Protokoll der Sitzung vom 19.06.2019

(Glocke der Präsidentin)

Wir brauchen ein Umdenken in den Köpfen der Landwirte; denn es waren Landwirte, die gegen Gesetze verstoßen haben, die Tiere, die offensichtlich nicht transportfähig waren, auf Anhänger verladen haben. Diese Landwirte haben zumindest Ordnungswidrigkeiten begangen, wenn nicht gar Straftaten.

Es waren die Transporteure, die das Gesetz gebrochen haben; denn sie hätten diese Tiere niemals transportieren dürfen.

Es waren offensichtlich Veterinäre, die bei der Annahme an den Schlachthöfen nicht genau hingeschaut haben. Oder es war vielleicht sogar kriminelle Energie in den Schlachthöfen vorhanden, dass diese besonders kritischen Tiere, die dort gar nicht hätten ankommen dürfen, vielleicht sogar an der Lebendbeschau vorbei ins System eingeschleust wurden.

Was will ich damit sagen? - Solange das Lebensmittel Fleisch weiterhin einzig und allein über den Preis wertgeschätzt wird, wird es weiterhin Kreativität geben, wird es weiterhin Bereitschaft geben,

(Glocke der Präsidentin)

Ordnungswidrigkeiten und Rechtsverstöße zu begehen. Dann ist der Übergang zu kriminellem Handeln fließend. Deshalb sind wir alle aufgerufen, unseren Beitrag dazu zu leisten, eine gesellschaftspolitische Debatte dahin gehend auf den Weg zu bringen, dass wir auch dem Verbraucher deutlich machen -

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.

ich bin beim letzten Satz -: Tierschutz fordern, aber die Kaufentscheidung für das Lebensmittel Fleisch im Wesentlichen am günstigen Preis festzumachen, ist ein nicht auflösbarer Zielkonflikt!

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Für die AfD-Fraktion erhält nun die Fraktionsvorsitzende, Frau Guth, das Wort.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Grausamkeiten, die uns aus Schlachthöfen wie Bad Iburg und Oldenburg bekannt wurden, haben uns alle erschüttert. Vorkommnisse, die man in einer zivilisierten Gesellschaft nicht für möglich gehalten hätte, offenbaren ein komplettes Systemversagen bei Landwirten, Transporteuren, Schlachtbetrieben und Kontrolleuren.

Die Empörung darüber fand sich auch in dem Entschließungsantrag von FDP und Grünen aus dem März 2019 wieder - zu Recht! Es ist an der Zeit zu handeln. Bei 755 Millionen Schlachttieren, die jährlich in deutschen Schlachthöfen geschlachtet werden, macht bereits eine Fehlerquote im Promillebereich eine unvorstellbar große Anzahl gequälter Tiere aus.

So forderte man mit breiter Brust die Landesregierung auf, die Arbeitsbedingungen an Schlachthöfen zu verbessern und auf Akkordarbeit zu verzichten, verpflichtende Schulungen für Mitarbeiter einzuführen, das Töten nur vollständig betäubter Tieren zu erlauben - außer, natürlich, man möchte mit staatlicher Genehmigung schächten -, Wartezeiten zwischen Entblutungsschnitt und Weiterverarbeitung einzuführen,

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

flächendeckende und standardisierte Schlachthofüberprüfungen einzuführen - auch wenn man mehr Mittel dafür bei den letzten Haushaltsberatungen abgelehnt hat -, die Verantwortung von den Kommunen an das Land zurückzuübertragen und Rotationssysteme für Amtsveterinäre einzuführen, Tierschutzverstöße unverzüglich so zu sanktionieren, dass eine Abschreckungswirkung entsteht - das wäre nötig -, eine verpflichtende Zulassung und Kontrolle von Betäubungsgeräten und einiges mehr - ein Antrag, der sehr geeignet war, viele der Probleme anzugehen und auch verlässlich in den Griff zu bekommen.

In den Ausschusssitzungen hörten wir dann, welche Probleme in der Realität vorliegen: Arbeiter aus Ostblockländern unter unwürdigen Arbeitsbedingungen, Schulungen für Personal, das zum Teil nach wenigen Stunden ein Zertifikat erhält, das man nur als Feigenblatt bezeichnen kann, zu we

nig Kontrollpersonal, Kungeleien zwischen Betreibern und Behörden, Bedrohung von Amtsveterinären usw. usf. - genug, um den dringenden Handlungsbedarf festzustellen!

