtig, dass wir uns auf den Weg gemacht haben, die in Rede stehenden Regelungen wieder zurückzunehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist mir in diesem Zusammenhang wichtig, an dieser Stelle noch etwas Positives zu betonen, nämlich dass es politisch durchaus möglich ist, eigene Entscheidungen zu überdenken, zu revidieren, sie einzugestehen und dann auch konsequent zu korrigieren. Genau
Vielen Dank, Herr Kollege Lynack. - Für Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt die Abgeordnete Julia Willie Hamburg. Bitte sehr, Frau Hamburg!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lynack, ich fand es schon sehr bezeichnend, dass Sie es hier als „Paradebeispiel“ und „positives Zeichen“ sehen, dass Politik ihre Meinung in einem Fall korrigiert, in dem die regional, die örtlich Betroffenen „Bauchschmerzen“ haben und in dem Ihnen der Regionalverband, um den es geht, in einer Anhörung mitteilt, dass er diese Maßnahme ablehnt.
Denn faktisch passiert ja etwas anderes: Heimlich, still und leise, tief vergraben irgendwo in diesem Haushaltsplenum wird heute die Direktwahl zur Verbandsversammlung des Regionalverbands Braunschweig abgeschafft. Damit wird ein kleines Stück Demokratie begraben, liebe Kolleginnen und Kollegen, und das ohne nachvollziehbaren Grund.
Sie hoffen darauf, dass das in diesen erregten Plenartagen hier niemand mitbekommt und dass die Direktwahl, weil sie noch nie durchgeführt wurde, auch niemand vermisst; denn wer nicht gewählt hat, weiß ja gar nicht, was ihm oder ihr entgehen könnte. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir werden Sie bei jeder Kommunalwahl daran erinnern, dass dieser Regionalverband auch direkt hätte gewählt werden können.
denn der Regionalverband hat durch die Gesetzesberatung, bei der Sie damals noch Ihre Zustimmung gegeben haben, eine massive Aufgabenerweiterung bekommen und an Bedeutung gewonnen. Er verdient sozusagen die Direktwahl, er verdient die Beachtung, er verdient, dass Bürgerinnen und Bürger gemeinsam mit den Delegierten in dieser Verbandsversammlung über die besten Wege für Braunschweig ringen, sich für ihre Themen interessieren und hierüber die Auseinandersetzung führen. Und er verdient es auch, dass sich die Angehörigen der Verbandsversammlung für ihre Entscheidungen zur Wahl stellen müssen. Das ist Demokratie.
zumal eine von zwei Stellungnahmen, die schriftlich vorliegen, nämlich die Stellungnahme des Regionalverbands, besagt, dass er sich eine Direktwahl wünscht und die SPD und die CDU darum bittet, langfristig das Ziel, die Direktwahl einzuführen, umzusetzen. Ich sage Ihnen: Sie müssen das gar nicht abschaffen! Ziehen Sie das Gesetz zurück! Es ist noch nicht zu spät. Lassen Sie uns gemeinsam für die Demokratie streiten, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Denn es ist ja auch tatsächlich bitter für die von Ihnen benannten Kolleginnen und Kollegen. Mit „Bauchschmerzen“ müssen sie sich vor Ort dafür rechtfertigen, dass die Direktwahl, die Sie, Herr Lynack, damals eingeführt und groß angekündigt haben, wieder einkassiert wird. Und das in einer SPD-Hochburg!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ärgerlichere Kompromisse kann man wirklich nicht schließen. Da haben Sie wirklich das falsche Thema verkauft, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Während Sie vormittags noch über Demokratiebildung an Schulen diskutieren und sagen, Sie wollten die Jugend für Demokratie begeistern, machen Sie nachmittags genau das Gegenteil und liefern
ein Paradebeispiel für Demokratieverdrossenheit. Sie schaffen die Direktwahl einer unserer kommunalen Vereinigungen ab und bieten damit gerade vor Ort ein Bild von Demokratieverdrossenheit - etwas, was den Glauben an Politik infrage stellt; denn gegen den Willen der Menschen vor Ort wird eine Wahl abgeschafft, die noch nicht ein einziges Mal hat durchgeführt werden können.
Ich sage Ihnen: Wir lassen Sie mit dieser Entscheidung nicht durchs Loch kommen. Wir haben darüber heute nicht zum letzten Mal gesprochen.
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Es folgt jetzt für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Stefan Wirtz. Bitte sehr, Herr Wirtz!
Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie schaffen es tatsächlich, heute ein Stück direkter Einflussnahme und Demokratie abzuschaffen, bevor es überhaupt stattfinden konnte. Es war nicht Vormittag, muss man sagen; wir sind erst nachmittags gestartet. Für Grüne ist das vielleicht noch der Vormittag.
(Heiterkeit bei der AfD - Helge Lim- burg [GRÜNE]: Darauf, das zu sagen, haben Sie sich gefreut, nicht wahr?)
Wir sind aber gerade erst dabei gewesen, festzustellen, dass Demokratie gelernt werden muss. Aber was soll man denn damit anfangen, wenn man diese Demokratie nicht ausleben kann? In diesem Fall wäre es sehr wichtig gewesen, den bedeutenden Regionalverbänden, hier dem Großraum Braunschweig, die Chance zu geben, sich von den Wählern demokratisch direkt legitimieren zu lassen. Das fangen Sie hier gleich wieder ein. Die Begründung steht angeblich im Koalitionsvertrag. Dafür, dass Sie hier so tapfer dabei sind, die Demokratie zu verteidigen, ist das eine ein bisschen arg formale Begründung.
Alles, was der Regionalverband also weiterhin entscheidet - und es sind wichtige Entscheidungen, die über die kommunalen Belange hinausgehen -, wird jetzt leider weiterhin ohne direkten Einfluss der Bürger stattfinden - und damit leider auch ein wenig ohne deren Wahrnehmung, ohne deren Einfluss und unterhalb der Wahrnehmungsschwelle, die die Bürger und die Presse haben.
Leider finden viele Sitzungen des RGB unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Das ist schade angesichts dessen, dass es da um wichtige und bedeutsame Belange geht.
(Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: Keine einzige Sitzung findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt!)
Die Planungen mit kommunale Grenzen überschreitender Tragweite, die da stattfinden, sollten beim Bürger mehr Verständnis erlangen. Das geht am besten dadurch, dass man diejenigen, die den Bürger dort vertreten, direkt wählen kann.
Es wurde gerade angeführt, es würde die Demokratieverdrossenheit fördern. Gemeint ist vielleicht die Politikverdrossenheit. Aber das tut es nicht. Sie fördern damit die Parteienverdrossenheit. Vielleicht ist es das, wovor die jetzt noch großen Parteien CDU und SPD Angst haben: dass damit die Parteienverdrossenheit über ihre Altpolitik noch gesteigert wird und dass sie in diesen direkten Wahlen schlechter abschneiden würden. Eventuell ist das das wahre Motiv, heute wieder ein Stück Rechtssicherheit bzw. Rechtsmöglichkeiten abzuschaffen.
Und wenn Sie sich hier auf das Kommunalverfassungsgesetz berufen: Sie sind hier in einer Gesetzgebungsversammlung.
Geben Sie sich einen Ruck! Sie könnten auch das ändern, Sie könnten auch das verbessern und anpassen.