Protokoll der Sitzung vom 19.06.2019

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Försterling, beim ersten Lesen des Antrags im Vorfeld dieser Plenarwoche habe ich durchaus Sympathien für Ihren Antrag entwickelt.

(Björn Försterling [FDP]: Er ist seit ei- nem Jahr in der Beratung, und Sie haben Ihn letzte Woche gelesen?)

Es ist nachvollziehbar dargestellt, warum sich eine Berufsgruppe ungerecht behandelt fühlt. Hier Abhilfe zu schaffen, entspricht natürlich eindeutig auch unserem Gerechtigkeitsempfinden. Schaut

man sich den Antrag und die Hintergründe etwas genauer an und beschäftigt man sich intensiv mit der angesprochenen Zulagenregelung, lässt sich jedoch auch erklären, warum wir Ihren Antrag heute ablehnen werden.

Im Februar 2017 haben die beiden Tarifvertragsparteien in der Tarifgemeinschaft der deutschen Länder und die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes in einer Tarifeinigung Entgeltgruppenzulagen in der Größenordnung von ca. 50 Euro bis 100 Euro an einige ausgewählte Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst nach der Entgeltordnung zum TV-L vereinbart. Bei der Recherche, warum es überhaupt zu dieser Vereinbarung gekommen ist, bin ich natürlich auf die Begründung gestoßen, dass die schwierige Fachkräftegewinnung in diesem Berufsfeld das große Thema war.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Aber in anderen Bereichen ist es auch nicht besser!)

Grund für die Vereinbarung einer solchen Zulagenzahlung war also ausschließlich die Verbesserung der Wettbewerbssituation der in der Tarifgemeinschaft zusammengeschlossenen Länder gegenüber den kommunalen Arbeitgebern. Diese haben bereits seit Oktober 2015 eine eigene Entgelttabelle mit höheren Entgelten sowie eine Struktur der Eingruppierung mit den Gewerkschaften vereinbart und 2018 noch einmal deutlich nachgebessert. Die Vereinbarung aus dem Jahr 2017 war also zwingend erforderlich, um entsprechende Fachkräfte für diesen Bereich zu gewinnen und sie auch halten zu können.

Von dieser Zulagenregelung profitieren unsere Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter und unsere Erzieherinnen und Erzieher, die als pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter insbesondere in den Förderschulen unseres Landes tätig sind. Beschäftigte aus dem Bereich der Gesundheitsberufe, also auch die in diesem Antrag angesprochenen pädagogischen Fachkräfte, waren bei der Vereinbarung dieser Zulagenregelung nicht im Fokus der Tarifparteien. Sie waren auch deshalb nicht im Fokus, weil gegenüber den Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst damals keine erhöhte Fachkräftegewinnung nötig war.

Die Forderungen des Entschließungsantrags der FDP haben wir sehr wohl ernst genommen und im Ausschuss intensiv aus schulpolitischer, aber auch aus finanzpolitischer Sicht diskutiert. Im Rahmen der diesjährigen Tarifverhandlungen wurde eine Erweiterung auf diese spezielle Gruppe mitverhan

delt, auch auf Antrag der Niedersächsischen Landesregierung.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich hätte mir bei den Tarifverhandlungen auch ein anderes Ergebnis gewünscht. Dann hätten wir heute diese Debatte nicht. Aber leider sind diese Bemühungen in der Verhandlungsrunde Ende Februar/Anfang März gescheitert, und die Tarifgemeinschaft der deutschen Länder hat niedersächsische Bemühungen um eine Erweiterung der Zulagenzahlung abgelehnt.

Ich finde es ausdrücklich wichtig, dass wir diese Entscheidung nun in Niedersachsen auch so mittragen. Gestern haben wir noch über das Thema der Beamtenbesoldung diskutiert und die Kritik gehört, dass die Länder unterschiedliche Anpassungen vornehmen. Wenn wir nun bei der heute in Rede stehenden Gruppe eine eigene Landeslösungen anstrebten, so würden wir zwar dem Wunsch vieler Beschäftigter nachkommen, wir würden aber gleichzeitig Begehrlichkeiten bei anderen pädagogischen Fachkräften wecken, die eben keine Zulagen erhalten. Man muss sich also schon die Frage stellen, welche Spielregeln wir einhalten wollen und welche Begehrlichkeiten man mit einer eigenen Landesregelung wecken würde.

