Protokoll der Sitzung vom 13.05.2020

Tagesordnungspunkt 17: Mitteilungen der Präsidentin

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 18; das ist die Fortsetzung der Aktuellen Stunde. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort. Die heutige Sitzung soll gegen 18.54 Uhr enden.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr die Schriftführerin Frau Menge mit. Bitte, Frau Kollegin!

Einen schönen Guten Morgen! - Entschuldigt haben sich: von der Landesregierung die Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung, Frau Birgit Honé, von der Fraktion der SPD Herr Axel Brammer und Frau Doris Schröder-Köpf, von der Fraktion der CDU Frau Gudrun Pieper und von der Fraktion der AfD Herr Stefan Henze.

Vielen Dank, Frau Kollegin.

Ich darf um Ihre Aufmerksamkeit bitten. Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 18: Aktuelle Stunde

Ich eröffne die Besprechung zu

a) Kitas zu, Eltern am Limit! Familien jetzt besser unterstützen! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/6436

Das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Herr Bajus. Bitte, Herr Kollege!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Aus den Schreiben von Familien, die wir alle diese Tage bekommen, spricht immer häufiger Verzweiflung. Die Facebookgruppe Eltern Initiativ #elterninderkrise zählt bereits über 11 000 Mitglieder. Auf Twitter finden sich unter den Hashtags #CoronaEltern oder #WirSindMehrAlsEltern dramatische Einträge.

„Ich werde weder meinem Kind noch meinem Beruf gerecht. Jeder Tag fühlt sich nach Scheitern an“, zitiert die Welt die Mutter einer Dreijährigen. Ich befürchte, wenn es dieser Emotionalisierung, dieser Verbalisierung der Elternnot braucht, um das Thema überhaupt auf die politische Agenda zu hieven, verspielt Politik gerade sehr viel Vertrauen bei den Familien.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, hier geht es nicht um Luxusprobleme. Die Familie ist grundgesetzlich geschützt. Seit 2013 gibt es das Recht auf einen Kita-Platz. Familien sind das Herz unserer Gesellschaft. Wir freuen uns über jedes neue Baby. Im Übrigen: an dieser Stelle herzlichen Glückwunsch, liebe Eva Viehoff, zum ersten Enkelkind.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Und Frauen - das wissen Sie am allerbesten - haben erst mit der flächendeckenden Kita eine reale Chance auf einen fairen Zugang zur Berufstätigkeit. All das ist jetzt in Gefahr. Ich hoffe, die Prognose der Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin, Jutta Allmendinger, geht fehl, dass uns Corona im Kampf um Gleichberechtigung um drei Jahrzehnte zurückwerfen wird. Meine Damen und Herren, das darf nicht sein. Das dürfen wir nicht zulassen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine umfangreiche Befragung, die die Landeselternvertretung der Kitas durchgeführt hat, zeigt, wie verbreitet die Problemlagen sind. Die Sprecherin Christine Heymann-Splinter beschreibt die Situation vor Kurzem in der NOZ:

„Die Eltern sind am Limit, mehr denn je. Die meisten Gespräche, die wir führen, verlaufen nicht ohne Tränen.“

Drei Viertel der in dieser Umfrage befragten Eltern fordern eine Öffnung noch vor den Sommerferien. Eltern fragen sich, ob sie eigentlich keine Lobby haben. Warum gibt es Autogipfel, aber keinen Familiengipfel? Warum fordert der Ministerpräsi

dent Autokaufprämien, aber nicht zugleich ein Corona-Elterngeld?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn es im Land doch Kapazitäten gibt, Hygienepläne für die Fußballbundesliga zu prüfen, aber für Kitas keine Lösungen da sind, stimmen unsere Prioritäten eigentlich?

Für rund 350 000 Kinder ist die Kita seit acht Wochen geschlossen. Nach dem Plan der Landesregierung soll das weitere elf Wochen so bleiben. Die Hälfte der Kinder wird bis dahin nicht mal in die Notbetreuung können. Ob man die nutzen kann, ist mitunter Glücksspiel - wie in Osnabrück, wo das Los entscheidet, oder in Duderstadt, wo die Stadt einer alleinerziehenden Mutter mit Hinweis auf den doch verfügbaren, aber 200 km entfernt wohnenden Vater den Platz zurzeit verweigert.

Meine Damen und Herren, natürlich, die Frage, wie Kita-Öffnung und Arbeits- und Infektionsschutz zusammengehen können, ist eine Herausforderung. Aber wir haben wenig Verständnis dafür, warum man die lange Zeit des Shutdowns nicht genutzt hat, um bessere Pläne für eine Öffnung zu machen. Als dann Mitte April die Notbetreuung erweitert wurde, war vor Ort viele Tage unklar, wer davon denn nun profitieren soll.

