Protokoll der Sitzung vom 12.05.2020

Ja, bitte!

„Offenbar will man die Notlage der CoronaKrise zur Normallage machen und Parlamentsrechte dauerhaft einschränken.“

Wir kommen Sie zu einer solchen Aussage? - Wenn solche Aussagen nicht nur von der AfD - vergleichbare Zitate gibt es von Frau Guth -, sondern auch von ernstzunehmenden, echten, wichtigen Fraktionen in diesem Landtag kommen,

(Christian Grascha [FDP]: Und vom Landesrechnungshof! dann sind das problematische Einlassungen, die dazu führen, dass Regeln, die diese Landesregie- rung und dieses Parlament in ganz normalen Ver- fahren aufgestellt haben, infrage gestellt werden. Sie stellen mit solchen Anträgen, mit solchen Ge- setzentwürfen und insbesondere mit den Reden, die Sie halten, die Legitimation, von der Sie be- haupten, dass Sie sie herstellen wollen, erst infra- ge. (Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Nacke, bitte nicht weglaufen! Ich hatte natürlich darauf hinweisen wollen, dass Sie deutlich über die Redezeit sind, aber auch darauf, dass sich der Kollege Bode zu einer Zwischenfrage gemeldet hat. Ich will ihm die Möglichkeit geben, Sie noch zu stellen. - Herr Kollege Nacke ist einverstanden.

Bitte, Herr Kollege Bode!

Vielen Dank, Herr Kollege Nacke. Ich hatte mich eigentlich schon etwas früher gemeldet; zu dem Teil Ihrer Rede, in dem Sie gesagt haben, in welchen Sitzungen die Landesregierung unterrichtet habe und dass der Landtag zu jeder Zeit immer und umfassend über die Rechtsverordnungen und die Vorhaben der Landesregierung in den Ausschüssen informiert worden sei.

Ich möchte nur bei einem einzigen Punkt nach Ihrer Bewertung fragen, ob das wirklich so war. Am letzten Freitag hat der Minister für Wirtschaft, Ar

beit, Verkehr und Digitalisierung, Bernd Althusmann, im Wirtschaftsausschuss zu den Regelungen der Öffnung der Gastronomie unterrichtet, der Abgeordnete Schulz-Hendel hat ihn gefragt, wie das mit der Öffnung der Gastronomie und der Unterscheidung zwischen einer Gaststätte und einer Kneipe beabsichtigt sei, wer öffnen dürfe und wer nicht öffnen dürfe, und der Minister hat darauf eine Antwort gegeben.

Bereits am Nachmittag ist das in der Verordnung vollständig anderes geregelt worden, als die Antwort des Ministers war. Ist das aus Sicht der CDU eine umfassende Information über die Vorhaben der Landesregierung?

(Beifall bei der FDP)

Danke, Herr Kollege. - Herr Kollege Nacke, bitte schön!

Herr Kollege Bode, es ist natürlich eine schwierige Aufgabe, die Sie mit stellen. Ich soll zu etwas Stellung nehmen, bei dem ich nicht dabei war, zu einem Sachverhalt, den ich daher nicht aus eigenem Erleben bewerten kann.

Ich will auch gar nicht infrage stellen, dass es Nachfragebedarf zum Thema Verordnung gibt. Wenn eine 26-seitige Verordnung in einer derartigen Geschwindigkeit - - -

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Gedruckt sind es 10 Seiten! Wieso 26 Seiten?)

- Die Letzte, die ich ausgedruckt habe, hatte 26 Seiten.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das muss eine andere Fassung gewesen sein, Herr Kollege!)

Okay, in der Veröffentlichung, in der Schrift, die ich ausgedruckt habe - - - Das ist ja auch scheißegal - Entschuldigung!

(Heiterkeit - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das ist nicht egal! Denn Sie hatten möglicherweise eine Vorfassung und wir nicht! Das war eine andere Versi- on, mit der die Presse informiert wor- den war! - Wiard Siebels [SPD]: Auf wie vielen Seiten er das ausdruckt, ist wirklich egal! - Weitere Zurufe - Unru- he - Glocke des Präsidenten)

Jetzt will ich an dieser Stelle doch einmal etwas sagen. Ich bitte wirklich um Nachsicht, ich gehe nun langsam auf die 50 Jahre zu. Meine Augen sind nicht mehr die besten.

(Zurufe: Oh!)

Ich habe das auf 26 Seiten ausgedruckt, damit ich es gut lesen kann.

(Heiterkeit - Zuruf von der FDP: Das glaubst du doch selbst nicht!)

Ich meine aber, es könnte wohl sein, dass die Augen einiger Menschen im Sozialministerium genauso schlecht sind; denn dort habe ich es geöffnet und auf „Drucken“ gedrückt. Aber ich lasse mir das auch gern einmal genauer darlegen lassen. Ich werde Ihnen das nachreichen.

Aber Scherz beiseite! Was ich eigentlich sagen wollte: Diese Verordnung ist natürlich extrem kompliziert. Diese Verordnung ist extrem in der Verweisungspraxis. Da wird sechs Seiten später etwas aufgehoben, was man eine Seite vorher findet. Wir haben damals gelernt, wenn man in Jura klug sein will, dann sollte man, wenn man einen Paragrafen findet und meint, er passe genau, zumindest die drei Paragrafen davor und die drei dahinter lesen. Hier müsste man manchmal drei oder vier Seiten davor und dahinter lesen - und das gilt nur, wenn es tatsächlich auf zehn Seiten ausgedruckt ist -, um es komplett zu verstehen. Das alles räume ich ein.

