Protokoll der Sitzung vom 28.03.2019

Das war die eine Maßnahme. Wir haben eingefordert, weitere Maßnahmen landesspezifisch ge

meinsam mit den Verkehrsakteuren auf den Weg zu bringen. Das haben Sie verweigert. Das hielten Sie nicht für nötig. Das ist angesichts der neuen Unfallstatistik umso bedauerlicher.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Ebenfalls nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung erhält Herr Kollege Bode von der FDP-Fraktion noch einmal das Wort. Auch für Sie: anderthalb Minuten!

Frau Präsidentin! Herr Minister Althusmann, Sie haben in Ihrer Rede gesagt, dass bei Ihnen zumindest der Eindruck entstanden ist, man habe Ihnen vorgeworfen, dass es einen Zusammenhang zwischen Ihrem politischen Handeln und den Unfalltoten oder Unfällen gebe. Für mich kann ich nur sagen - ich denke, das gilt auch für alle anderen -, dass niemand Ihnen oder anderen Mitgliedern der Landesregierung einen solchen Vorwurf machen wird, gemacht hat oder machen würde, weil er absurd und tatsächlich falsch wäre. Dennoch muss es möglich sein, hier im Parlament über Maßnahmen, die man ergreifen sollte oder bei denen man mehr Nachdruck fordert, zu sprechen.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Ich bitte, zumindest meine Aussagen so zu verstehen.

Sie haben dann gesagt, dass Sie einen Erfolg verzeichnen können; denn die Staulängen im Jahr 2018 seien im Vergleich zu 2017 zurückgegangen. Ich stelle fest: Der ADAC hat für 2017 eine Staulänge von 121 460 km in Niedersachsen ausgewiesen und für 2018 eine solche von 155 250 km. 155 000 ist mehr als 121 000.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Bode. - Weitere Wortmeldungen zu diesem Teil der Aktuellen Stunde liegen nicht vor, sodass ich ihn schließe.

Ich eröffne die Besprechung zu

b) Gute Arbeitsbedingungen in der ambulanten Pflege! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 18/3307

Das Wort erteile ich nun der Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Frau Kollegin Modder. Bitte, Frau Kollegin!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Fraktion hat die Aktuelle Stunde zum Thema „Gute Arbeitsbedingungen in der ambulanten Pflege!“ angemeldet, weil uns die Meldungen der letzten Wochen doch sehr beunruhigen.

Schlagzeilen wie „Aus für die ambulante Pflege“ oder „Ist die häusliche Pflege noch bezahlbar?“ machen deutlich, wie ernst die Situation ist. Es kann und darf nicht sein, dass die Diskussion um die Refinanzierung von Pflegekosten auf dem Rücken der Pflegebedürftigen, ihrer Familien und der Pflegekräfte ausgetragen wird!

(Beifall bei der SPD)

Für mich, meine Damen und Herren, ist das ein unwürdiges Kräftemessen bei einem hochsensiblen Thema.

Die AWO und die Diakonie drohen an, sich aus der ambulanten Pflege in Niedersachsen zurückzuziehen. Als Grund nennen sie die völlig unzureichende Finanzierung von Pflegeleistungen. Um was genau aber geht es da wirklich? AWO und Diakonie sind im Gegensatz zu vielen anderen Anbietern tarifgebunden. Es geht um die Übernahme von Wegekosten. Als eine Vertreterin des ländlichen Raumes weiß ich, glaube ich, nur zu genau, wie die Anfahrtswege auf dem Land sind. Dass diese angemessen bezahlt werden müssen, versteht sich von selbst. Darüber kann es eigentlich keine zwei Meinungen geben.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Wie extrem angespannt die Situation ist, zeigt, dass ein solcher Ausstieg aus der ambulanten Pflege ca. 16 000 Pflegebedürftige und rund 5 000 Pflegekräfte treffen würde. Das, meine Damen und Herren, ist ein nicht hinzunehmender Zustand und

ein unwürdiges Schauspiel auf dem Rücken von Pflegebedürftigen.

