Protokoll der Sitzung vom 24.10.2019

(Zuruf: Aber nicht werten!)

- Ich passe schon auf! Bring mal ein!

Ein ganz bisschen werten darf ich jetzt aber, nicht?

Wir sind jetzt ja nicht mehr bei den Dringlichen Anfragen. Da haben wir ja etwas härtere Regeln und Kriterien.

Verunsichern Sie mich nicht, Frau Präsidentin!

Herr Kollege Grupe, ich wollte Sie nicht verunsichern. Das wird mir auch garantiert gar nicht gelingen. Bitte schön!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Der Bauer ist zum Prügelknaben einer pseudoumweltbewussten Wohlstandsgesellschaft geworden. Im Zweifel gilt er als Tierquäler und Giftmischer. Auch bei jenen Deutschen, die so gern Urlaub auf dem Bauernhof machen.“

Sie werden es ahnen, das ist nicht von mir. Das ist aus einem Kommentar aus der gestrigen FAZ von Herrn Reinhard Müller zu den Bauernprotesten.

Meine Damen und Herren, die Landwirte fühlen sich in der Tat an den Pranger gestellt. Die Landwirte fühlen sich verantwortlich gemacht für alles und jedes. Wir wollen daran arbeiten, dass wir dort, wo Probleme bestehen, die wirklichen Ursachen beheben, und wollen dahin kommen, dass wir wieder einen vernünftigen Umgang haben, dass die Landwirtschaft wertgeschätzt und gerecht nach dem beurteilt wird, was sie in den ländlichen Räumen und für unsere gesamte Gesellschaft leistet.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Protest der Landwirte richtet sich zurzeit hauptsächlich gegen das Agrarpaket, das in Berlin verkündet worden ist. Wir haben es eben schon andiskutiert. Da geht es zum einen um Pflanzenschutz in Schutzgebieten. Meine Damen und Herren, wenn man den Pflanzenschutz dort weitgehend verbieten wollte - ich habe gelernt, dass in Baden-Württemberg 38 % der Landesfläche Schutzgebiete sind -, dann wäre das so, als wenn man Arzneien verbieten würde

und meinte, dass die Menschen quasi automatisch trotzdem gesund blieben. Das ist ein Ansatz, der große Teile der Landwirtschaft gefährdet, und nicht nur die konventionelle Landwirtschaft, auch Biobetriebe sagen, sie sähen sich in ihrer Existenz gefährdet; denn sie wenden zwar andere Mittel an, aber auch sie wenden selbstverständlich Pflanzenschutzmittel an.

Bei der Einschränkung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln, wie sie geplant ist, werden Resistenzen gefördert. Die Ministerin hat eben selbst die Eiweißstrategie angesprochen und darauf hingewiesen, dass der Rapsanbau zurückgegangen ist. Warum? - Weil der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln eingeschränkt worden ist. Der Raps ist neben seiner Funktion als Ölfrucht auch die wichtigste Eiweißfrucht in Deutschland. Das heißt, die Politik erreicht genau das Gegenteil von dem, was sie jeden Tag verkündet. Wir produzieren hier weniger Eiweiß und müssen mehr genverändertes Eiweiß aus den südamerikanischen Staaten importieren.

Im Biobetrieb ist der Anbau von Raps, den man dort wenig schützen kann, oft von Totalverlusten gekennzeichnet, deswegen wird er sehr hoch bezahlt. Ich selbst setze mich zurzeit sehr intensiv damit auseinander. Das ist dann der Lohn der Angst: Wenn es gut geht, dann kriegt man einen guten Preis, aber man muss auch mit einem Totalausfall rechnen. Das kann nicht die Lösung für unsere Landesfläche sein. Dann würden wir Probleme mit der Ernährung bekommen.

(Beifall bei der FDP)

Bei Zuckerrüben sind ähnliche Einschränkungen - auch wieder völlig ungleich, in Deutschland wesentlich schärfere als in anderen Staaten - geplant. Auch die Zuckerrübenanbauer sehen sich vom Ruin bedroht.

Meine Damen und Herren, die vorgeschriebene Düngung mit einer Mangelernährung der Pflanzen von minus 20 % in „roten Gebieten“ ist etwas, was diese Betriebe in existenzielle Nöte bringen würde. Wir können nicht davon ausgehen, dass das überhaupt der Sache nutzt. Es ist keine gute fachliche Praxis, und es kann genau den gegenteiligen Effekt hervorrufen.

