Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Endlager gesucht! - Auf der Internetseite der Bundesgesellschaft für Endlagerung ist zu finden, dass die Standortsuche das Ziel habe, einen sicheren Standort für ein Endlager für insbesondere hoch radioaktive Abfälle zu finden. Die Suche solle in einem wissenschaftsbasierten und transparenten Verfahren in mehreren Schritten erfolgen. Es sei eine umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit vorgesehen.
Die Endlagerung radioaktiver Abfälle ist in Deutschland eine staatliche Aufgabe. Schon seit vielen Jahren wird ein geeigneter Standort für hoch radioaktive Stoffe gesucht. Eine Entscheidung soll bis 2031 getroffen werden. Finnland ist bei der Suche nach einem Endlager schon weiter. Die Finnen haben im Jahr 2004 mit dem Bau eines landeseigenen Endlagers begonnen. Genutzt wird ein Tunnelsystem unter der Halbinsel Olkiluoto. 2025 soll das Endlager fertiggestellt werden.
3. Welche Schritte sind in den nächsten Jahren in Deutschland in Bezug auf die Endlagersuche geplant?
Danke schön, Herr Kollege Bosse. - Ich schaue, wer für die Landesregierung antwortet. Es ist der Umwelt- und Bauminister, Herr Minister Olaf Lies. Bitte sehr!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist meines Erachtens eine der schwierigsten Aufgaben, die in den nächsten Jahrzehnten vor uns liegen, nämlich das zu tun, wofür wir in der Verantwortung stehen, ein Endlager für den hoch radioaktiven und wärmeentwickelnden Abfall, den wir haben, zu finden.
Vor uns liegt ein langes Verfahren. Das Ziel ist, dass im Jahr 2031 eine Entscheidung getroffen werden soll und 2050 das Endlager in Betrieb geht. Wir alle wissen, dass es gute Ziele sind, wir wissen aber nicht, ob wir sie erreichen. Wir reden von Zeiträumen von 10 bis 15 Jahren, die wir vor uns haben, bevor dann eine Entscheidung getroffen wird. Das ist aus meiner Sicht nach den Erfahrungen in vielen Prozessen die größte Herausforderung: heute mit einem Höchstmaß an Transparenz dafür zu sorgen, dass wir in 10 bis 15 Jahren bei einer Entscheidung ein Höchstmaß an Vertrauen in diese Entscheidung bekommen. Da stehen wir, denke ich, vor ganz großen Herausforderungen. Die Themen Transparenz und Vertrauen haben wir in Finnland in den Gesprächen intensiv geklärt.
Was ist die Herausforderung? - Wir wollen einen dauerhaft sicheren Standort für Deutschland finden, den Betrieb der Zwischenlager, die bis dahin notwendig sind, so kurz wie möglich halten. Im Jahr 2050 könnten wir dann mit der Einlagerung beginnen. Wir wollen und dürfen diese Antwort auf die Endlagerfrage nicht auf morgen schieben, sondern die müssen wir jetzt beantworten.
Herr König vom BfE hatte eine kluge Formulierung gefunden, als er sagte: Ziel ist auch, vergessen zu können, weil wir die Kompetenzen, die wir haben, auch verlieren werden und deshalb darauf angewiesen sind, diese Entscheidung nicht in einen Zeitraum zu schieben, wo möglicherweise die Kompetenzen, die wir brauchen, gar nicht mehr ausreichend vorhanden sind.
Die Anforderungen an das Tiefenlager sind groß, wir müssen einen Standort in Deutschland finden. Es ist ein wissenschaftsbasiertes, transparentes sowie selbsthinterfragendes und selbstlernendes Verfahren - diesen Begriff fand ich interessant - zur Standortauswahl.
Entscheidend ist: Wir haben drei unterschiedlich Wirtsgesteine, in die eingelagert werden kann, und zwar Ton, Salz, „kristallin“. Wir wollen die bestmögliche Sicherheit, wir wollen - und das ist wichtig für die Debatte - eine Rückholbarkeit während des Betriebs und die Bergbarkeit für 500 Jahre sicherstellen.
