Protokoll der Sitzung vom 18.12.2019

Der in dieser Woche vorgelegte Haushalt zeigt einmal mehr auf, dass die Regierungsfraktionen die Verkehrswende angehen. Uns ist an einem guten Miteinander aller Verkehrsteilnehmer gelegen. Wir werden für eine Verkehrsgerechtigkeit sorgen, die Radfahrer, Fußgänger und Kraftfahrer zu gleichberechtigten Verkehrsteilnehmern machen.

(Beifall bei der SPD)

Dafür benötigen wir eine zielgerichtete Förderung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im gerade behandelten Haushalt 2020 wird nun mit 110 Millionen Euro für Investitionen in Landesstraßen und Radwege eine historische Rekordsumme veranschlagt, die wichtige Infrastrukturmaßnahmen voranbringt und den Straßenverkehr in Niedersachsen für alle Teilnehmer gerechter werden lässt.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Allein 10 Millionen Euro werden in den Aus- und Neubau von Radwegen investiert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, kommen wir jetzt zur Straßenverkehrsordnung von Bundesminister Scheuer!

Ein Vorstoß, selbstverständlich auch die niedersächsischen Straßen sicherer, klimafreundlicher und gerechter zu machen, ist an sich begrüßenswert. Sehen wir uns die Statistiken für die niedersächsischen Straßen an, wird schnell deutlich, dass es hier zu einem Ungleichgewicht der Gefahrenlage für Verkehrsteilnehmer kommt. Insgesamt nimmt die Zahl der Verkehrstoten ab, aber die Zahl der verunglückten Radfahrer in der Verkehrsunfallstatistik von 2018 ist mit insgesamt 60 um 25 % deutlich gestiegen. Dieser Trend muss gestoppt werden. Jeder Verkehrstote ist einer zu viel.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP - Miriam Staudte [GRÜNE]: Na dann mal zu!)

Allerdings enthält der Entwurf von Minister Scheuer keine Ausrichtung an der Vision Zero als Leitgedanken eines mittelfristig zu realisierenden Verkehrssystems ohne Verkehrstote und Schwerverletzte. Auf Druck der SPD-Bundestagsfraktion wird dieses Ziel jetzt nachträglich in die Straßenverkehrsordnung mitaufgenommen.

Zu begrüßen ist die Festschreibung des Mindestabstandes von 1,50 m innerorts und 2 m außerorts beim Überholen von Fußgängern, Fahrradfahrern und Elektrokleinstfahrzeugen. Auch das Halteverbot auf Fahrradschutzstreifen durchzusetzen und die Bußgelder für das Halten in der zweiten Reihe sowie für verkehrs- oder verbotswidriges Parken auf Geh- und Radwegen zu erhöhen, begrüße ich sehr.

(Beifall bei der SPD)

Allerdings muss man schauen, wie man die Bußgelder in der Praxis umsetzt. In vielen Großstädten ist es für ältere oder mobilitätseingeschränkte Menschen unmöglich, sich an die Regeln zu halten, die sie womöglich massivst in ihrer Mobilität einschränken. Kurz gesagt: Solange keine infrastrukturell bedingten Möglichkeiten geschaffen werden, mobilitätsgerecht und altersgerecht z. B. Einkäufe auszuladen oder vor der Haustür aus Taxis auszusteigen, muss hier von den Behörden ein fairer Umgang mit den mobilitätseingeschränkten Menschen in der Gesellschaft geschaffen werden.

(Beifall bei der SPD)

Neben der Verkehrssicherheit durch strengere Gesetze müssen aber auch die Klima- und Umweltschutzziele realisiert werden. Der Klimaschutz in den Städten ist auch Gesundheitsschutz, und ein besseres Klima hat selbstverständlich eine Verbesserung der Lebensqualität in den Kommunen zur Folge. Auch dieses Regelwerk muss mit in die Straßenverkehrsordnung aufgenommen werden.

Um Klima- und Infrastrukturziele im Zuge der Mobilitätswende zu erreichen, brauchen Kommunen und Städte allerdings mehr Freiheiten. Die Kommunen werden auf dem Weg zur Eigenständigkeit für zukunftsfähigen Verkehr konsequent ausgebremst. Wenn Städte zur Fahrradstadt oder fußverkehrsfreundlichen Stadt werden wollen, stellen sie fest, dass sich das durch die Vorgaben auf Bundesebene sehr schwierig gestaltet.

