Protokoll der Sitzung vom 19.11.2019

Sie meinen in dieser Wahlperiode: Das Land müsste trotz der Niedrigzinszeiten einfach in großen Schritten die auch zu Ihren Regierungszeiten angehäuften Schulden tilgen, und alles würde gut.

(Christian Grascha [FDP]: Genau!)

500 Millionen Euro Tilgung schlagen Sie in Ihrem Gesetzentwurf vor, obwohl noch nicht einmal der Jahresabschluss 2019 durch ist.

Leider ist die Welt nicht ganz so einfach. Ein Grundproblem ist, dass jeder Euro nur einmal ausgegeben werden kann:

(Christian Grascha [FDP]: Es sind ja Mehreinnahmen!)

entweder für Zukunftsinvestitionen oder für Tilgung.

(Christian Grascha [FDP]: Das Geld ist ja noch nicht ausgegeben!)

Es würde allen Beteiligten weiterhelfen, wenn Sie sich einmal intensiver mit den Schulden auseinan

dersetzen würden, die das Land macht, wenn Zukunftsinvestitionen unterbleiben.

(Christian Grascha [FDP]: Die wollen wir ja auch tätigen!)

Das sind Schulden, die durch unterlassene Investitionen z. B. in die Infrastruktur, in den Klimaschutz und in unser Gemeinwesen entstehen.

(Christian Grascha [FDP]: Die wollen wir ja auch alle tätigen!)

Diese Schulden belasten zukünftige Generationen.

FDP-Gesetzentwürfe legen regelmäßig den Eindruck nahe, dass der FDP wenig am Zusammenhalt unseres Gemeinwesens liegt, dass die FDP der nächsten Generation eine kaputtgesparte Infrastruktur hinterlassen will. Und, ja, Sie lassen den Eindruck entstehen, dass es Ihnen nicht wichtig sei, der kommenden Generation durch wirksamen Klimaschutz eine noch einigermaßen beherrschbare Erderwärmung um höchstens 1,5 °C zu hinterlassen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin, Herr Kollege Grascha möchte eine Zwischenfrage stellen.

Ich möchte gerne im Zusammenhang ausführen.

(Christian Grascha [FDP]: In welchem Zusammenhang?)

Ich bin unserer SPD-geführten Landesregierung dankbar, dass sie den Willen hat, den gerade auch in Zeiten mit FDP-Regierungsbeteiligung angehäuften Investitionsstau - die implizite Verschuldung des Landes Niedersachsen - Schritt für Schritt abzubauen. Genügend Beispiele bieten der Landeshaushalt 2019 und unser im Sommer beschlossenes Gesetz zur Stärkung von Zukunftsinvestitionen und Zukunftsvorsorge.

Wenn Menschen in unserem Land keine für sie bezahlbare, menschenwürdige Wohnung mehr finden, dann zerstört das auf Dauer unser Gemeinwesen. Deswegen haben wir mit dem Gesetz zur Stärkung von Zukunftsinvestitionen und Zukunftsvorsorge aus dem besonders guten Jahresabschluss 2018 immerhin 400 Millionen Euro in den Wohnraumförderfonds investiert.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Dirk Toepffer [CDU])

Wenn man Landesstraßen und Radwege verkommen lässt, dann wird die Sanierung am Ende umso teurer. Deswegen haben wir die Mittel für die Sanierung von Radwegen entlang von Landesstraßen mit Beschluss des Landeshaushalts 2019 von 5 auf 10 Millionen Euro im Jahr verdoppelt. Insgesamt stehen 115 Millionen Euro für Landesstraßen und Radwege entlang von Landesstraßen zur Verfügung.

Die Landesregierung investiert aber nicht nur in Landesstraßen. Auch die kommunale Verkehrsinfrastruktur und der öffentliche Personennahverkehr wurden von uns schon gestärkt. Die mit dem Landeshaushalt 2018 von 123 auf 150 Millionen Euro erhöhten Mittel für das Niedersächsische Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz haben wir auf dem hohen Niveau von 150 Millionen Euro im Jahr fortgeschrieben. Mit diesem Geld werden in den Kommunen u. a. Straßen, Brücken und Radwege an Kreisstraßen gefördert.

Nun können Sie, liebe FDP, der SPD-Fraktion entgegenhalten, dass auch Sie in Ihrem Gesetzentwurf eine Zukunftsinvestition - nämlich in die Hochschulkliniken - vorgesehen haben, in Höhe von 200 Millionen Euro. Zum Vergleich: Wir Regierungsfraktionen haben das Sondervermögen für die nötigen Zukunftsinvestitionen in unsere Hochschulkliniken mit inzwischen 1 150 Millionen Euro ausgestattet.

(Christian Grascha [FDP]: Sehr gut! Das haben wir nie kritisiert!)

Wenn Ihnen die Investitionen in die Hochschulkliniken so wichtig sind, warum haben Sie dann nicht im Sommer 2018 dem Sondervermögen zugestimmt oder im Sommer 2019 dem Gesetz zur Stärkung von Zukunftsinvestitionen und Zukunftsvorsorge?

(Christian Grascha [FDP]: Das hatte andere Gründe! - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Sie müssen unsere Reden nachlesen, in denen wir das erklärt haben!)

