Protokoll der Sitzung vom 24.10.2019

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Das MercosurAbkommen verfolgt ja den Zweck, dass in erhöhtem Maße ein Warenaustausch stattfindet. Das heißt, dass wir mehr nach Südamerika exportieren und auch mehr Waren in die EU gelangen. In Zeiten von Dieselfahrverboten ist für mich die Frage: Wie wollen Sie diesen erhöhten Warentransport klimaneutral gestalten, oder wie bekommen Sie die Waren von A nach B? Das sind immerhin 10 000 km.

Danke. - Frau Ministerin antwortet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ganz ehrlich: Das ist keine Frage, die sich an mich richtet. Das ist eine Frage der Wirtschaft. Derzeit finden die meisten Transporte per Schiff und in Containern statt. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Das muss der Verkehrsminister beantworten!)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Zusatzfragen vor. Damit schließen wir die Besprechung der Dringlichen Anfrage der FDP-Fraktion.

Bevor wir zur dritten Dringlichen Anfrage kommen, weise ich darauf hin, dass es eine Absprache zwischen den Parlamentarischen Geschäftsführern gibt, vor Eintritt in die Mittagspause, also nach der letzten Dringlichen Anfrage, den Tagesordnungspunkt 24 zu behandeln.

Wir steigen jetzt ein in

c) Jüdisches Leben schützen - Was unternimmt die Landesregierung? - Anfrage der Fraktion der AfD - Drs. 18/4894

Die Anfrage wird von dem Abgeordneten Jens Ahrends eingebracht. Bitte!

Frau Präsidentin, ich danke Ihnen. - Meine Damen und Herren!

Der Anschlag in Halle am 9. Oktober 2019, der Messerangriff eines Syrers auf eine Berliner Synagoge am 4. Oktober 2019 in Berlin und der jährlich stattfindende, aus dem Umfeld der Hisbollah organisierte Al-Quds-Marsch bedrohen jüdisches Leben in Deutschland.

Der Niedersächsische Minister für Inneres und Sport, Herr Boris Pistorius, erklärte in der Fernsehsendung „Hart aber fair“ am 14. Oktober 2019: Ich muss immer einkalkulieren, dass das, was ich verbal mache, am Ende in Gewalt umgesetzt wird.

Die Hisbollah hat in Niedersachsen 150 Mitglieder bzw. ihr zuzurechnende Personen und ist laut niedersächsischem Verfassungsschutz Teil der schiitisch geprägten Islamistenszene, deren wichtigste und größte Veranstaltung der alljährlich stattfindende Al-Quds-Tag ist. Auf dieser besonders von Anhängern der Hisbollah besuchten Veranstaltung werden Parolen gerufen wie „Zionisten ins Gas“, „Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein“, es sind Plakate zu sehen, auf denen zu lesen ist „Rabbi trinkt Kinderblut“, und es kam wiederholt zu Angriffen auf Kippaträger.

Die Hisbollah bekämpft Israel mit terroristischen Mitteln, bestreitet dessen Existenzrecht und beteiligt sich in Deutschland an gegen Israel gerichteten Aktivitäten. Nach Auskunft der Landesregierung fördern in Niedersachsen ansässige und der Hisbollah zuzurechnende, in einer niedrigen zweistelligen Anzahl vorhandene Vereine zumindest mittelbar den bewaffneten Kampf gegen Israel. Regelmäßig reisen Funktionäre der Hisbollah aus dem Libanon zu besonderen Anlässen an.

In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel vertritt Innenminister Pistorius die Ansicht, es bestehe die rechtliche Verpflichtung, Kämpfer und Anhänger des „Islamischen Staates“, die deutsche Staatsangehörige sind, in die Bun

desrepublik Deutschland zurückzuholen. Der „Islamische Staat“ strebt danach, den Staat Israel und das gesamte jüdische Volk zu vernichten. Die Reichweite staatlicher Schutzpflichten wird in der Rechtsprechung insbesondere für im Ausland befindliche Deutsche nicht eindeutig beantwortet und ist auch im rechtswissenschaftlichen Schrifttum umstritten.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Warum können sich in Niedersachsen 150 Mitglieder bzw. Anhänger der Hisbollah in Vereinen organisieren, obwohl das erklärte Ziel der Hisbollah die Zerstörung des Staates Israel und die Vernichtung der Juden ist?

2. In welcher Form werden die der Hisbollah zuzurechnenden Vereine durch das Land Niedersachsen gefördert, obwohl der Landesregierung bekannt ist, dass die Aktivitäten dieser Vereine sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten?

3. Hält die Landesregierung es mit ihrer Schutzpflicht für Juden in Niedersachsen für vereinbar, dass sie sich für die Rückholung von Kämpfern des „Islamischen Staates“ ausspricht, obwohl der IS die Vernichtung des gesamten jüdischen Volkes anstrebt?

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Danke. - Für die Landesregierung antwortet der Innenminister. Bitte schön, Herr Minister Pistorius!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man kann es hier im Landtag und auch anderswo nicht häufig genug wiederholen: Der Schutz jeglichen Lebens genießt in der Landesregierung absolute Priorität,

(Beifall bei der SPD)

unabhängig davon, welche Nationalität, welche Religion bzw. welcher Mensch von einer solchen Bedrohung betroffen ist. Die Landesregierung wird immer alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Bedrohung des menschlichen Lebens abzuwenden.

(Beifall bei der SPD)

Auch wenn die Versuche der Damen und Herren der AfD nicht abreißen werden, die Bevölkerung zu spalten und Religionsgemeinschaften gegeneinander auszuspielen, werden wir als Demokraten beieinanderstehen und dem entgegentreten.