Es ruft auf jeden Fall den Effekt hervor, dass eine Abwärtsspirale in der Ertragskraft einsetzt. Denn nach der Düngeverordnung ist der Dreijahresdurchschnitt des Ertrages Basis dafür, wie man düngen darf. Wenn ich eine Mangelernährung

durchführen muss, dann sinkt der Ertrag. Die Basis sinkt also immer weiter. Deswegen ist die Ertragskraft dann sehr schnell an der Grenze, an der man die Kosten nicht mehr decken kann. Deswegen entspricht das einer Totalenteignung dieser Landwirte. Deswegen ist das völlig untragbar. Es ist unzweckmäßig, und es gefährdet die Landwirtschaft in diesen Gebieten grundsätzlich.

Meine Damen und Herren, von der Bundesministerin Frau Klöckner wird zum Thema Pflanzenschutzmittel gesagt, dass es zwar keine valide Studie gibt, die nachweist, dass Glyphosat krebserregend ist, aber dass das aufgrund der fehlenden gesellschaftlichen Akzeptanz ein totgerittenes Pferd sei. Meine Damen und Herren, das ist genau so, als wenn ich nach Gefühl rechnen würde. Das geht genauso wenig. Genauso wenig kann ich Pflanzenschutz nach Gefühl machen, wenn ich es richtig und fachgerecht machen will. Das sind Ansätze, die unsere Landwirtschaft gefährden und der Sache nicht dienen.

(Beifall bei der FDP - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Wir haben es eben schon andiskutiert. 16 % der Brunnen liegen über dem Grenzwert. Wir wollen dort gezielt Maßnahmen ergreifen, um diese Werte zu verbessern, aber wir können nicht ganze Gebiete mit drastischen Einschränkungen überziehen.

Meine Damen und Herren, wenn mein Fraktionsvorsitzender Stefan Birkner sagt, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Natura-2000-Gebieten

generell untersagen zu wollen, könne man nur als Irrsinn bezeichnen, dann wird Sie das wenig wundern. Aber wenn mir jemand prognostiziert hätte, dass ich, um meine Forderung zu untermauern, den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann zu Hilfe rufen müsste, hätte ich das nicht geglaubt. Er kritisiert nämlich eindringlich das geforderte Verbot von Pestiziden in Landschaftsschutzgebieten. Zitat:

„Das hätte dramatische Folgen für Tausende von konventionell und biologisch wirtschaftenden Betrieben. Das geht so nach unserer Ansicht auf gar keinen Fall.“

Meine Damen und Herren, wenn es Sie stört, dass dieser Antrag von der FDP gestellt wird: Stimmen Sie doch dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten in diesem Fall einmal zu! Er hat 100prozentig recht.

(Beifall bei der FDP - Miriam Staudte [GRÜNE]: Das machen wir auch nicht immer!)

Von ihm habe ich gelernt, dass diese Gebiete ein Drittel der Fläche von Baden-Württemberg ausmachen. Diese Regelung hätte eine Auswirkung, die die Landwirtschaft grundsätzlich gefährden würde. Deswegen bitte ich darum, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der FDP)

Sehr schön. Vielen Dank, Herr Grupe. - Für die AfD-Fraktion spricht die Abgeordnete Dana Guth.

Bevor Frau Guth mit ihrem Redebeitrag beginnt, möchte ich einen Hinweis geben: Nach dem Tagesordnungspunkt 24 werden wir noch den Tagesordnungspunkt 25 beraten - das ist eine Vereinbarung zwischen den Parlamentarischen Geschäftsführern - und erst dann in die Mittagspause gehen.

Frau Guth, jetzt haben Sie das Wort.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Erst einmal herzlichen Dank an die FDP für diesen Antrag. Die Forderungen, die in dem Antrag enthalten sind, sind durchweg notwendig und vernünftig. Ich möchte hier jetzt nicht jeden einzelnen Punkt durcharbeiten, weil im Wesentlichen das abgebildet wird, was die Landwirte auf der Kundgebung am 22. Oktober gefordert und zum Ausdruck gebracht haben.

Auch wenn es nett umschrieben wurde: Der Punkt 2 Ihrer Forderungen spricht sich ganz klar - vernünftigerweise - für eine weitere Zulassung von Glyphosat aus. In der Begründung zitieren Sie die Bundeslandwirtschaftsministerin mit der Aussage, dass es keine valide Studie gibt, die nachweist, dass Glyphosat krebserregend ist. Das ist Fakt. Aber genau das bringt das Dilemma der deutschen Politik auf den Punkt.

