Tagesordnungspunkt 23: Abschließende Beratung: a) Nordsee schützen: Frachtgut professionell sichern! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/2574 - b) Sicherheit in der Containerschifffahrt erhöhen - Havarien vermeiden - Umweltschäden vorbeugen - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/4558 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung - Drs. 18/4713
Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU unverändert anzunehmen und den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abzulehnen.
Wir können somit in die Beratung eintreten. Mir liegt eine erste Wortmeldung für die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Kollegin Meta Janssen-Kucz, ich erteile Ihnen das Wort zur Sache. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe es gestern am Beispiel der Erdgas- und -ölförderung schon einmal deutlich gemacht: Wir müssen alles tun, um unseren Lebensraum - die Nordsee, die Inseln und die Küste - zu schützen.
Wir müssen endlich auch in der Schifffahrt in die Pötte kommen. Wir haben große, viel befahrene Wasserstraßen direkt vor der Haustür, und wir haben immer stärker den Eindruck: Da geht Profit vor Sicherheit.
Wir alle wissen, dass es im Schiffsverkehr gang und gäbe ist, dass ab und zu Container über Bord gehen. Nach meinen Informationen sollen jährlich 20 000 Container in der Nordsee landen - einfach ohne Öffentlichkeit, ohne Bergung, ohne dass wir am Ende wissen, was auf dem Meeresgrund liegt. Das macht doch deutlich, dass da etwas grundlegend falsch läuft.
Meine Damen und Herren, bei der „MSC Zoe“ sind in der Nacht vom 2. auf den 3. Januar immerhin fast 350 Container auf dem Grund der Nordsee gelandet. Drei Container enthielten giftiges Gefahrgut. Vor der niedersächsischen Küste wurden 85 Container vermutet. Die hoch komplizierte Bergung kostet sehr viel Geld und dauert Monate. Sie sollte eigentlich mit Beginn der Sturmflutzeit, also jetzt, abgeschlossen sein.
Fakt ist aber, dass die Bergung einfach beendet wurde, obwohl nicht alle Container und Containerreste mit ihren Inhalten geborgen wurden. Ein Viertel der 80 Container soll nach Wunsch des Bundesverkehrsministers, Andreas Scheuer, für immer auf dem Meeresgrund liegen bleiben. Da geht es wieder nach dem Motto „Profit vor Sicherheit“. Hauptsache, die Fahrrinne ist frei! Was sonst in der Nordsee liegt und was auf den Inseln ankommt, interessiert nicht.
Ich finde, es kann nicht wahr sein, dass man da einfach einen juristischen Schlussstrich zieht. Das ist ein vollkommen falsches Signal in Richtung der Reedereien, die sich einfach entspannt zurücklehnen und denken können: Wir machen so weiter.
Ökologisch ist es genauso fatal. Die Sturmflutsaison steht vor der Tür. Damit wird der Müll samt den nicht georteten und nicht geborgenen Chemikalien und Batterien der Kraft des Meeres und den Stürmen ausgesetzt. Bei einem der Stürme kann er auf den Inseln, allen voran Borkum, landen und die Küsten weiter belasten.
Genau das ist der Ansatz in unserem Antrag: Wir wollen einen klaren Weg aufzeigen, die Nordsee besser zu schützen, damit zukünftig Sicherheit vor Profit geht. Das System des Sparens auf Kosten der Sicherheit und der Seeleute ist am Ende und ausgereizt.
Meine Damen und Herren, das Land Niedersachsen und der zukünftige Oberbürgermeister der Seehafenstadt Cuxhaven stehen in der Verantwortung, die Küsten, die an ihnen lebenden Menschen und das Ökosystem Nordsee vor den Folgen eines Systems zu schützen, bei dem es wirtschaftlicher ist, Container einfach über Bord gehen zu lassen, als die Fracht anständig zu sichern.
