Protokoll der Sitzung vom 13.05.2020

Aufgrund des Infektionsgeschehens in unserem Bundesland waren allerdings tiefgreifende Maßnahmen und tiefgreifende Einschnitte nötig. Aber inzwischen gibt es zu Recht auch Lockerungen dieser Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus angesichts der sinkenden Infektionszahlen. Das gibt Eltern wieder langfristige Planungssicherheit und Perspektive, die sie lange vermisst haben. Deswegen sind diese Schritte so wichtig. Die ersten sind am 19. April gegangen worden. Am 3. Mai beschloss das Kultusministerium dann, erste Schritte aus der Notbetreuung herauszugehen und damit einen Phasenplan in Richtung Normalität zu entwickeln.

Und ja, vom Kultusministerium wird dabei weiterhin auf Sicht gefahren, und das ist auch richtig so, meine sehr geehrten Damen und Herren. Auch da darf ich den Herrn Kultusminister zitieren, Freitag, den 8. Mai, im Kultusausschuss: Es gibt nicht den einen richtigen Weg, wir müssen immer wieder nachsteuern. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, das sollte uns leiten.

(Beifall bei der SPD)

Aber die gute Nachricht in dieser schwierigen Situation ist, dass momentan immer weitere Schritte in Richtung Normalbetrieb möglich werden, auch wenn es bis zur Normalität noch ein ziemlich weiter Weg ist und sich Eltern, Erzieherinnen und Erzieher, aber auch die Kinder weiterhin gedulden müssen, was uns nicht zufriedenstellen kann.

Für die Organisation der Notbetreuung in den Kitas sind weiterhin die Kommunen zuständig, Herr Kollege Bajus. Das ist in Niedersachsen nun mal so. Häufig versuchen Sie ja, Hamburg heranzuziehen. Hamburg und Niedersachsen: Das passt aber alleine von den unterschiedlichen Aufstellungsweisen, wie die Trägerschaft geregelt ist, nicht zusammen. Das Land Niedersachsen gibt immer orientierende Hinweise und unterstützt mit entsprechenden Empfehlungen. Der Phasenplan

kann also greifen, und bisher musste nicht abgewichen werden. Das ist die gute Botschaft. Wir sind immer einen Schritt weiter nach vorne gegangen und keinen Schritt zurück, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Seit dem 11. Mai können auch die Tagesmütter und Tagesväter wieder tätig werden, und zwar in vollem Umfang mit fünf Kindern. Das betrifft 20 000 Kinder in Niedersachsen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Seit dem 11. Mai sind wir bei fast 50 %, die in der Notbetreuung möglich sind, und liegen damit im Bundesvergleich gar nicht so schlecht. Auch dahin wird ja immer geguckt.

Baden-Württemberg öffnet erst am 18. Mai, und zwar mit knapp 50 %. Berlin liegt bei 40 %. Nordrhein-Westfalen hat überhaupt keinen Phasenplan und möchte im Juni in einen - wie auch immer gearteten - Regelbetrieb einsteigen. Sachsen wird am 18. Mai einsteigen, aber auch nur mit einem eingeschränkten Regelbetrieb. Und Bayern will nach Pfingsten mit 50 % einsteigen. Niedersachsen ist also Vorreiter bei dem, was für Eltern wichtig ist, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Herr Kollege Politze, Frau Kollegin Hamburg bittet darum, eine Frage stellen zu können. Lassen Sie dies zu?

Natürlich.

Vielen Dank, Herr Politze. - Bitte, Frau Kollegin!

Vielen Dank, Herr Politze, für das Zulassen der Frage.

Vor dem Hintergrund, dass Sie hier ja ausführen, dass man aufgrund von Corona nicht allen Eltern eine Perspektive geben kann und deswegen 50 % eben nicht von Kinderbetreuung profitieren, frage ich: Warum setzen Sie sich dann nicht für ein Corona-Elterngeld ein, damit zumindest finanzielle Belastungen und Sorgen von den Eltern genommen werden, die diesen Spagat derzeit leisten?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Bitte, Herr Kollege!

Vielen Dank für die Frage, Frau Kollegin Hamburg.

Der Kultusminister hat am Freitag im Kultusausschuss nicht gesagt, dass er sich nicht für ein Corona-Elterngeld einsetzt. Das kann er auch gleich selber wiederholen. Es gibt bundesweit Gespräche darüber, wie der Weg weitergegangen werden soll.