Das sind die Rahmenbedingungen, und die haben dazu geführt, dass die Suche nach einem Standort für das Endlager für hoch radioaktives Material dann im Mai 2017 mit dem Inkrafttreten der Neufassung des Standortauswahlgesetzes wieder aufgenommen worden ist, mit der Entscheidung - das ist ganz wichtig -: Es gibt dann auch eine weiße Landkarte, die nichts ausschließt, aber in der Frage der Entscheidungsfindung auch nichts präjudiziert.
Die Vorhabenträgerin, die Bundesgesellschaft für Endlagerung, trägt aktuell alle relevanten geologischen Daten zusammen, die sie für die Anwendung der im Standortauswahlgesetz definierten Kriterien und die Erarbeitung des Zwischenberichts für das Teilgebiet benötigt. In diesem Zwischenbericht wird sie dann Gebiete darstellen, die günstige geologische Voraussetzungen für die sichere Endlagerung erwarten lassen. - Das ist, glaube ich, der nächste entscheidende Punkt. Im Moment gehen wir davon aus, dass im dritten Quartal des nächsten Jahres eine solche Karte vorliegt. Und damit wird aus einer weißen Karte eine Karte werden, mit der nicht definiert wird, wo etwas gebaut werden kann, sondern mit der definiert wird, wo es nicht gebaut werden kann.
Ich glaube, schon diese Karte wird entscheidend sein für den Entscheidungsprozess, der dann 2031 - oder wann auch immer - kommt. Man wird dann noch einmal hinterfragen, ob man zu Beginn des Dialogs eigentlich konsequent vorgegangen ist
und nicht Gebiete aus anderen politischen Gründen ausgeschlossen hat. Das heißt, wir müssen aus den Erfahrungen, die wir gerade auch mit Gorleben gemacht haben, lernen, damit wir nicht in einen Prozess kommen, der uns über Jahre hinaus das Gefühl gibt, wir seien auf einem guten Weg, wohl wissend, dass wir am Ende 2031 in eine Entscheidung kommen, die wieder keine breite Akzeptanz und auch kein Vertrauen findet.
Das Ganze ist aufgeteilt in drei Phasen, die dann entsprechend ablaufen und durchgeführt würden. Wie gesagt, der nächste entscheidende Schritt in der Wahrnehmung ist der Schritt im dritten Quartal 2020 mit dem Zwischenbericht. Entscheidend ist dabei, dass es im gesamten Prozess eine breite Beteiligung aller Bürgerinnen und Bürger, Vertreterinnen der Gebietskörperschaften, gesellschaftlicher Organisationen und Wissenschaftler geben soll. Deswegen hatten wir in an diesem Montag eine Veranstaltung, in der BfE und BGE sozusagen noch einmal ihr Konzept vorgestellt haben. Das wird ein weiterer transparenter Weg sein.
Für uns, glaube ich, wird die entscheidende Frage sein: Wie gelingt es uns in diesem Prozess der nächsten Jahre, diejenigen zu beteiligen, die in 10 oder 15 Jahren relevant für die Entscheidung sind? Wir dürfen die Debatte nicht nur mit denen führen, die jetzt schon am Prozess beteiligt sind, weil sie ihn über viele Jahrzehnte begleitet haben. Wir müssen eine transparente Debatte mit denjenigen führen, die in der Entscheidung sein werden und sich dann mit dieser Frage beschäftigen.
