Dazu brauchen wir aus unserer Sicht drei Dinge. Wir müssen vor Inobhutnahme ausländerrechtlich, also nach § 49, das Alter beurteilen dürfen. Wir brauchen ein Stufenverfahren, d. h. wir fangen auch dort mit Ausweispapieren an, dann folgt eine qualifizierte Inaugenscheinnahme, manchmal vielleicht auch nach dem saarländischen Modell. Dort erfolgt die Inaugenscheinnahme nicht nur nach dem Vier-Augen-Prinzip, sondern geht auch über ein paar Tage. Wenn es dann immer noch notwendig ist, muss es allerdings auch die Möglichkeit geben, eine medizinische Untersuchung gegen den Willen des Betroffenen durchzuführen.
Dazu ist es aus unserer Sicht notwendig, dass wir eine Katalogisierung der Methoden vornehmen. Wir denken, dass die DNA-Methode eine Möglichkeit sein kann. Sie ist noch nicht zu 100 % erforscht. Wir haben in Hildesheim einen ersten Ansatz gesehen. Mittlerweile gibt es auch in Deutschland Institute, die sich vorstellen können, diese Methode durchzuführen. Aber wir brauchen auf jeden Fall eine Katalogisierung, damit Rechtssicherheit bei der Methode herrscht. Wenn wir diesen Dreiklang durchführen, dann ist es, glaube ich, wichtig und richtig und auch möglich, bei den Be
Abschließend auch von mir: Ich freue mich auf die Beratungen. Aber aufseiten der CDU ist völlig klar: Eine pauschale Untersuchung aller unbegleiteten Minderjährigen ohne Verdachtsmomente, vielleicht sogar noch mit Röntgen und medizinischen Eingriffen, ist mit der CDU nicht zu machen. Das ist weder verfassungskonform noch zielführend. Wir werden eine solche Methode ganz sicher nicht beschließen.
Vielen Dank, Herr Lechner. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Belit Onay.
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ganz herzlichen Dank meinerseits, dass der Großteil der Debatte sehr vernunftgeleitet geführt wird. Das zeigt schon einmal die Wichtigkeit des Themas.
Ich möchte noch einmal darauf kommen, was JanChristoph Oetjen angesprochen hat. In der Unterrichtung, die wir beantragt haben, geht es vor allem um die DNA-Analyse. Es gab Presseberichte über den Landkreis Hildesheim, der das gemacht hat. In den Medien war zu lesen, dass das Alter damit mit fast 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit festzustellen sei. Wie das wissenschaftlich hinterlegt ist und ob da etwas dran ist, will ich mir im Ausschuss gern einmal darstellen lassen. Denn meinen Informationen nach ist das die Selbstauskunft des Unternehmens. Da wäre es zielführend, zu erfahren, was da wirklich dran ist.
Zurück zum Antrag: Auch wir als Grüne lehnen die anlasslosen Kontrollen zur Altersbestimmung, wie sie der Antrag vorsieht, ab. Da gilt gerade in medizinischen Fragen: Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker! Da ist natürlich auf die Bundesärztekammer oder auf Christos Pantazis hinzuweisen, die Röntgen ohne medizinische Indikation als einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit beschreiben. Ich weise aber auch noch einmal darauf hin, dass es viel zielführender ist, auf die Expertise der Fachkräfte der Jugendämter zu setzen, wenn kei
ne Identitätspapiere vorliegen. Die qualifizierte Inaugenscheinnahme ist schon längst gesetzlicher Bestandteil. Man hat damit auch sehr gute Erfahrungen, und sie entspricht eben auch - wie schon gesagt - den kinderrechtlichen Maßgaben und Forderungen internationaler Regelungen.
Ich finde - das hat der Kollege Lechner richtig gesagt -, der Schutz der Jugendlichen, um den es hier geht, darf nicht vernachlässigt werden. Gerade bei der Jugendhilfe kann die tatsächliche Hilfebedürftigkeit durchaus über das 18. Lebensjahr hinaus bis zum 21. Lebensjahr gehen. Das darf hier, gerade wenn es um die Unterstützung geht, nicht vernachlässigt werden. Es geht um die Kinder- und Jugendhilfe, die präventiv und integrativ wirkt und Jugendliche über das 18. Lebensjahr hinaus schützt.
