Protokoll der Sitzung vom 12.05.2020

- neuen Paragrafen -

„mit dem der Abschuss einzelner Mitglieder eines Rudels bis zum Ausbleiben von Schäden ermöglicht werden soll, ist aus“

- einer Vielzahl von -

„Gründen als europarechtswidrig einzustufen.“

Ich erspare Ihnen jetzt die zwei Seiten weiterer Kritik, z. B. warum das bürokratisch nicht mit dem Jagdrecht übereingeht und viele, viele andere Punkte.

Sie sehen, meine Damen und Herren: Das Wolfsmanagement des Landes hat zwar einen schönen Schein, ist rechtlich aber haltlos und auf ganzer Linie gescheitert. Olaf Lies hat eine Nullbilanz.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe CDU und liebe FDP, Ihre Forderungen nach mehr Wolfsabschüssen sind ebenfalls nicht nachvollziehbar und helfen den Weidetierhaltern in ihrer wirtschaftlichen Lage nicht. Die brauchen endlich eine Weidetierprämie wie in Sachsen, Thüringen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, im schwarz-grünen Hessen. Fast überall um uns herum gibt es diese Weidetierprämie, nur in Niedersachsen haben CDU und SPD nichts für Weidetierhalter übrig.

Frau Otte-Kinast muss man loben. Sie ist immerhin ehrlich und hat in Ostfriesland erzählt, dass sie von Weidetierhaltung nichts hält. Auf der Weide seien viel zu viele Insekten und deshalb sei die Stallhaltung besser, hat sie dort gesagt. Ich meine, Weidehaltung ist gut für den Artenschutz. Jeder Kuhfladen ist ein Insektenparadies.

Liebe CDU, ich nehme Ihnen Ihr Herz für die Weidehaltung nicht ab. Sie tun so, als seien 10 Millionen Schweine, 100 Millionen Hühner und immer mehr Rinder wegen des Wolfes in ganzjähriger Massenstallhaltung und nicht draußen. Sie wollen diese Stallhaltung doch haben, sie propagieren sie und sagen, sie sei die beste Form.

Schauen Sie auf die Fakten! Wann geht es eigentlich den Schäferinnen und Schäfern in Niedersachsen gut? - Ich zitiere einmal das Statistische Landesamt. 2004 gab es - da war Schwarz-Gelb an der Regierung; Herr Birkner war, glaube ich, Staatssekretär im Umweltministerium - in Niedersachsen 278 000 Schafe. Beim Amtsantritt von Rot-Grün waren es 155 000, 44 % weniger, also 100 000 Schafe weniger in der Zeit von SchwarzGelb. Unter Rot-Grün stieg die Zahl der Schafe um 10 % auf 171 300. Unter einem grünen Umwelt- und einem grünen Landwirtschaftsminister gab es die meisten Schafe in Niedersachsen, obwohl wir da mehr Wölfe hatten als in Ihrer Regierungszeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Honorieren Sie bitte die Schafhalterinnen und Schafhalter! Sie haben die Grünlandprämie gestrichen. Jetzt geht die Zahl der Schafe wieder runter. Geben Sie sich endlich einen Ruck! Die Schäferinnen und Schäfer brauchen unsere Unterstützung, und zwar finanziell. Da ist noch deutlich Luft nach oben. Wenn man eine Nullbilanz hat, kann es ja nur besser werden. Stimmen Sie für eine Weideprämie, das hilft Weidetierhaltern und dem Wolf!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Meyer.

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult - Un- ruhe)

- Meine Damen und Herren, es gibt eine gewisse, wachsende Geräuschkulisse. Ich darf bitten, die Gespräche - auch auf den Regierungsbänken - einzustellen. Auch Telefonate gehören zu Gesprächen. Wir wollen nicht mithören.