Eine große Sorge ist auch am Montag noch einmal deutlich geworden. „Maximale Transparenz“ heißt maximale Verfügbarkeit der Daten. Das Thema Geologiedatengesetz ist dabei ein ganz entscheidender Punkt. Das Gesetz muss dringend überarbeitet werden, damit die rechtlichen Möglichkeiten gegeben sind, um diese Daten zur Verfügung zu stellen. Das BMWi hat am 20. März dieses Jahres die Ressortabstimmung eingeleitet. Es soll eine Beteiligung der Länder und eine Verbändeanhörung geben. Ich hoffe, dass uns das gelingt. Das ist Voraussetzung dafür, dass die Nachvollziehbarkeit und die Überprüfbarkeit dieser Entscheidung, die dann getroffen wird - allein schon mit der Festlegung der Gebiete, die nicht ausgeschlossen werden -, über das Geologiedatengesetz möglich wird.
Auf Grundlage des Regierungsbeschlusses wurden bereits 1983 Ziele und ein Programm für die Entsorgung kerntechnischer Abfälle erstellt. Folgende Schritte wurden dort zur Standortfindung durchgeführt: 1983 bis 1985 Durchführung einer landesweiten Vorauswahlstudie, 1987 bis 1992 vorläufige Standortuntersuchung und 1992 bis 1999 detaillierte übertägige Standortuntersuchung inklusive Umweltverträglichkeitsprüfung an vier Standorten.
Nachdem alle vier Standorte als geeignet eingestuft worden waren, hat die Betreiberfirma der finnischen Regierung eine Empfehlung für den dann ausgewählten Endlagerstandort gegeben, und zwar unter der Voraussetzung, dass dort die Zustimmung der lokalen Bevölkerung gesichert ist - es geht um große Flächen, die die Endlagerung möglich machen. An diesem Standort gibt es noch zwei in Betrieb befindliche Kernkraftwerke, und auch das Abklingbecken ist dort. Das war auch ein Grund für die Entscheidung; die Brennelemente lagern schon an diesem Standort.
Am Ende ist es bei Zustimmung der Aufsichtsbehörde und der Standortgemeinde mit 20 Ja- und 7 Gegenstimmen zu dieser „decision in principle“ gekommen. Man hat sich also sozusagen im Grundlegenden festgelegt und ist jetzt in der Ausarbeitung dieses Endlagers.
In Finnland wurde - wie auch in Deutschland - in einem gestuften, kriterienbasierten und transparenten Verfahren nach einem Standort gesucht. Das hat eben in Finnland dazu geführt, dass ein geeigneter Standort gefunden wurde, der dabei auch noch die Akzeptanz einer breiten Öffentlichkeit der Kommune gesichert hat. Das wäre sicherlich auch für uns ein hervorragendes Ergebnis. Es ist sicherlich mit großen Schwierigkeiten versehen, das zu erreichen.
In Deutschland wollen wir ebenfalls in tiefen Gesteinsschichten lagern, und - ich habe es vorhin gesagt - in Salz, Ton oder kristallinem Gestein. Das kommt dafür für uns infrage.
werden, das die bestmögliche Sicherheit für einen Zeitraum - und das ist wichtig - von 1 Million Jahren bietet. In Finnland hat man sich z. B. auf 100 000 Jahre verständigt. Wenn man sich einmal vorstellt, dass in 100 000 Jahren zwei Eiszeiten einträten, was bedeuten würde, dass wir dort eine 3 km hohe Eisschicht hätten, die noch einmal erhebliche geologische Veränderungen mit sich bringen würde, wird, glaube ich, klar, was das eigentlich für eine Herausforderung in der Diskussion ist. Wir in Deutschland sagen: 1 Millionen Jahre. Das macht diesen Prozess nicht einfacher in der Nachvollziehbarkeit. Es macht ihn für uns - und das ist das Ziel - natürlich besonders sicher.
Ich habe es vorhin gesagt: Der Standortauswahlprozess startet mit einer weißen Landkarte. Entscheidend für uns muss jetzt sein, eine möglichst breite Transparenz zu haben, um gut zu informieren, viele mitzunehmen und nicht in 10 bis 15 Jahren zu erleben, was wir schon einmal erlebt haben: einen langen Prozess ohne eine Entscheidung, die am Ende umgesetzt werden kann.