Wenn Sie jetzt in die Beschlussempfehlung des Ausschusses schauen, werden Sie merken, dass auch hier wiederum nicht viel Verbindliches übrig geblieben ist. Aus der Forderung, etwas sicherzustellen, wurde eine Bitte an die Landesregierung. Diese beinhaltet, Runde Tische mit den Schlachthofbetreibern durchzuführen und sie aufzufordern, zu prüfen, ob ausreichende Schulungsangebote vorliegen, darauf hinzuwirken, sich beim Bund dafür einzusetzen, die Akkordarbeit nur noch zu genehmigen, wenn das Tier tot ist, und, und, und.

Wie wir der Anhörung im Ausschuss entnehmen konnten, wären diese Vorkommnisse bei Einhaltung gültigen Rechts bereits nach jetziger Gesetzeslage unmöglich gewesen. Sie sind trotzdem passiert. Hier nunmehr auf ein Einsehen der Verursacher zu setzen, darauf zu warten, dass sich eine Branche selbst in die Pflicht nimmt oder dass es die Bundesregierung löst, ist nichts als Symbolpolitik.

Die Probleme sind vielschichtig und enden alle beim Thema Geld. Der Preisdruck erzeugt natürlich schlecht ausgebildete Arbeitskräfte in Anstellung und schlechte Arbeitsbedingungen. Wenn es zu wenig Personal für die Kontrollen gibt, wird es auch zu wenige Kontrollen geben. Und im Hintergrund steht natürlich immer die Drohung: Verschärfen wir die Auflagen, wird die Produktion einfach in ein anderes Land verlagert.

Dieses Problem ist nicht mit Herumdoktern an Symptomen zu beheben. Die Vorkommnisse sind systemverursacht: immer mehr, immer billiger - die Ware Tier. Solange einheimische Produzenten dem enormen Konkurrenzdruck ausgesetzt bleiben, werden sich die Verhältnisse nicht ändern. Es müssen endlich Lösungen gefunden werden für unsere Bevölkerung, für unsere Produzenten und das daran hängende Gewerbe. Und wir müssen aufhören, Zeit und Steuergeld für Anträge zu verschwenden, die eben nichts weiter als Feel-goodErklärungen sind. Wir werden der vorliegenden Beschlussvorlage natürlich trotzdem zustimmen, weil es besser ist als nichts, aber - schade! - dem ursprünglichen Antrag hätten wir lieber zugestimmt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank auch Ihnen. - Abschließend hat sich die Landesregierung zu Wort gemeldet. Es spricht Frau Ministerin Otte-Kinast.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auf den Schlachthöfen in Deutschland - nicht nur in Niedersachsen - müssen die Anstrengungen zur Verbesserung des Tierschutzes von allen Beteiligten nochmals deutlich intensiviert werden. Und hier sind tatsächlich alle in der Pflicht: die Tierhalter, die ihre Tiere zur Schlachtung abgeben, die Transporteure, die diese Tiere zum Schlachthof verbringen, die Schlachthofbetreiber und ihre Mitarbeiter, die alles unternehmen müssen, um unnötiges Leid der ihnen anvertrauten Tiere zu vermeiden, die amtlichen Kontrolleure, die die Einhaltung der tierschutzrechtlichen Bestimmungen überprüfen sollen.

Tierschutz hat nicht nur etwas mit Sachkunde und dem Wissen um die rechtlichen Bestimmungen zu tun, sondern kostet unter Umständen auch Geld - Geld, das man für bauliche Maßnahmen, für ausreichend viel und hervorragend qualifiziertes Personal und für die Anpassung der Betriebsabläufe an das Wohl der Tiere investieren muss. Und dieses Geld ist gut investiert. Das haben nicht zuletzt die Ergebnisse der mittlerweile 47 Schwerpunktkontrollen an niedersächsischen Schlachthöfen gezeigt.

Es ist seit vielen Jahren Grundsatz der europäischen Verbraucherschutz- und Tierschutzgesetzgebung, die Eigenverantwortung der Unternehmen für die Einhaltung der rechtlichen Bestimmungen zu betonen. Obwohl dieser Grundsatz weiterhin gilt, sind sich in Deutschland mittlerweile alle zuständigen Ministerien einig, dass die amtlichen Kontrollen intensiviert werden müssen. „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, könnte man sagen. Das gilt im besonderen Maße für den Tierschutz an Schlachthöfen, für dessen Einhaltung wir mehr amtliche Kontrollen benötigen.