Ausdrücklich möchte ich sagen, dass das Ganze nichts mit einer Geringschätzung dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu tun hat. Wir schätzen alle pädagogischen Fachkräfte an unseren Förderschulen besonders wert und wollen diese auch weiter unterstützen. Deswegen kam in den Tarifverhandlungen der erwähnte Antrag aus Niedersachsen.

Ein Teil des Entschließungsantrags hat sich erledigt, da die Tarifverhandlungen vorbei sind. Uns ist es aber auch wichtig, in Niedersachsen eine vernünftige, angemessene Finanzpolitik zu gestalten und auch Lösungen der Tarifgemeinschaft der Länder ernst zu nehmen. Deswegen werden wir dem Antrag heute nicht zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: die Abgeordnete Julia Willie Hamburg. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Fühner, das war wirklich ein sehr interessanter Auftritt. Ich würde mal vermuten, dass Ihre Kolleginnen und Kollegen, die in dem Ausschuss anwesend waren, deshalb nicht reden wollten, weil es ihnen schlicht unangenehm ist, dass Sie diesen Antrag hier und heute ablehnen und dass das Tarifverhandlungsergebnis so ausgefallen ist, wie es ausgefallen ist. Anders kann ich mir nicht erklären, dass Sie hier reden, wenn Sie sich erst in der letzten Woche mit dem Antrag befasst haben. Mit Sachkenntnis haben Sie auch nicht gerade geglänzt, wenn ich das einmal so sagen darf.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Zu- rufe von der CDU)

Denn alle pädagogischen Fachkräfte kriegen eine Zulage, mit Ausnahme derer in therapeutischer Funktion.

(Christian Fühner [CDU]: Das habe ich doch gesagt!)

Wen wollten Sie denn hier ungleich behandeln? Es gibt nur eine Ungleichbehandlung, nämlich die dieser Fachkräfte, und die ist absolut unnötig.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Und ganz ehrlich: Als wir im Ausschuss darüber diskutiert haben, ob das Land nicht eigenmächtig diese Zulage einführen könnte, kam genau diese Ausrede. Es hieß: Wir können das nicht, weil wir uns nicht von den anderen Ländern abheben können; das geht nicht; wir sind da doch loyal mit den anderen Ländern. - Dann haben wir gehört: Herr Hilbers übernimmt die Leitung der Tarifverhandlungen; er ist stellvertretender Vorsitzender. - Daraufhin haben wir gedacht, dass mit Herrn Hilbers jetzt bestimmt die Zulage für die pädagogischen Fachkräfte in therapeutischer Funktion kommt. Aber Pustekuchen! Leider konnten Sie sich da nicht durchsetzen oder haben es nicht ausreichend versucht.

Am Ende haben wir wieder die Situation einer Ungleichbehandlung an Schulen. Wir erleben dort derzeit pädagogische Fachkräfte, die die gleiche Arbeit machen, also eine gleichwertige Arbeit leisten, aber ungleich behandelt werden. Das ist nicht zumutbar, liebe Kolleginnen und Kollegen. Diesen Missstand müssen wir beheben.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der FDP)

Herr Fühner, wenn Sie doch so viel Sympathie dafür haben, dann stärken Sie doch mit diesem Antrag heute dem Finanzminister den Rücken. Nach den Tarifverhandlungen ist vor den Tarifverhandlungen.

Ansonsten kann Niedersachsen auch viel in eigener Regie tun. Wir können etwas für die Betroffenen tun. Wir müssen ihnen hier nicht ins Gesicht schlagen. Es ist eben keine Wertschätzung, wenn sie als Einzige keine Zulagen bekommen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der FDP)

Man könnte aber auch vermuten, dass das ein allgemeiner Stil der Landesregierung im Umgang mit pädagogischen Fachkräften ist. Schließlich haben wir noch weitere Themen. Beispielsweise existiert immer noch kein Erlass für multiprofessionelle Teams und die Arbeit multiprofessioneller Teams an Schulen. Wo bleibt er? Wo ist da die Wertschätzung? Wo ist da die Regelung für ihre Arbeit an Schulen? - Pustekuchen!

