Protokoll der Sitzung vom 24.01.2018

(Beifall bei der AfD)

Die traurige Wahrheit ist: Es gab keinen.

Blieb die öffentliche Empörung vielleicht aus, weil Bundestagsabgeordnete der AfD, wie Herr Kahrs von der SPD am 26. September 2017 auf Phoenix sagte, nur „rechtsradikale Arschlöcher“ sind?

Ein Angriff auf Herrn Gottschalk ist schlimm. Aber viel schlimmer noch als das Geschehen sind das Schweigen und die Billigung dessen.

(Beifall bei der AfD)

Gewählte Bundestagsabgeordnete sind Vertreter der Bundesrepublik Deutschland. Sie beschädigen durch die Billigung das Ansehen des Parlaments und nicht zuletzt das Ansehen der Demokratie.

Ich fordere Sie ganz klar auf, sich gegen Gewalt zu positionieren, so wie die AfD das tut. Ich fordere Sie weiter auf, daran mitzuarbeiten, unsere Wähler und vor allen Dingen unsere Gegner auf den Boden der demokratischen Auseinandersetzung zu

rückzuholen, mit Regeln wie Respekt und Toleranz.

(Lachen bei der SPD)

Empörung über Gewalt darf nicht von einer Parteizugehörigkeit abhängig gemacht werden.

„Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden.“ Das hat nicht die AfD gesagt, sondern Rosa Luxemburg, und die war auch einmal bei der SPD.

(Lachen bei der SPD)

Darüber kann man ruhig einmal nachdenken, anstatt hier zu protestieren.

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen.

(Lebhafter Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Ahrends. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass Begriffe aus der Fäkalsprache auch dann nicht hier benutzt werden, wenn sie in Zitate gekleidet und anderen zuzurechnen sind.

Für die SPD-Fraktion erteile ich jetzt Herrn Kollegen Lynack das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche, jetzt mal wieder das Augenmerk auf das Thema Bürgermeisterinnen und Bürgermeister zu richten. Ich glaube, wir sind gerade in die große Bundespolitik abgeglitten. Das war nicht Thema der Aktuellen Stunde und nicht Intention der CDUFraktion.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, allen voran ihre Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, sind, wie ich finde, die Vorposten unserer Demokratie. Sie sind Tag und Nacht für ihre Kommune im Einsatz und immer erst für all das zuständig, was vor Ort so anfällt, egal ob es um die nicht abgefahrene Mülltonne, die Verspätung der Buslinie oder um die Schließung der letzten Dorfkneipe geht.

Unsere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sind allzuständig. So steht es schon in den Gesetzen. Jeder weiß, wo sie wohnen, wo sie zu erreichen sind - das ist auch gut so -, und die meisten wollen das auch und waren sich auch dessen bewusst, als sie zur Wahl angetreten sind. Sie sind

Menschen, die einfach Land und Leute aus dem Effeff kennen und einen Plan dafür haben, das Leben vor Ort jeden Tag ein kleines bisschen besser zu machen.

Dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen, sage ich erst einmal ein ganz herzliches Dankeschön an alle, die sich in den Kommunen dafür vor Ort zur Verfügung stellen.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP sowie Zustimmung von Christopher Emden [AfD])

Zunehmend - darauf wurde in der Aktuellen Stunde von der CDU hingewiesen - mehren sich aber in jüngster Vergangenheit leider die Meldungen über Bedrohungen, Hetze und Gewalt gegen kommunale Mandatsträgerinnen und Mandatsträger. So wurde die heutige Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker schon 2015 bei einem Wahlkampfauftritt von Rechtsextremisten mit einem Messer lebensgefährlich verletzt. Zu den jüngsten Zwischenfällen zählen eine Messerattacke gegen den Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein - der Name fiel eben auch schon -, sowie Morddrohungen gegen den ehrenamtlichen Bürgermeister von Beierstedt, Michael Burda, und ein Shitstorm in den sogenannten sozialen Netzwerken gegenüber Volker Hatje, den Bürgermeister von Elmshorn. Das alles war Ende letzten Jahres. Die Liste dieser erschütternden Ereignisse ließe sich leider weiter fortsetzen. Es sind allesamt Vorfälle, die wir aufs Schärfste verurteilen.