Wir müssen doch sicherstellen, dass in niedersächsische Häfen nur Schiffe einlaufen, deren Frachtgut vollständig gelascht ist. Daher müssen wir im Rahmen der Küstenkonferenz die einzelnen Hafenordnungen ändern. Und sagen Sie mir nicht,
Wir erwarten auch, dass Frachtgut in niedersächsischen Häfen ausschließlich von speziell ausgebildetem Hafenpersonal gelascht und entlascht wird.
Und wir brauchen verstärkte Kontrollen. Wir haben nur 2 % Kontrollen. Meine Damen und Herren, das ist nichts!
Kommen wir jetzt einmal zu dem weichgespülten Antrag, den die Regierungsfraktionen vorgelegt haben! Ich finde, er ist eine grandiose Enttäuschung. Sie begrüßen die überfällige Optimierung des Einsatzkonzeptes der Notfallschlepper auf der Nord- und Ostsee, und dann kommen ihre zehn Bittgesuche - so nenne ich die mal - an die Landesregierung, mit diversen Prüfaufträgen. So schiebt man einfach berechtigte Forderungen auf die lange Bank.
Doch das Allerbitterste an dieser Sache ist, dass die SPD, die eigentlich traditionell Gewerkschaftsinteressen vertreten hat, auf Tauchstation geht. Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz sieht sie nicht mehr als staatliche Aufgabe. Stattdessen versteckt sie sich hinter den Tarifparteien. Das hat wohl mittlerweile System. Von guter Arbeit ist diese SPD weiter entfernt denn je.
Meine Damen und Herren, Ihr Antrag ist eine grandiose Enttäuschung. Nutzen Sie heute die Chance und stimmen Sie unserem Antrag zu!
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Zum gleichen Tagesordnungspunkt liegt jetzt eine Wortmeldung aus der Fraktion der FDP vor. Kollegin Hillgriet Eilers, bitte sehr!
Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist festzustellen, dass die Zahl der Schiffsunfälle, insgesamt betrachtet, nicht wächst. Vielmehr wiegen aufgrund wachsender Schiffsgrößen die Folgen von Havarien schwerer.
Insofern stehen wir zwei Herausforderungen gegenüber: Wir müssen im Bereich der Unfallvermeidung besser werden, und wir müssen in der Lage
Dabei lautet doch die entscheidende Frage: Welche Handlungsspielräume hat das Land überhaupt, um die Sicherheit an den Küsten zu erhöhen? Denn es steht doch fest, dass die meisten Regelungen nur durchzusetzen sind, wenn internationale Vereinbarungen getroffen werden. Das betrifft die Sicherung und das Auffinden von Containern genauso wie die Kompetenzen und die Aufgaben der Besatzungen.
Dennoch ist es richtig, auch im Lande darauf zu drängen, dass Gesamtkonzepte für maritime Verkehre vor der Küste entwickelt werden und dass die Kooperationen mit den Nordseeanrainern vertieft werden.
Tatsache ist: Es hat sich erwiesen, dass es sowohl bei den Konzepten als auch bei der Kommunikation der niedersächsischen Akteure Verbesserungsbedarf gibt. Der Unfall der „Glory“ vor zwei Jahren hat deutlich gemacht, dass etliches, was insbesondere in der Verantwortung des Havariekommandos liegt, der Änderung bedarf.
So wurde inzwischen ein Katalog mit elf Maßnahmen vorgelegt, die umgesetzt werden sollten. Einiges davon ist inzwischen geschehen. Ich nenne an dieser Stelle nur die Organisation eines weiteren Boarding Teams, die positiv zu bewerten ist, sofern es entsprechend geschult wird.
Allerdings halten wir es für geboten, übergreifender und ganzheitlicher zu denken und ganz andere, neue Strukturen aufzubauen. So setzt sich die FDP auf Bundesebene dafür ein, eine nationale Küstenwache zu schaffen. Das schafft Rechtssicherheit, Übersichtlichkeit und klare Zuständigkeiten und verhindert Doppelstrukturen.
