Protokoll der Sitzung vom 12.12.2018

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, abschließend möchte ich die Gelegenheit ergreifen, mich bei fast allen Mitgliedern des federführenden Ausschusses für die ausgesprochen gute und kollegiale Zusammenarbeit im nun endenden Jahr zu bedanken. Uns alle eint der Glaube an die europäische Idee, dem erfolgreichsten Friedensprojekt der Menschheitsgeschichte.

Mögen daher der Frieden und die Freude der Weihnacht als Segen im kommenden Wahljahr bleiben. In diesem Sinne: Friedliche Weihnachten Ihnen allen!

(Beifall bei der SPD - Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Wie poetisch!)

Die Weihnachtsgrüße sind zwar sehr nett, Herr Kollege Pantazis. Aber wir haben noch einiges an Arbeit vor uns, bis wir so weit sind.

(Unruhe)

- Ich bitte darum, dass sich gewisse Gesprächskreise - stehend, zum Teil sitzend, den Rücken zugewandt usw. - auflösen und dass wir den letzten Rednerinnen und Rednern zu dem wichtigen Themenfeld „Europa und Regionale Entwicklung“ wirklich zuhören. Das heißt natürlich auch, dass

die Zwiegespräche einzustellen sind. - Di meen ik ok. Dat hest du good verstahn.

Für die AfD-Fraktion habe ich die Wortmeldung von Herrn Stefan Wirtz vorliegen. Bitte!

Danke. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie der Tagesordnung zu entnehmen, ist zu diesem Tagesordnungspunkt auch die Beratung zu zwei Anträgen vorgesehen, die eigentlich exemplarisch - man müsste fast schon sagen: symptomatisch - für das stehen, was in der EU funktioniert oder auch nicht funktioniert.

Der erste Antrag ist von der FDP und trägt den Titel „Europa fördert Niedersachsen“. Danach ist in dem Text ganz häufig und auch ganz anders von „EU-Kohäsionspolitik“ die Rede.

EU brauche ich Ihnen nicht zu übersetzen. EU ist nicht Europa, und EU ist auch nicht - wie wir gerade gehört haben - Frieden. Die EU wurde als Montanunion gegründet und ist dann in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft übergegangen.

Diese Wirtschaftsgemeinschaft hatte aber nichts mit Frieden in Europa oder Ähnlichem im Sinn. „Europa ist Frieden“ satteln Sie erst seit einiger Zeit drauf. Das ist ein Marketinggag. Eigentlich ist das sogar noch etwas viel Schlimmeres; denn dieser Satz klingt wie ein Dogma aus einem George-Orwell-Roman. Dort lautete der Satz ein bisschen anders. Aber „EU ist Frieden“ sollten Sie so nicht äußern.

Wir kommen dann gleich zum zweiten Teil des Wortes: Kohäsionspolitik. Offensichtlich muss man die Begriffe, die da verwendet werden, gerade im EU-Bereich oder von Ihnen, immer ein bisschen sezieren.

Kohäsion ist eigentlich ein Begriff aus der Chemie: der Zusammenhalt, die Bindungskräfte. Er ist aber auch aus der Gruppenpsychologie bekannt: die Kohäsion als das, was das Wirgefühl ausgemacht. Zu den Bindungskräften, die eine Gruppe zusammenhalten, gehört zum einen natürlich das Wirgefühl, der Stolz vielleicht auch. Aber es gehört zum anderen immer auch die große Aufgabe dazu, die eine Gruppe zusammen bewältigen muss, um die Kohäsion zu stärken bzw. auszulösen und damit die Gruppe stärker zusammenzuhalten. Damit kann man es aber auch übertreiben.

