Protokoll der Sitzung vom 27.02.2020

Es gibt durchaus Fälle, in denen das jemandem wirtschaftlich das Genick bricht. Es kann durchaus dazu kommen, dass Frau Meyer den Prozess zwar gewinnt, aber, weil der oder die Mieter über kein Vermögen verfügen, weil sie das durch die unberechtigte Mietminderung eingesparte Geld für Lebenshaltung oder was auch immer verbraucht haben und sich als vermögenslos darstellen, nichts von dem Geld sieht, das ihr eigentlich zusteht. Dann passiert es manchmal, dass das Objekt nicht gehalten werden kann, dass es zur Zwangsversteigerung kommt und man damit seiner Altersversorgung beraubt ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist, wenn Sie sich mit Menschen unterhalten, die im kleinen Bereich mit ein, zwei Wohnungen oder einem Haus mit ein, zwei, drei, vier Mietwohnungen unterwegs sind, ein maßgeblicher Faktor. Sie können es nicht einmal eben aus der Portokasse zahlen, wenn es zu einem größeren Mietausfall kommt oder wenn hohe Prozesskosten entstehen. Das hält den einen oder anderen durchaus davon ab zu vermieten oder bringt den einen oder anderen Vermieter dazu, nicht länger weiterzuvermieten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das gilt es zu ändern. Es ist wichtig, dass es das Recht auf Mietminderung gibt. Das muss so sein; denn wenn die Mietsache nicht in dem vertraglich bestimmten Zustand ist, dann muss ein Mieter das Recht haben, die Miete zu reduzieren; das ist gar keine Frage. Um diese Fälle geht es aber nicht. Es geht genau um die Fälle, in denen der Mieter mit unfairen Absichten unterwegs ist und die Regelungsproblematik des heutigen Mietrechts, diese Gerechtigkeitslücke, die ich eben beschrieben habe

und die durch das Mietrecht, wie es jetzt ausgestaltet ist, entsteht, ausnutzt, um sich zu seinem eigenen Vorteil und zulasten der Vermieter zu bereichern.

Das hat auch eine gesamtgesellschaftliche Implikation, meine sehr verehrten Damen und Herren. Denn, wie gesagt, es hält den einen oder anderen davon ab, in Mietwohnungen zu investieren. Das wiederum führt dazu - wir haben es gerade gestern noch einmal debattiert -, dass die Attraktivität der Investitionen in diesen Bereich nicht gesteigert wird. Ich glaube, wir sind uns alle einig: Wir wollen den Mietmarkt nicht den Großunternehmen überlassen. Vielmehr ist es ganz wichtig und eine Bereicherung für den Mietmarkt, wenn auch kleine Vermieter unterwegs sind. Das soll nicht despektierlich klingen; das soll einfach Vermieter beschreiben, die z. B. wie Frau Ilse Meyer eine Wohnung für die Altersvorsorge gekauft haben. Das verhindert aber die aktuelle Situation durchaus in dem einen oder anderen Fall. Ich hatte es eben schon geschildert.

Was gilt es also zu tun? - Es gilt, diese Gerechtigkeitslücke zu schließen. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, tut niemandem weh. Im Gegenteil schützt es einmal den Vermieter vor dem Mietausfallrisiko, wie ich es eben beschrieben habe und das sich aus unlauterem Handeln des Mieters ergibt, es schützt zum anderen aber auch den Mieter, der sich redlich verhält. Warum? - Ganz einfach: Weil, wenn wir dieses Zahlungsausfallrisiko beseitigen, dies dazu führt - ich habe es eben schon erwähnt -, dass die Investitionen - jedenfalls die privaten Investitionen - in den Immobilienmarkt steigen und das Angebot größer wird. Das kann Mietsteigerungen verhindern. Insofern hat der redliche Mieter mittelbar durchaus auch etwas davon. Zudem gibt es überhaupt keinen Grund, warum man jene, die die eben beschriebene Gerechtigkeitslücke missbrauchen, davon auch noch einen Vorteil haben sollen.