Vielen Dank, Herr Minister Lies. - Wir starten jetzt die Fragerunde. Es beginnt Kollege Marcus Bosse, SPD-Fraktion. Bitte sehr!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Lies, was bedeutet eine „offene“ Standortsuche, wie ist die Definition dafür?
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bosse, „offen“ heißt, dass wir keine Vorfestlegung auf die Gesteinsart haben - also weder Ton noch Salz noch „kristallin“ wird bevorzugt. Wir haben keine Vorfestlegung, Standorte auszuschließen, wir haben aber auch keine Vorfestlegung, Standorte zu definieren. Das wird für die nächsten Monate ganz entscheidend sein. Es setzt voraus - deswegen habe ich das Thema Geologiedatengesetz genannt -, dass alle den Zugriff auf transparente Daten haben.
Hinzu kommt eine Besonderheit: Bei uns in Niedersachsen, aber auch in anderen Ländern, in denen in besonderer Form Rohstoffe abgebaut werden, gibt es eine hohe Dichte an Informationen und geologischen Daten für den Untergrund. In anderen Ländern, die bisher sozusagen wirtschaftlich uninteressant waren, gibt es keine geologischen Daten in dieser Form. Es kann nicht sein, dass Gebiete, in denen die Dichte der geologischen Daten nicht ausreicht, um zu entscheiden, automatisch ausgeschlossen und Gebiete, die eine hohe Dichte an geologischen Daten haben, damit automatisch präferiert werden. Die Botschaft lautet also: weiße Landkarte, nichts ausschließen. Das heißt: Dort, wo geologische Daten fehlen, müssen wir daran arbeiten, diese Daten sicherzustellen. Da, wo sie nicht zur Verfügung gestellt werden, müssen wir darauf drängen, dass alle Daten zur bereitgestellt werden, damit keine willkürliche Entscheidung getroffen wird.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Herr Lies, vielen Dank für Ihre Ausführungen. Sie hatten gerade das Geologiedatengesetz angesprochen. Das war ja eigentlich schon für 2016 angekündigt worden. Wie wird die Landesregierung sich dafür einsetzen, dass es wirklich kommt, und was wird sie machen, wenn dem nicht der Fall ist?
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Staudte, es muss kommen. Denn wenn es nicht kommt und die Transparenz der Daten nicht gegeben ist, dann mag man vielleicht die nächsten Schritte im Prozess vollziehen können, aber dann passiert genau das, was ich meinte. Dann werden wir irgendwann in zehn Jahren feststellen: Aber damals hattet ihr nicht alle Daten, um nachvollziehen zu können, warum Gebiete ausgeschlossen werden.
Im Moment gibt es diese abgeschlossene Ressortbeteiligung. Wir werden voraussichtlich in dieser Woche beteiligt, und wir werden dort eine Zustimmung haben - die Ressorts werden gerade beteiligt -, um die Länder- und Verbändeanhörung zu machen. Das ist erst einmal ein gutes Signal, und ich glaube - ich werde mich natürlich auch noch einmal schriftlich an die beiden zuständigen Minister wenden -, dass das wirklich mit Nachdruck kommt. Ein solches Verfahren kann nur gelingen, wenn von Beginn an alle Transparenzmöglichkeiten geschaffen werden. Wenn wir das jetzt nicht lösen, fällt uns das auf die Füße - selbst wenn man in den nächsten Jahren glaubt, das geht irgendwie so weiter. Deswegen werde ich sehr darauf drängen, und ich sage auch ganz deutlich: Ohne die notwendige Transparenz - und dazu gehört auch das Geologiedatengesetz - ist das kein erfolgreicher Prozess. Man kann dann relativ schnell auch die Zeiträume nicht mehr einhalten, die man sich vorgenommen hat.
Es kursieren Gerüchte, dass manche Bundesländer nicht genügend Daten geliefert haben. Was werden Sie denn tun, um die Datennacherhebung voranzutreiben?