Die FDP arbeitet dann in Ihrem Antrag mit einem anderen Begriff weiter: „Innovation2030“. An dieser Stelle haben wir es schon erlebt, dass ganz hinten

Herr Domeier aufgesprungen ist und Plagiatsvorwürfe geäußert hat. Sie sollten vielleicht einfach einmal eine Suchmaschine benutzen. „Innovation2030“ hatten schon viele andere als Begriff: die Franzosen 2013, und auch in der Erdölförderung wird das als neues Konzept verwendet. Originell ist die Benennung nicht.

Bei Ihnen heißt es ausnahmsweise, Niedersachsen solle führende Region bei Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz werden. Ich kann nur sagen: Ich kann das Wort „Digitalisierung“ schon jetzt nicht mehr hören. Ich weiß nicht, was Sie darunter verstehen. Viele scheinen darin zu sehen, dass man einfach nur Kabel eingraben muss, die dann summen und brummen. Das reicht Ihnen wahrscheinlich für den Begriff „Digitalisierung“; denn mehr habe ich von Ihnen allen noch nie gehört.

Unter Künstlicher Intelligenz kann man sich eine Menge vorstellen. Das letzte Mal war es Thema auf der CeBIT. Die ist jetzt so weit weg wie die Künstliche Intelligenz selber. Bisher ist nichts daraus geworden. Es ist hübsch, dass Sie so etwas beantragen. Aber was soll tatsächlich passieren? - Sie wollen einen Wissenstransfer von Universitäten erzeugen. Sie wollen Wagniskapital mobilisieren. - Das sind keine furchtbar originellen Ideen. Die hatten vor Ihnen - ich untertreibe einmal - schon ungefähr Hunderttausend andere. Am Ende wollen Sie das Geld der EU. Das ist das, was Europa in Niedersachsen fördern soll: Es soll einmal wieder etwas locker gemacht werden.

(Christian Grascha [FDP]: Nein! Eben nicht!)

Bei dem Rest Ihres Antrags geht es um die GAP, die Gemeinsame Agrarpolitik. Die Bewandtnis ist da die Verteilung und das Anzapfen von Geldern.

Einen Satz in Ihrem Antrag finde ich richtig gut. Es geht um die kritische Betrachtung der EUFörderung. Nun globalisieren Sie das doch endlich einmal! Schauen Sie doch endlich einmal nach, was die EU-Förderung bringt und was sie uns kostet! Wir sind Nettozahler. Wenn ich eine EUFörderung habe, aber letztendlich nicht nur „Linke Tasche, rechte Tasche“ spiele, sondern als Nettozahler andere noch mitfinanziere und dabei Geld verliere, dann sollten wir uns nicht nur über den Brexit, sondern endlich auch einmal über den „Dexit“ Gedanken machen. Es wäre höchste Zeit, endlich einmal die Kassen zu analysieren und einen Kassensturz vorzunehmen.

Der Brexit ist dann auch gleich das nächste Stichwort. Da wird von Ihnen darüber gesprochen - das ist der nächste Antrag; in diesem Fall von SPD und CDU -, uns zum MFR stärker aufzustellen, d. h. die Forderungsposition besser aufzubauen; denn es fehlen 12 bis 14 Milliarden Euro, die die Briten früher eingezahlt haben.

Es ist schon einmal bezeichnend, dass Sie das nicht genau sagen können, sondern nur von 12 bis 14 Milliarden Euro sprechen. Die Spannweite beträgt 2 Milliarden Euro. Na ja, das läuft wohl unter Peanuts. Das Geld fehlt uns aber letztendlich. Die Briten werden es behalten und in ihrem Land verwenden. Denen wird es dadurch nicht schlechter gehen, was immer geunkt wird, sondern die Briten wissen sehr genau, was sie tun.

(Dr. Christos Pantazis [SPD]: Das se- hen wir ja täglich!)

Die ehemaligen Nettozahler werden dieses Geld für sich verwenden.

