Protokoll der Sitzung vom 12.05.2020

Lassen Sie mich abschließend zum Kollegen Meyer einen Satz sagen: Wissen Sie, Herr Kollege Meyer, die Tierhalter wollen kein Geld. Sie wollen keine toten Schafe.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Herr Kollege Bäumer.

(Eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter der Landtagsverwaltung desinfizieren das Redepult)

- Danke schön.

Wir setzen die Debatte fort. Es folgt für die AfD der Kollege Stefan Wirtz. Herr Wirtz, bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie kennen das: Man steigt in das Thema ein, gern mit der Titelzeile, die obendrüber steht. Ich glaube aber, hier steht etwas anderes drüber. Der Herr Grupe will eigentlich wissen, was endlich und was eigentlich passiert in Sachen Wolf - völlig berechtigte Frage. Er hat festgestellt - und das müssen auch wir feststellen -, es passiert faktisch nichts, es hat sich nichts getan. Es ist zurzeit natürlich nicht einfach, Anfragen beantwortet zu kriegen; das alles zieht sich so ein bisschen hin. Aber ich habe den Eindruck, Sie wollen diese Frage hier in dieser Aktuellen Stunde stellen.

Wir haben ja nun schon einiges gehört, was an Zitaten bemüht wurde - von Forrest Gump bis Rotkäppchen, ein Evangelium war auch noch dabei -, um das ernste Thema zu beschreiben. Niemand will auf seiner Weide tote Tiere liegen sehen, niemand will seine Herde tot oder schwerverletzt vorfinden.

Das, was hier in den letzten Monaten, praktisch mehr als ein Jahr, aufgeführt wurde, aber kommt einem fast wie eine Westernkomödie vor. Das große Roddy-Rodeo hat nicht geklappt. Man konnte sich trotz teurer Dienstleister wohl die Pferde nicht leisten. Man hat die Schlingenfallen einfach so in den Wald gelegt und tatsächlich gehofft, dass der wohl cleverste Wolf in Niedersachsen da irgendwann hineintritt und sich fangen lässt - oder wenigstens einer von seinem Rudel, damit man diese Exemplare schon einmal ausschließen kann. Das aber hat natürlich nicht funktioniert.

Wie soll so etwas auch hinhauen? - Ergebnis: null, wie schon oft gesagt. Kosten: bei Weitem nicht null, sehr hohe Zahlungen an diesen Dienstleister sind fällig gewesen, der sich am Ende aber trollen musste.

Auf die konkrete Frage, wann die Wolfsverordnung für Niedersachsen kommt, steht die Antwort noch aus. Vielleicht geben Sie, Herr Umweltminister Lies, sie gleich.

(Zuruf von Marcus Bosse [SPD])

- Am 14. Februar war es, Herr Bosse, als der Bundesrat die Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes beschlossen hat. Das ist also schon knapp drei Monate her. Und seitdem ist auch hier in Niedersachsen leider nichts passiert.

Es gab den Versuch - das muss man feststellen -: Die Bundesnaturschutzgesetznovelle könnte tatsächlich den Weg für eine effektivere Bekämpfung freimachen. Versucht hat es dann Herr Minister nicht mehr mit nur einem Wolf, sondern gleich mit drei Wölfen. Aber wir haben es ja schon gehört: Diese Abschussgenehmigungen haben weniger Lebenszeit gehabt als der Wolf.

Dabei muss man sagen, Herr Grupe: Wir haben schon zu viele Wölfe in Niedersachsen. Manche oder vielleicht sogar viele von ihnen müssen weg. Aber man muss feststellen, auch diese drei sind wieder in Sicherheit; denn die Abschussgenehmigungen liegen inzwischen auf Eis.

Das wirft allerdings auch Fragen auf - irgendwer hat es gerade erzählt -: Die Wölfe springen ja nicht artig zu zweit über Zäune, sie halten sich nicht an Regeln, sie halten sich auch nicht an Landkreisgrenzen. Eine Genehmigung, die für den einen Landkreis gilt und für den anderen nicht, funktioniert nun einmal nicht; denn Wölfe legen in einer einzigen Nacht große Strecken zurück. Und wenn die Abschussgenehmigung schon an der nächsten Landkreisgrenze nicht mehr gilt, dann ist auch das nicht effektiv.