Lobbygruppen nehmen sich eines Themas an - Atomkraft, Diesel, CO2 oder im Fall der Landwirtschaft Glyphosat - und verankern das - ohne jeden wissenschaftlichen Nachweis - mit permanenter Dauerbeschallung negativ in den Köpfen der Menschen. Im Ergebnis werden gute, bewährte Technologien, chemische Verbindungen oder Pflanzenschutzmittel ohne wissenschaftlich-faktenbasierte Gründe verteufelt und schlussendlich verboten.

Das hat nichts mit verantwortungsvoller Politik, sondern nur etwas mit einem getriebenen Hinterherlaufen hinter dem Mainstream zu tun.

Das neue Agrarpaket enthält jede Menge Punkte, die unseren Landwirten und schlussendlich auch der Umwelt schaden werden. Im Ergebnis werden wir erleben, dass Betriebe unrentabel werden und schlussendlich aufgegeben werden müssen. Die fehlende Produktion werden wir dann mit Importen aus dem Ausland ausgleichen müssen. Aber das Mercosur-Abkommen steht ja in den Startlöchern, wie wir bereits gehört haben.

Während man die deutschen Landwirte durch EUVerordnungen immer weiter einschränkt und mit Vertragsverletzungsverfahren bedroht, ist in diesem Abkommen überhaupt keine Sanktion für Umweltschutzverletzungen vorgesehen. Als Geschenk dafür, die meisten Zölle auf EU-Importe abzuschaffen, soll der europäische Markt für Agrarprodukte weiter geöffnet werden. In Zahlen heißt das: 99 000 t Rindfleisch, 180 000 t Geflügelfleisch, 300 000 t Agrartreibstoffe - alles aus Südamerika nach Europa.

Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss und natürlich auch auf den viel besseren Antrag der GroKo, der dann kommen wird. Ich denke, wir werden dem zustimmen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht die Abgeordnete Miriam Staudte. Bitte, Frau Staudte!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es wird Sie nicht wundern, dass wir Grüne den Antrag der FDP ablehnen werden. Oft hält man sich ja in der ersten Beratung noch ein bisschen bedeckt und wartet erst einmal die Beratung im Ausschuss ab. Aber an dieser Stelle ist es wirklich eindeutig, da kann ich nicht anders.

Sie fordern, dass das Agrarpaket der GroKo gestoppt werden soll. Das ist ja auch auf der Demo thematisiert worden. Ich glaube, da machen Sie es sich als Opposition wirklich zu einfach. Immerhin hat die GroKo probiert, mit ihrem Agrarpaket wichtige gesellschaftliche Herausforderungen anzugehen. Beispielsweise der Insektenschutz ist angesprochen worden, das Glyphosatverbot etc. Man

kann natürlich Kritik daran üben, wie die GroKo das anpackt, aber letztendlich nicht an der Zielrichtung.

Ich glaube, da gehen unsere Positionen wirklich konträr auseinander. Nehmen wir das Beispiel Insektenschutz und Glyphosatverbot ab 2024 - das ist ja eigentlich noch sehr viel länger hin, als wir gehofft haben - und auch die Minderungsstrategien zuvor und das Verbot von Pestiziden in Schutzgebieten. Ich glaube, wir haben da eigentlich gute Erfahrungen, z. B. im Biosphärenreservat, wo dann beispielsweise eine niedrige Pacht verlangt wird. Ich glaube schon, dass es da auch eine Kompensation geben muss.

Wir kritisieren, dass den Landwirten sozusagen nur gesagt wird „Bis dann und dann!“, aber dass nicht unterstützt wird. Ich habe gestern schon einmal darauf hingewiesen. Es wird nicht gesagt: Hier haben wir jetzt ganz viele Demonstrationsbetriebe, in denen man auch von der Biolandwirtschaft lernen kann und wo man fragen kann: Welche Maschinen benutzt ihr? Wie macht ihr das mit der Bodenbearbeitung? Wie kommt ihr ohne Pestizideinsatz aus? - Da gibt es keinerlei Hilfestellung.

Letztendlich zieht sich das durch das gesamte Agrarpaket. Es haben ja auch Teilnehmer der Demonstrationen gegenüber den Medien gesagt: Früher wurde immer gesagt, wir sollen immer mehr und immer billiger produzieren! Das soll jetzt plötzlich alles falsch sein? - Ja, es ist falsch. Die Hälfte der Lebensmittel landet im Abfall. Das liegt auch daran, dass sie so wahnsinnig billig sind und die Landwirte dafür keinen anständigen Preis mehr bekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

An vielen Stellen wird ja immer darauf eingegangen: Ja, das ist alles nicht wissenschaftlich, das sind nur irgendwelche NGOs! - Das, was die AfD hier vorgetragen hat, hörte sich ja schon nach Verschwörungstheorien an.