Darüber hinaus würde eine Regelung, die diesem Einhalt gebietet, zur Verschlankung der Rechtspflege führen; denn - ganz klar - viele Prozesse würden wegfallen, wenn ein Mieter, der nur vorgibt, dass da Mängel seien, um erst einmal Miete nicht zahlen zu müssen und ein Verfahren in die Länge ziehen zu können, diese Masche, wenn ich es einmal so nennen darf, nicht mehr nutzt, sondern davon absieht, sich auf diese Art und Weise zulasten des Vermieters zu bereichern. Das heißt, im Endeffekt würden alle davon profitieren.

Wir schlagen deshalb vor, einen § 536 Abs. 1 b BGB einzuführen, der vorsieht, dass das, wie gesagt, völlig zu Recht bestehende Recht auf Mietminderung nur dann gilt, wenn folgende Regelungen eingehalten sind: Einmal muss nach einem etwaigen Widerspruch des Vermieters innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnisnahme dieser Minderung der Mieter innerhalb von zwei weiteren Wochen den reduzierten Betrag hinterlegen. Jedes Amtsgericht hat eine Hinterlegungsstelle. Die Hinterlegungsstellen sind zeitlich üblicherweise nicht besonders beansprucht, weil sie effektiv eigentlich keine Rolle in der Rechtspflege spielen. Das würde sich dann ändern.

Aber das würde zur Folge haben, dass das Geld erst einmal sicher ist. Erst nach rechtskräftigem Abschluss eines Prozesses oder wenn sich beide Seiten außerprozessual verständigt haben, wird das Geld an denjenigen ausgezahlt, dem es zusteht, also entweder dem Vermieter, wenn die Minderung unberechtigt war, oder dem Mieter, wenn er die Miete berechtigterweise gemindert hat.

Für den Fall, dass die Tauglichkeit der Mietsache aufgehoben ist, ist das natürlich dahin gehend einzuschränken, dass dann etwaige Kosten, die dem Mieter durch Ersatzbeschaffungen oder z. B. Hotelübernachtungen - weil er in der Mietwohnung nicht bleiben kann -, entstehen, von dem zu hinterlegenden Betrag abzuziehen sind, sodass gesichert ist, dass der Mieter nicht aus eigener Tasche etwas dazuzahlen muss, solange das Verfahren, die Auseinandersetzung schwebt.

Das stellt sicher, dass der Mieter die Miete nicht einfach reduzieren kann, um sich persönlich zu bereichern. Vielmehr wird der Mieter die Miete nur dann reduzieren, wenn wirklich ein Mangel vorliegt, und nur in einem Umfang, der relativ belastbar und valide ist. Bislang passiert es nicht selten, dass der Mieter die Miete weit stärker mindert, als eigentlich berechtigt ist, was wiederum einen Schaden zur Folge haben kann.

Das Ganze wird flankiert von einer Ergänzung von § 917 Abs. 2 ZPO. Dort soll nach unserer Vorstellung ein Arrestgrund für den Vermieter gegen einen Mieter, der gegen die Regelung die § 536 Abs. 1 b BGB verstößt, vorgesehen werden. Das gibt dem Vermieter eine Handhabe für den Fall einer missbräuchlichen Minderung der Miete in die Hand. Er kann dann auf das Vermögen des Mieters zugreifen. Denn gerade in den Fällen einer missbräuchlichen Minderung der Miete kommt es nicht allzu selten vor, dass die Vermieter ihre For

derungen nachher nicht vollstrecken können, weil die Mieter vermögenslos sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, es ist an der Zeit: Wir müssen den Blick nicht nur auf mehr Bautätigkeit, auf eine Verschlankung der Energieeinsparverordnung und auf eine Verschlankung des Baurechts lenken, auch wenn das alles wichtige Punkte sind. Vielmehr müssen wir uns auch auf Bundesebene dafür einsetzen, die bestehende Gerechtigkeitslücke im Mietrecht zu schließen.