Dass man das Wolfsmonitoring für einen Erfolg hält - okay. Wir haben die Verlustzahlen gehört. Ich denke, das räumt auch endgültig mit der Naturlegende auf, dass der Wolf nur das fängt, was er für sich selbst oder für sein Rudel zum Leben braucht. Die Verlustzahlen sind dramatisch. Ein Beispiel gibt es in Celle, wo ein betroffener Schäfer schon im Herbst 50 Tiere verloren hat und jetzt noch einmal 25 Tiere. Sie können niemandem mehr erzählen, dass diese Wölfe nur das töten und verzehren, was sie zum Leben brauchen, sondern auf den Weiden passiert sehr viel mehr und sehr viel Schlimmeres und Unangenehmeres. Das liegt daran, dass diese Wölfe nicht ernsthaft bekämpft werden. Der betroffene Schäfer hat es jetzt natürlich wahrhaft nicht leicht, ist emotional und wirtschaftlich schwer angeschlagen. Ich würde es verstehen, wenn er einfach nicht mehr weitermachen wollte. Aber das ist natürlich nicht unser Ziel.

Wir müssen uns in dem Dickicht von bürokratischen EU-Vorschriften und deutschen Vorschriften, die EU-Richtlinien zum Teil sogar übererfüllen, endlich einmal einen Weg schlagen, um nicht ganze Berufszweige zu opfern, sondern denjenigen, die von der Schäferei leben oder sie mit Herzblut als Hobbytierhalter betreiben, die Existenz zu sichern; denn der Wolf ist als Art nicht ernsthaft in Gefahr, es gibt ihn hunderttausendfach.

Wir müssen uns überlegen, was wir in unserem Land und in Deutschland machen. Schauen wir nach Frankreich! Da besteht die ganz klare Vorgabe, wonach 500 Wölfe in Frankreich reichen. Sie können jetzt sagen, dass Frankreich doch kein Vorbild ist. - Frankreich hat jetzt zwar ein Management für sechs Jahre aufgelegt. Aber Frankreich ist doch ein Vorbild. Das Land ist größer, es ist weniger dicht besiedelt, es ist weniger intensiv bewirtschaftet, und die Franzosen sagen, 500 Wölfe sind genug. - Frankreich lässt diesen Bestand erst aufwachsen. Die Franzosen schießen, sie schießen eine gute Quote, jährlich 10 bis 12 % der Exemplare, und lassen den Bestand aufwachsen.

Wir haben vorhin von 1 500 bis 1 800 Wölfen gehört. Wir als AfD sagen: Von denen müssen einige weg, von denen müssen viele weg! Wir müssen uns hier im Lande endlich darüber klarwerden, wie viele Wölfe wir haben wollen. Aktuell ist das eigentlich das Wichtigste.

Und dann brauchen wir endlich die Maßnahmen - fast im Nebensatz gesagt -, die nötig sind, um die Zahlen zu halten und Reduzierungen zu erreichen. Darüber muss Klartext geredet werden. Ich hoffe, Sie nutzen die Gelegenheit.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Danke schön, Herr Kollege Wirtz.

(Eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter der Landtagsverwaltung desinfizieren das Redepult)

- Danke schön.

Es geht weiter. Jetzt ist die Landesregierung dran, in persona von Herrn Umweltminister Lies. Bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, die Reden der Kollegen der Grünen und der FDP, Christian Meyer und Hermann Grupe, haben gezeigt, wie schwierig die Situation ist. Trotz des Versuchs, dass die FDP bei der Rede des Redners der Grünen klatscht, und des Versuchs, dass die Grünen bei der Rede des Redners der FDP klatschen, waren die Reden völlig unterschiedliche Vorstellungen. Das ist keine Kritik, das ist einfach nur eine Feststellung. Die einen, haben gesagt, lieber Hermann Grupe, man muss viel konsequenter sein, dann muss man ganze Rudel entnehmen, dann muss man sozusagen mal aufräumen. Die anderen, die Grünen, aber meinen, dass in dem einen Fall der Zaun nicht hoch genug gewesen ist und mehr Schutz nötig ist, und bitten darum, hier eine Ausnahme zu machen. Obwohl beide Fraktionen völlig konträre Auffassungen vertreten, war das der Versuch in diesem Landtag, sich gegenseitig ein bisschen zu unterstützen.

Im Grunde zeigen dies das Dilemma, in dem wir sind. Das Dilemma ist, dass wir eine Antwort darauf geben müssen, wie wir uns den Umgang mit dem Wolf vorstellen, bevor wir uns nur in die Details der Umsetzung verlieren.