Gegen unser Sondervermögen, das mit mehr als 1 Milliarde Euro ausgestattet ist, sind die von Ihnen vorgeschlagenen 200 Millionen Euro ein netter Versuch.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Christian Grascha [FDP]: Immerhin!)

Die rot-schwarze Koalition hier in Niedersachsen macht generationengerechte Politik. Denn hier wird nicht nur die Schuldenbremse eingehalten, sondern auch zugunsten kommender Generationen in die Zukunft investiert. Und das ist gut so.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und Zustimmung von Dirk Toepffer [CDU])

Danke schön, Frau Dr. Liebetruth.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, falls sich gleich Situationen ergeben, in denen jemand eine Zwischenfrage stellen möchte: Unsere fest installierten Saalmikrofone sind einstweilen nicht in Ordnung. Es sind aber auf zwei Stativen neue Mikrofone aufgestellt worden. Wenn Sie sich zu einem der Mikrofone mit silbernem Kopf begeben, dann wird von oben das jeweilige Mikrofon freigeschaltet, sodass Sie dann hoffentlich zu hören sind. Es fragt sich, wann wir das ausprobieren werden.

Einstweilen geht es weiter mit Herrn Wenzel, Bündnis 90/Die Grünen. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Grascha, vielen Dank für Ihren Antrag. Sie haben bei zwei Themen den Finger in die Wunde gelegt.

Sie haben das Thema Generationengerechtigkeit angesprochen und damit wichtige Themen, die uns spätestens beim nächsten Landtagsplenum noch sehr viel intensiver beschäftigen werden.

Wir haben ein sehr außergewöhnliches Haushaltsjahr. Wir haben sehr außergewöhnliche Situationen bei den Steuereinnahmen, aber auch am Geldmarkt insgesamt. Ich glaube, dass wir alle hier im Saal eine solche Situation noch nicht erlebt haben. Wir waren von Jugend an gewöhnt, dass man am Weltspartag zur Sparkasse geht. Und plötzlich lernt man, dass man, wenn man das zu oft macht und zu viel hinterlegt, dafür sogar noch Strafe zahlen muss. Das ist sehr ungewöhnlich. Das stellt auch die Haushaltspolitik vor ganz neue Herausforderungen.

Wir haben in den letzten Monaten immer wieder erlebt, dass sich der Finanzminister für eine - so nannte er das immer - schwarze Null gerühmt hat. Aber am Ende war immer schwierig zu verstehen, was er damit eigentlich meint.

Gestern habe ich mit Interesse eine Presseerklärung gelesen, in der davon die Rede war, dass die NORD/LB saniert wird, dass dabei aber überhaupt kein Steuergeld in Anspruch genommen werden soll. Das bekommen wir heute Abend im Haushaltsausschuss des Landtages erläutert. Ich bin sehr gespannt darauf, wie das funktioniert. Ich kann mir das nur als eine Art Helikoptergeld vorstellen, wenn das nichts mit dem Steuergeld des Landes zu tun hat.

(Vizepräsident Frank Oesterhelweg übernimmt den Vorsitz)

Aber man kann das auch anders sehen. Herr Grascha hat eben schon angesprochen, dass es sich hierbei möglicherweise doch um Steuergeld handelt. Dann wäre das mit der schwarzen Null nicht mehr haltbar. Hier stellen sich also viele Fragen.

Vor allen Dingen ärgert mich - da komme ich auf das Stichwort „Generationengerechtigkeit“ zurück -: Bei der schwarzen Null, Herr Finanzminister, rechnen Sie nicht den Vermögensverzehr und nicht Vermögensänderungen im Vermögen des Landes mit ein. Wenn wir beispielsweise Vermögenssenkungen haben, dann kommt das in Ihrer schwarzen Null nicht vor. Genauso ist das bei unterlassenen Investitionen, z. B. in Klimaschutz. Auch das wird hier nicht abgebildet.

Deswegen, glaube ich, brauchen wir ein verlässlicheres System von Buchführung. Dann können wir auch langfristiger planen, in welchem Rahmen wir investieren können, in welchem Rahmen wir Schulden abbauen können und wie wir sicherstellen können, dass die langfristige Planung nachhaltig und generationengerecht ist.

Deshalb werden wir Ihren Antrag, Herr Grascha, sehr gründlich in der Fraktion beraten. Ich gehe davon aus, dass Sie ihn schon im Dezember zur endgültigen Abstimmung stellen werden.

Es ist wichtig, dass Sie auch den zweiten Punkt, die Finanzierung der Investitionen im Bereich der Hochschulmedizin, angesprochen haben. Hier haben wir nach wie vor eine sehr große Diskrepanz zwischen der Haushaltsplanung der Landesregierung auf der einen Seite und den Stellungnahmen des Landesrechnungshofs dazu auf der anderen Seite.

Diese Lücke ist bislang nicht geschlossen. Sie ist außergewöhnlich groß. Es handelt sich nämlich um eine Größenordnung von mehreren Milliarden. Auch hierzu erwarten wir Klarheit seitens der Landesregierung.

Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Wenzel.

Zu Tagesordnungspunkt 10 liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir beenden die Beratung und kommen zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll sein der Ausschuss für Haushalt und Finanzen, mitberatend der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen. Wer möchte dem so folgen? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist das so beschlossen.