Das ist in Ihrem Antrag wieder das typisch Appellative. Das ist auch das, was diese beiden Anträge auszeichnet und was hier läuft bzw. nicht läuft. Diejenigen, die entscheiden, sind gar nicht subsidiär. Sie können wünschen, fordern und hoffen, dass von der EU die richtige Gießkanne aufgemacht wird, dass der Geldsegen kommt. Aber Sie können das schon längst nicht mehr beeinflussen, obwohl einmal die Vereinbarung genauso war und die Subsidiarität eigentlich Kernbestandteil der EU sein soll. - Sie ist es schon lange nicht mehr.

(Beifall bei der AfD)

In dem Antrag der SPD und der CDU wird, wie üblich, auch von den anderen Töpfen gesprochen, die man anzapfen könnte, und von der Option - ich versuche es noch einmal - Finanztransaktionssteuer, die man natürlich auch noch locker machen könnte, wenn denn die Bürger überrumpelt werden.

Wenden wir aber den kritischen Blick, den die FDP in ihrem Antrag gefordert hat, einfach auch einmal auf das neue Ministerium von Frau Honé. Da findet sich ein Punkt „Förderung der Grenzregion Niederlande“, für den Sie 7,5 Millionen Euro angesetzt haben. Früher waren es 4 Millionen Euro. „Früher“ ist noch gar nicht so lange her; das war für dieses Jahr. Wir haben uns bis letzte Woche bemüht, herauszufinden, ob diese 4 Millionen Euro überhaupt abgerufen wurden, ob sie verwendet wurden und, wenn ja, wofür, mit welchem Ergebnis und mit welchem Ziel überhaupt. Das ist leider noch nicht

klar; denn das ganze Programm läuft noch. Es erstreckt sich teilweise auch über längere Zeiträume.

Nichtsdestotrotz haben Sie diese Mittel jetzt fast verdoppelt. An dieser Stelle muss ich Ihnen sagen: So im Blindflug zu sein, einfach noch einmal eine Schippe draufzuwerfen, noch einmal den zweiten Sack aufzumachen, ist einfach zu mutig von Ihnen. Eine der wenigen Positionen, die wirklich in großem Maßstab selber Aktivitäten zeigt - neben der Ausstattung des Ministeriums mit Personal und Ähnlichem -, die einzige Position, die wirklich heraussticht, ist dann prompt auch noch suboptimal gesetzt. Wir haben da unsere Kritik.

Wir werden diesen Haushaltsteil nicht ablehnen. Wir werden aber sehr kritisch darauf achten, was aus den ursprünglich 4 Millionen Euro und zukünftig 7,5 Millionen Euro eigentlich wird. Ich glaube, das ist das, was die FDP mit „kritischer Betrachtung“ meint.

Herr Pancescu hat vorhin damit angefangen: Es gibt ein Problem in Europa. - Nein, es gibt wieder Europäer in Europa: Europäer, die wissen, dass sie in Nationen leben, dass sie in Völkern leben, die sich auf ihre Nationen besinnen und die genau wissen, dass Europa nicht etwa ein zusammengeklebter Haufen von Interessenverbänden ist, sondern dass Europa ein Bund von Nationen ist. Dieses Bewusstsein haben wir Europäer schon seit Jahrhunderten. Dafür brauchten wir keine EU. Dafür brauchten wir kein Programm, keinen Antrag und schon gar kein Ministerium.

(Beifall bei der AfD - Zurufe)

Wir haben Europäer in Europa und kein Problem in Europa. Ungarn verteidigt Europa mehr, als es die EU je gemacht hat. Die Grenzsicherung nehmen Nationen vor. Unser Europa ist von den Europäern abhängig, die sich wieder darauf besinnen.

Schönen Dank auch!

(Beifall bei der AfD)

Für die SPD-Fraktion spricht Frau Dr. Dörte Liebetruth. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Während wir hier den Landeshaushalt 2019 für Niedersachsen diskutieren, läuft in der Europäischen Union seit Monaten eine hei

ße Diskussion über den kommenden Mehrjährigen Finanzrahmen für Europa in den Jahren 2021 bis 2027.