Es folgt für die SPD-Fraktion der Kollege Marcus Bosse. Bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gute gebrüllt, Löwe! Das muss man an dieser Stelle schon deutlich sagen. Gut gebrüllt! Als ich diesen Antrag zur Aktuellen Stunde und den Titel „Wann wird endlich gehandelt und nicht nur geredet?“ gesehen habe, war ich erst einmal wirklich überrascht. Das muss ich sagen. Das ausgerechnet dem Umweltministerium vorzuwerfen? - Aber das Leben ist nun einmal wie eine Pralinenschachtel: Man weiß nie, was man bekommt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aktuell gibt es 26 Wolfsrudel, 5 Wolfspaare, einen Einzelwolf, round about 240 Tiere - nur einmal ganz grob, damit man weiß, wovon man spricht. Das Wolfsmonitoring ist, denke ich, überhaupt nicht gescheitert. Denn wir haben starke Partner an der Seite. Ich denke da in erster Linie an die Landesjägerschaft, Kollege Dammann-Tamke, gemeinsam mit dem NLWKN - das sind wirklich starke Partner - und natürlich auch daran, dass seit Beginn des Jahres die Anträge zur Förderung von wolfsabweisenden Präventionsmaßnahmen und zur Gewährung von Billigkeitsleistungen bei Nutztierrissen bei der Landwirtschaftskammer zu stellen sind. Das sind kompetente, vernünftige und kluge Partner, die hier ausgesucht worden sind.

Ich will aber mal ein bisschen die Uhr zurückdrehen, weil wir auch ehemalige Umweltminister hier haben: Herrn Birkner und Kollegen Wenzel. Ich habe etwas herausgesucht. Das Hamburger Abendblatt titelte am 27. Juli 2012, und auch die HNA: Umweltminister Birkner platzte vor Stolz beim Anblick der jungen Welpen, die in die Fotofalle getappt waren. Jubel mit Holger Buschmann. Wir sind sehr glücklich über die Wolfswelpen. Tolle Bilder. Mit diesen Bildern machen die Wölfe die beste Werbung für sich.

Ja, recht hat er, aber die Stimmung kippte. Sie kippte im Jahre 2016. Ich kann mich noch gut erinnern. Niedersachsen musste den ersten Wolf erlegen. Ich habe dazu im Interimsplenarsaal des Landtages geredet. Danach habe ich übelste Mails von fanatischen Tierschützern bekommen, man solle doch mich erschießen. Die sind genauso durch den Wald geschlichen, als man versuchte, den Rodewalder Rüden zu erlegen. Vielleicht waren das dieselben Leute.

Nach der Landtagswahl 2017 - und zwar gleich 2018 - hat Niedersachsen gemeinsam mit anderen Bundesländern eine Änderung im Bundesnaturschutzgesetz angeregt und letzten Endes auch durchgesetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ja, der Abstimmungsprozess zwischen den Ländern hat etwas gedauert. Auch der Abstimmungsprozess zwischen Bundesumweltministerium und Bundeslandwirtschaftsministerium hat etwas Zeit gekostet. Aber letzten Endes, glaube ich, können wir uns doch mehrheitlich dahinter vereinen, was darin steht. Ein Wolfsabschuss kann vorsorglich geschehen und muss nicht erst erfolgen, wenn Nutztiere gerissen werden. Es sollen und können so lange Wölfe geschossen werden, bis es keine Wolfsattacken mehr in der betreffen

den Region gibt. Und zum Zeitplan: Die Abstimmung im Bundestag erfolgte im Dezember, im Bundesrat muss es Februar oder März gewesen sein; diesen Jahres.

Sie können mir glauben, Kollege Grupe: In den regierungstragenden Fraktionen gibt es keine Wolfsromantiker. Wir alle sind Realisten. Das kann ich an der Stelle, glaube ich, mit aller Deutlichkeit für jeden Einzelnen sagen. Im Umweltministerium wurde sehr wohl - und zwar sehr hart - gearbeitet. Nach meiner Kenntnis ist die Wolfsverordnung fertig und kann nun in die Ressortbeteiligung gehen. Vor dem Inkrafttreten muss natürlich noch die Verbandsbeteiligung nach § 31 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien in Niedersachsen durchgeführt werden. Und noch etwas, da Sie uns ja angebliches NichtHandeln vorwerfen: Die erste Ausnahmegenehmigung nach dem neuen Recht erfolgte gleich drei Tage später, am 20. März, nämlich in Löningen. Darum ist es doch völlig absurd, hier Minister Lies und dem Umweltministerium ein Nicht-Handeln vorzuwerfen. Das können Sie doch in keinster Weise tun.