Bei der Lektüre des Antrages habe ich mich doch sehr geärgert, weil Sie dort ganz bewusst Falschbehauptungen ins Feld führen, genauso wie in Ihrer Rede. Sie nennen hier Unsummen, Millionenbeträge, die man einsparen könnte. Das ist überhaupt nicht möglich. Dann müsste man ja davon ausgehen, dass 100 % der Jugendlichen bereits volljährig sind. Nur dann wären diese Summen einzusparen. Sie nennen hier Fantastilliarden, die überhaupt nicht zur Debatte stehen.
Auch in Ihrem Antrag selbst jonglieren Sie mit völlig falschen Zahlen. Sie haben in Ihrem Antrag das Beispiel Österreich genannt. Sie sprechen davon, dass fast die Hälfte der Minderjährigen entlarvt worden sei. Das stimmt ganz ausdrücklich nicht. Im Jahr 2015 - ich habe mir die Zahlen extra einmal herausgesucht - stellten in Österreich 9 331 Personen, die angaben, minderjährig zu sein, einen Asylantrag. 951 Personen wurden nach einer Altersbegutachtung für volljährig erklärt, das sind weniger als 10 %. Das ist weit weg von der Hälfte.
In Niedersachsen ist das Bild noch viel klarer. Hier beruht in 3 213 Fällen die Altersfeststellung auf Selbstauskunft der Betroffenen. In 683 Fällen wurden die Selbstauskünfte in Zweifel gezogen. Daraufhin erfolgte eine qualifizierte Inaugenscheinnahme. Ärztliche Untersuchungen zur Altersfeststellung wurden hingegen in 157 Fällen durchgeführt. In 90 Fällen wurde festgestellt, dass die Betroffenen nicht mehr minderjährig waren. Das sind 2,8 % der Betroffenen, um die es hier in Niedersachsen geht, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Und da kommen Sie hier mit einer Debatte - da brauchen Sie gar nicht mit dem Finger zu zeigen - darüber, dass alle obligatorisch untersucht werden sollen, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wir sind hier im Niedersächsischen Landtag und nicht bei Facebook, wo Sie einfach mit Falschbehauptungen angebliche Tatsachen in den Raum stellen können.
Vielen Dank, Herr Kollege Onay. - Zum Schluss der Debatte hat sich die Sozial- und Gesundheitsministerin Frau Dr. Carola Reimann gemeldet.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal einen allgemeinen Überblick über das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit nach der geltenden Rechtslage geben.
Nach unbegleiteter Einreise haben die Jugendämter die jungen Menschen vorläufig in Obhut zu nehmen. Damit sind sie - und nicht das BAMF - die erstzuständige Institution. Im Rahmen dieser vorläufigen Inobhutnahme haben Sie nach § 42 f SGB VIII die Aufgabe der Altersfeststellung. Das ist seit 2015 bundesgesetzlich normiert.
Für die Altersfeststellung ist ein abgestuftes Verfahren vorgesehen. Das ist hier schon angeklungen. Zunächst hat das Jugendamt die Minderjährigkeit der Betroffenen durch Einsichtnahme in deren Ausweispapiere oder ähnliche Dokumente festzustellen. Sind diese nicht vorhanden, bleibt noch die Selbstauskunft. Verbleiben danach Zweifel, ist eine Alterseinschätzung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme, wie das so technisch heißt, vorzunehmen. Die würdigt den Gesamteindruck, wird von zwei Fachleuten durchgeführt und umfasst nicht nur das äußere Erscheinungsbild, sondern auch die Bewertung der im Gespräch gewonnen Informationen zu Herkunft und Fluchtgeschichte sowie des körperlichen und geistigen Entwicklungszustandes. Hier ist schon angeklungen, dass das auch ein mehrtägiges Verfahren sein kann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis führt, dann hat das Jugendamt auf Antrag der betroffenen Person oder ihrer gesetzlichen Vertretung oder von Amts wegen bereits heute eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen; das steht in § 42 f Abs. 2. Bislang werden dazu - auch das will ich hier ausführen - in Zweifelsfällen Röntgenaufnahmen der Hand oder der Schlüsselbeine oder auch zahnärztliche Untersuchungen veranlasst.