Ich will mal mit der Antwort, die wir geben müssen, anfangen. Die Antwort gibt nicht die neue Studie, die Habitatmodellierung und Abschätzung der potenziellen Anzahl der Wolfsterritorien in Deutschland, die jetzt auf den Weg gebracht wurde. Denn sie zeigt auf, dass irgendeine Zahl zwischen 700 und 1 400 Rudel möglich wäre. Wir reden dann - grob multipliziert mit 10 - über 7 000, 10 000, 12 000 oder 14 000 Wölfe. Die Verfasser der Studie beschreiben sozusagen, was denkbar wäre. Sie schreiben aber auch: Wenn das so ist, müssen wir uns darauf einstellen und über ein Management reden. - Aber wer an der Stelle nachliest, der wird feststellen, dass sie mit „Management“ das Errichten von Zäunen meinen. Die Verfasser der Studie meinen mit „Management“, dass wir für möglicherweise 1 400 Territorien und Rudel das ganze Land einzäunen. Ich finde, das gehört an den Anfang der Debatte.

Was glauben wir eigentlich, was der richtige Weg ist? - Mit Sicherheit besteht er nicht darin, das ganze Land einzuzäunen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der AfD)

Nur wenn wir diese - ich gebe zu - etwas abstrakte Frage beantworten, können wir uns über Details der Umsetzung streiten. Das müssen wir einfach tun. Ich erwarte und will das hier auch sagen, weil das auch Teil der Bundesratsentschließung war, die ich hier vorgestellt habe, dass der Bund uns nicht die Umsetzung eines Gutachtens vorgibt, das die Gutachter mit den Worten kommentieren, dass sie sich ein solches Ergebnis gewünscht hätten. Kein Bundesland hat sich ein solches Gutachten gewünscht. Mit einem solchen Gutachten kann ich nichts anfangen.

Wir haben uns eine Antwort auf die Frage gewünscht, ob es für die Verteilung von Rudeln und Wölfen in Deutschland eine Idealzahl gibt, meinetwegen auch gerne heruntergebrochen auf Niedersachsen, mit der wir das Zweckerfordernis des Bundesnaturschutzgesetzes und der FFH-Richtlinien, die Art des Wolfes zu schützen, erfüllen. Wie hoch ist diese Zahl? Ich habe oft gehört: 1 000. - Ich kann die Zahl nicht benennen. Es ist ja auch nicht nur eine Zahl, auch die Frage der Ausbreitung muss berücksichtigt werden. Die Frage, wie hoch diese Idealzahl ist, muss sauber beantwortet werden, weil sich daraufhin gleich die nächste Frage stellt, nämlich was mit „Management“ gemeint ist. Meinen wir mit „Management“ nicht auch, dass es eine Obergrenze gibt, ab deren Erreichen wir vernünftig managen müssen? Dann heißt „managen“ auch regulieren. Die Antwort auf die Frage aber, zu sagen, wo der Weg hingeht und wie mit dem Ziel umzugehen ist, wird in Deutschland nicht gegeben. Weil diese Antwort so schwierig ist, tun wir uns bei der einfachsten Entscheidung - mit dem Problem eines einzelnen Tieres - so unglaublich schwer.

Grundlage dafür war, dass wir gesagt haben, wir müssen dringend das Bundesnaturschutzgesetz ändern. Das haben wir übrigens im Oktober 2018 gemacht. Es hat dann anderthalb Jahre gedauert - jetzt kann man sagen, da hätte man mehr Druck in Berlin machen müssen; ich glaube, daran hat es nicht gemangelt -, bis das Gesetz am 13. März 2020 endlich in die Umsetzung und in die Anwendung gekommen ist. Es hat dann übrigens sieben Tage gedauert, bis die erste Ausnahme draußen war. Auch das habe ich vorher gesagt. Und Sie haben recht: Da ist eine Ausnahme gekommen, die in Löningen war. Die hat vier Wochen gewirkt. Nach vier Wochen war sie hinfällig, weil es sich um eine Fähe gehandelt hat und eine Fähe aus Tierschutzgründen dann nicht mehr geschossen wer

den darf. Das habe ich mir nicht ausgedacht, sondern das ist Gesetz; das ist Tierschutzrecht.

