Protokoll der Sitzung vom 19.11.2019

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Limburg hat es eben schon gesagt: Wir als FDP-Fraktion haben in der letzten Legislaturperiode bereits einen Gesetzentwurf eingebracht, der die Streichung des Begriffes „Rasse“ aus der Niedersächsischen Verfassung vorsah. Leider kam es aufgrund des, ich sage einmal, vorschnellen Endes der Legislaturperiode zu keiner Entscheidung mehr.

Wir begrüßen, dass die Grünen den Gesetzentwurf eingebracht haben und sind auch nicht überrascht, wie Herr Kollege Calderone es gesagt hat. Man kann darüber reden, aber irgendwie muss man in

ein parlamentarisches Verfahren kommen, und das geht eben nur mit einem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der FDP)

Wir begrüßen also den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Hinsicht, dass der Begriff „Rasse“ gestrichen werden soll.

In Artikel 3 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz und in Artikel 3 Abs. 3 unserer Landesverfassung heißt es gegenwärtig - ich verkürze das ein wenig -, dass niemand wegen seiner Rasse benachteiligt oder bevorzugt werden darf. Damit sollen Rassismus bekämpft und rassistische Diskriminierung ausgeschlossen werden. Allerdings suggeriert dieser Wortlaut, dass die Bestimmung eines Menschen auf der Vorstellung unterschiedlicher menschlicher Rassen basiert - und es sind nur noch rassistische Theorien, die von der Annahme ausgehen, dass es unterschiedliche menschliche Rassen gebe. Damit führt die Formulierung in Artikel 3 Abs. 3 zu einem völligen Widerspruch.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der SPD)

Nach dem gegenwärtigen Wortlaut der Verfassung müssen Betroffene im Falle einer rassistischen Diskriminierung geltend machen, aufgrund ihrer Rasse diskriminiert worden zu sein. Sie müssen sich selber einer bestimmten Rasse zuordnen und werden so gezwungen, rassistische Terminologie zu verwenden. Das ist völlig absurd.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der SPD)

Seit dem 18. Jahrhundert wurden mit dem Begriff Rasse Kategorien von Menschen gebildet, die zugleich der Rechtfertigung von Sklaverei und Kolonialpolitik dienten. Es ist sicherlich bei allen anerkannt, dass das Konzept der Einteilung der Menschen in Rassen völlig überholt ist. Es stammt schlicht und ergreifend aus einer völlig anderen Zeit. Deshalb meinen wir, dass dies auch in unserer Landesverfassung und in unserem Grundgesetz abgebildet werden muss. Meine Damen und Herren, der Begriff „Rasse“ gehört in beiden gestrichen.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der SPD)

Ob es - insoweit möchte ich auf die Ausführungen des Kollegen Limburg eingehen - dennoch notwendig ist, den Begriff „Rasse“ durch das Wort „rassistisch“ zu ersetzen, ist aus unserer Sicht zumindest deutlich zu hinterfragen. Das Weglassen des Begriffs „rassistisch“ führt unseres Erachtens nicht dazu, dass die Bekämpfung von Rassismus in irgendeiner Form untergraben wird. Der Schutzbereich ist durch die weiteren Begriffe durchaus gewahrt.

Dass man einen Menschen nicht aufgrund seiner Herkunft diskriminieren darf, ist auch mit den Begriffen „Herkunft“ und „Heimat“ abgedeckt. Dabei kann die Herkunft bzw. Heimat sowohl der Geburtsort und die Verwurzelung mit ihm als auch die Kultur, mit der jemand aufgewachsen ist, sein. Auch der Begriff „Abstammung“, der sich auf die Vorfahren eines Menschen bezieht, verbietet eine Diskriminierung oder Ungleichbehandlung.

Meine Damen und Herren, Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes und auch unserer Landesverfassung enthalten ausreichend Diskriminierungsverbote. Eine weitere Begriffsnennung ist unserer Meinung nach nicht notwendig. Dennoch bleiben wir auch insofern für die Diskussion im Rechtsausschuss offen.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Genthe. - Für die SPD hat Herr Kollege Ulf Prange das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Sache gibt es hier wohl eine breite Übereinstimmung, und das ist gut so. Mit Blick auf die letzte Legislaturperiode kann man sagen, dass wir gerade ein rechtspolitisches Dejà-vu erleben. In der letzten Plenarwoche haben wir den Gesetzentwurf der FDP zur sexuellen Identität beraten. Heute beraten wir den Gesetzentwurf und den Antrag der Grünen, in beiden Verfassungen, in der Landesverfassung und im Grundgesetz, den Begriff „Rasse“ durch den Begriff „rassistisch“ zu ersetzen.