Betroffenen können wir in diesem Zusammenhang auf alle Fälle nur raten, jeden einzelnen Fall zur Anzeige zu bringen. Der Kollege Schünemann hat gerade richtig darauf hingewiesen. Zurückhaltung und Schweigen, auch wenn sich solche Gedanken vielleicht auf den ersten Blick nachvollziehen lassen, sind hier absolut fehl am Platz. So würden nicht nur Nachahmer ermutigt, vielmehr würden wir auch Gefahr laufen, die Täterinnen und Täter auch noch in ihrem Verhalten zu bestärken. Das geht nicht!

Wenn kommunale Amts- und Mandatsträgerinnen und Mandatsträger Opfer von Gewalt werden und sogar ihr Amt aufgeben müssen, um sich und ihre Familien zu schützen, dann ist das, liebe Kolleginnen und Kollegen, nach meinem Dafürhalten ein frontaler Angriff auf unsere Demokratie. Da können, wollen und werden wir nicht wegsehen und ganz sicher die Betroffenen auch nicht alleine im Regen stehen lassen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Bevor allerdings die in diesen Zusammenhängen oft reflexartigen Rufe nach mehr Sicherheit und härteren Gesetzen laut werden, plädiere ich zunächst einmal dafür, zu prüfen, ob die vorhandenen Mittel, die wir zur Verfügung haben, ausreichen oder gegebenenfalls besser ausgeschöpft werden müssen.

Bei aller Verachtung gegenüber solchen Taten und im Hinblick auf das damit verbundene persönliche Schutzbedürfnis müssen wir darauf achten, dass unsere Rathäuser nicht zu Festungen werden. Es ist auch niemandem damit geholfen, wenn - übertrieben gesagt - erst nach einer umfänglichen Personenkontrolle Menschen mit ihrer Landrätin oder ihrem Bürgermeister sprechen können. Politik, insbesondere die Kommunalpolitik, lebt vom persönlichen Kontakt. Neue Sicherheitsbarrieren wären Gift für das Zusammenleben vor Ort und Wasser auf die Mühlen derer, die uns darin beschränken wollen.

Selbst die Kölner Oberbürgermeisterin sagt mit dem jetzigen Abstand zur Tat von 2015, dass derartige Attentate das Leben verändern. Was sich allerdings nicht ändern dürfe, sei das Verhalten. Lassen Sie uns deshalb gemeinsam zusammen mit den kommunalen Spitzenverbänden darüber beraten, welche Schutzmechanismen wir bereits haben, wie wir sie eventuell besser umsetzen können und wie wir entsprechende Vorfälle konsequenter ahnden können. Ich denke, wir werden Gelegenheit haben, Ihren Fünf-Punkte-Plan ausführlich zu diskutieren, Herr Schünemann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle sind gefordert, Augen und Ohren offenzuhalten und jeglichen Anfeindungen, egal ob auf den Straßen, in den Rathäusern oder auch in den sozialen Netzwerken, entschieden entgegenzutreten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Gerade in den letzten Monaten, nicht zuletzt auch beim Juli-Hochwasser, hat sich wieder gezeigt, wie groß der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft ist. Großen Zuspruch und Solidarität hat übrigens auch Beierstedts Bürgermeister, Michael Burda, erfahren. Er hat nämlich Anzeige erstattet, die Bedrohungen öffentlich gemacht, und er hat die Gewissheit, dass nicht nur sein Gemeinderat, sondern auch der überwiegende Teil der Bevölkerung von Beierstedt hinter ihm stehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Beispiele zeigen, dass unser Zusammenhalt weitaus größer ist als die vermeintliche Macht anonymer Demokratiefeinde. Lassen Sie uns deshalb gemeinsam couragiert dafür arbeiten, dass das in Niedersachsen auch so bleibt!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU sowie Zustimmung von Belit Onay [GRÜNE])

Vielen Dank. - Als nächster Redner hat Herr Kollege Onay für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Tatsächlich sind Angriffe auf Politiker bzw. Kommunalpolitiker keine Neuheit und auch keine Seltenheit. Ich erinnere nur an den feigen Angriff auf Wolfgang Schäuble im Jahr 1990. Der Mordanschlag auf den Hamelner Landrat Rüdiger Butte wurde bereits genannt. Zu erinnern ist auch an die Schüsse beispielsweise auf einen Veterinäramtsleiter 2017 in Cuxhaven. Solche Fälle kommen leider immer wieder vor.

