Protokoll der Sitzung vom 10.09.2019

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit unserem Gesetzentwurf beantragen wir die Aufnahme des Klimaschutzes als Staatsziel in die Niedersächsische Verfassung.

Wir tun dies, weil wir nicht glauben, dass der durch den Klimawandel bedingte Temperaturanstieg eine nur vorübergehende Erscheinung ist. Vielmehr sind wir der Überzeugung, dass die Herausforderungen, die darin bestehen, den Temperaturanstieg zu begrenzen und mit den Folgen des Klimawandels umzugehen, über Generationen hinweg bestehen werden - und das rechtfertigt es dann auch, eine entsprechende Staatszielbestimmung in die Landesverfassung aufzunehmen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es ist klar, dass das Klima nicht alleine von Niedersachsen aus gerettet werden kann. Man muss schon deutlich machen, dass wir in diesem Konzert nur ein kleiner regionaler Akteur sind, eingebettet in die internationale Ebene, die europäische Ebene und die Bundesebene.

(Imke Byl [GRÜNE]: Richtig!)

Dies versuchen wir, in unserem Entwurf der Staatszielformulierung auch abzubilden, indem wir sagen:

„Das Land Niedersachsen setzt sich in seinem Handeln in Wahrnehmung der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung innerhalb der internationalen Gemeinschaft dafür ein, die Erderwärmung zu begrenzen und die Menschheit wirksam vor den Folgen des Klimawandels zu schützen.“

Wir als diejenigen, die in den industrialisierten Staaten leben und deren Wohlstand und Wachstum darauf beruht, dass wir von der Nutzung von Kohlenstoff profitiert haben, haben gerade gegenüber den nicht entwickelten und den sich entwickelnden Ländern die besondere Verantwortung, in Vorleistung zu treten und überobligatorisch etwas zu leisten, also mehr zu leisten als das, was man bei einer gleichmäßigen Verteilung leisten müsste.

Aber wir sehen uns nicht nur aus diesem Verantwortungsgedanken gegenüber den anderen Regionen der Welt in der Pflicht, hier eine Vorreiterrolle und eine Vorbildfunktion einzunehmen, sondern auch aus dem Verantwortungsgedanken gegenüber künftigen Generationen.

Wir sind auch der Überzeugung, dass dies Chancen mit sich bringt. Wir glauben, dass es durch innovative Technologien gelingen kann, das Wachstum von dem Verbrauch fossiler Brennstoffe zu entkoppeln. Wir wollen also weiterhin das Ziel Wachstum und Wohlstand verfolgen, aber eben ohne dafür auf fossile Brennstoffe angewiesen zu sein. Auch diesem Gedanken wollen wir hiermit einen Rahmen geben.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, zusammen mit unserem Gesetzentwurf beraten wir auch einen Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Aber wir beraten weder einen Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der SPD noch einen Gesetzentwurf der Landesregierung mit.

Ich will deutlich sagen: Ich hätte mir gewünscht, dass die Landesregierung einen eigenen Gesetzentwurf einbringt und damit sagt, wo sie steht. Das kann man natürlich auch über die Fraktionen machen, aber insgesamt macht das bei Ihnen doch einen sehr getriebenen Eindruck. Nachdem Sie jahrelang untätig geblieben sind und jahrelang nichts passiert ist - das gilt übrigens auch für die Grünen, als sie mit in der Regierungsverantwortung waren -, scheint nun Hektik aufzukommen. Dies zeigt, welche untergeordnete Bedeutung die Klimapolitik für SPD und CDU, aber insbesondere für die Landesregierung hat.

(Beifall bei der FDP)

Mit Blick auf den Gesetzentwurf der Grünen will ich deutlich machen, dass der Ansatz, den sie verfolgen, für uns völlig inakzeptabel ist.

(Beifall bei der FDP)

Die Grünen sehen in der von ihnen vorgeschlagenen Verfassungsänderung einen Klimavorrang vor. Dieser Weg ist für uns aber nicht gangbar; denn es gibt ja auch andere wichtige politische Ziele: soziale Ziele, ökonomische Ziele und ökologische Ziele. Im besten Sinne der Nachhaltigkeit, die ja eigentlich unser Leitbild sein sollte, wäre es nach unserer Auffassung verfehlt, ein Staatsziel besonders nach vorne zu heben. Ein solcher Klimaabsolutismus wäre aus unserer Sicht freiheitsgefährdend und würde in einem Maß in die Selbstbestimmung der Menschen eingreifen, das nicht gerechtfertigt ist.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, zu den Forderungen, die wir im Einzelnen in unserem Entschließungsantrag ausgeführt haben:

Wir setzen auf Anreize statt auf Zwang. Wir haben uns klar für ein Emissionshandelssystem positioniert. Auch da fehlt aber eine Positionierung der Landesregierung.

Das, was sich erst einmal kompliziert anhört - die Mengenbegrenzung für den Ausstoß von CO2 - ist am Ende aber ein effektives System, um klar zu sagen, wie viel noch geht. In einem solchen Rahmen, in dem sich dann auch ein Preis bildet, werden die besten und effizientesten Lösungen gefunden. Wir brauchen keine Detailsteuerung, wie sie sich auch bei den Grünen in vielen Ansätzen findet; denn solche Detailsteuerungen führen zu einer Überbürokratisierung. Wir stehen für einfache Lösungen, für vielfältige Lösungen, für Innovation und für Technologieoffenheit. Alles das findet sich in diesem System wieder, das wir befürworten.

