Protokoll der Sitzung vom 13.12.2017

Das heißt aber nicht, dass es an kleinen Standorten nicht auch zu gefährlichen Situationen und Bedrohungslagen kommen kann. Die besten Prognosen helfen nur bedingt; denn Gewaltausbrüche entstehen oftmals völlig unerwartet. Sicherheit und Schutz lassen sich daher nur durch möglichst umfassende Eingangskontrollen organisieren. Unser Ziel muss sein, die Risiken weiter zu minimieren.

Vielfach wird eingewandt, dass dies den Öffentlichkeitsgrundsatz einschränke. Der Öffentlichkeitsgrundsatz bedeutet, dass jedermann Zutritt zu Gerichtsverhandlungen hat. Der Grundsatz ist gewahrt, wenn Gerichtssäle während der Verhandlung für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Dabei bleibt es auch, wenn vor dem Zutritt kontrolliert wird.

Die bereits jetzt durchgeführten Kontrollen zeigen, dass Zugangskontrollen mit einer bürgernahen

Justiz vereinbar sind. Schließlich hat auch die Öffentlichkeit ein Interesse an Sicherheit.

Die Gefahrenlage bzw. die Ursachen sind unterschiedlich. Aktuell denke ich an die ReichsbürgerGruppierungen, aber auch an Strafverfahren im Bereich der organisierten Kriminalität, Zivilverfahren mit hoher emotionaler Betroffenheit wie Familiensachen oder auch Nachbarschaftssachen und existenzbedrohende Verfahren im Arbeits- oder Insolvenzrecht. Und schließlich haben wir in den letzten Jahren eine andere Gefährdungslage aufgrund terroristischer Bedrohungen.

Fest steht, dass wir einen Wandel in unserer Gesellschaft haben. Es gibt mehr Respektlosigkeit, einen Wegfall sozialer Kontrolle, einen fehlenden Zusammenhalt in Teilen unserer Gesellschaft und einen anderen Umgang mit Konflikten. Diese Entwicklung macht leider auch nicht halt vor unseren Gerichten. Die Zahl der bei Kontrollen gefundenen Waffen und gefährlichen Gegenständen nimmt zu. Leider ist auch die Zahl von Übergriffen, Bedrohungen und Beleidigungen bei Gericht in den letzten Jahren in Deutschland gestiegen. Dies wird immer wieder von den Verbänden vorgetragen.

Es ist nicht einsehbar, weshalb wir das, was an Flughäfen, bei Fußballspielen und Großveranstaltungen selbstverständlich ist, nämlich Eingangs- bzw. Zugangskontrollen, unseren Gerichten verwehren sollten. Durch Zugangskontrollen kann das Risiko deutlich minimiert werden, zum einen weil im Vorfeld Waffen und dergleichen aufgefunden werden, aber auch weil den Kontrollen eine abschreckende und präventive Wirkung zukommt. Einzelfallunabhängige Kontrollen sind gut. Gefährdungsanalysen helfen, um das vorhandene Personal optimal einzusetzen. Aber mittelfristig brauchen wir tägliche, generelle Kontrollen.

Mit diesem Antrag wollen wir die vorhandenen Sicherheitskonzepte weiterentwickeln. Die SPDFraktion möchte die Verbände in diesen Prozess einbinden; denn uns sind die Erfahrungen der Praxis wichtig.

In den letzten Jahren wurde bereits einiges auf den Weg gebracht. Mit den beiden großen Baumaßnahmen Justizzentrum Hannover und Osnabrück haben wir bauliche Voraussetzungen dafür geschaffen, dort Zugangskontrollen besser zu organisieren. Es hat viele kleine Baumaßnahmen im Bestand gegeben, mit denen wir dazu beigetragen haben, den Sicherheitsanforderungen der Justiz besser Rechnung zu tragen. Über den Haushalt, zuletzt mit dem Doppelhaushalt

2017/2018, haben wir schließlich für Personalverstärkung in der Justiz gesorgt. Den eingeschlagenen Weg wollen wir konsequent weitergehen.

Regelmäßige und umfassende Kontrollen werden sich an einigen Standorten nur sicherstellen lassen, wenn wir zu baulichen Veränderungen kommen. Deshalb halte ich es für zwingend, dass wir das Thema Justizzentren angehen. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass im Koalitionsvertrag aufgenommen wurde, dass Braunschweig und Oldenburg als große, wichtige Justizstandorte Justizzentren erhalten.

Neben den baulichen Voraussetzungen wird es insbesondere darum gehen, den Wachtmeisterdienst personell zu stärken und den Bereich der Schulungen auszubauen.

