Protokoll der Sitzung vom 25.02.2020

Wir haben bereits im November-Plenum erörtert, ob die eher künstliche Trennung der Hisbollah in zwei Flügel überhaupt richtig ist. Dass die Bundesregierung jetzt vom Bundestag aufgefordert ist, diese bisherige gedankliche Trennung der Hisbollah in einen politischen und in einen militärischen Arm aufzugeben und auf europäischer Ebene zu einer gemeinsamen Bewertung in der Frage der Listung zu kommen, ist sicherlich ein richtiges Signal, das wir von Hannover aus in dieser Form nicht hätten setzen können.

Meine Damen und Herren, natürlich rechnen unsere Sicherheitsbehörden damit, dass die Hisbollah ihre Anschläge in Israel oder gegen israelische Interessen nicht nur im Nahen Osten plant. Rückzugsräume für solche Planungen, logistische Plattformen, erforderliche Geldwäschegeschäfte und Waffenschmuggel gibt es auch in Europa und damit im Herzen Europas, in Deutschland. Das wollen und dürfen wir nicht zulassen. Unsere Sicherheitsbehörden tun hier ihr Möglichstes. Unsere Innenminister handeln entschieden in unserem Sinne. Der Bundesgesetzgeber hat Verschärfungen in unserem Sinne auf den Weg gebracht. Niedersachsen kann dieser Linie nur beipflichten.

Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank. - Für die FDP-Fraktion erhält nun der Abgeordnete Dr. Marco Genthe das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann es fast schon deutlich kürzer machen: Dass die FDP-Fraktion der Hisbollah sehr skeptisch gegenübersteht, zeigen die entsprechenden Einlassungen unserer Bundestagsfraktion ganz deutlich. Es handelt sich fraglos um eine Terrororganisation, die es in Deutschland zu bekämpfen gilt.

Daher wurde der eben schon angesprochene gemeinsame Entschließungsantrag von CDU/CSU, SPD und FDP im Deutschen Bundestag beschlossen. Ich darf die sehr scharfen Maßnahmen, die dieser Antrag umfasst, kurz zusammenfassen.

Die Aktivitäten der Anhänger der Hisbollah sollen weiterhin beobachtet und gegebenenfalls rechtsstaatlich verfolgt werden. Gegen die Hisbollah soll ein Betätigungsverbot erlassen werden. Die bisher vorgenommene gedankliche Trennung der Hisbollah in einen politischen und in einen militärischen Arm soll zukünftig aufgegeben werden. Zudem sollen mit internationalen Partnern gemeinsame Maßnahmen ergriffen werden, um diese Organisation tatsächlich zurückzudrängen.

Die Bundesregierung wird diesem Beschluss entsprechend aktiv werden. In Niedersachsen werden durch die Sicherheitsbehörden dann ganz sicher die notwendigen Konsequenzen daraus gezogen werden. Einer Entschließung des Niedersächsi

schen Landtages bedarf es dazu jedenfalls nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Ausschussberatung hat ganz klar ergeben, dass Niedersachsen für ein Vereinsverbot überhaupt nicht zuständig ist. § 3 Satz 2 des Vereinsgesetzes ist absolut eindeutig.

Meine Damen und Herren, aufgrund dieser Rechtslage hätte ich erwartet, dass dieser Entschließungsantrag zurückgenommen wird. Dieser Antrag wurde bereits auf der Bundesebene sachlich erledigt; selbst wenn nicht, wäre Niedersachsen nicht zuständig. Der Antrag ist daher abzulehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie Zustim- mung bei der SPD)

Vielen Dank. - Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Bernd Lynack zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Leider leben wir in Zeiten, in denen der Schutz unserer Verfassung, unserer Demokratie und der Rechte von Minderheiten von allerhöchster Aktualität ist. Es sind Zeiten, in denen sich zeigen muss, ob wir als Gesellschaft aus der Geschichte gelernt haben und ob wir uns gegen die Feinde der Demokratie wehren können. Ich sage: Natürlich können wir das, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Gefahren und Feinde, die unsere Gesellschaft und unsere Demokratie bedrohen, sind vielfältig. Die Hisbollah gehört aus meiner Sicht und aus Sicht der SPD-Fraktion, Herr Ahrends, ganz sicher dazu. Es handelt sich um eine Organisation, die Terror und Gewalt als Mittel für die Durchsetzung ihrer Interessen nutzt und dabei Menschen, vor allem Jüdinnen und Juden - das ist eben schon mehrfach in den Reden meiner Vorrednerinnen und -redner angeklungen -, verletzt und tötet. Dafür darf es in Europa, Deutschland und in Niedersachsen keine falsche Toleranz geben.

Die Hisbollah kann man aus meiner persönlichen Sicht mit Fug und Recht als Terrororganisation bezeichnen. Dennoch steht es weder mir noch irgendjemandem im Parlament zu, darüber zu

entscheiden, ob die Hisbollah eine Terrororganisation ist und verboten werden darf - erst recht nicht Mitgliedern der AfD-Fraktion.

(Zuruf von Dana Guth [AfD])

Schon während der ersten Beratung dieses Antrages habe ich auf den Kern hingewiesen. Es ist nämlich keine Aufgabe von uns Parlamentariern und Parlamentarierinnen, Frau Guth, Vereinsverbote auszusprechen.

(Zuruf von Dana Guth [AfD])

Die Existenz einzelner Vereine darf nämlich nicht am Faden politischer Mehrheiten hängen. So etwas darf es in unserem Land nie wieder geben.

