- Es ist wunderbar, wenn an beiden Seiten Gespräche geführt werden. Die interessieren mich aber nur bedingt, weil ich gerade versuche, einen Tagesordnungspunkt aufzurufen.
- Es ist wirklich nicht so einfach, Herr Kollege Siebels. Deswegen sitze auch ich hier oben und nicht Sie. Herzlichen Dank für diese Steilvorlage!
Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung: Gemeinsame europäische Asylpolitik - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 18/2887
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und verehrte Kollegen! Bereits im Jahr 2015 haben wir uns hier im Niedersächsischen Landtag über die Frage unterhalten - und übrigens einen einstimmigen Beschluss darüber gefasst -, wie wir das europäische Asylsystem weiterentwickeln wollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen feststellen: Seit 2015 hat sich - obwohl es große Hoffnungen gab, dass es auf der europäischen Ebene Bewegung gibt - bei dieser Frage leider nichts bewegt. Das Parlament hat einen Entschluss gefasst, aber dieser wird vom Europäischen Rat blockiert.
Wir als Freie Demokraten - das möchte ich voranstellen - haben das Ziel, auf der europäischen Ebene, in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu vergleichbaren Standards und vergleichbaren Verfahren zu kommen - und das nicht auf dem Niveau Griechenlands, Ungarns oder Bulgariens, sondern natürlich zu hohen humanitären und rechtsstaatlichen Standards.
Das ist ein Grundprinzip, das wir an dieser Stelle beachten müssen. Es kann nicht angehen, dass es bei den Schutzquoten deutliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gibt, je nachdem, wo man den Asylantrag stellt.
Wir haben in dem Entschließungsantrag, den wir Ihnen heute vorlegen, noch einmal das Ziel aufgegriffen, zu einem europäischen Mechanismus bei der Verteilung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern zu kommen. Dieses Ziel hat das Europäische Parlament in seinem Beschluss festgelegt. Die Verteilung muss sich an den Bevölkerungszahlen und der Wirtschaftskraft der europäischen Länder orientieren.
Aber ich glaube, wir müssen auch darüber reden, welche Lehren wir aus der Flüchtlingskrise von 2015/2016 ziehen und welche Veränderungen wir auf europäischer Ebene auf den Weg bringen wollen. Wir sind ja in der Situation, dass wir - wenn wir uns die Zahlen von 2018 anschauen - mittlerweile wieder auf einem normalen Niveau angekommen sind und sogar unter den Zahlen von 2014 liegen. Von daher haben wir jetzt die Zeit, darüber nachzudenken, was in diesen Fragen auf der europäischen Ebene verändert werden muss.
Dabei halte ich es für wichtig, darüber zu reden, dass wir für Flüchtlinge mehr legale Einreisewege brauchen und die Möglichkeit, auch außerhalb von Europa Anträge stellen zu können, ohne dass der gefährliche Weg über das Mittelmeer genommen werden muss.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, für mich ist ganz klar - davon bin ich fest überzeugt -, dass wir als Europäer eine humanitäre Verantwortung dafür haben, dass das Sterben im Mittelmeer beendet wird. Dafür müssen wir Mechanismen auf den Weg bringen.
Eine der Antworten darauf, die wir Ihnen vorschlagen, ist, dass wir als Europäische Union gemeinsam mit dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen sogenannte Hotspots in der Nähe der Krisenherde schaffen, in denen Flüchtlinge, die als solche anerkannt werden, die Möglichkeit haben, vor Ort Anträge zu stellen, und dass dann auch gleich vor Ort die Anträge bearbeitet und Fragen wie, ob sie individuell verfolgt würden, ob sie eine Chance hätten, in ihre Heimat zurückzukehren, entschieden werden, um so zu verhindern, dass
Ich glaube aber auch, dass wir als Europäer beim Thema Außengrenzschutz besser werden müssen. Es ist ja ein Beschluss gefasst worden, Frontex auszubauen, also die Außengrenzen des Schengen-Raumes stärker zu schützen. Das halte ich für richtig, weil wir Außengrenzen schützen müssen, wenn wir die Binnengrenzen offenhalten wollen.
Aber auch das Thema „Europäische Küstenwache“, zu dem es zwar Grundsatzbeschlüsse gibt, aber eben noch keine konkreten Planungen, müssen wir forcieren. Ich bin davon überzeugt, dass wir eine Europäische Küstenwache brauchen und dass wir für den rechtsfreien Raum, der im Mittelmeer derzeit herrscht, in dem wir auf Hilfsorganisationen angewiesen sind, die nachher nicht wissen, wohin sie die Flüchtlinge fahren können, Regeln auf den Weg bringen müssen, wonach die Europäische Küstenwache im Bereich des Mittelmeeres den Grenzschutz und Hilfeleistungen organisiert.
Wir schlagen Ihnen vor, dass wir in Staaten, die dazu bereit sind, an den Schengen-Außengrenzen von der Europäischen Union organisierte Zentren installieren, in denen auch Antragsberatung stattfindet, gestützt durch die Europäische Union.
Erinnern wir uns daran, was vor der Asylkrise 2015/2016 gewesen ist, als wir in Deutschland sehr viele Anträge zu bearbeiten hatten. Davor war es so, dass die alle in Italien gelandet sind, dass sie in Griechenland gewesen sind. Die Europäische Union hatte davor ein Stück weit die Augen verschlossen und diese Länder alleingelassen. Ich glaube, eine dieser Lehren muss auch sein, dass wir diese Länder unterstützen, dass wir an der Stelle nach europäisch einheitlichen und humanitären und rechtsstaatlichen Standards Zentren organisieren, in denen auch eine Antragsbearbeitung stattfindet.