In der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs liegt durch den Wegfall von Botengängen und dergleichen eine Chance, personelle Ressourcen für zusätzliche Kontrollen freizubekommen.

Bei der Personalausstattung stellt sich gerade an kleinen Standorten das Problem, dass es an Wachtmeisterinnen fehlt, um die Besucherinnen zu kontrollieren. Auch insoweit gibt es Nachsteuerungsbedarfe.

Schließlich wollen wir prüfen, inwieweit wir durch den weiteren Einsatz technischer Hilfsmittel Verbesserungen erreichen können. Hier wird es auch darum gehen zu schauen, wie die Erfahrungen in anderen Bundesländern sind.

Anknüpfend an den Status quo, wollen wir unter Einbeziehung der Justiz und der Verbände die bestehenden Konzepte weiterentwickeln mit dem Ziel, Bedrohungslagen weiter einzudämmen.

Die Verbesserungen werden sich, auch weil sie haushaltswirksam sind, nicht ad hoc umsetzen lassen, sondern sukzessive. Dafür wollen wir einen verbindlichen Fahrplan auf den Weg bringen. Dies tun wir im Einklang mit dem Anspruch an eine bürgernahe und offene Justiz. Bürgernähe und berechtigte Sicherheitsbedürfnisse sind für uns dabei kein Widerspruch.

Ich freue mich auf die Ausschussberatungen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke schön, Herr Kollege Prange. - Das Wort hat jetzt der Kollege Helge Limburg, Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und der CDU beschreibt - darauf hat der Kollege Dr. Genthe schon völlig zu Recht hingewiesen - zunächst einmal zahlreiche Selbstverständlichkeiten. Da soll Handlungsbedarf evaluiert, sollen Schulungsmaßnahmen fortgesetzt und weiterentwickelt sowie Sicherheitskonzepte überprüft und weiterentwickelt werden. Alles gut und richtig, alles nicht bahnbrechend, alles eine Bestätigung und Fortsetzung der Justizpolitik der letzten Jahre unter der grünen Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz. Wer, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollte etwas dagegen haben?

Vor diesem Hintergrund, Herr Kollege Calderone, ist es schon verwunderlich, dass Sie jetzt hier in der Debatte versuchen zu suggerieren, es sei in den letzten Jahren nichts passiert und alles, was damals war, sei schlecht und falsch gewesen. Wenn Sie das so sehen würden, Herr Calderone, dann hätten Sie doch nicht einen Antrag auf den Weg bringen können, mit dem Sie im Wesentlichen sagen: Macht mal so weiter, was ihr in den letzten Jahren aufgelegt habt, und entwickelt das ein bisschen weiter! - Nein, Herr Calderone, in den letzten Jahren ist in diesem Bereich sehr viel passiert. Es ist vor allem sehr viel Richtiges passiert.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Jens Nacke [CDU]: Ja?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Nr. 2 des Antrags kommt dann der entscheidende Punkt. Da fordern Sie tägliche Sicherheitskontrollen an Gerichten und Staatsanwaltschaften. Sie haben es in der Rede deutlich gemacht: Es geht natürlich um Einlasskontrollen und nicht etwa um Sicherheitskontrollen an der Heizung oder der Entlüftung.

Wenn das - täglich, anlasslos - so gemeint ist, wie Sie es hier dargestellt haben, dann ist das in der Tat nichts weniger als ein Paradigmenwechsel in dieser Frage. Anlassbezogen, nach gründlicher Analyse im Einzelfall, wenn es konkrete Gefahrenhinweise gibt, oder ergänzend natürlich auch einmal stichprobenartig ohne einen konkreten Hinweis - das war bislang die angemessene, verhältnismäßige Art, den Bedrohungen und Gefahren an Gerichten und Staatsanwaltschaften zu begegnen.

Nunmehr wollen Sie davon weg. Sie wollen allgemeine, flächendeckende Generalkontrollen einführen. Das geht in der Tat in genau dieselbe Richtung, wie die GroKo auch in anderen Bereichen

agieren möchte, z. B. im Bereich der Videoüberwachung, in dem es Ihnen um eine Ausweitung geht, und im Bereich der Sicherheit. Flächendeckend und anlasslos - das ist die Zielrichtung der GroKo. Das können Grüne als Rechtsstaatspartei natürlich nicht mitmachen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN sowie Zu- stimmung von Jörg Bode [FDP])

Um es klar zu sagen: Das Ziel, Sicherheit zu schaffen und Leib und Leben der Menschen in den Gerichten zu schützen, teilen wir natürlich. Aber richtig ist eben auch - Herr Prange, Sie haben in Ihrer Rede zu Recht darauf hingewiesen -: Eine absolute Sicherheit kann und wird es in einem freien, demokratischen Rechtsstaat niemals geben.