Kita-Gebühren? - Ein einziger Flickenteppich in unserem Land! Unser Vorschlag, feste private Betreuungsgruppen zuzulassen, wurde lange ignoriert. Die aktuelle weitere Öffnung der Notbetreuung trifft die Träger offensichtlich völlig unvorbereitet. Meine Damen und Herren, das darf so nicht weitergehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Warum binden Sie die Träger eigentlich nicht besser in die Strategiebildung ein? Das, was Sie bisher vorgelegt haben, reicht jedenfalls nicht, ist häufig unausgegoren oder kommt zu spät. Andere, nicht nur Dänemark und Norwegen, auch viele Bundesländer sind doch sichtbar weiter.

Klar muss uns aber auch sein: Selbst wenn alles optimal laufen würde, die Kita-Kapazitäten bleiben zu knapp. Um den Druck aus den Familien und aus den Kitas zu nehmen, brauchen wir endlich einen besseren Kündigungsschutz für die betroffenen Eltern, eine Verlängerung der Zahlung des Elterngelds und die Absenkung der Anspruchsvoraussetzungen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Homeoffice ist keine Alternative. Wer das glaubt, hat noch nie kleine Kinder betreut - wie offensichtlich auch gerade Macher bzw. Macherinnen eines Muttertagsvideos aus dem Gesundheitsministerium bewiesen haben. Meine Damen und Herren, schauen Sie sich das an! Das ist wirklich peinlich.

Zum Schluss noch ein Punkt: Circa 250 000 Kinder bekommen derzeit keine kostenlose warme Mahlzeit in Kita oder Schule. Während man in anderen Bundesländern immerhin Essenpakete ausgibt, gibt es vom Kultusminister hierzu im Ausschuss leider nur ein Schulterzucken. Davon, meine Damen und Herren, wird aber kein Kind satt in unserem Land. Dabei sind doch gerade jetzt die armen Haushalte unter Druck. Die Lebensmittelpreise steigen, die Tafeln arbeiten nur eingeschränkt oder sind geschlossen. Es gibt hier dringenden Handlungsbedarf.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zudem - und damit komme ich zum Schluss - würde eine Essensausgabe auch dabei hilfreich sein, Kontakt zu den besonders gefährdeten Kindern zu halten und Kindeswohlgefährdungen zu vermeiden. Warum setzen Sie sich dann nicht wenigstens auf Bundesebene für einen Zuschlag zur Grundsicherung ein? Alle diese Kinder und ihre Familien stehen jetzt allein da. Meine Damen und Herren, das ist weder christlich noch sozial. Sorgen Sie endlich dafür, dass die Corona-Krise nicht noch mehr zur Familienkrise wird!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bajus.

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult)

Es folgt Herr Kollege Politze für die SPD-Fraktion. Sie können sich schon mal auf den Weg machen. Bitte, Herr Kollege!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dem Redebeitrag eben schwang ja ein bisschen mit, dass diese Landesregierung nicht handeln würde oder aber keinen Plan hätte. Dem ist nicht so, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Deswegen möchte ich gern zu Anfang ein Zitat des Ministerpräsidenten aus der gestrigen Regierungserklärung wiederholen,

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Zitieren Sie mal die Eltern!)

das ziemlich wichtig ist - Frau Staudte, auch Sie sollten sich das vielleicht anhören -:

„Alles, was wir tun, ist darauf ausgerichtet, Menschenleben zu retten.“

Das war ein Satz, den der Ministerpräsident in seiner Rede gesagt hat. Diese Abwägung leitet diese Landesregierung bei all den Entscheidungen, die getroffen werden, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Bei den Schlachthöfen würde ich mir das sehr wünschen!)

Ja, die Herausforderung von Eltern mit Kindern im Kita-Alter war und ist in der Corona-Krise riesig. Wir haben vollstes Verständnis für die schwierige Situation und die Schwierigkeit des erzwungenen Spagats zwischen Kinderbetreuung und Berufsleben. Und ja, die Eltern sind am Limit, weil es Corona gibt, und nicht, weil es der Kultusminister so will, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Aufgrund des Infektionsgeschehens in unserem Bundesland waren allerdings tiefgreifende Maßnahmen und tiefgreifende Einschnitte nötig. Aber inzwischen gibt es zu Recht auch Lockerungen dieser Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus angesichts der sinkenden Infektionszahlen. Das gibt Eltern wieder langfristige Planungssicherheit und Perspektive, die sie lange vermisst haben. Deswegen sind diese Schritte so wichtig. Die ersten sind am 19. April gegangen worden. Am 3. Mai beschloss das Kultusministerium dann, erste Schritte aus der Notbetreuung herauszugehen und damit einen Phasenplan in Richtung Normalität zu entwickeln.