Dass es dann entsprechenden Nachfragebedarf gibt, will ich zugestehen. Aber Sie sagen, dem würde abgeholfen werden, indem wir die parlamentarischen Abläufe, die sich hier über Jahre bewährt haben und die sich insbesondere in dieser Krise bewährt haben, verändern. Damit stellen Sie die Legitimation, damit stellen Sie die Verfahrensweise der Gesetzgebung und damit stellen Sie auch das Verordnungsrecht der Regierung infrage, und damit leisten Sie einen Bärendienst, nicht der Regierung, sondern dem Land.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Nacke.

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult)

Nun hat sich Herr Dr. Birkner zu einer Kurzintervention gemeldet.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Nacke, die erste Anmerkung ist, dass Sie dann vermutlich auch den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst und den Landesrechnungshof unter den Verdacht stellen, die Legitimität des Hauses mit berechtigter Kritik infrage zu stellen.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Of- fensichtlich!)

Das muss ich deutlich zurückweisen. Wir werden selbstverständlich, auch wenn Sie und Ihre Mehrheit das offensichtlich schwer ertragen, solche Punkte aufgreifen und zur Sprache bringen. So viel zu Haushaltsfragen.

(Beifall bei der FDP)

Der zweite Punkt. Sie sagen, man würde hier plötzlich in die vom Bundesgesetzgeber gut gewählten Rechtsetzungskompetenzen der Landesregierung eingreifen. Ja, das ist richtig, aber genau diesen Weg zeigt doch Artikel 80 Abs. 4 Grundgesetz auf. Das ist doch genau das, was darin steht. Der Verfassungsgeber sagt sogar, diese Regelung ist damals zur Stärkung der Landtage eingebracht worden. Er sagt: Tut das, wenn ihr wollt. - Es ist eine Entscheidung, die wir treffen können. Wir sollten bei solchen Fragen nicht zu ängstlich sein und es entscheiden.

Aber das Wichtigste ist, Herr Nacke, dass ich Ihre Angegriffenheit im Moment überhaupt nicht nachvollziehen kann. Es gibt eine ganz sachlich zu führende Debatte über diese Fragestellung. Hier wird das gesamte Leben auf wenigen Seiten reguliert, und der Landtag soll diese Option aus Artikel 80 Abs. 4 Grundgesetz nicht wenigstens sachlich diskutieren? - Sie lehnen das so pauschal ab.

Ich möchte nur daran erinnern, dass Christian Baldauf, Fraktionsvorsitzender der CDU im rheinland-pfälzischen Landtag, am 5. Mai 2020 in einem Namensartikel in der FAZ genau dies angemahnt hat.

(Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zum Schluss, Herr Präsident, und zitiere zum Abschluss:

„Die Landtage sind in die Entscheidungsfindung nicht einbezogen, da es sich um kein formales Gesetz handelt. Das ist ein Fehler. Auf Länderebene droht ein Weimar 2.0.“

Ist er jetzt auch in dem Verdacht, die Legitimität des Parlamentarismus anzuzweifeln, weil er berechtigte Kritik äußert und solche Dinge aufgreift?

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Kollege Nacke möchte antworten. Bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nichts spricht dagegen, die Verordnung sachlich zu diskutieren. Wir tun das in den Ausschüssen, und wir hatten im Rahmen der Regierungserklärung und auch in der heutigen Debatte jede Möglichkeit, das zu tun.

Sie haben den Punkt doch selbst angesprochen. Die eigentliche Ermächtigung des Landes, diese Verordnungsermächtigung, hat die Landesregierung nicht von diesem Parlament erhalten hat, sondern vom Bundestag. Diese Verordnungsermächtigung nutzen wir und greifen mit materiellem Recht selbstgestaltend ein.

Aber doch bitte nicht, indem wir das, was der Bundestag vorsieht, negieren! Hier ist eine Rechtsmaterie, die so schneller Reaktionen bedarf, die so individuell ausgestaltet werden muss, dass sie eben nicht durch ein Gesetz des Bundes geregelt werden kann, sondern in die Verantwortung von Landesregierungen übertragen werden soll, um dem Föderalismus gerecht zu werden, um in Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpom

mern anders reagieren zu können als in Bayern und Baden-Württemberg.

Und Sie sagen jetzt: Diese Verordnungsermächtigung belegen wir als Parlament eigenständig mit einem Genehmigungsvorbehalt!

Sie machen einen Denkfehler, wenn Sie den Eindruck erwecken wollen, dass Sie mit dieser Regelung, die Sie hier vorschlagen, die Verordnung ändern könnten. Das können Sie nicht. Wenn Sie nämlich innerhalb der Beratung sagen wollen, an diesem Passus oder an jener Stelle müsse etwas geändert werden, dann muss in einem solchen Moment - das hat das Bundesverfassungsgericht sehr eindeutig gesagt - sofort ein vollständiger Gesetzgebungsverfahrensprozess eingeleitet werden, der uns vollständig in der Verordnung behindern würde. Sie könnten nur Ja oder Nein sagen.

Sie wissen doch wohl ganz sicher, dass das, was Ihnen schriftlich im Sozialausschuss vorgelegt werden würde, am Ende einer Beratung in dem entsprechenden Ausschuss oder in diesem Parlament nur noch mit Ja durch die Mehrheit der die Regierung tragenden Fraktionen begleitet werden könnte.

(Beifall bei der CDU - Dr. Stefan Birk- ner [FDP]: Das würde aber ganz an- dere Vorwirkungen haben!)