Heute Abend werden in einer Fraktion des britischen Parlaments Entscheidungen gefällt, die Auswirkungen auf den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union haben dürften. Das wiederum wird nicht ohne Konsequenzen bleiben für die Frage, ob - und, wenn ja, wie viel - Geld Großbritannien künftig an die Europäische Union zahlt und damit für den kommenden Mehrjährigen EUFinanzrahmen bereitstellt.

Der kommende Mehrjährige Finanzrahmen der Europäischen Union gibt vor, wie viel Geld in den Jahren 2021 bis 2027 für EU-Politik zur Verfügung gestellt wird und für welche Aufgabenbereiche der Europäischen Union dieses Geld ausgegeben werden darf. Zwar wirkt sich dieser kommende Mehrjährige Finanzrahmen noch nicht auf den Landeshaushalt 2019 aus, aber dafür werden wir die Konsequenzen für Niedersachsen in den Jahren ab 2021 deutlich spüren. Grund genug also, dass wir uns hier in Niedersachsen für diesen kommenden Mehrjährigen Finanzrahmen stark aufstellen! Genau das fordert der gemeinsame Antrag von SPD und CDU.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Denn, anders als hier behauptet wurde, kann aus Niedersachsen heraus sehr wohl beeinflusst werden, wie die europapolitischen Weichen gestellt werden. Das ist möglich über den Bundesrat, über den EU-Ausschuss der Regionen und mithilfe niedersächsischer Abgeordneter des Europäischen Parlaments und des Deutschen Bundestages. All diese Chancen müssen wir Niedersachsen gemeinsam nutzen!

Wichtig ist: Noch im Frühjahr 2019, vor der Europawahl, brauchen wir die Entscheidung. Sonst wird es schwierig, alle Förderprogramme rechtzeitig und ohne Übergangsschwierigkeiten an den neuen Finanzrahmen anzupassen. Obwohl wir den Antrag, der heute zur Diskussion vorliegt, noch nicht beschlossen haben, ist unsere Europa- und Regionalministerin Birgit Honé bereits aktiv geworden und hat sich im Bund sowie im Ausschuss der Regionen für eine schnelle Beschlussfassung über diesen Mehrjährigen Finanzrahmen eingesetzt. Dafür sind wir dir sehr dankbar, liebe Birgit Honé.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

In unserem Antrag wird deutlich - das haben wir auch in den Ausschussberatungen gezeigt -: Die Europäische Kommission setzt mit ihren Vorschlägen für den Mehrjährigen Finanzrahmen viele richtige Akzente. Zu diesen richtigen Akzenten gehört, dass Europa künftig vor allem dort investieren soll, wo der Mehrwert Europas spürbar wird, also beispielsweise beim europäischen Jugendaustausch. Zu diesen richtigen Akzenten gehört auch, dass die EU-Förderfonds künftig vereinfacht und flexibilisiert werden sollen.

Aber die Vorschläge der EU-Kommission lassen auch noch Luft nach oben. Und genau da weist unser Antrag auf einige zentrale Punkte hin, die verbessert werden müssen.

Ich will zwei Punkte nennen:

Erstens ist leider noch nicht sichergestellt, dass Niedersachsen auch in Zukunft stark in die Strukturfondsförderung einbezogen wird und die europäische Strukturpolitik ausreichend in der Fläche sichtbar bleibt.

Zweitens passt es selbstverständlich nicht zu den Zielen der EU-Kommission, dass trotz des bedeutenden europäischen Mehrwertes des sogenannten INTERREG-Programms zur grenzübergreifenden, interregionalen und transnationalen Zusammenarbeit gerade bei diesem Förderprogramm gekürzt werden soll. Hier muss sich Niedersachsen dafür einsetzen, dass bis zum Beschluss des kommenden Mehrjährigen EU-Finanzrahmens - hoffentlich im Frühjahr 2019 - noch Verbesserungen erreicht werden.