(Starker Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN, bei der FDP und von Jochen Beekhuis [fraktions- los] - Zuruf von Klaus Wichmann [AfD] - Gegenruf von Anja Piel [GRÜNE]: Zurückholen können Sie es nicht mehr, aber bedauern könnten Sie es! - Zuruf von Stefan Henze [AfD])
Einen Moment, bitte, Herr Ministerpräsident! - Wir kommen jetzt wieder zur Ruhe und hören uns gegenseitig zu. Jetzt hat Ministerpräsident Weil das Wort. - Bitte!
Es ist und bleibt wahr: Rassismus ist Gift für eine Gesellschaft. Ich stimme Frau Piel ausdrücklich darin zu, dass es viele Beispiele für Rassismus bei uns gibt - spektakuläre und ganz alltägliche. Wir haben nach dem Anschlag in Halle voller Scham unsere Solidarität mit den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern ausgedrückt. Nach dem Anschlag in Hanau besteht wiederum - beschämend genug - Anlass, zu sagen: Alle Menschen und insbesondere auch die Muslime in Deutschland sollen sich sicher fühlen. Angriffe auf Muslime in Deutschland sind Angriffe auf uns alle. Sie sind Teil unserer deutschen Gesellschaft, und daran lassen wir nicht rütteln, meine sehr verehrten Damen und Herren!
(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN, bei der FDP und bei Jochen Beekhuis [fraktions- los])
Unser Selbstverständnis ist in einem ganz einfachen Satz am Anfang unseres Grundgesetzes zusammengefasst: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Dieser Satz unterscheidet nicht zwischen Herkunft, Geschlecht, Religion oder was auch immer. „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Politische Kräfte, die nicht jeden Tag daran arbeiten, diesen Grundsatz zu verwirklichen, stehen nicht auf dem Boden unserer Verfassung. Das muss klar sein!
(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN, bei der FDP und von Jochen Beekhuis [fraktions- los])
Ich bin sehr dankbar für die breite gesellschaftliche Bewegung, die in den Tagen nach Hanau festzustellen war. Ich will mich ausdrücklich bei den Menschen bedanken, die durch ihre Teilnahme an Mahnwachen zum Ausdruck gebracht haben, wie sehr sie sich auch ganz persönlich angegriffen fühlen. Ich will aber beispielsweise auch den Karnevalistinnen und Karnevalisten danken, die in einer für mich bislang einzigartigen Weise ihre Umzüge und Sitzungen auch dafür genutzt haben, Position zu beziehen und Farbe zu bekennen. Herzlichen Dank für dieses Engagement!
(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN, bei der FDP und von Jochen Beekhuis [fraktions- los])
Verfassungsschutz braucht zweierlei: Zum einen braucht er einen Staat, der bereit ist, sich selbst entschieden zu verteidigen. In Niedersachsen wollen wir dabei vorangehen. Ich bin Innenminister Boris Pistorius dankbar dafür, dass er Gespräche mit Vertretern der muslimischen Gemeinden in Niedersachsen führt. Damit soll es aber nicht sein Bewenden haben. Alle Menschen in Niedersachsen können sicher sein, dass ihr Staat alles, was er kann, dafür tut, dass Sicherheit in diesem Land - und zwar auch für sie ganz persönlich - besteht.
Das allein wird aber nicht reichen. Wir brauchen zum anderen eine breite gesellschaftliche Bewegung, die sich als bürgerschaftlicher Verfassungsschutz betrachtet, jeden Tag und überall in unserer Gesellschaft.
Ich bin sicher, dass diese Kette des Rechtsextremismus, die wir erleben, dafür tatsächlich eine Grundlage bietet.
In den Tagen nach den Ausschreitungen in Chemnitz im Jahre 2018 gab es die breite Bewegung #wirsindmehr. Das bringt es für mich nach wie vor auf den Punkt: Wir sind viel, viel mehr - viel, viel mehr, die diese Verfassung, diese demokratische und freiheitliche Ordnung schützen wollen und die nicht zulassen werden, dass uns dieser Staat, diese Ordnung weggenommen wird, von wem auch immer.
a) Pflegekammer: Ministerin Reimann und die „Kammer des Schreckens“ - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 18/5889
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Position der FDP zur Pflegekammer Niedersachsen ist unverändert: Wir meinen, sie gehört abgeschafft.
Wenn es nach uns gegangen wäre, wäre es nie zur Gründung der Pflegekammer gekommen. Wir sehen keine Notwendigkeit für eine solche Kammer; denn bei den entscheidenden Fragen zur Verbesserung der Situation in der Pflege hat sie faktisch nichts zu melden - auch wenn man meint, das Gegenteil immer wieder in den Raum stellen zu müssen.
Die Pflegekammer hat es im Laufe der Zeit auch nicht geschafft, das Vertrauen ihrer Mitglieder zu gewinnen. Sie wissen, dass es von Anfang an massive Proteste gegen die Kammer gegeben hat. Wir haben hier im Landtag Petitionen zu beraten gehabt, die deutlich gemacht haben, dass die Kammer auf massiven Widerstand stößt. Die Pflegekräfte, die Pflegenden sind eben nicht bereit, sich gegen ihren Willen vereinnahmen zu lassen, zumal es von der Kammer gar nichts zu bestellen gibt.