Herr Birkner war etwa anderthalb Jahre Umweltminister. Stefan Wenzel war es fünf Jahre. Da ist nicht so viel passiert, wie jetzt in zweieinhalb Jahren in diesem Ministerium passiert ist, weil grundsätzliche Dinge geändert worden sind. Das sind doch die Tatsachen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Vielleicht noch ein paar grundsätzliche Dinge aus Sicht der Koalition. Wir wollen natürlich die Deiche schützen - und darum müssen wir auch die Deichschäfer schützen -, weil wir auch Küstenschutz betreiben müssen. Darum müssen wir tatsächlich auch über ein gewisses Zonenmanagement nachdenken. Ich sage noch einmal ganz deutlich: Hier wurde eine Menge getan. Der Schutz des Wolfes ist wichtig. Ich denke, darin sind wir uns alle einig. Aber dieser Schutz muss auch seine Grenzen haben, meine sehr geehrten Damen und Herren. Die Menschen dürfen nicht den Eindruck haben, dass der Staat sie an der Stelle ganz alleine lässt. Das tun wir mitnichten. Das Land Niedersachsen handelt an der Stelle sachlich und fachlich richtig und vor allen Dingen auch zügig.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Bosse.

(Eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter der Landtagsverwaltung desinfizieren das Redepult)

- Danke schön.

Meine Damen und Herren, wir können fortfahren. Es spricht jetzt für die CDU-Fraktion Kollege Martin Bäumer. Herr Bäumer, Sie haben das Wort.

(Beifall bei der CDU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Märchen vom Rotkäppchen und dem Wolf geht es am Ende für die Beteiligten gut aus, weil es einen Jäger gibt, der sich um den Fall kümmert, die Großmutter und das Rotkäppchen rettet und den Wolf durch die Kraft der Gravitation tötet. Das ist unromantisch, aber es funktioniert.

Die aktuelle Jagd auf den Wolf in Niedersachsen war bislang leider nicht von Erfolg gekrönt. Das liegt allerdings weniger an den Jägern - in Niedersachsen gibt es ja immerhin 60 000 von ihnen -, sondern vielmehr an anderen Umständen. Den Bestand der Wölfe zu regulieren, würden die Jäger sicherlich schaffen, wenn es möglich wäre, sie so zu beauftragen, dass sie keine rechtlichen Konsequenzen befürchten müssen. Aktuell ist es leider so, dass es bestimmte Gruppen in diesem Land gibt, die sich überhaupt nicht scheuen, die Namen dieser Jäger zu veröffentlichen, um ihnen damit Angst zu machen, und zu sagen: Wenn du einen Wolf schießt, dann musst du aufpassen, dass wir nicht vor deiner Tür stehen. - Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann doch wohl nicht sein.

(Beifall bei der CDU)

Eine konsequente Bejagung der Wölfe, die mehrfach vermeintlich sichere Zaunanlagen überwinden oder sich den Menschen ohne Scheu nähern, würde auch den Weidetierhaltern das Leben erleichtern. Vielen Wolfsromantikern ist leider immer noch nicht klar, dass die Weidewirtschaft in Niedersachsen elementarer Grundpfeiler einer offenen Kulturlandschaft ist. Wo kein Vieh mehr weidet, sind früher oder später das Grünland und mit ihm - das muss man wissen - alle wertvollen Vogelarten weg, die eine offene Landschaft brauchen. Wiesenvögel brüten auf Wiesen, andernfalls würden sie ja Waldvögel heißen.

Das gilt ganz besonders für unsere Heidelandschaft, die ohne Schafe gnadenlos verbuschen würde. Es gibt aktuell für die Lüneburger Heide eine Naturschutzgebietsverordnung, die ist im Entwurf. Dort heißt es interessanterweise, dass Zaunanlagen erlaubt sind, aber nur, wenn sie tierschutzgerecht, ortsüblich oder landschaftsangepasst sind. Ich frage mich, wie man es sicherstellen will, dass man tierschutzgerechte Zäune hat, die verhindern, dass der Wolf die Schafe frisst, während auf der anderen Seite ortsübliche Zäune errichtet werden. Das wird für die Menschen vor Ort ein Problem sein. Damit dürfen wir sie nicht alleine lassen.