Zur Beantwortung Ihrer Frage zum CoronaElterngeld: Es gilt § 56 a des Infektionsschutzgesetzes, und der wird bereits genutzt.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE] spricht mit Johanne Modder [SPD])

- Vielleicht möchten Sie die Antwort hören, Frau Hamburg,

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Ja, möchte ich! Aber Frau Modder beant- wortet sie parallel!)

auch wenn Sie vielleicht multitaskingfähig sein mögen. Sie haben die Frage ja gestellt.

(Volker Bajus [GRÜNE]: Ja, und Frau Modder hat irgendwas dazwischenge- rufen! - Unruhe)

Eltern können bereits jetzt Lohnersatz in Höhe von 67 % bis maximal 2 016 Euro im Monat beantragen.

(Unruhe)

Einen Moment, Herr Politze! Sie sollen die Chance haben, dass Ihnen alle zuhören können. - Ich möchte darum bitten, die Zweiergespräche einzu

stellen und Herrn Politze die Gelegenheit zu geben fortzufahren.

Bitte!

Also: Es ist nicht so, dass Eltern keine Möglichkeit haben, etwas zu beantragen. Sie können bereits Lohnersatzleistungen beantragen, bis maximal 2 016 Euro. Das sind 67 %. Die werden direkt vom Arbeitgeber ausgezahlt. Auch selbstständige Eltern können Ersatzleistungen beantragen. Es ist mitnichten so, dass ein Corona-Elterngeld, das den Eltern derzeit nicht zur Verfügung steht, die einzige Lösung wäre. Deswegen möchte ich Sie bitten, auch das in den entsprechenden Kontext zu rücken. - Das zur Beantwortung Ihrer Frage, geschätzte Frau Kollegin Hamburg!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Ab dem 8. Juni geht Niedersachsen auch voran. Es wird offene Spielgruppen geben, die das Angebot ergänzen können. Und auch die Betreuung zu Hause durch die Elterngruppen ist nicht auf Anregung der Grünen entstanden, sondern als guter Hinweis von Ihnen, gemeinsam mit den Regierungsfraktionen und dem Kultusminister entsprechend auf den Weg gebracht worden. Aber auch da musste geklärt werden, dass es ein geschützter Raum ist, dass es immer dieselben Kinder sind, die in den Elterngruppen betreut werden, und dass auch die Eltern untereinander klar abgrenzbar sind, um Infektionsketten entsprechend nachvollziehen und unterbrechen zu können.

All das ist, glaube ich, ein wichtiger Kontext, um zu zeigen: Niedersachsen geht dieses Thema mit Augenmaß an. Wir sind gut beraten, diesen Weg mit Augenmaß weiterhin fortzusetzen. Wenn ich mal auf Italien gucke: Da ist bis September das gesamte Bildungswesen ausgesetzt.

Also: Wir sind in Niedersachsen, glaube ich, gut dabei. Wir gehen gut mit der Krise um. Wir werden immer nachsteuern, so wie der Minister es gesagt hat, und werden immer weitere Möglichkeiten dafür schaffen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Zum Abschluss möchte ich darauf hinweisen, dass wir Sie als Opposition recht herzlich einladen, diesen kritischen Diskurs mit uns weiterzuführen, es konstruktiv voranzubringen, den Kultusminister dabei zu unterstützen, dass wir diesen Weg entsprechend weitergehen können. Diese Krise ist eine Herausforderung, und nicht die Politik der

Landesregierung ist eine Herausforderung, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank.

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult und das Saalmikrofon)

Für die FDP-Fraktion folgt nun Herr Kollege Försterling. Bitte, Herr Kollege!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege Politze hat eben, glaube ich, sehr gut deutlich gemacht, wie gut die Mitglieder des Niedersächsischen Landtages eigentlich durch diese Krise kommen: kein Kurzarbeitergeld, flexible Arbeitszeiten, flexible Möglichkeiten, auch im privaten Umfeld zu unterstützen oder die eigenen Kinder zu betreuen. Die Realität von vielen Familien in Niedersachsen hat er damit aber nicht getroffen und nicht wahrgenommen.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Die Familien in Niedersachsen, die Familien in der gesamten Bundesrepublik sind diejenigen, die die Hauptlast der Corona-Krise tragen, sei es einmal in wirtschaftlicher Hinsicht, nämlich durch Verlagerung von wirtschaftlichen Folgekosten der CoronaKrise durch das Kurzarbeitergeld auf die Familien. 67 % der Nettolohndifferenz sind eben schon ein Unterschied zu den vorherigen 100 % Bruttoarbeitslohn. Das ist eklatant, und das setzt auch viele Familien psychologisch unter Druck, weil sie Existenzängste haben.