(Glocke der Präsidentin)

Städte, die beispielsweise einen Zebrastreifen oder eine Tempo-30-Zone einrichten wollen, müssen zunächst einmal aufwendig den Bedarf nachweisen. Das muss geändert werden.

(Beifall bei der SPD)

Ich muss zum Schluss kommen.

Ich denke ganz einfach: Damit Radfahren nicht nur sicherer, sondern auch attraktiver wird, müssen aus Städten für Autos Städte für alle werden.

Ich danke Ihnen herzlich für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD sowie Zustimmung von Jörg Hillmer [CDU] und Mareike Wulf [CDU])

Vielen Dank, Frau Kollegin Tippelt. - Nun hat Herr Kollege Bode für die FDP-Fraktion das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schulz-Hendel, liebe Freunde von den Grünen, ich bin Ihnen sehr dankbar für diesen Antrag zur Aktuellen Stunde, weil wir nun nämlich tatsächlich einmal über die Grundsätze der Straßenverkehrsordnung diskutieren können und auch über die Frage, was gerade in Garbsen passiert.

Ich bin ein sehr großer Freund von Shared-SpaceLösungen, nicht erst seit Bohmte, aber gerade seitdem. Wir alle haben gesehen, wenn man einmal kreative, andere Lösungen einsetzen will, die eigentlich auf das Prinzip der Straßenverkehrsordnung zurückzuführen sind und auf dem wichtigsten Paragrafen, den es dort gibt, aufbauen, gibt es in Verwaltungen immer wieder ganz große Probleme, weil es Auslegungsregelwerke gibt, die dem eigentlichen Grundgedanken zuwiderlaufen. Dort müssen wir, glaube ich, eine Veränderung in den Köpfen erreichen, sodass man versucht, kreative Lösungen zu schaffen und solche Dinge tatsächlich möglich zu machen - auch in Garbsen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Was ist denn der Grundgedanke der Straßenverkehrsordnung? - Er steht in § 1 in den Absätzen 1 und 2. Dort steht zunächst einmal, dass jeder Verkehrsteilnehmer Rücksicht auf den anderen zu nehmen hat und dass sein Verhalten jederzeit so sein muss, dass er keinen anderen gefährdet oder belästigt. Wenn sich jeder tatsächlich an diese

Regeln halten würde, bräuchte man alle anderen Auslegungen und Regeldetails nicht. Dies ist auch der Grundsatz von Shared Space. Der Raum soll so gestaltet werden, dass sich der Verkehrsteilnehmer auf diese Grundregel zurückbesinnt. In Bohmte ist das - in einem anderen Bereich und mit anderen Geschwindigkeiten - aus meiner Sicht sehr gut gelungen.

Ich will aber auch ehrlich sagen: Was in Bohmte umgesetzt worden ist, ist mehrfach von der Verwaltung abgelehnt worden. Man musste sehr lange miteinander reden, um eine Lösung zu finden. Ich würde mir wünschen, Herr Minister Althusmann, dass dieser Dialog in Garbsen noch einmal aufgenommen wird und eine gemeinsame Lösung gesucht wird. Denn so, wie es dort ausgestaltet ist, also die Teilung des Verkehrsraums, macht es aus meiner Sicht Sinn. Man kann den Menschen damit deutlich zeigen: Ihr müsst nicht nur auf ein Schild achten, sondern darüber hinaus gilt die Rücksichtnahme als Verantwortung für jeden einzelnen Verkehrsteilnehmer, egal ob Fußgänger, Radfahrer oder Autofahrer, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Das müssen wir tatsächlich als Leitgedanken der Straßenverkehrsordnung sehen. Und auf dieser Basis müssen wir auch überlegen, welche Regeln wir tatsächlich brauchen und wie wir diese ausgestalten sollen.

Wir sehen, dass die Verkehrssicherheit in Deutschland dieses Jahr aller Wahrscheinlichkeit nach - Frau Tippelt hat es gesagt - so hoch sein wird wie nie zuvor. Gott sei Dank werden wir wieder unter die Grenze von 3 000 Verkehrstoten kommen. Eine große Leistung! Aber bei einigen Verkehrsteilnehmern haben wir einen Anstieg bei der Betroffenheit von Unfällen und schwereren Schäden zu verzeichnen. Das zeigt, dass wir gerade auch in den städtischen Bereichen und im Überlandverkehr ein Problem haben, dem wir uns nähern müssen.