Der von der FDP und den Grünen eingebrachte Entschließungsantrag ist intensiv im Agrarausschuss beraten worden und hat durch die abschließende Fassung noch zusätzliche konkretisierende Ergänzungen erfahren. Es wäre meines Erachtens ein ganz starkes Signal dieses Hauses, wenn der umfangreiche Maßnahmenkatalog mit der Unterstützung aller Fraktionen heute gefasst

werden könnte. Ich kann Ihnen auf jeden Fall zusichern, dass sich unser Haus mit ganzer Kraft für die Umsetzung der dort zusammengestellten Maßnahmen einsetzen wird.

Meine Damen und Herren, es gibt Gerüchte, dass weiterhin kranke, nicht transportfähige Tiere aus niedersächsischen Tierhaltungen gesetzeswidrig zu Schlachthöfen in Niedersachsen oder anderen Bundesländern verbracht werden. Teilweise wurden solche Transporte bei der Anlieferung an den Schlachthöfen entdeckt und die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet. Sollten sich begründete Verdachtsmomente ergeben, dass nicht transportfähige, kranke Tiere geschlachtet werden und der Versuch unternommen wird, das Fleisch dieser Tiere in die Lebensmittelkette zu bringen, wird das für die Verantwortlichen sehr weit reichende Konsequenzen haben.

Ich möchte hier nochmals betonen: Die Schlachtung kranker, nicht transportfähiger Tiere ist kein Kavaliersdelikt.

(Beifall)

Wer so etwas macht, setzt seine berufliche Existenz aufs Spiel und hat strafrechtliche Konsequenzen zu erwarten.

Lassen Sie uns also gemeinsam in den nächsten Jahren daran arbeiten, dass Bilder, wie wir sie alle in den vergangenen Monaten und Jahren sehen mussten, in niedersächsischen Schlachthöfen bald der Vergangenheit angehören. Vielen Dank, dass wir bei diesem Thema alle gemeinsam so sachlich diskutieren konnten.

Danke sehr.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke schön, Frau Ministerin. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass wir zur Abstimmung kommen können.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP in der sich aus der Beschlussempfehlung ergebenden geänderten Fassung annehmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Das ist nicht der Fall. - Gibt es Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wurde so beschlossen. Vielen Dank dafür.

Wir kommen nun zum

Tagesordnungspunkt 20: Abschließende Beratung: Imam-Weiterbildung an der Uni Osnabrück erhalten - nachhaltige Lösungen finden - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/1527 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Kultur - Drs. 18/3952

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag in geänderter Fassung anzunehmen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen, sodass wir zur Aussprache kommen können.

Zunächst hat sich für die SPD-Fraktion der Kollege Alptekin Kirci gemeldet.

(Eva Viehoff [GRÜNE]: Vielleicht kann ich erst einmal für die antragsstellen- de Fraktion sprechen? Ich dachte, ich hätte den Zettel früh genug abgege- ben! - Wiard Siebels [SPD]: Wir sind halt immer ein bisschen schneller!)

- Es hat sich Kollegin Eva Viehoff gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der jetzt vorliegenden Beschlussempfehlung, in der maßgeblich unserem Antrag aus dem September letzten Jahres gefolgt wird, kommen wir endlich dazu, uns mit der Imam-Ausbildung und der Weiterbildung am Institut für Islamische Theologie zu beschäftigen. Wir Grünen werden diesem Antrag heute auch zustimmen. Denn mit diesem Antrag geben wir - das Parlament - der Landesregierung den Arbeitsauftrag, sich konstruktiv für die Imam-Ausbildung in Niedersachsen einzusetzen und zu handeln.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir werden sehr genau beobachten, welche Konzepte die Landesregierung in den nächsten Wochen und Monaten vorschlägt, um endlich in die Frage einzusteigen, wie eine grundständige ImamAusbildung in Niedersachsen aussehen kann. Meine Damen und Herren, Herr Thümler, es ist also an der Zeit, zu handeln, und wir erwarten Ihre Vorschläge.

Dass dies möglich ist, liegt auch daran - und das ist gut so -, dass das Institut für Islamische Theologie an der Universität Osnabrück weiter in vollem