Protokoll der Sitzung vom 23.01.2019

Tagesordnungspunkt 26 Abschließende Beratung: Vorverlagerung der Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge rückgängig machen - Liquidität des Handwerks sichern und Bürokratie abbauen! - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 18/24 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung - Drs. 18/2544 - Änderungsantrag der Fraktion der FDP - Drs. 18/2643

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag in geänderter Fassung anzunehmen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Mit ihrem Änderungsantrag zielt die Fraktion der FDP auf eine Annahme ihres Antrages in einer anderweitig geänderten Fassung.

Meine Damen und Herren, wir eröffnen die Beratung. Zu Wort gemeldet hat sich der Kollege Bode. Bitte schön, Herr Kollege!

Herr Präsident! In Anbetracht der Zeit will ich es kurz machen.

Die FDP hat einen einfachen Vorschlag zum Bürokratieabbau gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen gemacht.

2006 ist die Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge vorgezogen worden, was dazu führt, Herr Minister Althusmann, dass Unternehmen, die auf Stundenbasis Beschäftigte haben, zweimal Sozialversicherungsbeiträge berechnen müssen - zum einen zu Beginn des Monats als Schätzung, zum anderen am Ende des Monats als komplette IstAbrechnung - und dadurch doppelten Aufwand haben. Das hat man damals gemacht, weil die Deutsche Rentenversicherung nicht über ausreichend Liquidität verfügte. So wollte man die Deutsche Rentenversicherung finanzieren.

Seit 2006 ist einiges passiert. Die Deutsche Rentenversicherung schwimmt im Vergleich zu damals im Geld.

Sie als Große Koalition haben nun einen Änderungsvorschlag gemacht, den ich in fast allen Punkten unterstreichen kann, was Bürokratieabbau bei der Erhebung der Sozialversicherungsbeiträge angeht, bis auf einen einzigen Punkt: In dem Änderungsvorschlag entfällt unsere Forderung, die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge an einem Zeitpunkt zusammenzufassen. Sie wollen, dass weiterhin zweimal gerechnet wird, dass der Aufwand zweimal anfällt. Sie wollen ihn nur durch digitale Hilfsmittel reduzieren.

Das geht uns nicht weit genug. Deshalb haben wir einen Änderungsantrag eingebracht, der nahezu wortgleich mit dem Änderungsvorschlag der Koalitionsfraktionen ist. Nur diese eine Forderung - dass sich die Landesregierung dafür einsetzen soll, dass es nur noch einen Erhebungszeitpunkt gibt, damit Bürokratiekosten in Milliardenhöhe gespart werden - soll hinzugefügt werden. Dafür möchte ich noch einmal eindringlich werben.

Schauen Sie sich einmal die Liquiditätslage der Rentenversicherung an! Es war schon abenteuerlich, wie das Sozialministerium im Ausschuss er

klärt hat, die Rentenversicherung würde pleitegehen, wenn das beschlossen würde. Es handelt sich ja nicht um Mehrausgaben, sondern nur um eine Frage der Liquidität. 2006, als das Ganze geändert wurde, hatte die Deutsche Rentenversicherung eine Liquidität von 1,1 Milliarden Euro. Heute hat sie - schauen Sie genau in die Zahlen! - eine Liquidität von fast 40 Milliarden Euro, von zwei Monatskostenblöcken.

Von daher ist dieser Änderungsantrag tatsächlich finanzierbar. Deshalb werbe ich dafür. Stimmen Sie unserem Antrag zu! Er enthält Ihre Ideen zum Bürokratieabbau, aber auch die Kernforderung, dass die Beiträge nur noch einmal erhoben werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Bode. - Für die CDUFraktion hat sich nun der Kollege Karl-Heinz Bley gemeldet. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge rückgängig machen - ein uraltes und berechtigtes Anliegen. 2005/2006 war die Finanzlage der Sozialkassen so schlecht, dass man handeln musste. Man hat erreicht, dass ab 2006 eine doppelte Abrechnung zu erfolgen hatte - Herr Bode ist darauf eingegangen - und der Fälligkeitstermin vorgezogen wurde, sodass 13 Beiträge in einem Jahr gezahlt werden mussten. Das hat die Wirtschaft damals über 20 Milliarden Euro - einige sprechen von 28 Milliarden Euro - an Liquidität gekostet. Keine Regierung hat umgesetzt, was damals ebenfalls gesagt worden ist: Wenn es den Sozialkassen besser geht, wird das rückgängig gemacht. - Das ist leider nie umgesetzt worden.