Ich habe die Hoffnung, dass wir hier im Niedersächsischen Landtag zu vielen dieser Fragen einen Konsens finden können.
An der Stelle muss aber auch gefragt werden: Warum gibt es denn eigentlich keine Bewegung auf der europäischen Ebene, wo doch eigentlich jeder weiß, dass Migrations- und Asylpolitik europäisch gedacht werden muss und nicht national in Einzellösungen organisiert werden kann? - Das liegt daran, dass wir auf der europäischen Ebene das Einstimmigkeitsprinzip haben, wonach wir
eben auf den Letzten warten müssen - mit der Folge, dass wir dann beispielsweise die Blockade von Ungarn oder von Italien haben.
Deswegen brauchen wir auch auf der europäischen Ebene grundlegende Reformen in der Frage des Einstimmigkeitsprinzips, damit wir beispielsweise beim Thema „Asyl und Migration“ auch europäisch weiterkommen. Einen Lösungsvorschlag dazu, wie das aussehen kann, haben wir als Freie Demokraten Ihnen heute vorgelegt.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Oetjen. - Für die SPD hat sich der Kollege Dr. Pantazis zu Wort gemeldet. Bitte sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dem Grunde nach, Herr Oetjen, was die Ausführungen Ihres Entschließungsantrages betrifft, also die Reform des Dublin-Systems, die Aufstockung der Ausstattung der Grenzschutzagentur Frontex und die weiteren Punkte, die Sie in Ihrem Antrag erwähnen, sind wir gar nicht so weit auseinander. Das stimmt.
Weil das so ist, haben wir ja im Jahr 2015 - wie Sie in der Begründung gerade ebenfalls erwähnt haben - einen Antrag auf eine faire Regelung des europäischen Asylsystems fraktionsübergreifend beschlossen.
Sie bemängeln nun aber in Ihrem Antrag, dass seitdem nicht genügend passiert ist. So ganz stimmt das natürlich nicht. Sie haben es eben auch selbst eingeschränkt. Denn schon vor der Flüchtlingskrise 2015 hatte die Europäische Kommission begonnen, die gesamte Asyl- und Migrationspolitik zu überarbeiten und den Schutz der Außengrenzen zu verstärken. 2016 hat sie umfassende Vorschläge vorgelegt, um das Dublin-System zu reformieren und ein echtes europäisches Asylsystem zu schaffen. So umfasst dieses System eine Angleichung der Asylregelungen in der EU, eine solidarische Flüchtlingsverteilung sowie einen starken, gemeinsamen Schutz der EU-Außengrenzen.
Sie sehen, es ist alles nicht neu. Das neue System ist gerechter und effizienter. Es formuliert klare Rechtspflichten für Asylbewerber, räumliche Beschränkungen für den Erhalt materieller Leistungen sowie Konsequenzen bei Zuwiderhandlungen.
Durch gemeinsame europäische Maßnahmen - beispielsweise zur Kontrolle der EU-Außengrenzen - konnte die Zahl der illegalen Migranten - Sie haben es gerade ebenfalls angesprochen - seit ihrem Höhepunkt im Oktober 2016 in der EU um 95 % verringert werden. Sie sehen, die Zahlen sprechen für sich.
Nun auf Ihre Forderungen, die - ich habe es gerade gesagt - ja nicht sonderlich neu sind, einzeln eingegangen:
Erstens. Die Grenzschutzagentur Frontex soll bis 2020 auf 10 000 Beamte aufgestockt werden. Das ist ebenfalls ein Vorschlag der EU-Kommission. Wie gesagt, das ist nicht ganz neu, aber darüber besteht ja Konsens. Die Mitgliedstaaten äußern jedoch aktuell Zweifel. Selbst aus deutscher Sicht ist die personelle Aufstockung bis 2020 äußerst ambitioniert. Das gilt - wie aus einer offiziellen Stellungnahme des BMI hervorgeht - aber nicht nur personell, sondern auch im Hinblick auf die Befugnisse. Italien und Griechenland beispielsweise fürchten um Souveränität, wenn Frontex mehr Kompetenzen bekäme.
Damit wären wir bei der Seenotrettung. Das wäre nämlich die Kompetenzausweitung. Für die Sozialdemokratie kann ich eindeutig erklären, dass wir uns ohne Wenn und Aber zur Seenotrettung bekennen.
Wenn sich Europa als Wertegemeinschaft versteht, dann muss Humanität - also die Rettung von Menschenleben - keine Frage des Ob, sondern stets des Wie sein und somit eine Selbstverständlichkeit darstellen. Absolut d’accord.
Zweiter Punkt, Reform des Dublin-Systems. Dass eine Reform erfolgen muss, ist völlig unbestritten. Wie Sie aber selbst genau wissen, scheitert eine Reform nicht an Deutschland, sondern vornehmlich an der Blockadehaltung - allen voran - der osteuropäischen Visegrád-Staaten. Aber auch Österreich stellt eine geregelte Verteilung von Flüchtlingen infrage. Italien will von einer Reform bislang nichts wissen, obwohl es zu den Ländern gehört, die von einer Reform profitieren und durch sie deutlich entlastet werden würden.
Ungarns Ministerpräsident, mit dem sich Herr Salvini regelmäßig in den Armen liegt, lehnt übrigens jede Aufnahme von Flüchtlingen schlichtweg ab.
Hier eine Quotenverteilung nach Größe und Wirtschaftsleistung der Länder zu fordern, ist lobenswert und unterstützenswert - keine Frage -, aber - wie ich befürchte - aufgrund der institutionellen Defizite, die auch Sie angesprochen haben, schlichtweg nicht durchsetzbar.