Bei allen Möglichkeiten durch technische Lösungen wie durch Radwege getrennte Verkehre, Sicherheitsstreifen etc. muss man sehen, dass es eine Zeit dauern wird, alles zu realisieren. Aber das Problem ist tatsächlich heute akut. Und eine schnelle Lösung werden wir nur hinkriegen, wenn wir die Menschen für Rücksichtnahme und gegenseitige Verantwortung sensibilisieren.

Wir als Politik müssen aber auch das Zutrauen haben, dass die Menschen ihre Verantwortung wahrnehmen und sich tatsächlich rücksichtsvoll gegenüber dem anderen verhalten, und nicht alles ins Detail regeln. Diese Form der Selbstbestimmung fände ich gut.

Sie, Frau Tippelt, haben ja gerade einige Probleme der Straßenverkehrsordnung angesprochen und gezeigt, dass in diesem neuen Regelungswahn jetzt Dinge geregelt werden, die vor Ort, gerade von älteren Verkehrsteilnehmern, in den Städten gar nicht mehr realisiert werden können.

Ihre Schlussfolgerung teile ich persönlich allerdings nicht. Sie haben gesagt, Verwaltung und Behörden müssten das dann tolerieren. Sprich: Wir stellen Regeln auf und bitten die Verwaltung, den Rechtsbruch in einer Übergangszeit zu tolerieren. Aus meiner Sicht wäre es genau andersherum richtig, wenn wir nämlich gar nicht erst Regeln aufstellen würden, die keiner einhalten kann,

(Beifall bei der FDP)

sondern ein vernünftiges Regelwerk aufstellen würden, das das Miteinander aller Verkehrsteilnehmer möglich macht, und wenn wir - da wird es wahrscheinlich auch nur über die Verkehrswacht, über weitere Öffentlichkeitsarbeit gehen, Herr Minister Althusmann - dazu kommen, den Verkehrsteilnehmer wieder für den Grundsatz der Verkehrsteilnahme zu sensibilisieren, sich gegenseitig rücksichtsvoll zu verhalten, damit man niemanden schädigt.

Politik sollte das Vertrauen in den Menschen haben, dass er seiner Selbstbestimmung gerecht wird. Denn wir brauchen eine Kraft, die an den Menschen glaubt, und das sind wir.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Bode. - Das Wort hat nun für die AfD-Fraktion Herr Abgeordneter Henze. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In einem Rechtsstaat sind Gesetze und Regelungen von allen Akteuren einzuhalten. Das sollte eigentlich unstrittig sein.

Die seit dem Spätsommer geltende Zone am Garbsener Campus der Leibniz Universität ist in der jetzigen Form nicht zulässig und so auch nicht

beantragt worden. Sie verstößt klar gegen eine Förderrichtlinie. Daher muss die in diesem betroffenen Bereich erlaubte Geschwindigkeit auf höchstens 30 km/h beschränkt bleiben und kann nicht einfach weiter auf 20 km/h heruntergesetzt werden, wie Sie das möchten.

Wenn die Stadt Garbsen die Schilder nicht entfernt, dann muss sie eben die 1,8 Millionen Euro zurückzahlen. So einfach ist das.

Ein weiterer Aspekt ist die Tatsache, dass die den Campus durchschneidende Straße bis vor Kurzem noch eine Umgehungsstraße war, die ich, als ich noch als Arbeitnehmer unterwegs war, sehr häufig benutzt habe und die stark frequentiert ist. Ich glaube, das sollte der Stadt Garbsen auch bekannt sein.

Anscheinend hat es also bei der Planung im Bereich Straßenquerung massive Fehlplanungen gegeben. Selbst die altehrwürdige Universität in Hannover hat zur Mensa eine kleine Brücke. Die hat sie nicht ohne Grund. Und das ist eine Nebenstraße.

So weit die Fakten.

Nun tauchen diejenigen auf, die als Verkehrswendefanatiker agieren, den Autoverkehr verbieten und dort, wo das nicht möglich ist, stark erschweren möchten. Allen voran mein Kollege Herr Schulz-Hendel von den Grünen, der - wie in der HAZ zu lesen war - schnell eine nachträgliche Ausnahmegenehmigung haben wollte.