Wir beraten und verabschieden Gesetze. Sie umzusetzen oder anzuwenden ist nicht unsere Aufgabe. Das Verbot von Vereinen ist klare Aufgabe der Exekutive, in diesem Fall der Landesregierung und ihrer nachgeordneten Behörden - rechtssicher und nachprüfbar durch unsere unabhängigen Gerichte. Das ist das Grundprinzip der Gewaltenteilung und mithin eines der Grundprinzipien unserer Demokratie, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

Noch etwas zur Zuständigkeit. Die Landesregierung hat zu diesem Antrag im Ausschuss ausführlich unterrichtet. Das hat Herr Dr. Genthe eben auch schon berichtet. Dabei hat sich nämlich noch einmal bestätigt, dass nicht unser Innenminister zuständig wäre, die Hisbollah zu verbieten bzw. das Betätigungsverbot auszusprechen, sondern nach den Bestimmungen des Vereinsgesetzes können die Länder nur Organisationen verbieten, deren Tätigkeit sich auf das Gebiet des jeweiligen Landes beschränkt. Hier sind mehrere Länder betroffen.

Herr Ahrends, Sie haben vorhin wunderbar dargestellt, dass der Bundesinnenminister dafür zuständig wäre. Auch ich hätte erwartet, dass Sie den Antrag spätestens nach dieser Unterrichtung zurückgezogen hätten.

Aber sei es drum! Sie wollen Theater spielen, und das Drehbuch für diese Inszenierung liegt schon lange irgendwo in der virtuellen Schublade. Die Posts für Twitter, Facebook und Instagram sind erstellt, und die Bots sind bestimmt auch schon bestellt.

(Lachen bei der AfD - Gegenruf von Anja Piel [GRÜNE]: Lustig, wirklich!)

Also weiter im Drehbuch der auseinandergerissenen Fakten. Die Regie für den letzten Vorhang sieht vor, dass die Blauen, sprich Sie, in Niedersachsen mal wieder die einzigen sein wollen, die dem Terror den Kampf ansagen, und alle anderen schauen weg, unternehmen nichts, ja lehnen gar stumpf diesen Antrag ab. Aber so einfach ist das nicht. Hier im Parlament sitzen nämlich keine Bots, die für aus dem Zusammenhang gerissene Anträge stimmen.

(Zuruf von Dana Guth [AfD])

Wir haben alle einen Kopf auf den Schultern, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei der CDU, bei der FDP und von Anja Piel [GRÜNE] - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Ich finde es bemerkenswert, sogar dreist, dass ein solcher Antrag aus Ihren Reihen kommt. Sie und die Hisbollah eint nämlich ein Zustand, und zwar dass der Verfassungsschutz berechtigte Zweifel an ihrer Verfassungstreue hat, an der Verfassungstreue beider Organisationen. Entsprechend passt auch dieser Antrag wieder sehr gut zu der Opferrolle, in der sich die AfD sehr gerne sieht. In der Inszenierung dieser Partei soll es nämlich der politische Druck sein, der dafür sorgt, dass bestimmte Parteien und Organisationen ins Visier des Verfassungsschutzes geraten. Dass dem nicht so ist, wissen gerade Sie als Parlamentarier genauso gut wie wir; denn Sie haben dieselben Zugänge zu Informationen, wie wir sie haben.

Noch etwas: Wie erklären Sie in diesem Zusammenhang eigentlich, dass es möglich sein kann, dass Ihr Parteifreund Björn Höcke, den ich übrigens als Faschisten bezeichnen darf, gerade am Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen bei uns in Niedersachsen sein rechtes Gedankengut verbreiten darf? Noch einmal: Dieser Umstand ist für mich wirklich schwer erträglich.

Für ein Verbot von Verfassungsfeinden braucht es aber glasklare Regeln und Beweise. Herr Bothe, Herr Lilienthal, die von Ihnen ausgesprochene Einladung ist für mich an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der FDP)

Damit ist klar, dass auch Sie sich öffentlich mit den Leugnern des Holocausts in Ihrer Partei auf eine

Stufe stellen wollen. Sie treten die Würde der Opfer und ihrer Hinterbliebenen mit den Füßen.

Schlimm genug, dass Sie als Mitglieder dieses Hauses angeblich gar nicht gewusst haben wollen, welche Bedeutung der 15. April bei uns in Niedersachsen hat. Frau Guth, meine Herren von der AfD, hören Sie endlich auf, die Arbeit unserer Sicherheitsbehörden infrage zu stellen!

(Zuruf von Dana Guth [AfD])

Wenn Sie etwas gegen die Feinde unserer Verfassung tun wollen, fangen Sie bei sich selber an!

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei der CDU, bei der FDP und von Dragos Pancescu [GRÜNE])

Das Verdrehen von Tatsachen, die Verharmlosung der Verbrechen des NS-Regimes, wie es Mitglieder Ihrer Partei immer und immer wieder versuchen, ist mit Abstand die allergrößte Gefahr für unsere Gesellschaft.

(Johanne Modder [SPD]: Genau!)

Das haben nicht zuletzt die Anschläge von Hanau, Kassel und Halle gezeigt.

Ich möchte mit einem Zitat von Sophie Scholl, die am vergangenen Samstag vor 77 Jahren von den Nazis hingerichtet worden ist, schließen:

„Was wir sagten und schrieben, denken ja so viele, nur wagen sie nicht, es auszusprechen.“

Wir und immer mehr Menschen werden nicht aufhören, unsere Verfassung und unsere Demokratie immer wieder zu verteidigen. Wir werden nicht wegsehen. Niemals. Verlassen Sie sich darauf!

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU, bei den GRÜNEN und von Christian Grascha [FDP])

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Christian Meyer.