Die Aktuelle Stunde und der Vorstoß des Städte- und Gemeindebundes zielen jedoch vor allem auf eine Thematik, auf Vorfälle ab, die häufig in einem besonderen Kontext stehen:

Der Anschlag im Jahr 2015 auf Henriette Reker in Köln, der von dem Rechtsextremisten Frank S. verübt wurde, wurde bereits genannt. Frau Reker war vorher, als sie noch nicht kandidiert hatte, als Dezernentin für die Unterbringung von Flüchtlingen in Köln zuständig.

Aber auch der Anschlag auf den Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein, ist zu nennen. Dort hat der Angreifer seine Tat im Nachgang ausdrücklich noch einmal damit gerechtfertigt, dass der Bürgermeister 200 Geflüchtete in die Stadt geholt habe. Das sagte jedenfalls die Hagener Oberstaatsanwaltschaft. Wenige Stunden nach der Attacke gingen zahlreiche Mails im Büro von Herrn Hollstein ein, in denen die Absender die Tat ausdrücklich für richtig gehalten haben.

Zu erwähnen ist aber auch der aktuelle Fall von Anne Spiegel, der Familienministerin in RheinlandPfalz, die mittlerweile aufgrund der Diskussionen um die Altersfeststellung von Flüchtlingen und der

damit zusammenhängenden massiven Drohungen von Rechtsradikalen unter Personenschutz steht.

Bürgermeisterinnen und Bürgermeister - das hat Uwe Schünemann richtig gesagt - sind die Personen, die sozusagen an vorderster Front stehen und das Gesicht der Demokratie vor Ort sind. Gerade in diesem Kontext - 2015/2016 mit der Zuwanderung von Flüchtlingen - waren sie es, die vor Ort immer wieder die Diskussionen um die Unterbringung von Flüchtlingen, um die Integration von Flüchtlingen, um die Herausforderungen vor Ort geführt und Verantwortung übernommen haben und dort auch im Fokus standen. Deshalb möchte ich ausdrücklich unsere Solidarität mit genau diesen Menschen, egal ob sie haupt- oder ehrenamtlich tätig sind, ausdrücklich betonen. Sie haben Verantwortung übernommen und stehen leider nun für diese Verantwortung unter Beschuss und sind Anfeindungen ausgesetzt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch das BKA - Herr Schünemann hat ja die Zahlen schon genannt - sieht einen Zusammenhang zwischen diesen Diskussionen um die Flüchtlingspolitik und den Anfeindungen, denen diese Menschen ausgesetzt sind. In der überwiegenden Mehrheit der Fälle geht es um schriftliche Drohungen und Hassmails. Aber auch tätliche Angriffe sind dabei: Autos werden angezündet, Wahlkampfbüros werden beschmiert oder noch mehr.

Der BKA-Präsident Holger Münch sagt dazu: Wir beobachten, dass Straftaten gegen Entscheidungsträger, Politiker, Betreiber von Flüchtlingsunterkünften und Helfern keine Einzelfälle sind. In der Tat werden die meisten Straftaten von rechtsradikalen Tätern verübt. 1 800 sind es in toto. Fast 800 kommen aus der rechtsradikalen Ecke.

Ein weiteres, hier genanntes Feld sind auch die Drohungen in den sozialen Netzwerken oder über E-Mails. Hier kann man sehr gut beobachten, wie sich die virtuelle Verrohung, die sprachliche Verrohung immer mehr Bahn bricht und dann leider häufig in reale Gewalt mündet.

An dieser Stelle muss ich leider auf den Redebeitrag des AfD-Kollegen eingehen. Wenn man sich hier über eine Verrohung der Sprache echauffiert, aber selbst noch am Wahlabend der Bundestagswahl dazu aufruft, Merkel zu „jagen“, dann darf man sich hier, glaube ich, nicht so über sprachliche Feinheiten aufregen.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)