Mit beiden Themen haben wir uns in der letzten Legislaturperiode schon beschäftigt. Es gab eine Initiative der FDP, aber es gab auch eine Initiative

von SPD und Grünen, die die gleiche Intention verfolgt hat. An der inhaltlichen Bewertung hat sich für uns als SPD-Fraktion nichts geändert. Der antiquierte und hoch problematische Begriff der Rasse hat weder in der Landesverfassung noch im Grundgesetz etwas zu suchen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Etwas kurios finde ich allerdings die Entwicklung, die das Ganze genommen hat. Wie gesagt, im letzten Plenum haben wir den Gesetzentwurf der FDP beraten. Dann kam die Sitzung des Rechtsausschusses, in der wir hinsichtlich des Begriffs „Rasse“ eigentlich schon eine breite Einigung erzielt hatten; jedenfalls haben sich, soweit ich mich erinnere, alle demokratischen Fraktionen dahin gehend geäußert, dass sie mitgehen könnten. Ob man vor diesem Hintergrund jetzt noch einmal den Weg über das Plenum gehen musste, wie es die Grünen machen, oder ob man es nicht vielleicht auch über einen Änderungsantrag im Ausschuss hätte machen können, ist Geschmackssache.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Wir arbeiten ja schon seit Monaten da- ran!)

Ich will das nicht so hoch aufhängen wie der Kollege Calderone. Ich denke, in der Sache sind wir uns einig, und das ist auch gut so.

Dass diese Änderung sinnvoll und auch erforderlich ist, ist von meinen Vorrednern schon gesagt worden. Der Begriff „Rasse“ rechtfertigt letztlich Rassismus. Er ist als Begründung für die Kolonialpolitik herangezogen worden und hat dann seinen schrecklichen Höhepunkt im NS-Schreckensregime gefunden. Dass die Mütter und Väter unserer Verfassung den Begriff in das Grundgesetz und in die Landesverfassung geschrieben haben, um sicherzustellen, dass sich so etwas nicht wiederholt, ist aus damaliger Sicht sicherlich richtig gewesen. Aber aus heutiger Sicht ist dieser Begriff einfach nicht mehr zu verwenden. In solchen Fällen muss man Verfassungen dann auch anpassen.

Die UNESCO hat bereits im Jahr 1950 in ihren „Statements on Race“ festgestellt, dass die Vorstellung, es gebe unterschiedliche Menschenrassen, nur für eines gut ist, und das ist die Verfolgung bis hin zum Genozid. Ich finde, das ist eine sehr deutliche Klarstellung. Diese sollten wir in unseren weiteren Beratungen auch berücksichtigen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Lieber Herr Genthe, die Diskussion darüber, ob der Weg der FDP, den Begriff „Rasse“ ganz aus der Verfassung zu streichen, der bessere ist, oder ob man den Begriff „rassistisch“ verwenden sollte, haben wir in der letzten Legislaturperiode schon einmal geführt. Ich bin ganz dezidiert der Auffassung, dass unser Weg bzw. der Weg, den wir in der letzten Legislaturperiode vorgeschlagen haben, der bessere ist.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Sage ruhig: „unser Weg“! - Anja Piel [GRÜNE]: Unser gemeinsamer!)

- Ja, das war unser gemeinsamer Weg, und ich habe gesagt, daran halten wir auch fest.

Wir haben eine Anhörung durchgeführt. Nach meiner Erinnerung haben die meisten, die wir angehört haben, diesen Weg bestätigt. Tenor war seinerzeit, dass die ausdrückliche Nennung rassistischer Benachteiligung sicherstellt, dass Rassismus als gesellschaftliches Problem gezielt bekämpft wird. Das fehlt, wenn der Begriff „Rasse“ herausfällt.

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Im Übrigen stellt sich die Frage, ob Artikel 3 wirklich umfassenden Schutz gewährleistet, wenn wir den Begriff „Rasse“ streichen. Von vielen Rechtsgelehrten wird die Auffassung vertreten, dass dann eine Schutzlücke entsteht. Ich würde sagen: Sicher ist sicher. Wenn wir diese Schutzlücke mit dieser Formulierung schließen können, sollten wir das tun.

Den Anstoß für die Debatte hier im Landtag hat seinerzeit das Deutsche Institut für Menschenrechte gegeben. Es hat sich ebenfalls dafür ausgesprochen, den Begriff „Rasse“ durch den Begriff „rassistisch“ zu ersetzen.