(Beifall bei der SPD)

Ich will an dieser Stelle noch einmal die Worte der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu

Dreyer von vorgestern zitieren, die in ihrer Regierungserklärung genau die richtigen Worte gefunden hat. Sie sagte: Die permanente Hetze gegen Muslime und Migranten macht die AfD nicht zu einem Freund von Jüdinnen und Juden.

(Beifall bei der SPD)

In einem gemeinsamen Aufruf von 17 jüdischen Gemeinden, darunter auch der Zentralrat der Juden in Deutschland, gegen die AfD aus dem Oktober 2018 haben diese erklärt:

„Die AfD agitiert unumwunden gegen Muslime und andere Minderheiten in Deutschland. Dabei versucht die AfD, ‚die‘ Muslime als Feinde der westlichen Welt oder ‚der‘ Juden darzustellen. Muslime sind nicht die Feinde der Juden! Die Feinde aller Demokraten in diesem Land sind Extremisten, egal ob aus rechtsextremer, linksradikaler oder radikalmuslimischer Gesinnung heraus.“

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Nun zu Ihren Fragen: In Niedersachsen suchen Personen, die im Verdacht stehen, Anhänger bzw. Sympathisanten der Hisbollah zu sein, Vereine auf, die die Pflege und Verbreitung der libanesischen Kultur und die Ausübung ihrer Religion als Zweck und Ziel in der Satzung angegeben haben. Das bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass die Vereine in Gänze zwingend der Hisbollah zuzuordnen sind und deren extremistische bzw. terroristische Ziele aktiv und nachweisbar verfolgen. Diese Vereine werden in der Regel auch von einer Vielzahl anderer Personen mit einem Bezug zur libanesischen Kultur bzw. von Personen des schiitischen Glaubens aufgesucht.

Sollte die Landesregierung jedoch Anhaltspunkte dafür erhalten, dass in diesen Vereinen extremistische bzw. terroristische Ziele verfolgt werden, erfolgt eine Beobachtung durch den niedersächsischen Verfassungsschutz, und die Sicherheitsbehörden leiten alle möglichen und rechtlich zulässi

gen gefahrenabwehrenden bzw. strafverfolgenden Maßnahmen ein.

Zu Frage 2: Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse über die Förderung von der Hisbollah zugerechneten Vereinen durch das Land Niedersachsen vor. Eine Förderung wäre auch ausgeschlossen, wenn sich herausstellte, dass die Vereine nachweislich extremistische oder terroristische Ziele verfolgen; das versteht sich von selbst.

Sollten sich solche Anhaltspunkte - aktuell scheint es keine zu geben - etwa bei laufenden Fördermaßnahmen ergeben, würden diese unter Berücksichtigung der rechtlichen Möglichkeiten umgehend beendet.

Zu Frage 3: Im Hinblick auf die Rückholung der Kämpfer aus den Dschihad-Gebieten und die Schutzpflicht gegenüber unserer Gesellschaft, zu der insbesondere auch unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger gehören, treffen sowohl rechtliche als auch moralische Verpflichtungen zusammen. Ich sage auch sehr deutlich: Politisch will niemand IS-Anhänger zurücknehmen. Rechtlich besteht für die Bundesrepublik eine Pflicht, deutsche Staatsangehörige zurück nach Deutschland zu holen oder zu lassen - egal, welche Gefahren von ihnen ausgehen.

Die Bundesregierung kann nicht einerseits mutmaßliche IS-Mitglieder, die keine deutschen

Staatsbürger sind, aus Deutschland in das jeweilige Heimatland abschieben - so wie wir in Niedersachsen z. B. die beiden Gefährder aus Göttingen damals in ihre Heimatländer abgeschoben haben -, sich dann aber andererseits dagegen wehren, ihre eigenen Staatsbürger nach Deutschland zurückzulassen.

Natürlich hat der Staat eine Schutzpflicht gegenüber all seinen Staatsbürgern. Dieser Schutzpflicht wird Rechnung getragen, indem von der Justiz gegen zurückgekehrte Kämpfer sofort entsprechende Strafverfahren eingeleitet werden und - sofern rechtlich möglich - natürlich auch eine umgehende Inhaftierung erfolgt. Diese Personen, meine Damen und Herren, müssen sich dann in Deutschland vor den Gerichten für ihre Taten verantworten.

Stattdessen befinden sie sich - und das ist das eigentliche Problem, meine Damen und Herren - aufgrund der Entwicklungen in Nordsyrien und in der Türkei inzwischen teils unkontrolliert in Freiheit und wollen im schlimmsten Fall Anschläge in Deutschland oder anderswo begehen. Die Sicher

heit unserer Gesellschaft insgesamt steht dabei im Vordergrund. Denn was uns droht, wenn wir nicht handeln, meine Damen und Herren, ist eine unkontrollierte Rückkehr von Menschen, von denen weitere Gefahren ausgehen können, nach

Deutschland und Europa.

Insbesondere die Sicherheitsbehörden des Bundes müssen diese Personen mit allerhöchster Priorität lokalisieren, bevor etwas passiert. Es muss verhindert werden, dass diese Personen unerkannt nach Europa einreisen können.

Auch nicht verkennen, meine Damen und Herren, darf man aber, dass sich viele Kinder in Gefangenschaft befinden, die sich diese Situation nicht ausgesucht haben. Wir haben die rechtliche und menschliche Verpflichtung, unschuldigen Kindern zu helfen, insbesondere - aber nicht nur - weil sie die deutsche Staatsangehörigkeit haben, weil sie deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sind.

An dieser Stelle, meine Damen und Herren, warne ich auch eindringlich davor, eine Religionsgemeinschaft gegen eine andere auszuspielen.

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei den GRÜNEN und bei der FDP)