Protokoll der Sitzung vom 29.03.2019

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Staudte. - Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit beenden wir die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Vorgeschlagen ist der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Wer möchte dem Vorschlag folgen? - Vereinzelte Kollegen

haben sich auch gemeldet. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen. Vielen Dank.

Wir kommen zu dem

Tagesordnungspunkt 34: Erste Beratung: Missstände in Schlachthöfen: Systemfehler beheben - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP - Drs. 18/3255

Zur Einbringung des Antrags hat sich der Kollege Grupe gemeldet. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen jetzt zu einem Antrag, der mir auch persönlich sehr am Herzen liegt. Es geht um Respekt für unsere Tiere.

Der Staat hat nicht nur die Aufgabe, meine Damen und Herren, sondern er ist in der Pflicht, den Tierschutz zu gewährleisten. Bei den Schlachtbetrieben, über die wir jetzt hier diskutieren und bei denen wir leider unsägliche Zustände zur Kenntnis nehmen mussten, muss grundlegend etwas geändert werden. Wir haben uns mit der Fraktion der Grünen zusammengesetzt und sind zu einem gemeinsamen Antrag gekommen. Der Kern ist definiert, indem wir sagen: Kein Tier darf unbetäubt geschlachtet werden.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der SPD)

Wir haben uns teilweise schon in Einzelheiten verfangen und gesagt, wir als Politik müssen doch für die Gesellschaft definieren, welches Ziel erreicht werden soll. Das müssen uns dann die Experten näher ausführen. Aber wir müssen sehen, welches Paket müssen wir betrachten, um hier voranzukommen.

Meine Damen und Herren, ein weiterer Kern ist: Die Arbeitsbedingungen müssen entsprechend gestaltet werden. In einem so sensiblen Bereich wie einer Schlachtung hat Akkordarbeit nichts zu suchen.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, hier wurde vorgeschlagen, Kameras zu installieren. Das kann einerseits ein Kontrollinstrument sein - das werden uns die Experten sagen können -, das kann andererseits aber vor allen Dingen ein Instrument sein, um die dort Tätigen zu schulen, ihnen zu sagen, wie sie es anders machen sollen, wie sie so arbeiten können, dass es viel schonender und Erfolg versprechender ist. Insofern schließen wir Kameras nicht aus, aber sie sind beileibe kein Allheilmittel. Kameras sind ein Mittel, über die im Nachhinein vielleicht Verstöße festgestellt werden können. Damit ist das Problem jedoch nicht zu beherrschen. Es wäre reine Symbolpolitik, wenn man sich allein darauf konzentrieren würde.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Der Staat muss also sicherstellen, dass alle tierschutzrelevanten Bedingungen eingehalten werden. Dazu gehört, dass man heute bei Neubauten z. B. die Gebäudeführung und die Beleuchtungskonstellation so gestaltet, dass die Tiere mehr oder weniger von allein die Wege gehen, dass also nicht unnötig Stress entsteht. So können die Tiere wesentlich schonender behandelt werden.

Dabei sind wir darauf gekommen, dass man gerade an der Stelle natürlich auch nicht überziehen darf. Denn wenn wir das sehr scharf formulieren, dann erreichen wir eines: dass die kleinen und die mittleren Schlachthöfe dichtmachen. Das wollen wir natürlich auch nicht. Wir wollen, wie wir eben ausführlich besprochen haben, ja unnötig weite Transportwege vermeiden. Deswegen haben wir gesagt, wir wollen, dass die Ziele, die wir haben, auch dort erreicht werden. Das kann an jedem Bestandsschlachthof wieder anders sein. Da müssen die Experten sagen, wie wir diese Ziele dort am besten verwirklicht bekommen. Aber wir wollen - und das steht ganz deutlich drin -, die kleinen und die mittleren Schlachthöfe in der Fläche erhalten.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Das sind nur einige Details. Ich will hier auch betonen, dass dieser Antrag hinsichtlich seines Forderungskatalogs keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Wenn es weitere Vorschläge gibt - und wir hoffen ja, dass die regierungstragenden Fraktionen diesen Antrag mittragen -, dann immer gerne!

Dieser Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen, definiert den Kern dessen, was uns wichtig ist und was Politik zu leisten hat, nämlich den Anspruch unserer Gesellschaft zu erfüllen, unsere Mitgeschöpfe verantwortungsvoll zu behandeln.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

So sensibel das Thema ist: Im Laufe unserer Versuche, einen gemeinsamen Antrag hinzubekommen, hat sich ergeben - so viel darf ich Ihnen sicherlich verraten -, dass wir uns nicht Positionen abringen mussten. Vielmehr haben wir überlegt, wie wir das alles noch besser definieren können, etwa indem wir auf ganze Passagen verzichten, und um damit wirklich das zu formulieren, was Politik leisten muss. Dafür kann ich nur einen ganz herzlichen Dank sagen. Es hat einen Riesenspaß gemacht, diesen Antrag zum Erfolg zu bringen.

Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss und hoffe, dass der Antrag vom gesamten Haus getragen wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Grupe. - Für die SPDFraktion hat nun die Kollegin Karin Logemann das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ja, die aufgedeckten Missstände in den Schlachthöfen fordern uns. Und ja, das ist auch richtig so. Ich begrüße ausdrücklich, dass parteiübergreifend Einigkeit darüber besteht, dass hier unbedingt Veränderungen passieren müssen.

Der chinesische Philosoph Laotse drückt es so aus: „Nur wer sein Ziel kennt, findet den Weg.“ Das Ziel kennen wir. Wir alle wollen gute Arbeitsbedingungen und eine gute Qualifizierung für die Menschen auf den Schlachthöfen. Wir wollen eine möglichst stressfreie Schlachtung des Tieres und eine intakte Technik sowie kluge Tierhaltungssysteme und die damit verbundene notwendige Überprüfung. Wir alle wollen unabhängige und starke Veterinäre, unabhängige und gute Kontrollen.