Aktuell gibt es die Publikation „70 Jahre Grundgesetz“ der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Darin ist folgende Empfehlung enthalten:

„Geprüft werden sollte überdies, ob der Begriff ‚Rasse‘, der derzeit noch in der Verfassung verwendet wird, durch ‚rassistisch‘ ersetzt werden kann, da durch die Verwendung des Begriffs selbst rassistische Vorstellungen fortgeschrieben werden.“

Das ist auch noch einmal die klare Botschaft, dass auf der einen Seite das Wort „Rasse“ aus den Verfassungen gestrichen werden muss. Auf der anderen Seite soll es aber die Nennung des Wortes „rassistisch“ geben. Ich glaube, diese Expertise sollten wir uns zu eigen machen. Aber das wird den weiteren Beratungen im Ausschuss vorbehalten sein.

Unserer Verfassung kommt die wichtige Funktion zu, dass sie unser Wertesystem abbildet. Sie legt die Grundwerte unseres gemeinsamen Zusammenlebens fest. Auch vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte ist ein Bekenntnis, wie wir es dann mit dem Begriff „rassistisch“ hätten, aus Sicht der SPD-Fraktion dringend notwendig.

Ich will noch einen Hinweis für die weiteren Beratungen geben. Der Begriff „Rasse“ wird nicht nur in den Verfassungen, sondern auch in einfachgesetzlichen Regelungen des Bundes- und Landesrechts verwendet. Auch hier besteht gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Vielleicht gelingt es, mithilfe des GBD das Landesrecht diesbezüglich noch einmal in den Blick zu nehmen, um das Thema ganzheitlich anzugehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Prange. - Für die AfDFraktion hat der Kollege Emden das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist richtig, den Begriff der Rasse aus den Gesetzestexten zu streichen. Das Modell des Existierens unterschiedlicher Menschenrassen gilt zu Recht als überholt. Wir haben eben schon gehört - ich möchte auch noch einmal darauf hinweisen -, dass der Begriff der Rasse auch eine ganz schreckliche Geschichte hat. Er war Rechtfertigung für Ausgrenzung, Diskriminierung, für Gewalttaten und sogar Rechtfertigung für den Massenmord im NS-Schreckensregime.

Insofern ist es völlig richtig, wenn jetzt eine Initiative mit der Stoßrichtung eingebracht wird, das Wort „Rasse“ aus den Gesetzestexten zu streichen. Denn wenn es unterschiedliche Menschenrassen richtigerweise gar nicht gibt, dann darf es nicht von Gesetzes wegen dazu kommen, dass man diese

unterschiedlichen Menschenrassen als existent voraussetzt.

So weit, so gut, könnte man sagen. Doch die Grünen haben etwas anderes vor. Sie wollen den Begriff der Rasse nicht einfach nur streichen. Nein, sie wollen ihn durch „rassistisch“ ersetzen. Das mutet erst einmal befremdlich an; denn wenn es keine Rassen gibt, was bitte ist denn dann rassistisch?

Wenn man sich aber das Agitieren der Grünen im politischen Wettbewerb anschaut, wird man erhellt. Dann stellt man fest, was eigentlich dahintersteht, sehr verehrte Damen und Herren. „Rassismus“ ist ein Kampfbegriff, den die Grünen - und nicht nur die Grünen; aus den Reihen der SPD hört man Ähnliches - einsetzen, um jeden, der Kritik übt, weil er konservativ eingestellt ist, zu diffamieren, auszugrenzen und zu verunglimpfen. Sie nutzen diesen Begriff immer wieder dafür, dass jemand, der z. B. die Flüchtlingspolitik der Regierung kritisiert, als Rassist dargestellt wird, um ihn zu diffamieren.

(Zuruf von Miriam Staudte [GRÜNE])

Bei Ihnen ist es ein Gleichklang. Ein Konservativer, also jemand, der an der aktuellen politischen Landschaft seine Kritik übt, gilt für Sie zum einen als Rassist und zum anderen auch ganz schnell als rechts. Und „rechts“ wiederum - das hat uns Frau Piel in einer früheren Rede schon mal zur Kenntnis gebracht - ist nach Ihrer Einstellung - und ich nehme an, auch nach Überzeugung der Grünen-Fraktion - gleichbedeutend mit „Nazi“.

Wir sehen hier also, worum es Ihnen wirklich geht. Ihnen geht es darum, einen Kampfbegriff zu implementieren, um noch effektiver all diejenigen, die quer denken und die sich anders als der politische Mainstream äußern, auszugrenzen und zu diffamieren. Das ist Ihre wahre Absicht.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Das ist doch kein Querdenken! - Zuruf von den GRÜNEN: Unverschämtheit!)