Protokoll der Sitzung vom 28.03.2019

verlassen ihre Heimat in der Hoffnung, an einer anderen Stelle eine bessere Zukunft zu haben. Nach wie vor kommen Menschen aus allen Teilen der Welt in Deutschland, aber auch in Niedersachsen in unseren Aufnahmeeinrichtungen an. Wir erleben zwar nicht mehr eine Massivität wie 2015/2016 im Rahmen der Flüchtlingskrise. Aber die Fluchtursachen und die Biografien der Menschen, die zu uns kommen, sind noch immer ähnlich.

Das Gute an der Flüchtlingskrise war und ist - das muss man an dieser Stelle auch einmal feststellen -, dass wir seitdem viel erreicht haben, dass sich seitdem in Deutschland und auch in Niedersachsen viel getan hat, und zwar rechtlich, räumlich und organisatorisch.

Sicherlich kann man nach wie vor das eine oder andere kritisieren - ob es nun, wie in dem Antrag dargestellt, der Beginn der Schulpflicht ist oder auch, dass die Verfahren an vielen Stellen noch zu lange dauern. Aber im Großen und Ganzen sind wir, was die Aufnahme, die Unterbringung, aber auch die Integration angeht, in den letzten Jahren doch vorangekommen. Das müssten eigentlich auch die Kritiker einräumen.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD - Belit Onay [GRÜNE]: An die Kritik in den letzten Jahren kann ich mich erinnern! - Zuruf von Julia Willie Hamburg [GRÜNE])

Aber darauf können wir uns selbstverständlich nicht ausruhen, Frau Hamburg und Herr Onay. Gerade was den Bereich der Bildung, das Näherbringen der deutschen Sprache, der Kultur und der Werte für eine erfolgreiche Integration angeht, sind diese Dinge unbedingt notwendig, wenn bei vielen Einzelfällen am Ende hoffentlich die Anerkennung steht.

Vor dem Hintergrund der ungeklärten Status bei vielen Flüchtlingen hat man erst einmal Wert auf das Zurechtfinden in einem neuen Land und auf das Verstehen der Abläufe zu legen. Dafür gibt es in den Erstaufnahmeeinrichtungen das Konzept der Interkulturellen Lernwerkstatt; Frau Liebelt hat es ausführlich beschrieben. Natürlich gilt auch für dieses Projekt - wie für alle anderen Projekte auch -, dass man von Zeit zu Zeit schauen muss, ob sich das Instrument bewährt hat und an welchen Stellen es gegebenenfalls nachzubessern gilt.

Wie bereits an der Antwort der Landesregierung auf die Anfrage der FDP-Fraktion von Ende 2018 deutlich wird, ist das Kultusministerium in Zusammenarbeit mit der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen, mit dem Innenministerium und auch der Landesschulbehörde intensiv dabei, dieses Bildungsangebot weiterzuentwickeln. Auch das hat Frau Liebelt schon angesprochen.

Meine Damen und Herren, Ziel muss es doch sein, auch denen, die in den Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht sind, eine gute und faire Möglichkeit zu geben, unsere Sprache zu lernen und damit zunächst die notwendigen Dinge und Abläufe in diesem Land zu verstehen, sich zurechtzufinden oder auch auf den Regelschulunterricht vorbereitet zu werden. Gerade dies wird mit der Interkulturellen Lernwerkstatt getan. Ich meine, das geht inzwischen seit fast genau zwei Jahren so.

Schulpflicht hin oder her, ob die Schulpflicht nach der Zuweisung auf die Kommunen oder nach einigen Monaten in der Erstaufnahmeeinrichtung beginnt - wem, Herr Onay, wäre denn geholfen, wenn man den Forderungen des Flüchtlingsrates, die sich eins zu eins in Ihrem Antrag wiederfinden, nachkäme? - Die Kinder und Jugendlichen nach einem überschaubaren Zeitraum von knapp drei Monaten, also quasi unmittelbar am Regelunterricht teilnehmen zu lassen, wäre am Ende wahrscheinlich für viele eine Qual.