Erstens. Dank an die FDP-Fraktion, dass sie diesen Entschließungsantrag hier eingebracht hat! Das ist ein wichtiges, berechtigtes Thema, an dem wir seit zehn bis zwölf Jahren arbeiten.

Zweitens. Dank an unseren Koalitionspartner SPD! Besonders darf ich Herrn Domeier nennen. Danke schön, Herr Domeier, dass wir so nett über diesen Koalitionsvorschlag beraten konnten und einen Änderungsvorschlag eingebracht haben. Die Bereitschaft, da zusammenzukommen, war toll.

Aber auch ein Dankeschön an alle Ausschussmitglieder, die diesen einstimmigen Beschluss unterstützt haben! Es gab lediglich je eine Stimmenthaltung bei den Grünen und der FDP. Ich glaube, das war ein gutes Zeichen, sodass wir diesem Änderungsvorschlag folgen können.

Zu dem Antrag der FDP, die Vorfälligkeit zurückzunehmen, sage ich, dass man das auch fordern darf; denn während die Rücklage der Sozialkassen 2005 noch 1 Milliarde Euro betrug, sind es mittlerweile über 30 Milliarden Euro. Deswegen könnte man der Wirtschaft, den Unternehmen tatsächlich etwas zurückgeben. Aber wir sind auch Realisten und wissen, dass wir das in Berlin nicht umsetzen können, weil man dort die Sozialkassen noch nicht in Anspruch nehmen will, da sie dadurch womöglich gefährdet würden. Für eine Beitragserhöhung stehen wir auch nicht bereit.

Es gibt aber einen zweiten Punkt, nämlich die Belastungen durch Entbürokratisierung zu reduzieren. Genau das haben wir auch im Änderungsantrag von SPD und CDU vorgeschlagen, nämlich zu prüfen, wo Entlastungen tatsächlich möglich sind. Dafür ein Dankeschön an Dr. Bernd Althusmann, der die Stabsstelle Entbürokratisierung im Wirtschaftsministerium eingerichtet hat. Dort soll geprüft werden, was noch möglich ist.

Zweitens haben SPD und CDU auf Bundesebene vorgeschlagen, Melde-, Beitragszeit- und Verzugsverfahren zu entbürokratisieren und - drittens - für eine spürbare Entlastung von Mittelstand und Handwerksbetrieben einzutreten.

Als vierten Punkt haben SPD und CDU vorgeschlagen, eine Bundesinitiative zu starten, ein drittes Bürokratisierungsentlastungsgesetz auf den Weg zu bringen, mit dem genau dies erreicht werden soll.

Zu dem Änderungsantrag der FDP, der heute ins Plenum gebracht worden ist, sage ich auch ein Dankeschön. Das ist ein Vorschlag, der alles beinhaltet, was SPD und CDU gesagt haben. In einem Spiegelstrich wird wortwörtlich ausgeführt, was unser Antrag enthält. Deswegen können wir in Ruhe unserem Änderungsvorschlag zustimmen - auf der Grundlage des Antrags der FDP.

Ich danke fürs Zuhören.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Bley. - Es liegt der Wunsch nach einer Kurzintervention zu Ihrer Rede vor. Der Kollege Bode hat das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Lieber Kollege Bley, ich möchte mich auch namens meiner Fraktion herzlich bei Ihnen bedanken; denn es ist überhaupt nicht selbstverständlich, dass, wenn ein Antrag der Opposition zu diesem Thema vorgelegt wird und Sie als CDU gerade eine Koalition mit der geliebten oder ungeliebten SPD eingegangen sind - das kann man ja so oder so sehen -,

(Zuruf von der SPD: Na, na! Nur kein Neid!)

der Antrag, der vorher von Ihnen hier auch gemeinsam vertreten worden ist, nicht von der Großen Koalition mit dem Hinweis: „Wir sind jetzt Große Koalition. Das müsst ihr verstehen!“, einfach abgelehnt wird, sondern Sie haben vor gut einem Jahr im Ausschuss gesagt: Ich stimme doch hier nicht einfach gegen etwas, was ich vor Kurzem noch selber vertreten habe! - Für so viel Rückgrat möchte ich mich bei Ihnen persönlich ganz herzlich bedanken.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich möchte mich auch dafür bedanken, dass Sie dann scheinbar ein Jahr lang auf die Kollegen der SPD eingeredet haben; denn Sie haben danach zumindest einen Teilvorschlag unterbreitet - auch das ist aller Ehren wert -, den wir inhaltlich durchaus begrüßen, auch wenn wir glauben, dass aufgrund der Initiativen und Veränderungen in der letzten Zeit so wahnsinnig viel Bürokratieabbau für die Unternehmen dort nicht mehr möglich ist. Sie können aber den entscheidenden Punkt, dass es nur noch eine Abrechnung geben soll, mit der Koalition, die Sie hier haben, nicht durchsetzen.