Wenn sich Wölfe im Gebiet des VNP - wie es auf aktuellen Videos zu sehen war - ohne Scheu den Schäfern und den Schafen nähern, dann zeigt das sehr deutlich, dass in Niedersachsen Handlungsbedarf besteht und dass man etwas tun muss. Solche Wölfe müssen konsequent entnommen werden.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es mir schleierhaft, wie sich mancher Naturschutzverband einzig und allein darauf konzentriert, den Wolf zu retten, und dabei übersieht, dass damit die Weidetierhaltung gefährdet wird und viele andere Tierarten aussterben werden. Das Mufflon ist schon ausgerottet worden, und die Wiesenvögel werden vermutlich die nächsten Opfer sein, und das nur, weil es Wolfsromantiker gibt, die gegen die Entnahmeanordnung des Ministeriums klagen und damit kurzfristig vielleicht das Leben von ein paar Individuen retten. Der Wolf ist nicht gefährdet, vielleicht sind es einzelne Individuen. Langfristig wird damit die Akzeptanz für den Wolf in Niedersachsen komplett vernichtet. Unser Umweltminister hat recht, wenn er sagt, dass solch ein Handeln pure Menschenfeindlichkeit ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Kollege Bosse hat vorhin davon gesprochen, dass Schafe auch wichtig für die Deiche sind. Wir waren mit den Arbeitskreisen von SPD und CDU im März beim Artlenburger Deichverband. Dort an der Elbe werden kilometerlange Deiche ohne Romantik, aber mit Blick auf Ökonomie und Ökologie durch Schafe unterhalten. Eine Lösung für das, was der Wolf verursacht, ist bislang nicht in Sicht. Denn eine rein technische Pflege der Deiche wäre nicht bezahlbar, und vermutlich müssten die Beträge der Deichverbände deutlich erhöht werden. „Feste Zäune“ - das hört sich gut an. Aber sie sind bei

Hochwasser der Deichverteidigung im Weg. Und Herdenschutzhunde mögen auf einsamen Wiesen hilfreich sein, aber beim Kampf mit dem Radfahrer an der Elbe weiß ich, wer am Ende gewinnen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es braucht Lösungen. Das Bundesnaturschutzgesetz war ein wichtiger Schritt, aber es müssen konsequent weitere Schritte gegangen werden. Ich glaube, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist an der Zeit, dass wir uns vielleicht auch über das System der Wolfsberater Gedanken machen. Im Matthäus-Evangelium, in Kapitel 6, Vers 24, heißt es: Niemand kann zwei Herren dienen. - Deshalb erwarten wir Politiker zu Recht, dass die Wolfsberater ihr Amt neutral ausüben.

Ich weiß nicht, ob es unter Neutralitätsaspekten akzeptabel ist, wenn Wolfsberater Mitglied im Freundeskreis freilebender Wölfe sind, wenn solche Wolfsberater morgens bei Schäfern tote Tiere begutachten und nachmittags Klagen einreichen.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich kann auch die Frage nicht beantworten, ob man gleichzeitig Wolfsberater und Wolfsbotschafter sein kann. Aber wenn ich ein betroffener Tierhalter wäre, dann würde sich mir die Frage stellen, ob die zwingend notwendige Neutralität der Wolfsberater gewährleistet ist. Wenn in einer Schulungsunterlage, meine sehr geehrten Damen und Herren, für Wolfsberater der Hinweis steht, man solle den Tierhalter um warmes Wasser, Handtuch und Seife bitten, damit der Tierhalter beschäftigt ist und man einen Moment Ruhe zur Begutachtung hat, ist auch das keine vertrauensbildende Maßnahme.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in den vielen Jahren, in denen wir uns hier mit dem Wolf beschäftigt haben, ist die Zahl der Fragen leider deutlich größer geworden. Wir können zu Recht verstehen, dass die Tierhalter Antworten erwarten, damit ihnen geholfen wird.

Lassen Sie mich abschließend zum Kollegen Meyer einen Satz sagen: Wissen Sie, Herr Kollege Meyer, die Tierhalter wollen kein Geld. Sie wollen keine toten Schafe.