Wie gesagt: Diese Regelung wird niemandem wehtun, der sich redlich verhält. Sie wird aber zu viel Rechtsfrieden führen. Sie wird den privaten Vermietermarkt stärken. Sie wird Mietnomaden ein Stück weit das Handwerk legen. Wir alle können davon profitieren. Deshalb bitte ich hier um Zustimmung.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der AfD)

Danke, Herr Emden. - Für die CDU-Fraktion hat sich Dr. Niewerth-Baumann zu Wort gemeldet.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lang ist es her: Als Studenten brauchten mein Mann und ich einmal zwei Jahre, um eine Wohnung zu finden. Wir versuchten, herauszufinden, woran es eigentlich lag, dass die Vermieter uns nicht wollten. Das mag zum einen an der Tatsache gelegen haben, dass wir ein Studentenehepaar mit Kind waren und dass das nicht gerade die Traumkonstellation für Vermieter ist. Aber nach einiger Zeit fanden wir heraus, dass es noch einen stärkeren Hinderungsgrund gab: die Tatsache, dass ich Jurastudentin war. Das mögen Vermieter im Regelfall nicht.

(Heiterkeit bei der CDU)

Der Mieterschutz ist in Deutschland ein sehr hohes Gut. Das deutsche Recht und die deutsche Rechtsprechung sind sehr mieterfreundlich. Als Rechtsanwältin kann ich berichten, dass es deutlich mehr Spaß macht, den Mieter vor Gericht zu vertreten als den Vermieter.

Die AfD möchte nun über eine Bundesratsinitiative das Mietrecht ändern. Sie möchte § 536 BGB und § 917 Abs. 2 ZPO ändern. Es geht um die soge

nannten Mietnomaden und hier um einen kleinen Teilaspekt, nämlich den Mietnomaden, der zu Unrecht die Miete mindert. Die AfD möchte, dass der Minderungsbetrag hinterlegt wird, und das soll durch einen Arrest gesichert werden.

Mietnomaden sind Personen, die von vornherein nicht die Absicht haben, den vereinbarten Mietzins zu entrichten. Sie gehen dabei ganz unterschiedlich vor. Das von der AfD geschilderte Phänomen ist eine Erscheinungsform.

„Haus und Grund“ ist der Auffassung, dass es etwa 15 000 Fälle von Mietnomaden im Jahr gibt. Der Deutsche Mieterbund geht von deutlich weniger Fällen aus.

Eine Studie der Universität Bielefeld zeigt, dass es dem Vermieter eigentlich auch nichts nützt, vorher Informationen über den Mieter einzuholen. Mietnomaden kommen in allen Gesellschaftsschichten vor.

Zurück zur AfD: Im Bereich der Gewerberaummiete gibt es schon solch eine Pflicht zur Hinterlegung des Minderungsbetrages. Allerdings gilt diese Pflicht nicht für Wohnraum, da für diesen das Benachteiligungsverbot in § 536 Abs. 4 BGB gilt. Es stellt sich die Frage: Besteht ausreichend Grund, das Recht zum Nachteil der ehrlichen Mieter zu schwächen?

Mir stellen sich mehrere Fragen, die in den Beratungen im Ausschuss geklärt werden müssen:

Erstens: Erreicht man durch eine solche Gesetzesänderung eine Änderung des Verhaltens der Mietnomaden?

Zweitens - das ist eine wichtige Frage -: Überfordern wir das bestehende System der Hinterlegung? Im Jahr 2019 gab es 4 463 Hinterlegungsfälle und 16 138 Mietsachen an den Gerichten. Wenn man davon ausgeht, dass etwa die Hälfte der Mietsachen - also etwa 8 000 - Minderungsfälle betreffen, dann ergeben sich - weil ja jeden Monat hinterlegt werden muss - bei einer Verfahrensdauer von einem Jahr 96 000 Hinterlegungen pro Jahr, die zu den 4 463 Hinterlegungen hinzukämen. Man muss sich überlegen, ob die Hinterlegungsstellen damit nicht völlig überfordert würden.

Drittens stellt sich die Frage, ob die Sicherung des Mietzinsanspruchs so durchführbar ist. Man muss bedenken, dass das Arrestverfahren eigentlich auf bereits titulierte Forderungen ausgelegt ist, und die Minderungsbeträge wären ja keine titulierten Forderungen. Auch hier gibt es starke Bedenken.

Viertens stellt sich die Frage, ob die vorgeschlagene Änderung rechtstechnisch hinreichend klar ist. Da habe ich Bedenken grammatikalischer Art und bezüglich der Bestimmtheit des Paragrafen.