Deshalb glaube ich schon, dass Sie der SPD vielleicht ein bisschen mehr Mut bei der Fragestellung wünschen. Denn wenn die SPD beispielsweise über die Rente mit 63 spricht, macht sich nie jemand groß Gedanken, ob die Deutsche Rentenversicherung das bezahlen kann oder nicht, sondern man sagt: Das ist sinnvoll und richtig! - Aber wenn es darum geht, Bürokratiekosten beim Handwerk zu reduzieren, sagt man: „Das ist uns zu teuer!“, und das finde ich schade.

Herzlichen Dank für Ihr Engagement.

(Beifall bei der FDP - Karl-Heinz Bley [CDU]: Herzlichen Dank für die netten Worte und tschüss! Ich fahre nach Berlin!)

Herr Kollege Bley, wir sind nahezu fassungslos, dass Sie uns jetzt schon verlassen wollen. Wir sind noch nicht ganz fertig.

(Zuruf von der CDU: Der Bus wartet nur noch auf ihn! - Heiterkeit)

Aber nach so viel Lob hat man sich das vielleicht sogar verdient.

Meine Damen und Herren, wir fahren fort mit dem Redner der AfD, dem Kollegen Henze. Bitte sehr!

(Anja Piel [GRÜNE]: „Wir fahren fort.“: Das war schon der richtige Satzan- fang!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zurück auf Los! So lautet der Antrag 18/24 der FDP. Die Herstellung der alten Rechtslage sollte dadurch angeregt werden. Im Verlauf der Ausschussberatungen musste die FDP

Fraktion aber erkennen, dass diese Maximalforderung nicht durchsetzbar ist. Unter Umständen erschien ihr auch der eigene Antrag im Lichte neuerer Erkenntnisse als zu sperrig und wurde deshalb etwas abgeändert.

Taktische Erwägungen haben zudem ganz sicher eine Rolle gespielt, den Änderungsantrag 18/2643 am 22. Januar 2019 vorzulegen. Die dort im Vergleich zur Ausschussempfehlung 18/2544 neu enthaltenen Punkte 3 und 4 nähern sich dem ursprünglichen Entschließungsantrag 18/24 wieder an, sind aber - und das könnte für die Konsensfindung sehr entscheidend sein - offener formuliert und damit flexibler handhabbar. Im Kern ist der Antrag 18/2643 natürlich sinnvoll.

Der Staat hatte 2005 ausgerufen: Die Sozialkasse ist leer! - Entsprechend wurde zum Januar 2006 der § 23 Abs. 1 verändert. Die Folge war, dass sich der Staat innerhalb eines Jahres 13-mal bei den Beitragszahlen bediente, um seine laufenden Leistungen finanzieren zu können - ganz nebenbei gesagt: eine Art und Weise der Finanzierung, die sich der Gesetzgeber zwar erlauben kann, aber meines Erachtens nicht leisten sollte.

(Miriam Staudte [GRÜNE] lacht)

Ich komme zum Schluss: Der Antrag 18/24 der FDP zielt mithin schlicht darauf ab, den Bundesgesetzgeber anzuhalten, beide Nachteile der Umstellung aus 2006 dadurch rückgängig zu machen, dass die alte Rechtslage wiederhergestellt wird. Der dahinterstehende Gedanke war in jedem Fall richtig. Die Ausschussempfehlung führt im Vergleich mit dem Antrag 18/43 zu nichts anderem als einem Appell. Einzig zielführend wäre am Ende des Tages aber eine gesetzliche Neugliederung, die dem Status quo von vor 2006 inhaltlich nahekommt. Diese Option ist in den Absätzen 3 und 4 des Änderungsantrags der FDP enthalten. Deshalb würde unsere Fraktion im Ergebnis den Änderungsantrag der FDP 18/43 mittragen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Henze. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich nun der Kollege Schulz-Hendel zu Wort gemeldet. Bitte schön!