Sie begeben sich mit diesem Ansatz der anlasslosen und flächendeckenden Kontrollen sehenden Auges in ein großes Dilemma. Denn wenn Sie sich nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, dass Ihnen Leib und Leben anderer Landesbediensteter, z. B. an Jobcentern, Schulen und Ähnlichem, weniger wert wären als an Gerichten - ich unterstelle Ihnen das ausdrücklich nicht, um das klar zu sagen -, dann müssten Sie doch als Nächstes anfangen, auch an diesen öffentlichen Einrichtungen - Kreishäusern und Ähnlichem - flächendeckende, anlasslose Eingangskontrollen einzuführen. Wenn Sie das aber tun würden, dann - darüber sind wir uns wohl einig - wäre dieses Land ein anderes und hätte sich zu seinem Schlechten verändert. Nein, dieses Dilemma können Sie in Wahrheit in Ihrer Logik nicht auflösen. Darum: Fangen Sie gar nicht erst an! Hören Sie auf, öffentliche Gebäude festungsartig auszubauen, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, Politik ist auch das Setzen von Prioritäten. Sie können, auch wenn Sie so tun, als würden Sie auf ewig in Geld schwimmen, jeden Euro nur einmal ausgeben; Herr Kollege Wenzel hat vorhin schon zu Recht darauf hingewiesen. Und da ist es schon bemerkenswert, welchen justizpolitischen Aspekt Sie in der Legislaturperiode ganz nach vorne stellen, was Sie als Allererstes, quasi als Wichtigstes betrachten. Das ist nicht das Erreichen von PEBB§Y 1.0, also das Schaffen von neuen Stellen für Richterinnen und Richter und Staatsanwälte. Das ist nicht die Verbesserung des Opferschutzes. Das ist nicht mehr Präventionsarbeit, die Unterstützung für Betreuer und die Bekämpfung der

Einbruchskriminalität. Das alles sind wichtige Zitate aus Ihrem Koalitionsvertrag. Aber am allerwichtigsten sind Ihnen diese anlasslosen Sicherheitskontrollen. Für die übrigen Bereiche, für mehr Richterstellen und mehr Stellen für Staatsanwälte, ist dann, wenn es am Ende schlecht läuft, vielleicht kein Geld mehr da. Das ist ein schlechtes Signal für die niedersächsische Justiz, weil die anderen Themen viel dringender und wichtiger sind als das, was Sie hier nach vorne stellen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Letztlich ist es doch so: Sie doktern auch mit diesem Entschließungsantrag und mit diesen Maßnahmen an den Symptomen in der Sicherheitsdebatte herum, anstatt die Ursachen wirklich anzugehen. Eine Verschärfung des Waffenrechts beispielsweise, das wäre eine Maßnahme, die mehr Sicherheit schaffen würde, nicht nur in Gerichten, sondern auch außerhalb von Gerichten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das haben Sie, insbesondere Sie von der CDU, aber zum Teil leider auch die lieben Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokratie, in den vergangenen Jahren immer wieder blockiert.

(Widerspruch bei der SPD)

Wir sind in dieser Frage viel zu wenig vorangekommen. Wir hätten längst mehr Sicherheit schaffen können.

Ein letzter Punkt zur Frage der Finanzierung. Weil wir in der Vergangenheit - - -

(Zuruf von Dirk Toepffer [CDU])

- Das ist natürlich Unsinn, Herr Kollege Toepffer. Das wissen Sie auch.

(Zuruf von Dirk Toepffer [CDU])

- Das habe ich nicht verstanden.

(Dirk Toepffer [CDU]: Du warst noch niemals in einem Familiengericht! Da hilft auch das Waffengesetz nichts!)

Herr Kollege Limburg, kommen Sie bitte zum Schluss!

Herr Toepffer, auch gegen Stichwaffen hilft natürlich das Waffengesetz. Schauen Sie sich die entsprechenden Vorschriften einmal an!

Ein letzter Punkt, ein letzter Satz, Herr Präsident: Wenn Sie, wie Sie es in der Vergangenheit im Bereich der Justiz gemacht haben, jetzt Ihr Finanzierungsdilemma dadurch umgehen wollen, dass Sie die Sicherheit privatisieren, dass Sie das also an private Sicherheitsdienste auslagern wollen, dann kann ich Ihnen ankündigen: So etwas werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Das werden wir mit allen parlamentarischen Mitteln bekämpfen. Ich fordere Sie auf, Frau Havliza, hier und heute klar zu erklären, dass es keine Privatisierung im Bereich der Sicherheit an niedersächsischen Gerichten geben wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)