Ein weiteres Thema ist die Zwangsteilzeit. Wir haben etwa 2 000 bei uns beschäftigte pädagogische Fachkräfte, die nicht Vollzeit arbeiten dürfen, weil das Land ihnen das schlichtweg verwehrt. Sie haben maximal 80-%-Stellen - und das vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Das kann sich Niedersachsen nicht leisten.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der FDP)

Ihr minimales Maßnahmenpaket, das Sie hier auf den Weg bringen, reicht an dieser Stelle auch nicht aus. Sie haben 80 zusätzliche Stellen geschaffen, um gerade einmal 400 pädagogischen Fachkräften nun das Aufstocken auf eine Vollzeitstelle zu ermöglichen. Das ist ungenügend. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie an den Schulen sind, merken Sie, wie viel diese Kräfte arbeiten, wie viele Überstunden sie machen und wie schlecht sie von ihrem Gehalt leben können. Ich bitte Sie inständig, noch einmal zu überlegen, ob Sie hier nicht auch einen größeren Schritt tun können. Denn an dieser Stelle geht es um eine Wertschätzung von Menschen, die an den Schulen unglaublich verantwortungsvolle und wertvolle Arbeit leisten. Es ist doch an uns Landespolitikern, dem auch gerecht zu werden und als Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass sie auch vernünftige Arbeitsbedingungen haben.

Anders werden wir die Fachkräfte in Niedersachsen verlieren, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Hamburg. - Auf Ihren Wortbeitrag liegt eine Kurzintervention des Kollegen Fühner vor. Herr Fühner, bitte! 90 Sekunden.

Frau Präsidentin, vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Hamburg, sich hierhin zu stellen, nachdem man dem, was ich gerade gesagt habe, anscheinend gar nicht vernünftig zugehört hat, und so zu tun, als hätte ich die Unterschiede bei diesen pädagogischen Mitarbeitern, die angeblich nicht zur Sprache gekommen sind, hier nicht herausgestellt - lesen Sie es gerne im Protokoll nach -, und zu sagen, fachlich sei ich da aber nicht richtig herangegangen, ist schon einmal der erste große Fehler.

Der zweite große Fehler, den Sie am Anfang gemacht haben, liegt darin, dass Sie gesagt haben, die Leute aus dem Kultusausschuss wollten hier nicht reden. Da es für uns aber auch um die Frage geht, warum wir den Antrag ablehnen, nämlich aus der Begründung heraus, dass die Tarifverträge eingehalten werden müssen, die auf Länderebene nun einmal unterschiedlich geregelt werden, ist jemand, der im Ausschuss für Haushalt und Finanzen sitzt, heute mit der Begründung vor Sie getreten. - Dies nur zur Erklärung, bevor man hier so einen Auftritt hinlegt.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Frau Abgeordnete Hamburg möchte erwidern. Bitte!

Herr Fühner, ich habe mich gerade noch einmal mit Herrn Försterling abgestimmt. Wir haben beide gehört, dass Sie gesagt haben, dass es dann pädagogische Fachkräfte gäbe, die keine Zulage erhielten, und das ungerecht wäre. Das Umgekehrte ist der Fall. Momentan erhalten alle pädagogischen Fachkräfte außer diesen Kräften diese Zulagen. Damit ist es ungerecht.

(Christian Fühner [CDU]: Genau das habe ich gesagt!)

- Lassen Sie es uns nachlesen. Derjenige, der recht hat, braucht sich dann nicht zu entschuldigen, und der andere entschuldigt sich. Darauf können wir uns einigen.

(Christian Fühner [CDU]: Okay!)

Nun zu der anderen Frage: Ich freue mich sehr, dass Sie als Haushaltspolitiker hier Ihre Expertise einbringen. Ich verstehe Ihre Haltung auch durchaus. Sie haben aber auch deutlich gemacht, dass Sie sich diesen Antrag erst kürzlich angeschaut haben. Wenn Sie doch sagen, dass es ein haushaltspolitisch relevantes Thema ist, verstehe ich wirklich nicht, warum Sie das nicht schon früher gemacht haben, warum Sie sich da nicht ausgetauscht haben und warum Sie dann nicht dafür gesorgt haben, dass Ihr Finanzminister so eine Wucht mit auf die Bundesebene nimmt,

(Christian Meyer [GRÜNE]: Weil er keine Wucht hat!)

dass er dort auch etwas durchsetzt und Erfolge verzeichnet.

(Christian Fühner [CDU]: Er hat ja versucht, das durchzubekommen!)

Denn das hätten unsere therapeutischen Fachkräfte hier verdient, liebe Kolleginnen und Kollegen.