Es ist also Zurückhaltung angebracht. Aber natürlich sind wir gespannt auf die Diskussionen im Ausschuss und die Ausführungen des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Danke vielmals, Frau Kollegin. - Für die SPDFraktion hat sich nun der Kollege Ulf Prange gemeldet.

Liebe Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man könnte eigentlich sagen: Der Antrag kommt zehn Jahre zu spät. Denn bereits vor zehn Jahren war dieses Thema in der politischen Diskussion. Meine Kollegin, Frau Dr. Esther Niewerth-Baumann, hat eben die Studie der Universität Bielefeld angesprochen, die aus jener Zeit stammt.

Es gibt ja einen langen Konflikt zwischen „Haus und Grund“ auf der einen Seite und dem Mieterbund auf der anderen Seite über das Ausmaß des Phänomens des Mietnomadentums. Ich würde da eher von Mietbetrug sprechen; das ist ja klassischer Eingehungsbetrug.

Diese Studie hat ermittelt, dass es weniger als 1 000 Fälle in einem Zeitraum von mehreren Jahren waren. Wenn man das ins Verhältnis zu den 25 Millionen Mietverhältnissen in Deutschland setzt, macht dieses Phänomen wirklich nur einen ganz geringen Teil aus.

Ich will durchaus zugestehen, dass es für die von den Mietbetrugsfällen Betroffenen in der Tat schwierig ist. Mietbetrug kann auch existenzbedrohend sein. Aber wir können doch jetzt nicht unseren sozialen Mieterschutz infrage stellen - zumal die schwarz-gelbe Bundesregierung 2012 angesichts der Debatte über das Mietnomadenphänomen drei wesentliche Änderungen ins BGB geschrieben hat:

Es gibt jetzt die Möglichkeit einer Sicherungsanordnung im laufenden Hauptsacheverfahren, um den Vermieter vor Mietausfall zu schützen. Das Räumungsverfahren ist grundlegend verändert worden. Die sogenannte Berliner Räumung, die es

auch vorher schon gegeben hat, hat eine gesetzliche Grundlage bekommen. Und es hat einen neuen Kündigungstatbestand gegeben: Wer bereits mit der Mietkaution in Verzug ist, dem kann gekündigt werden.

Diese Maßnahmen sind für die Sozialdemokratie eher kritisch zu sehen. Damit hat eine deutliche Stärkung des Vermieters stattgefunden. Aus anwaltlicher Sicht kann ich sagen, dass diese Instrumente in der Tat sehr gut funktionieren.

Wenn Sie von der AfD diese Forderung nach einer Stärkung von Vermieterrechten hier einbringen, lassen Sie sich von der Lobby der Immobilienwirtschaft instrumentalisieren.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Widerspruch bei der AfD)

Das verkaufen Sie uns dann hier als Kampf gegen eine Gerechtigkeitslücke.

Liebe Kollegen von der AfD, es ist doch unsäglich, dass Sie die Mieterinnen und Mieter, die zu 99 % redlich sind, hier unter einen Generalverdacht stellen!

(Widerspruch von Dana Guth [AfD] - Dana Guth [AfD]: Meine Güte!)

Schauen Sie doch mal auf unsere Städte in Deutschland! Ich komme aus Oldenburg, eine Stadt mit einem sehr angespannten Wohnungsmarkt. Wenn Ihnen zum Mietrecht kein besserer Vorschlag einfällt, dann weiß ich, ehrlich gesagt, auch nicht weiter. Wir reden doch über ganz andere Phänomene! Es ist doch die neue soziale Frage unserer Gesellschaft, dass das Wohnen bezahlbar bleibt bzw. wieder wird. Die Wohnung ist der Mittelpunkt des sozialen Lebens und der privaten Existenz, die doch durch bestimmte Entwicklungen auf den Märkten wirklich angegriffen ist. An dieser Stelle müssen wir gegenhalten. Dabei spielt gerade das Minderungsrecht eine ganz große Rolle, wenn wir über Entmietungen und über Sanierungen mit dem Ziel sprechen, Mieter aus den Wohnungen zu bekommen. An dieser Stelle müssen wir gegenhalten.

Dazu hätte ich mir von Ihnen, wenn Sie hier unter dem Label „Gerechtigkeit“ antreten, Antworten gewünscht.