Dann haben wir die Ausnahmen für Uelzen gehabt, wobei ich den Landkreis angewiesen habe, entsprechend unserer Vorbereitungen eine Ausnahme für zwei Wölfe zuzulassen. Die haben wir an dem Abend umgesetzt, ohne darüber zu reden. Übrigens: Über Löningen hat keiner geredet. Wir hätten es nicht öffentlich gemacht. Wenn ich Ihre wunderbare Mitteilung immer so höre, es gehe hier um Öffentlichkeitsarbeit! Es geht nicht um Öffentlichkeitsarbeit. Nichts davon haben wir öffentlich gemacht, sondern wir haben versucht, es umzusetzen, ohne dass man öffentlich darüber redet.

In Uelzen haben wir genau das Gegenteil erlebt. Da ist es aus einem bestimmten Grund vor Ort öffentlich geworden, und sofort hatten wir die da, die alles verhindern, die versucht haben, mit Böllern und anderen Maßnahmen - da waren sie alle sich auch einig - Jäger in den Fokus zu nehmen und Namen zu benennen, um zu verhindern, dass das geschieht, was einfach rechtlich notwendig ist und für den Schutz der Schafe, die wir dort haben, auch dringend umgesetzt werden muss, nämlich die Entnahme des Wolfes. Ich finde, wir brauchen an der Stelle - das wünsche ich mir hier - Einigkeit, dass das, was wirklich notwendig und möglich ist, auch von allen getragen wird und dass man nicht noch die unterstützt und instrumentalisiert, die sich dagegen wehren und dagegen stellen, dass Recht umgesetzt wird.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU sowie Zustimmung von Jochen Beek- huis [fraktionslos])

Dann wären wir übrigens schon einen Schritt weiter. Das müssen Sie nicht begrüßen. Aber es geht darum zu erkennen, dass der Weg, den wir konsequent gehen, richtig ist.

Was den zweiten Schritt angeht, den wir gemacht haben, so kann man lange diskutieren: Warum haben wir für den Rodewalder Rüden einen Dritten bezahlt? Ich halte das für richtig; ich stehe zu der Entscheidung. Ich stehe zu der Entscheidung, dass, es nicht zu tun, der falsche Weg gewesen wäre. Die Alternative, Jäger einzubinden, hat es rechtlich nicht gegeben. Es gab nur die Alternative, auf Dritte zurückzugreifen. Ehrlicherweise würde ich hier auch mit mehr Begeisterung stehen, wenn es dann auch geklappt hätte. Das weiß ich. Aber es nicht zu versuchen, ist keine Lösung.

Genauso haben wir es jetzt in Löningen gemacht, genauso haben wir es in Uelzen gemacht. Wir haben vor Ort die, die bereit sind, das umzusetzen. Es hat aber nicht funktioniert. Es wird beim nächsten Mal vielleicht funktionieren. Vielleicht wird es auch erst beim übernächsten Mal funktionieren. Ich kann es Ihnen nicht versprechen. Aber alle Rahmenbedingungen, die wir haben, setzen wir um. Deswegen hilft es auch nicht zu sagen, man müsse das mal ganz anders machen, sondern wir müssen das Gesetz in den Blick nehmen. Das machen wir in den aktuellen Fällen, in denen wir uns das sehr genau ansehen, gerade was das Thema des Naturschutzparks in Lüneburg angeht, worüber wir Videos gesehen haben. Da wird geprüft: Ist die Ausnahme möglich, ja oder nein? Da muss auch keine Identifizierung her. Und dann können wir vor Ort die Entnahme vornehmen.

Aber wir sehen auch eines: Wir sind hier im Landtag. Wir sind nicht draußen auf der Straße. Wir sind hier nicht in irgendeiner Veranstaltung. Wir sind im Landtag, und ich finde, im Landtag sollte man eine Regierung nicht auffordern, Dinge zu machen, die nicht dem Gesetz entsprechen, sondern wir sollten hier das Ansinnen haben, nach Recht und Gesetz zu handeln. Das sollte unser Anspruch sein.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU sowie Zustimmung von Jochen Beekhuis [fraktionslos])

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Grupe zu?

Ja.

Bitte sehr! - Vielleicht versuchen Sie es über das Saalmikro.

Ich kann es leider nur ohne Mikrofon machen.

Versuchen wir es!

Sie aufzufordern, etwas zu tun, was nicht gesetzlich wäre, würde mir jedenfalls völlig fern liegen. Ich habe Sie, denke ich mal, ausreichend zitiert.