Aktuell tauchen zwei neue Altersfeststellungsmethoden in der Diskussion auf: der DNA-Test und ein sogenannter PRIMSA-Handscanner. Dieser Handscanner befindet sich allerdings noch im Entwicklungsstadium, sodass noch keine belastbaren Aussagen über ihn hinsichtlich der Genauigkeit möglich sind.
Was den DNA-Test angeht, will ich, die ich einmal ein Studium der Biotechnologie absolviert habe, Ihnen keine Hoffnung machen, dass dieser Test genauer ist. Er analysiert ja nicht die DNA-Sequenz, sondern den DNA-Methylierungsgrad. Der Methylierungsgrad ist in der Forschung immer wieder von Interesse gewesen, wenn man versucht hat, Tumormarker zu finden. Die entsprechenden Sequenzen, die auf der DNA abgelesen werden, haben etwas mit dem Methylierungsgrad zu tun. Man hat dann irgendwann gesehen, dass man damit auch Alterungsprozesse in der Zelle erkennen und verfolgen kann.
Es ist schon angesprochen worden: Meiner Ansicht nach und den Informationen, die mir vorliegen, zufolge bringt das keine genaueren Erkenntnisse als alle bisherigen Verfahren der medizinischen Altersfeststellung. In der Presse wird zu diesem Test auch immer nur der zitiert, der ihn erfunden und entwickelt hat. Das ist, glaube ich, nicht mit zu großen Hoffnungen zu versehen.
All denen, die auf die DNA-Analyse setzen, sei außerdem gesagt, dass eine DNA-Analyse ein sehr viel tieferer Eingriff in die Selbstbestimmung einer Person ist. Denn sie ermöglicht auch die Feststellung von Verwandtschaftsverhältnisse und ethnischer Herkunft. Einen solchen Fingerprint zu nehmen, ist ein sehr viel tieferer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht.
Keine der Methoden kann also das genaue Geburtsdatum ermitteln. Es bleiben immer Ungenauigkeiten von ein bis zwei Jahren. Es kann allerdings ein Mindestalter festgestellt werden.
Eine routinemäßige medizinische Untersuchung im Rahmen der Altersfeststellung halte ich nicht für erforderlich; denn das praktizierte abgestufte Verfahren hat sich an dieser Stelle bewährt.
Wir würden einer abgestuften Untersuchung ebenfalls zustimmen. Über die Methode können wir verhandeln. Wir haben im Innenausschuss eine Unterrichtung über den PRIMSA-Handscanner beantragt. Ich bin sehr gespannt, was man damit feststellen kann.
Herr Kollege Onay, nach dem Schreiben nach Gehör jetzt Rechnen nach Gefühl? Ich ging von 2 500 Jugendlichen aus, die wir überführen können, eventuell schon erwachsen zu sein. Wir sparen da 5 000 Euro ein.
Den Vorwurf des Populismus möchte ich angesichts der Zustimmung von 78 % der Befragten draußen zurückweisen.
(Belit Onay [GRÜNE]: Sie stellen das in einen Zusammenhang mit Mordfäl- len! In Ihrem Antrag ist die Rede von Mordfällen, Herr Ahrends!)
Wir versuchen, die Interessen der Wähler zu vertreten. Wir sparen 125 Millionen Euro und erreichen erhöhte Sicherheit, wenn Abschiebung wieder möglich ist. Wir haben das Interesse der Wähler im Blick. Das ist kein Populismus.
Federführend soll der Ausschuss für Inneres und Sport sein, mitberatend der Ausschuss für Haushalt und Finanzen.