(Zustimmung bei der SPD)

Wir reden hier nicht über einen unwirtschaftlichen Unternehmenszweig, sondern wir reden hier über Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind. Ich glaube, dass die Kostenträger dabei sind, die Pflege in Niedersachsen an die Wand zu fahren. Wir reden schon lange nicht mehr von menschlicher Zuneigung, sondern in Fachkreisen wird von einer „Rennpflege“ gesprochen.

Meine Damen und Herren, wir akzeptieren nicht, dass Anbieter dafür abgestraft werden, dass sie nach den bestehenden Tarifen zahlen, somit für die Krankenkassen zu teuer sind und schlussendlich die anfallenden Kosten nicht gedeckt werden. In der Pflegeversicherung ist es ganz klar geregelt - Pflegestärkungsgesetz -, dass Anbieter mit Tariflöhnen in den Vergütungsverhandlungen nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden dürfen. Wie soll sonst auch eine gute und faire pflegerische Versorgung in Niedersachsen sichergestellt werden, wenn die Arbeitsbedingungen unterhalb von tariflichen Anforderungen liegen?

Meine Damen und Herren, der Großteil von ambulant zu pflegenden Menschen möchte so lange, wie es irgendwie geht, in den eigenen vier Wänden den wohlverdienten Lebensabschnitt gestalten können. Dies ist jedoch in einem Flächenland wie Niedersachsen eine besondere Herausforderung, da die Lage im Hinblick auf die Möglichkeiten der ambulanten Pflege aufgrund des Mangels an Pflegepersonal extrem angespannt ist.

Doch wie soll qualifiziertes Personal gefunden werden, wenn die Bezahlung nicht den Tarifen entspricht und die Wegezeiten nur mangelhaft oder zum Teil gar nicht vergütet werden? Gerade in ländlichen Regionen verschärft sich dieser Zustand. Ohne eine vernünftige Refinanzierung ist der Grundsatz „ambulant vor stationär“ nicht mehr zu halten.

Meine Damen und Herren, unsere Erwartungen möchte ich in wenigen Punkten zusammenfassen:

Erstens. Wir fordern ein konsequentes Umdenken auf der Seite der Kostenträger und eine andere Haltung zum Thema Pflegesätze.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Auf niedersächsischer Ebene erwarten wir gute und konstruktive Ergebnisse der Konzertierten Aktion Pflege.

Wir begrüßen es außerdem sehr, wenn im neuen Niedersächsischen Pflegegesetz die Investitionsförderung des Landes an die Zahlung von Tariflöhnen gekoppelt wird. Nur so können wir für gute Arbeitsbedingungen sorgen.

Meine Damen und Herren, wir brauchen dringend den Tarifvertrag Soziales, um endlich flächendeckend gute und faire Arbeitsbedingungen zu gewährleisten.

Ja, das alles wird viel Geld kosten. Der Kollege Uwe Schwarz hat immer wieder darauf hingewiesen. Doch es muss es uns wert sein, eine Pflege zu schaffen, die ein würdevolles Altern möglich macht.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Modder. - Es folgt für die FDP-Fraktion Frau Kollegin Bruns. Bitte, Frau Kollegin!

Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal meinen Dank dafür, dass wir heute darüber diskutieren können. Ich glaube, es ist wichtig, dass aus diesem Haus ein gemeinsames Zeichen nach außen geht, wie wir bestimmte Dinge ändern können. Da ist es wichtig, auch hier darüber zu reden. Deswegen zunächst meinen Dank an die SPDFraktion dafür, das Thema hier aufzurufen!

(Beifall bei der FDP und bei der SPD)

Wer derzeit in Veranstaltungen zum Thema Pflege sitzt, trifft auf ganz viele verzweifelte Angehörige, die sagen: Wir haben schon 30 Telefonate geführt, wir haben 40 Telefonate geführt! - Eine Bekannte von mir führt einen ambulanten Dienst in Hannover. Sie hat im letzten Jahr 700 Leute abweisen müssen, weil sie im Prinzip keine Pflegekräfte hatte und keine Kapazitäten mehr hatte, um die Leute zu pflegen. Dann stellt man sich die Frage: Was machen die Angehörigen dann? - Es kommt immer wieder die verzweifelte Frage: Was mache ich denn jetzt mit meinem Vater, mit meiner Mutter? - Dann guckt meine Bekannte in große Augen und sagt: Tja, wir können das an dieser Stelle nicht ändern. - Deswegen ist es wichtig, darüber zu reden.