Darauf aufbauend, wäre es möglich, mit den nationalen Küstenwachen in der EU zusammenzuarbeiten und Kooperationen anzustreben.
Sehr geehrte Damen und Herren, der Unfall der „Zoe“ liegt nun fast zehn Monate zurück, und die Folgen der Havarie sind immer noch zu spüren. Die Suche ist eingestellt. Zwei Drittel der Container sind gefunden, die übrigen geborsten oder - wie
die Gefahrgutcontainer - verschollen. Das ist schlimm. Dennoch plädieren wir für Initiativen, die nicht panikgetrieben auf den Weg gebracht werden, sondern vernünftig und auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierend.
Heute liegt der Abschlussbericht des Bundesamtes noch nicht vor. Erst dieser Bericht und die Berichte ausländischer Behörden - wie aus Panama und von den Niederlanden - werden Aufschluss geben über die Ursache.
Doch die Untersuchungskommission in den Niederlanden ist schon einen Schritt weiter. Vor wenigen Tagen konnte man der Presse - allerdings auf Niederländisch - entnehmen, dass fehlerhaftes Laschen nicht ursächlich für den Unfall war. Die Untersuchungskommission hat demnach Folgendes festgestellt: Der sogenannte VDR - Voyage Data Recorder, also die Blackbox; dieses Gerät misst den Tiefgang und die Geschwindigkeit - habe nicht den Anforderungen entsprochen. Zudem habe das Schiff bereits vor Terschelling Container verloren, den Verlust aber erst Stunden später, vor Borkum, gemeldet. Außerdem sei zu untersuchen, ob ein Schaden am Rumpf eine Rolle gespielt habe. - Wir können davon ausgehen, dass sich diese Ergebnisse auch im deutschen Bericht widerspiegeln werden.
Der Antrag der Grünen ist aus den Eindrücken kurz nach dem Unfall entstanden. Er setzt aus unserer Sicht nicht die richtigen Schwerpunkte.
Der Antrag der GroKo begrüßt einige getroffene Maßnahmen und schlägt Prüfaufträge an die Landesregierung und die Bundesebene vor. Das können wir so machen. Wir werden sehen, ob es uns voranbringt.
Ich bin überzeugt, dass wir das Thema noch lange besprechen werden, Herr Santjer - von Cuxhaven aus.
Ich möchte ihm an dieser Stelle für die Zusammenarbeit danken, was diese Anträge angeht, aber auch was die Zusammenarbeit im Petitionsausschuss und überhaupt in den letzten Jahren angeht.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Eilers. - Ich rufe jetzt für die Fraktion der AfD den Abgeordneten Stefan Henze auf. Bitte sehr, Herr Henze!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Die in wenigen Minuten zu diesem TOP folgende Abstimmung wird leider überdeutlich machen, was ich bereits im JanuarPlenum inhaltlich zu dem Themenkomplex „Havarievermeidung“ anführte. Als Oppositionspolitiker werde ich das wohl auch weiterhin ohne Unterlass tun müssen, weil Ihre Reaktion „abwarten und Tee trinken“ ist.
Liebe Landesregierung, liebe Kollegen von SPD- und CDU-Fraktion, Sie wissen genau, dass das in diesem Zusammenhang nicht tragbar ist. Ich hoffe für Sie und uns alle, dass Ihr unverantwortliches und auf grober Fahrlässigkeit sowie vielleicht auch auf machtpolitischen Erwägungen beruhendes Pokerspiel aufgeht und wir nicht in Kürze wieder einen schweren Seeunfall vor unserer Küste haben.
Ihnen ist vorzuwerfen, dass Sie weitestgehend tatenlos auf die Havarie der „MSC Zoe“ reagieren. Das ist nicht gut für die Küstenbewohner, das ist nicht gut für die Umwelt, und das ist auch nicht gut für die Zukunft. Die Bedrohungen sind konkret und abstrakt. Wir wissen, die Schiffe werden größer, die Gefahren werden größer.