(Beifall bei der FDP)

Wir lehnen das ab, was die Grünen leider wollen. Die Grünen sagen: keine Autobahnen, kein Individualverkehr, Zwang zur Photovoltaik und Solarthermie,

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Miriam Staudte [GRÜNE]: Richtig! - Helge Limburg [GRÜNE]: Sehr gut!)

Verbot von Ölheizungen, planwirtschaftliche Steigerung des Ökolandbaus. - Meine Damen und Herren, alles das sind genau die Eingriffe, die die Menschen von der Klimapolitik abhalten.

Wir müssen überzeugen, wir müssen Anreize schaffen, wir müssen einen Rahmen für Innovationen und für gute neue Ideen schaffen,

(Anja Piel [GRÜNE]: Das hat in den letzten zwei Jahrzehnten ja gut ge- klappt, Herr Dr. Birkner!)

statt sich auf das hohe Ross zu setzen und zu glauben, die Politik könne das in einer Detailsteuerung entscheiden. So weit reicht das, was die Politik entscheiden kann, letzten Endes doch nicht, weil die Vorgänge viel zu komplex sind. Das EEG ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass man an Überkomplexität scheitern kann.

(Beifall bei der FDP - Anja Piel [GRÜ- NE]: Nein, das EEG zeigt, dass das funktioniert, Herr Dr. Birkner!)

Meine Damen und Herren, wir haben vielfältige Ziele. Sie finden sich inzwischen auch in den verschiedenen Entwürfen wieder, die man seitens der Landesregierung kennt. Da, wo das Land selbst Verantwortung hat, muss es auch selbst handeln.

Deshalb wollen wir bis 2040 eine klimaneutrale Landesverwaltung erreichen. Das Land kann über die Förderung und über die Steuerung seines Anteils am Schienenverkehr sicherstellen, dass bis 2035 ausschließlich treibhausgasneutrale Antriebe zum Einsatz kommen und dass ab 2022 ausschließlich treibhausgasneutrale Antriebe im ÖPNV gefördert werden.

Weiter ist für uns entscheidend, dass sich das Land auf das konzentriert, was es kann, nämlich den Leitungsausbau voranzubringen. Herr Minister Lies, Sie versuchen immer, die möglicherweise nachvollziehbaren industriepolitischen Ziele im Ausbau der Windenergie als Klimapolitik zu verkaufen. Aber das ist Industriepolitik, und dann sagen Sie es doch bitte auch so! Denn über den Emissionshandel wird durch eine Windkraftanlage mehr nicht ein Gramm CO2 eingespart.

Wir aber stehen dafür, dass man bei den erneuerbaren Energien endlich vorankommt, indem man den Leitungsausbau in Niedersachsen - etwa konkret durch die Einrichtung der Stelle eines Ombudsmannes zur Schlichtung von Streitigkeiten, durch eine Beweislastumkehr oder durch dauerhafte Entschädigungen für Eigentümer für Eingriffe in ihr Grundeigentum - wirklich vorantreibt und nicht nur irgendwelche Scheindebatten führt.

(Beifall bei der FDP)

Genauso geht fehl, wenn die Grünen fordern, dass man eine flächenmäßige Mindestausweisung von Windkraftanlagen haben muss. Ich kann Ihnen nur sagen: Damit legen Sie einmal mehr die Fackel im ländlichen Raum an. Das ist doch kein Beitrag dazu, dort die Konflikte zu minimieren, sondern das ist ein Beitrag dazu, die Konflikte eskalieren zu lassen.

(Glocke der Präsidentin)

- Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.

Wir halten das für eine falsche Politik. Unsere Aufgabe ist es, da, wo das Land selbst etwas tun kann, dies auch selbst zu tun, und da, wo die Bürgerinnen und Bürger davon betroffen sind, Anreize zu schaffen, einen Rahmen zu setzen, damit sich die effektivsten, die innovativsten Lösungen finden.

Das haben wir mit unserem Antrag und unserem Gesetzentwurf zur Änderung der Niedersächsischen Verfassung beschrieben.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Nun erhält zur Einbringung des Gesetzentwurfs der Fraktion der Grünen Frau Abgeordnete Byl das Wort. Bitte, Frau Byl!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin in die Politik gegangen, weil ich nicht länger zusehen konnte oder wollte. Ich bin in die Politik gegangen, um etwas gegen die Klimakrise zu tun. Wir hier sind ein Landesparlament und haben viele Möglichkeiten. Jede einzelne Möglichkeit gegen die Klimakrise müssen wir auch ausschöpfen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Genau deshalb legen wir hier heute einen Entwurf für ein Klimagesetz vor.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir legen klar, konkret und umfassend vor.

Ja, wir haben den alten rot-grünen Gesetzentwurf aus der letzten Legislatur zurückgezogen. Das stimmt. Denn das, was vor zwei oder vor vier Jahren Stand der Dinge war, ist es jetzt definitiv nicht mehr.

(Marcus Bosse [SPD]: Der Grund war ein anderer!)

Wieso? - Weil uns das Nichthandeln der Großen Koalitionen auf Landesebene wie auf Bundesebene immer weiter von unseren Klimazielen abrückt. Das heißt, wir haben in den letzten Jahren massiv Klimaschulden gemacht. Die müssen wir jetzt aufholen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ja, es stimmt: Wir können als Bundesland nicht im Alleingang für die Bundesregierung den wirklich überfälligen Kohleausstieg durchziehen. Das stimmt. Wir können als Bundesland auch nicht einfach mal so allein die nötige CO2-Steuer einführen. Das stimmt.