Teile der Problemanalyse teile auch ich. Das große Problem fängt mit den Fahrtkostenerstattungen an. Das war zuerst auf dem Land akut, wo das Problem tatsächlich noch größer ist als in der Stadt, weil die Anfahrtswege einfach weiter sind. Aber auch wir in der Stadt haben das Problem, dass man für den Erstattungsbetrag von drei bis vier Euro überhaupt nicht mehr seine Fahrtkosten decken kann.

Ich hatte mit der Freien Wohlfahrtspflege gesprochen. Sie hat mir erzählt, dass die Unterdeckung bei fast 50 % der Fahrtkosten liegt; dieser Anteil wird nicht mehr erstattet. Deswegen haben wir schon im letzten Jahr gefordert - das können übrigens die Kassen mit einem Handstreich machen -, die Fahrtkostenpauschalen zu erhöhen. Eine Verdoppelung wäre angemessen, weil die Fahrtkosten tatsächlich seit Langem so hoch sind. Auch wenn ich weiß, dass wir das nur fordern können, wäre es aus meiner Sicht dennoch wichtig, in diesem Hohen Haus eine gemeinsame Forderung aufzustellen und zu sagen: Wir fordern das, weil wir möchten, dass die Menschen gut versorgt werden.

(Beifall bei der FDP und bei der SPD)

Zum Thema ambulante Pflege: Das Problem besteht dort darin, dass sie über zwei Bereiche finanziert wird: auf der einen Seite über das SGB XI, auf der anderen Seite über das SGB V, das die ganze Behandlungspflege umfasst. Die Finanzierung der Behandlungspflege ist nicht dergestalt gedeckelt, dass die Tariflöhne erstattet werden müssen. Einen solchen Passus enthält das SGB XI, er fehlt aber im SGB V.

Da die Finanzierung über beide Seiten ungefähr zu je 50 % erfolgt, wäre unsere Forderung, das bitte auch im SGB V zu deckeln, damit eine vollständige Refinanzierung der Löhne durch die Kassen auch bei der Behandlungspflege stattfindet. Das wäre eine Aufforderung an die GroKo, weil das nur auf Bundesebene geregelt werden kann. Es wäre wichtig, auch diesen Gesetzesteil so zu verändern, dass die Löhne refinanziert werden.

(Beifall bei der FDP und bei der SPD sowie Zustimmung von Anja Piel [GRÜNE] - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Richtig!)

Zum dritten Punkt. Auch Sie haben die Konzertierte Aktion Pflege angesprochen. Auch wenn ich weiß, dass das für Niedersachsen ein ganz schwieriger Wunsch ist, würde ich mir Folgendes wünschen: Ich war einmal im Saarland. Dort gibt

es eine Landesvereinigung, die mit der Freien Wohlfahrtspflege und den privaten Anbietern zusammen eine Landesarbeitsgemeinschaft gegründet hat. Das heißt, die Schlagkraft der beiden ist enorm. Es ist viel besser, in dem Bereich gemeinsam zu handeln, statt sich aufteilen zu lassen und gegeneinander ausgespielt zu werden. Deswegen wäre mein Plädoyer auch an die Freie Wohlfahrtspflege und die privaten Anbieter: Tun Sie sich zusammen und stellen Sie gemeinsame Forderungen auf!

Die Landesarbeitsgemeinschaft im Saarland hat mir erzählt: Wir streiten uns eine Woche lang wie die Kesselflicker. Dann gehen wir aber gemeinsam raus, haben gemeinsam einen starken Rücken und können gut für die Pflege verhandeln.

Es wäre vielleicht auch eine Aufgabe für das Sozialministerium, immer wieder Druck auszuüben und zu sagen - ich weiß, das ist ganz schwierig -: Das ist ein politischer Wille. Dieses Haus möchte das so. Wir möchten, dass die Menschen im Land weiterhin gut versorgt werden. - Wir sind, wie ich glaube, bei dem Thema gar nicht weit auseinander.

Vielen Dank.