Ich glaube, man darf sich hierbei nicht hinter Rechtsvorschriften oder international bestehenden Vorschriften verstecken, sondern man muss die jungen Menschen im Blick haben. Vor allem gilt es, diese in dem neuen Land, in der neuen Umgebung fern der eigentlichen Heimat erst einmal ankommen zu lassen.

Die Große Koalition ist sich darin einig: Eine Beschulung nach kurzer Zeit außerhalb der Aufnahmeeinrichtungen ist nicht hilfreich, nicht zweckmäßig und tut den jungen Menschen nicht gut. Damit hilft man ihnen überhaupt nicht. Und davon abgesehen stehen auch die Kommunen nach wie vor vor einer großen Herausforderung.

Die Kinder sind nach der kurzen Zeit noch nicht so weit, in ein normales Schulsystem wie das unsrige überführt zu werden. Dies werden auch viele Experten bestätigen. Wir sehen in den Forderungen, wie sie sich in dem Antrag darstellen und wie sie auch der Flüchtlingsrat vorbringt, eher eine Belastung der jungen Menschen, wenn man sie in das allgemeine Schulsystem geben würde. Es besteht

einfach die Gefahr, dass sie dann durch das System fallen.

Meine Damen und Herren, wir verschließen uns aber selbstverständlich nicht, bestehende Projekte wie die Interkulturelle Lernwerkstatt zu verbessern, daran zu arbeiten und sie weiterzuentwickeln.

Ich bin sehr zuversichtlich - meine Kollegin Frau Liebelt hat dargestellt, dass sich das Kultusministerium der Problematik angenommen hat -, dass das Kultusministerium in Kürze Anpassungen vornehmen und Lösungen präsentieren wird.

Meine Damen und Herren, ich freue mich auf die weiteren Beratungen im Kultusausschuss, auch wenn der Minister sicherlich gleich noch zur Klarstellung beitragen wird.

In diesem Sinne vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank. - Auf Ihren Wortbeitrag liegt eine Kurzintervention der Kollegin Julia Willie Hamburg, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, vor. 90 Sekunden, bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bock, Sie sagten, die GroKo sei sich einig, dass ein Schulbesuch nach kurzer Zeit nicht gewünscht ist. Das erstaunt mich etwas, weil ich Frau Liebelt gerade so verstanden habe, dass sie genau im Sinne unseres Antrags und auch im Sinne der Kritik in der Kommission für Migration und Teilhabe das Schulgesetz ändern möchte, um hier bereits im kommenden Schuljahr Veränderungen herbeizuführen. Da müssen Sie mir einmal Ihre große Einigkeit erklären. Sehen Sie das so wie Frau Kollegin Liebelt oder nicht?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Darüber hinaus möchte ich Sie an einer Stelle korrigieren. Die Interkulturelle Lernwerkstatt hat damals Rot-Grün eingeführt, und zwar vor dem Hintergrund, dass wir meinten, dass bereits in den Erstaufnahmeeinrichtungen eine Art Beschulung und Vorbereitung stattfinden muss, aber eben verbunden mit dem Wunsch, dass diese Kinder sehr zeitnah auf die Kommunen verteilt werden. Der GBD hat ja deutlich gemacht, dass diese Zeit heutzutage bis zur Unkenntlichkeit ausgeweitet

wird und dass hier deswegen auch die Schulpflicht greifen muss.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und Ihre laxe Aussage „Schulpflicht hin oder her“ finde ich sehr spannend, weil das Thema „Schulpflicht“ für Sie doch sonst immer eine todernste Angelegenheit ist, die Sie z. B. auch bei „Fridays For Future“ wie eine Monstranz vor sich hertragen.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜ- NEN sowie Zustimmung bei der FDP)

Diese Differenz könnten Sie mir auch noch einmal erklären, warum die Schulpflicht für Kinder und Jugendliche in Erstaufnahmeeinrichtungen nicht gelten soll.