Das andere ist die zusätzliche Belastung durch die aufgebürdete Kinderbetreuung. Natürlich betreuen alle Eltern ihre Kinder gerne - ohne Frage! Aber das ist eben eine Belastung. Homeoffice und Kinderbetreuung oder Lernbegleitung der Kinder sind eben zwei Jobs, die wir den Familien aufbürden. Und im Ergebnis - das ist nun einmal ein Großteil der gesellschaftlichen Realität - sind es die Frauen, die die Last dieser Arbeit tragen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Deswegen muss unser Engagement auch der Frage gelten, wie wir den Familien in unserem Land wieder Perspektiven aufzeigen - Perspektiven zum einen in der Frage, wie wir die Wirtschaft

aus der Krise kriegen, damit die Existenzängste aufhören. Es ist nicht die Frage von Kaufprämien, warum beispielsweise Familien aktuell davon Abstand nehmen, ein neues Auto zu kaufen, sondern es ist die Frage, wie ich das Auto in den nächsten Jahren das Auto finanzieren kann, wenn ich plötzlich feststelle, dass mein immer sicher geglaubter Job von heute auf morgen wegfallen kann und ich in Kurzarbeitergeld falle. Und dann habe ich auch noch Probleme, weil ich die Kinderbetreuung organisieren muss, und vielleicht auch Sorge, dass mein Arbeitgeber mir irgendwann die Frage stellt, ob ich nicht mal wieder in das Unternehmen kommen möchte, und mein Arbeitgeber vielleicht irgendwann feststellt, dass die zwei Jobs, die ich gerade mache, eine extreme Belastung sind. Wir wünschen uns doch auch nicht, dass die Kinder darunter leiden, dass also der Druck in der Familie am Ende beim Kind landet. Eigentlich wünschen wir uns ja, dass im Homeoffice die Arbeit darunter leidet, aber nicht das Kind. Aber was sagt der Arbeitgeber irgendwann dazu? Auch diese Ängste beschäftigen die Familien.

Darauf müssen wir Antworten geben. Eine Antwort muss sein, dass wir schnellstmöglich wieder Kinderbetreuung in diesem Land ermöglichen. Ja, es ist schön, für 50 % der Kinder Betreuung in Aussicht zu stellen. Aber was passiert mit der anderen Hälfte bis zum 1. August? Es ist auch für die Kinder zu wenig, dass an einem bis zwei Nachmittagen in der Woche Angebote gemacht, Spielzeiten eingerichtet werden. Es ist schön, wenn die Kinder dann wieder auf Gleichaltrige treffen können. Aber das sorgt nicht für die Behebung des Betreuungsnotstandes in den Familien. Deswegen muss klar sein: Wir brauchen feste Regelungen!

Herr Minister, die Vorschläge haben wir seit Wochen präsentiert. Wir haben immer gesagt: Machen Sie feste Regelungen! Legen Sie die Gruppengröße von Beginn an auf fünf Kinder fest! Senken Sie in den Einrichtungen mit mehreren Gruppen die Betreuungsrelation, damit eine Erziehungsfachkraft fünf Kinder vormittags und eine andere Erziehungsfachkraft fünf Kinder nachmittags betreuen kann und damit es in der Einrichtung immer noch zumindest einen Springer gibt. Wir haben Ihnen schon vor Wochen gesagt: Ermöglichen Sie doch wenigstens die nachbarschaftliche Hilfe! - Es hat wochenlang gedauert.

(Zuruf von Kai Seefried [CDU])

- Ja, Herr Kollege Seefried, wir sind seit acht Wochen in der Krise. Deswegen war es auch fernab

der Realität, dass Herr Politze gesagt hat, dass das wegen der Entschädigung, die nach Infektionsschutzgesetz für sechs Wochen gezahlt wird, doch kein Problem sei. Wir sind seit acht Wochen in der Krise. Seit acht Wochen sind die Familien zu Hause und übernehmen die Betreuung. Seit zwei Wochen wird Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz schon gar nicht mehr gezahlt.

(Beifall bei der FDP)