Wir haben dann erlebt, dass die Kammer gegenüber ihren Mitgliedern unfassbar unprofessionell, unsensibel und zum Teil auch arrogant gehandelt hat. So war sie natürlich nie in der Lage, Vertrauen bei den Pflegenden aufzubauen. Deshalb kommen wir zu dem Ergebnis, dass sich die Kammer - die wir von Anfang an abgelehnt haben - tatsächlich zu einer „Kammer des Schreckens“ entwickelt hat, zumindest für ihre Zwangsmitglieder.
Das hat mit den Beitragsbescheiden angefangen und ging mit der Art und Weise, wie Mitglieder behandelt wurden, weiter. Sie alle kennen die Berichte und haben im Laufe der Zeit die E-Mails der Betroffenen erhalten.
Wir als FDP-Fraktion haben immer wieder vermittelnde Angebote gemacht. Wir haben ja gesehen, dass die CDU, die früher immer eine andere Haltung hatte, stur an der Kammer festhalten wollte - offensichtlich deshalb, weil sie in der Koalition mit der SPD gefangen ist und sich die Koalition von den Realitäten nicht hat beeindrucken lassen. Deshalb haben wir gesagt: Na gut, wenn das so ist, dann müssen wir versuchen, wenigstens das Schlimmste zu verhindern.
Also haben wir eine Vollbefragung gefordert. Ich begrüße, dass die CDU das wieder aufgreift. Aber das bedurfte erst der jüngsten Entwicklungen. Vor Kurzem wurde das von Ihnen noch abgelehnt.
Da haben Sie noch gesagt: „Das geht nicht; denn wir wissen ja gar nicht, wer Mitglied ist“ usw. - Naja, wer Beitragsbescheide schicken kann, der weiß wohl auch, wer Mitglied ist. Und diese Mitglieder muss man dann entsprechend befragen.
Unser zweiter Vorschlag - der von Ihnen aber auch abgelehnt wurde - war, die Kammer bestehen zu lassen, aber dann wenigstens auf die Pflichtmitgliedschaft zu verzichten. Es ist ja durchaus möglich - wie ein Blick nach Bayern zeigt -, das in Richtung einer freiwilligen Vereinigung zu entwickeln.
Schließlich haben Sie versucht, den Konflikt mit 6 Millionen Euro zu entschärfen. Sie haben gemerkt, die Kammer kommt nicht ins Laufen und kriegt das, was Sie offensichtlich politisch bezweckt haben, nicht auf die Reihe. Der politische Druck wird zu groß.
Nun kann man natürlich zu Recht fragen: Was haben Sie eigentlich für ein Verständnis von dieser Kammer - die ja, wie Sie uns immer gesagt haben, ein Selbstverwaltungsorgan sein soll; wir hatten daran schon immer Zweifel -: Sie geben Ihr 6 Millionen Euro und erwarten, dass sie tut, was Sie verlangen? Das ist schon ein eigenartiges Verständnis von Selbstverwaltung.
Aber wenn man das so will, dann muss man auch so konsequent sein und - wie wir es in unserem Gesetzentwurf vorschlagen - im Kammergesetz die
Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung der Beiträge durch die Kammer streichen. Aber auch diesen Schritt scheinen Sie bisher nicht zu gehen bereit zu sein. Wir sind gespannt auf die Beratungen. Denn das wäre für die Regierungsfraktionen und die Landesregierung ein Weg, in dieser Debatte wenigstens einen Funken Glaubwürdigkeit zu behalten.
Meine Damen und Herren, für uns ist gerade nach den Entwicklungen in den letzten Tagen klar, dass es jetzt wirklich an der Zeit ist, die Kammer aufzulösen. Es ist nicht erkennbar, dass die Präsidentin der Kammer, das Präsidium der Kammer oder die Kammerversammlung in der Lage sind, die Pflegekräfte davon zu überzeugen, dass dieser Weg - den wir ohnehin für falsch halten - richtig ist.
Das Gebaren der Präsidentin ist erstaunlich. Aus diesem Ausgang des Misstrauensvotums nicht die politischen Konsequenzen zu ziehen, ist - das wissen Sie alle - schon bemerkenswert. Deshalb sehen wir in unserem Gesetzentwurf - wenn man nicht zu der von uns angestrebten Abschaffung der Kammer kommt - für solche Fälle die Möglichkeit der Abwahl von Vorstandsmitgliedern der Kammer vor, damit nicht irgendwelche diffusen Dinge in den Raum gestellt werden wie: Man sei zu einem Rücktritt bereit.
Das alles ist viel zu wenig, um Vertrauen zurückzugewinnen. Unser Antritt ist: Lassen Sie uns gemeinsam diese „Kammer des Schreckens“ auflösen und dafür sorgen, dass es ein Ende mit Schrecken und kein Schrecken ohne Ende wird. Lassen Sie uns die Kammer auflösen und uns dann gemeinsam mit einer freiwilligen Vereinigung der Pflegenden um die wirklichen Belange der Pflege kümmern! Wir sollten wegkommen von dieser Beschäftigung der Kammer mit sich selbst und der Beschäftigung der Politik mit der Kammer.
Das war ein missglücktes Experiment, das damals von SPD und Grünen auf den Weg gebracht worden ist und dann von der CDU mitgetragen wurde. Es ist Zeit, es zu beenden.