Dabei interessiert mich dann auch noch, ob Sie, wie Frau Liebelt, es auch begrüßen würden, wenn es bereits im kommenden Schuljahr eine Schulgesetzänderung gäbe, und wie Sie als Vorsitzender des Kultusausschusses darauf hinwirken würden, dass diese Änderung bereits zum nächsten Schuljahr greifen wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Jörg Bode [FDP] - Zu- ruf von Belit Onay [GRÜNE])

Ihnen vielen Dank. - Der Abgeordnete Bock hat signalisiert, dass er antworten möchte. Bitte schön! Auch für Sie gibt es 90 Sekunden.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Liebe Frau Hamburg, mir ist natürlich bewusst, dass es die Interkulturelle Lernwerkstatt seit 2017 gibt. Ich habe doch auch gesagt, dass die Interkulturelle Lernwerkstatt jetzt quasi auf das Datum genau zwei Jahre alt ist. Damit war klar, dass es der Februar 2017 gewesen,

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Die gibt es schon länger!)

und da hat hier noch Rot-Grün regiert. Aber das hat sich inzwischen Gott sei Dank geändert.

Zweitens. In Ihrem Antrag wird vor allem deutlich, dass Sie sich auf diejenigen Kinder beziehen - auch wenn das nur eine überschaubarer Anzahl ist, aber immerhin -, die in den Aufnahmeeinrichtungen 22 Monate und länger keine Beschulung erfahren. Für diese Kinder wird es Lösungen geben. Aber ich habe ja deutlich gemacht, warum es

wenig Sinn macht, Kinder und Jugendliche schon nach wenigen Wochen in einer Aufnahmeeinrichtung, in einer neuen Umgebung, direkt an die Schule zu geben.

(Zuruf von Belit Onay [GRÜNE])

Ich bin mir auch sicher - das habe ich ebenfalls ausgeführt -, dass der Minister die Dinge gleich noch einmal deutlich unterstreichen und bei Ihnen für Klarheit sorgen wird.

Der letzte Punkt, Frau Hamburg: Ich weiß nicht, wie Sie bei diesem wichtigen und ernsten Thema den Bogen zu „Fridays For Future“ schlagen können.

(Belit Onay [GRÜNE]: Den Bogen ha- ben Sie doch geschlagen! So eine la- xe Aussage von der CDU zur Schul- pflicht habe ich auch nicht erwartet!)

Das hat mit dieser Thematik doch nichts zu tun. Wenn es Ihrem Antrag in der Beratung hilft, werden wir das im Kultusausschuss noch einmal näher beleuchten, aber im Grunde - um dem vorzugreifen, was der Minister gleich ausführen wird - hat sich Ihr Antrag erledigt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke Ihnen. - Für die AfD-Fraktion der Abgeordnete Harm Rykena, bitte!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Grünen haben einen Antrag gestellt, der inhaltlich falsch und deswegen eigentlich überflüssig ist. Es werden Probleme identifiziert, die eigentlich keine sein müssten, und es werden Lösungen vorgeschlagen, die die ohnehin angespannte Lage an unseren Schulen noch weiter erschweren würden.

Bereits der Titel des Antrags enthält eine wesentliche Falschinformation. Darin fordern die Grünen, geflüchtete Kinder in Erstaufnahmeeinrichtungen frühzeitig zu beschulen. Das Problem ist nur, dass es im Antrag gar nicht um geflüchtete Kinder geht, sondern um Kinder aus Familien, die aus sicheren Herkunftsstaaten nach Deutschland kommen. Diese sind bekanntlich nicht als Flüchtlinge anerkannt und werden das auch nicht, weil sie eben aus sicheren Herkunftsstaaten kommen. Das ist Framing par excellence.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Da sind Sie ja Experte!)

Die Grünen fordern nichts anderes, als Kinder von illegal Eingewanderten zu beschulen, obwohl klar ist, dass sie kein Recht haben, hier in Deutschland zu bleiben, und wieder abgeschoben werden müssen.

(Widerspruch bei den GRÜNEN)

Da die Kinder der illegal eingereisten Familien kein Bleiberecht haben, würde eine Beschulung für diese Kinder falsche Hoffnungen wecken. Humaner und sehr viel gerechter wäre daher nur - und zwar ausschließlich - eine zügige Abschiebung in die Heimatländer.

(Ulf Prange [SPD]: Wie kann man nur so zynisch sein?)