Wir begrüßen ausdrücklich die Entschließung des Bundesrates zur Einführung von kameragestützten Überwachungssystemen in Schlachthöfen - die

durch unsere Landesregierung auf den Weg gebracht wurde. Das allein kann es aber nicht sein. Deshalb ist es richtig, dass gemeinsame unangekündigte Schwerpunktkontrollen der kommunalen Veterinärbehörden und der landesweiten Zulassungsbehörde zur Überprüfung der Einhaltung tierschutzrechtlicher Vorgaben in niedersächsischen Schlachtbetrieben durchgeführt werden.

Auch begrüßen wir, dass sich die Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz auf Anregung Niedersachsens hin mit der Thematik der Tierschutzkontrollen an Schlachthöfen befasst und dabei konkrete Vorschläge für eine bundeseinheitliche Stärkung der amtlichen Kontrollen an Schlachthöfen entwickelt.

Die Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen und von der FDP haben hier einen umfassenden Antrag vorgelegt, der versucht, sich mit dem kompletten System auseinanderzusetzen und Verbesserungsvorschläge zu machen. Ein dickes Brett, das Sie da bohren wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dem Einsatz sind wir gerne dabei.

Aber eines fehlt mir. Herr Grupe hat ja gesagt, dass Sie gar nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Mir persönlich und mir als Sozialdemokratin fehlt bei diesem Antrag der besondere Fokus auf den Menschen. Viele Ihrer Punkte drehen sich darum, das Leiden der Tiere zwischen Anlieferung und Schlachtung möglichst gering zu halten. Das geht auch alles in die richtige Richtung, das greift weite Teile der Anhörung auf, und das ist auch unbedingt zu unterstützen. Aber was mir bei Ihrem Antrag fehlt, ist der menschliche Aspekt.

Da Sie von einem Systemfehler sprechen, sollten Sie sich auch mit dem gesamten System befassen. Tierschutz kann nicht wirklich funktionieren, wenn die Menschen, die mit den Tieren arbeiten, nicht auch berücksichtigt werden. Mir ist klar, dass Sie mit dem ersten der in dem Antrag aufgeführten Punkte - „angemessene Zeitabläufe“, „keine Akkordarbeit“ - deutliche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Schlachthöfen fordern. Das ist gut, reicht aber nicht aus: Noch immer gibt es für viele Beschäftigte die Werkverträge, noch immer werden mobile Beschäftigte ausgebeutet, noch immer wird nach Stückzahlen bezahlt.

Die Umsetzung des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft von 2017 muss überprüft und Vergehen müssen ge

ahndet werden. Die Arbeiterinnen und Arbeiter vor Ort haben keine Tarifverträge.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Dann än- dern Sie das doch!)

Diese Angestellten brauchen unsere Unterstützung ebenso, wie die Tiere sie brauchen. Der Einsatz der Beratungsstelle ist ein erster Baustein in die richtige Richtung - von Kommunen, von Kirche, von Gewerkschaften, Polizei, Zoll und Strafverfolgungsbehörden. Er beginnt zu greifen, muss aber konsequent ausgebaut und gestärkt werden.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Dann än- dern Sie das doch!)

Ich war am vergangenen Samstag auf der Demonstration „Geiz ist nicht geil! Lebensmittel brauchen einen fairen Preis!“ der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in Oldenburg. Ich konnte die Gelegenheit nutzen, mit Prälat Kossen zu sprechen, der sich, wie die Gewerkschaft NGG und viele andere, mit der Situation der Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeiter auseinandersetzt und sich hinter die gebeutelten Menschen stellt. Kossen sagte:

„Billig, billig, billig hat einen hohen Preis. Die Landwirte bezahlen mit ihrer Existenz, die rumänischen und bulgarischen Arbeiter mit ihrer Gesundheit und die Natur mit ihrer Vielfalt und dem ökologischen Gleichgewicht.“

Wir dürfen nicht der Landlust-Ideologie hinterherlaufen. Wir brauchen Transparenz, Aufklärung, faire Rahmenbedingungen und ehrliche Auseinandersetzungen.

Zu Ihren Einlassungen von eben möchte ich sagen: Es ist ja nicht so, dass das Thema neu wäre. Es ist schon lange auf dem Tapet. Auch vorhergehende Regierungen - das sage ich wohl wissend, dass wir daran beteiligt waren - hätten durchaus schon das eine oder andere anstoßen können. Auch als Verbraucher müssen wir uns ehrlich machen und uns fragen: Was sind wir bereit, für das, was wir fordern, zu zahlen?

Alles in allem kann ich aber sagen, dass ich auf die Beratungen im Ausschuss gespannt bin; denn wie eben schon gesagt: Die sich abzeichnende parteiübergreifende Entschlossenheit ist eine gute Basis für Veränderungen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Logemann. - Nun hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Staudte das Wort. Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Es ist nicht üblich, dass sich FDP und Grüne bei so einem Thema zusammenraufen, und insofern ist dieser Antrag schon etwas Besonderes. Wir haben häufig zusammengesessen und sind wirklich - Frau Logemann hat es gesagt - die Anregungen aus den Anhörungen durchgegangen. Wir haben ganz genau geschaut, welche Systemfehler wir beheben müssen, um die schlimmen Missstände in den Schlachthöfen in Niedersachsen abzustellen.

Von diesem Antrag soll ein ganz wichtiges Signal ausgehen, nämlich: Wir wissen um die Umstände, und wir werden uns nicht mit einer Videoüberwachung durch die Schlachthofbetreiber zufriedengeben. Die Debatte muss weitergehen!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)